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(Vortrag zum Schwesternfeste.)
Wie der Freimaurerbund meist in Symbolen redet, welche in allen Sprachgebieten der Erde dieselbe Bedeutung haben und darum allen Maurern gleich verständlich sind, so hat auch das öffentliche Leben vielerlei symbolische Ausdrucksweise. Ein täglich uns vor Augen tretendes Sinnbild ist die Blume; sie hat sehr vielseitige Bedeutung. Indem man einzelnen Blumen bestimmte Begriffe beilegte, hat sich daraus eine allgemeine Blumensprache herausgebildet. Aber es würde zu weit führen, das umfangreiche Gebiet der Blumensprache jetzt eingehend zu erörtern. Ich will nur eine Blume besonders hervorheben und dann über die Blumen als Sinnbild im Allgemeinen sprechen.
Die Rose ist für den Maurer ein bedeutsames Zeichen. Mit ihr, der Königin der Blumen, schmücken wir uns an dem höchsten Festtage unseres Bundes. Ihre in dem Lichte des Hochmittags strahlende Schönheit deutet auf den sonnigen Hochmittag des Lichtes hin, welcher in dem geistigen Leben der Menschheit einst durch uns kommen soll. Die Rose ist ein Symbol sittlicher Reinheit, der Unschuld und Tugend. Die liebliche Rosenknospe bedeutet das noch von keinen Täuschungen des Lebens getrübte, von hohen sonnigen Idealen erfüllte Menschenherz, welches heiliger Begeisterung voll sich aufschliessen will und leuchten in seiner Ideale sonnigem Glanz. Im Anschauen der Rose werden alle Ideale des Maurerthums in uns lebendig.
In der Blumensprache redet die Rose die Sprache der Liebe. So deutet sie auch hin auf die Liebe, welche das Band unserer Gemeinschaft durchzieht. »Vergiss für mich die Rose nicht« – diese Worte des maur. Liedes enthalten den Wunsch, dass wir für die Liebe, welche wir geben, auch durch Liebe gesegnet sein möchten, dass wir für Alles, was wir nach unserer geringen oder grösseren Kraft dem Bunde sein wollen, auch Anerkennung erhoffen. Vergiss für mich die Rose nicht – das klingt auch von den Gräbern heim gegangener Schwestern und Brüder mit Geisterstimmen in unsere Seele. Das ist der letzte Wille und der innige Wunsch unserer Abgeschiedenen gewesen, dass wir sie nicht vergessen, sie nicht loslassen sollen, wenn auch das irdische Band sich gelöst hat; dass sie in unserer Liebesgemeinschaft in Liebe und in Ehren alle Zeit dauern und sie in unseren Herzen fortleben bis zu einer seligen Wiedersehens Zeit. Vergiss für mich die Rose nicht – das wird in unserer letzten Stunde auch unsere Bitte, unser Wunsch sein. Auch wir möchten dann nicht vergessen werden.
In allem Geschick des Erdenlebens, in aller Freude und allem Schmerz bringen wir unsere Empfindungen durch die Sprache der Blumen zum Ausdruck, aber es ist immer eine Sprache der Liebe. Der Eintritt in das Leben und der Austritt aus dem Leben, sowie alle bedeutsamen Momente in demselben sind von allerlei Blumenspenden umgeben.
Der duftige Blumenstrauss zum Geburtstage bringt Grüsse der Liebe und Wünsche für ein glückliches, mit hellen Frühlingsblumen sonnig umkränztes Leben.
Vor dem Altare, wo der Jüngling und die Jungfrau eingesegnet wurden zu gemeinsamer Wanderung durch dieses Leben, streuen wir Blumenblätter hinaus auf ihren Weg. Es soll ihnen andeuten den liebreichen Wunsch, dass sie in einem ewigen Herzensfrühling wandeln möchten durch ihren Lebensfrühling und auch durch ihren Herbst hindurch bis ans Ende.
Der Kranz, welchen wir geliebten Verstorbenen auf ihr Grab legen, bedeutet »die Liebe hört nimmer auf«. Und auch das Bewusstsein ist damit zum Ausdruck gebracht, dass wir sie nicht für verloren erachten, wie ein im Sturme des Herbstes abgefallenes Blatt, sondern dass wir sie lebendig und fortblühend wissen in einem neuen ewigen Frühling, zu welchem aus dem Aufblühen und Staubwerden der Erde auch unsere Seele emporstrebt.
Auch auf unserer Gruft werden einst Kränze liegen als Sinnbild der Liebe, welche uns nicht loslassen will, sondern uns festhält in treuem, unvergänglichem Angedenken.
Als Sinnbild des über alle Gräber triumphirenden Glaubens wird auch unser Ausgang einst mit Blumen umkränzt sein, wenn wir aus der irdischen Wohnstätte heimkehren in die neuen Wohnstätten des Friedens und ewigen Lebens. O mögen dann jene Blumen auch für uns bedeuten, dass unser Glaube hier aus dem Loose der Erde sich erhoben hat zum Ausblick in eine neue Welt, dass wir nicht mit Jammer und Zagen auf die Zersetzung unseres Irdischen, auf das Grab geblickt haben, sondern mit dem seligen Frieden eines Kindes, welches heimkehren soll ins Vaterhaus. Dort wird ja Gott abwischen alle Thränen von unseren Wangen. Dort werden Diejenigen, welchen wir hier bei ihrem Scheiden von uns Kränze der Liebe geweiht haben, mit neuen Kränzen aus unverwelklichen Blumen uns freudig entgegeneilen und unsere Stirne schmücken mit dem ewigen Frühling, in dem wir dann und mit ihnen auf ewig wohnen und selig sein sollen, wo kein Scheiden und kein Herzeleid mehr ist. So deutet der vergängliche Kranz irdischer Blumenfülle von den Gräbern hinüber auf das ewig blühende Leben jenseits des Irdischen, in unseres Geistes sonniger Heimath. Möchten wir von diesem Bewusstsein stets erfüllt sein, so oft wir Särge geliebter Menschen schmücken; möchten wir so auch unseres einstigen Heimganges gedenken.
Wie manchmal hat ein blühender Blumenstrauch durch allerlei Berührungspunkte eine dauernde innige Bedeutung erlangt. Einem in Siechthum liegenden Kinde ist eine blühende Pflanze von liebreicher Hand gewidmet worden. Sie steht neben seinem Schmerzenslager. In allen Schmerzen blicken die kranken Augen auf das blühende Leben der Blume. Der Blick wird heller und sonnige Hoffnungsstrahlen durchziehen die Seele. Und über das kranke, verwelkende Kind kommt ein Sonnenglanz des ewigen Frühlings, zu welchem der liebreiche himmlische Vater es so früh empor ziehen will. Im geistigen Anschauen dieses ewigen Frühlings lächelt es in Schmerzen. Von Frühlingsseligkeit erfüllt zieht es heim ins Vaterhaus.
Und nun wird die blühende Pflanze das Sinnbild der in einem rauhen Sturm des Frühlings für diese Erde abgestorbenen Blume, welche in einen ewigen Frühling hinübergewachsen ist. Sie wird das Symbol der über das Grab hinaus dauernden Liebe, welche den Liebling festhält in liebreichem Schmerze, aber auch in eines seligen Wiedersehens Hoffnung. Alle liebreiche Pflege, welcher das gestorbene Kind nicht mehr bedarf, wird nun verwendet auf das Vermächtniss, welches es als eine sichtbare Erinnerung den Seinigen in dieser Blume hinterlassen hat, die seines Lebens Freude und in Leiden sein Trost war. In ihr lebt das Kind auch im irdischen Vaterhause fort. Glaube, Liebe, Hoffnung – das ist die Sprache dieser Blume geworden.
Ein junger Mann war in seiner frühen Jugend aus seiner Heimath ausgewandert nach einer fremden rauhen Zone, um dort sein Glück zu suchen. In dem Getriebe der Welt hatte er die schöne Heimath ganz vergessen. Er war nicht glücklich, aber er war sich der Ursache nicht bewusst. Die Ursache seines Unfriedens war, dass er sich abgelöst hatte von der Heimath und dass sie darum, wenn auch nur aus der Ferne, sein Herz nicht mehr segnen konnte. Da fand er einst an seinem Wege eine heimathliche Blume. Die Blume war unbekannt in jenem Lande, aber er kannte sie. Es war ihm, als ob durch sie die Heimath ihn grüsste. Er nahm die Blume mit, pflanzte sie ein und stellte sie in seine Kammer. Nun fing die Blume dort an, ihm zu reden von seiner sonnigen Heimath. In ihrem lieblichen Dufte zog das selige Bewusstsein einer Heimath wieder durch seine Seele. Alle Ideale aus der schönen seligen Jugendzeit, welche er in seinen materiellen Bestrebungen längst vergessen und verloren hatte, leuchteten wieder hell glänzend vor ihm auf. Aus den leuchtenden farbenreichen Blumenkronen senkten sich auf ihn hernieder selige Träume von Heimathglück und Frieden. Die Heimath hatte den fern von ihr Irrenden wieder gewonnen und zog mit ihren Liebesbanden ihn immer inniger an sich. In trüben Stunden redete diese Blume der Heimath ihm Trost ins Herz, er war nicht mehr einsam und verlassen, wenn er der Heimath gedachte. Neuer Muth und neue Lebenskraft erfüllten ihn. Und heimzukehren war nun sein seligstes Hoffen.
Auch das Land, wo wir wohnen, ist nicht unsere Heimath. Wir sind Fremdlinge hier. Wie viele Menschen haben ihre sonnige Heimath vergessen und wandeln nun auf rauhen Wegen ohne Ideale und ohne heimathlichen Frieden. Ich kenne eine Wunderblume, welche dem Erdreiche unserer Frühlinge nicht entspriesst. Wohl dem, welcher sie findet, welchem sie Grüsse der Heimath bringt. Wohl dem, welcher in seiner Kammer eine solche Blume der Heimath hat. Dort blüht sie mit duftenden Blumenkronen herrlich empor. Sie leuchtet bei Nacht. Je finsterer es wird, um so heller strahlet ihr Glanz. Wo sie blüht, erfüllt sonnige Frühlingsseligkeit den ganzen Raum. Diese Blume gehört einer Heimath an, welche uns allen gemeinsam ist. Sie ist nicht von dieser Welt. Aus einer neuen Welt jenseits des Erdenlebens, aus welcher wir Alle stammen, aus einer ewigen Frühlingsherrlichkeit blüht sie in das von Todesschatten bedeckte Erdenleben hinüber. In allem Aufblühen und Staubwerden der Erde dauert sie in unwandelbarer Schönheit. Alle hohen Ideale steigen aus ihren Blumenkronen leuchtend und beseligend vor uns auf. Verlorene Ideale bringt sie uns wieder. In ihrer Schönheit sehen wir den Weg in eine neue Welt nicht mehr von Todesschatten umgeben, sondern mit hellem, lieblichem Sonnenschein umkränzt. Wir sehen das Vaterhaus am Ende des Weges und unsere Seele ist erfüllt von Heimathsehnsucht und Heimathglück. Nun tragen wir Alles gern, was die rauhe Zone des Erdenlebens uns bringt, wir fühlen uns als Bürger einer neuen Welt; der Erde Loos, die Welt ist überwunden. Das schwarze Thor des Ausgangs aus diesem Leben sehen wir nun mit herrlichen Frühlingsblüthen geschmückt. Wir wissen nun, dass wir an diesem schwarzen Ausgangsthor nicht in der Versenkung verschwinden, sondern freudig durch Blumengehänge hindurchschreiten werden in eine neue, ewige Frühlingswelt.
O Blume des Glaubens im Menschenherzen – möchtest du in uns Allen in leuchtender Schönheit duften und blühen!
Auch hier ist eine Stätte, wo diese Blume in herrlichen Blüthenkronen leuchtet. Von diesem Bundesaltar zieht sich ihr Gerank in farbiger Blüthenpracht durch den ganzen Raum, alle Reihen umkränzend, wo Sie sitzen. Und immer neue Triebe schlagen aus, Wurzel zu fassen suchend in Ihren Herzen. O, dass überall, wo diese Blume noch nicht sein sollte, sie Raum gewinnen möge. O, dass sie blühen möchte in unser Aller Herzen, Heimathgrüsse uns bringend, zu uns redend von unserer Heimath, mit dieser Heimath herrlichem Leben den Weg durch dieses Thal der Erde uns schmückend und auch einst unsere Heimkehr ins Vaterhaus. O, dass wir Alle, die wir dieselbe Heimath haben, auch denselben Glauben an sie und dieselbe Heimathseligkeit von hier mitnehmen, dass wir in diesem Glauben Alle selig werden möchten.
O Blume der Heimath von sonnigen Höh'n,
Du machst die Fremde mir lieblich schön.
Ob auch durch Wüsten wandert mein Fuss –
Du schmückst mich und duftest mir Heimathgruss.
O lass in deines Duftes Umfliessen
Einst mich im Tode die Augen schliessen.
Sei du mir sonniger Heimkehr Pfand,
Bis ich einst schaue mein Heimathland.
Br. Friedrich Holtschmidt.