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Der Grundgedanke des Freimaurerbundes ist identisch mit der Lehre Jesu von einem Reiche Gottes auf Erden.
Die Grundlage des Reiches Gottes ist, dass wir aus Menschen von Erde Kinder Gottes werden.
Durch seine irdische Geburt steht der Mensch in dem Lebenskreise der Thierwelt. Die Selbstsucht ist seines Wesens Inhalt. Darum kann auch in dieser thierischen Lebenssphäre kein Ideal der Glückseligkeit Wahrheit werden, dort ist nichts als Hass und Selbstsucht und der rücksichtsloseste Kampf ums Dasein.
Durch unsere irdische Geburt stehen wir auch im vergänglichen Loose des Irdischen. Kein ewiges Licht überstrahlt die düsteren Schatten des Todes. Kein Gesetz der Ewigkeit kann das Verhängniss der Zeit, den Untergang des Irdischen in dem Kreislaufe der Natur, hindern. Erde zur Erde.
Aber in jedem Menschen liegt der Keim seines neuen Werdens. Jedes Menschen Bestimmung ist, dass die Menschwerdung Gottes an ihm sich vollziehe; Alle sind zur Gotteskindschaft und zum Loose der Ewigkeit berufen.
Dieser göttliche Lebenskeim in uns ist es allein, was den thierischen Menschen von der übrigen Thierwelt unterscheidet. Aber dieser Vorzug tritt erst dann in die Erscheinung, wenn ein göttliches Werden im Menschen begonnen hat. Sonst ist noch nichts an ihm als thierisches Leben und Streben, thierische Triebe und thierische Gemeinheit.
Was wir als Sünde und Laster bezeichnen, ist vom Standpunkte des thierischen Lebens keine Sünde und kein Laster, sondern voll berechtigt und angemessen. Es giebt kein Verbrechen, welches nicht in der angeborenen thierischen Natur begründet wäre.
Erst mit einer neuen Geburt im Geiste bilden sich im Menschen die Begriffe der Tugend. Die Tugend ist nicht Eigenschaft des irdischen Lebens, sondern des höheren göttlichen Wesens. Die höchste Tugend ist die Liebe. Gott ist die Liebe.
Der in Gott neu geborene Mensch kann nicht anders handeln, als nach diesem göttlichen Gesetze. Und wenn er jemals sich vom rechten Wege verirren sollte, so ruft ihn die Stimme Gottes zurück.
Das ist die Gerechtigkeit des Reiches Gottes. Diese höhere, in den Geboten einer neuen geistigen Welt begründete Gerechtigkeit, dieses in Gott uns angeborene Gesetz kann alle weltlichen Strafgesetze überflüssig machen.
In der Gerechtigkeit des Reiches Gottes liegen alle Heilmittel für unsere kranke Zeit. In ihr lösen sich alle brennenden Fragen, in ihr versöhnen sich alle Gegensätze, durch sie kommt Friede und Seligkeit in alle Menschenherzen.
Ein einziges Bruder- und Schwesterthum aller Menschen als Kinder Gottes, von der Gerechtigkeit des Reiches Gottes regiert und durch Liebe innig verbunden – das ist das leuchtende Ideal des von Jesu gegründeten Gottesreiches. Selig in der Gemeinschaft Gottes und freudig hinüber blickend über das Grab in die neue geistige Heimath – das ist der Zustand der Gottseligkeit, zu welcher Jesus die Menschheit führen wollte.
Alle Humanität ist leerer Schall, sofern sie an den thierischen Menschen Anforderungen stellen und die Menschen in thierischen Lebenssphären als vollberechtigte Menschen anerkennen will. So lange der Mensch seiner höheren Bestimmung nicht gerecht wird, ist er kein Mensch in der eigentlichen Bedeutung des Wortes. Die Menschenwürde fängt erst da an, wo das, was von Staub an uns ist und unser Wesen beherrscht, seine Herrschaft über uns verliert, wo das Licht der Ewigkeit unsere Augen hell macht und die Gerechtigkeit des Reiches Gottes unser bürgerliches Gesetzbuch wird.
Die Lehre Jesu vom Reiche Gottes ist die wahre Humanität. Hier ist der Einigungspunkt, wo alle Trennungen beseitigt, wo alle Gegensätze versöhnt und die Einheit des Maurerthums hergestellt werden kann, sofern wir weitsichtig genug sind, uns auf die über allem Confessionalismus erhabene höhere geistige Warte zu stellen. Wenn wir das als Maurer nicht können, dann sind wir nicht die Ritter vom Geiste, welche auf eine führende Rolle bei der Menschheit Anspruch erheben können. Dann ist unser Maurerthum nichts als ein tönendes Erz und eine klingende Schelle.
Der Einheitsbund deutscher Freimaurer will den Maurerbund zu neuer Lebensthätigkeit aufrichten. Unter dem alten, verloren gewesenen Banner will er alle Diejenigen sammeln, welche für das Reich Gottes zu streiten gewillt sind. Ein neues Liebesband soll die in ihm Verbundenen fest umschlingen. Nicht ein Liebesband, welches nur sogenannte Christen sucht und vor der Berührung mit Juden und Heiden zurückschreckt, sondern ein Liebesband edler vergeistigter Menschlichkeit, welches keinen anderen Unterschied kennt, als Menschen von Erde und Kinder Gottes.
Schon hat unser Einheitsbund viele erfreuliche Zusagen gefunden. Wir hegen die Zuversicht, dass immer mehr freie vorurteilslose Brüder, die hervorragendsten Kräfte des Bundes sich ihm anschliessen werden, damit er werde der feste starke Fels in allen maurerischen Strömungen und der Führer in eine neue Zeit.
Br. Friedrich Holtschmidt.