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Wie oft kommt es doch in einem Haushalte vor, daß bei der größten Vorsicht Verwundungen eintreten! Dabei geräth nicht bloß der Verwundete, sondern auch seine Umgebung in größte Verlegenheit. Es sind allerdings unter dem Volke manche Mittel bekannt, die schnell Hilfe bringen. Oft aber werden Heilmittel gewählt, welche diesen Namen nicht verdienen, da sie nicht die gewünschte Hilfe bringen. Ich möchte hier einige Mittel empfehlen.
Häufig wächst in unserer Gegend, gewöhnlich am Saume des Waldes, auch im Wald, eine gelbe Blume mit starkem Geruch; sie führt den Namen Arnica. Diese Pflanze verdient an die erste Stelle der Heilmittel bei Verwundungen gesetzt zu werden. Aus dieser Pflanze wird eine Tinktur bereitet – Arnicatinktur. Dieselbe wird bereitet, indem man die an schattigem Ort getrockneten Blumen in ein Glas bringt, das Glas mit Spiritus füllt, zwei bis sechs Tage stehen läßt – und die Arnicatinktur ist fertig. – Man kann dazu auch die Wurzel nehmen; häufig nimmt man auch die Wurzel allein. Diese Tinktur kann lange aufbewahrt bleiben. Sie ist in jeder Apotheke zu haben.
Diese Tinktur halte ich für das erste Heilmittel bei Verwundungen und kann sie deßhalb nicht genug empfehlen. Es sollte keine Familie sein, wo nicht eine solche Tinktur in Bereitschaft ist, damit im Falle einer Verwundung schnell Hilfe gebracht werden kann. Wie sie angewendet werden soll, wird in Beispielen gezeigt.
Ein Mädchen, 14 Jahre alt, bringt den dritten Finger der rechten Hand in eine Maschine. Der Finger wurde förmlich aufgeschlitzt und gespalten, so daß man an zwei Stellen das Bein gut sehen konnte; es war nicht genau zu bestimmen, ob etwa das Bein einen Bruch erlitten. Nach der gewöhnlichen alten Methode wollte der Chirurg die zerrissenen Theile mit Pflastern zusammenheften und den Finger seinem Schicksal überlassen. Er glaubte, der Finger sei verloren. Auf meinen Rath that er Folgendes. Die ganze Wunde wurde mit Wasser, in das etwas Tinktur gegossen wurde, sorgfältig ausgewaschen, daß kein Unrath mehr zu finden war. Eine Binde aus Linnen, einen Finger breit, wurde in etwas verdünnte Arnicatinktur getaucht. Nachdem so der Finger gereinigt war, wurden die zerrissenen Stücklein soweit als möglich in die rechte Lage gebracht, mit dieser Binde umwunden, nicht zu fest, aber doch so, daß alle Theile gut auf ihrem Platz gehalten waren. Über diese Binde wurde noch Baumwollwatte, in etwas verdünnte Arnica-Tinktur getaucht, gewunden und über das Ganze nochmals eine Binde gewickelt. In wenigen Minuten war der Schmerz verschwunden. Nach drei Tagen wurde nachgeschaut, und zum Erstaunen wuchs Alles zusammen. Es wurde die Binde nicht abgenommen, sondern Arnica auf dieselbe gegossen und mit getränkter Wollwatte umwunden. Nach 12 Tagen war der ganze Finger geheilt. – Ich weiß kein Mittel, das so rasch, schön und schmerzlos diese Wirkung hätte.
Ein Fuhrknecht ist von einem bissigen Pferd am Arm erfaßt und ein großer Fetzen vom Arm losgerissen worden, so daß das Fleisch weghing. Die Blutung war stark. Die Wunde wurde nun schleunigst ausgewaschen mit Wasser, an welches Arnicatinktur gegossen wurde; hernach wurden die zerrissenen Theile soviel wie möglich geordnet, daß sie an die richtige Stelle zu liegen kamen. Weiter wurde Wollwatte in etwas verdünnte Tinktur getaucht und auf's Sorgfältigste überbunden, so daß nicht die geringste Luft an die Verwundung dringen konnte. Es stellte sich kein Fieber ein; der Schmerz verschwand rasch; das losgerissene Fleisch wuchs wieder zusammen, und die Verwundung verheilte, so daß sie kaum noch sichtbare Narben zeigte. Nach je zwei Tagen wurde auf die Wollwatte Tinktur gegossen, die auf die Wunde drang. Welches Mittel hätte mehr geleistet?
Ein Knabe, 15 Jahre alt, wurde von einem recht bissigen Hund in den Waden gebissen, soweit die Zähne eindringen konnten. So groß der Schmerz war, so groß war die Angst, der Biß möchte die schlimmsten Folgen haben. Weil Arnicatinktur im Haus war, wurde schnell die Wunde auf's Sorgfältigste mit verdünnter Arnicatinktur ausgewaschen und das in der Wunde befindliche Blut soweit als möglich ausgepreßt; die Wunde wurde dann geschlossen, ein Lappen in verdünnte Arnicatinktur getaucht, aufgelegt und gut überbunden. Aller Schmerz verschwand, und in wenigen Tagen war die Wunde ohne Fieber vollständig geheilt. – Man fürchtet nichts mehr, und mit Recht, als den Hundsbiß; deßhalb kann nicht genug gemahnt werden, daß solche Wunden ausgewaschen und ausgepreßt werden. Wenn eine Wunde blutet, wird sie nicht so leicht gefährlich; wenn aber kein Blut kommen will, dringt leicht der schädliche Stoff in die Wunde und in's Blut.
Ein Maurergeselle fiel vom Gerüst und erlitt am rechten Schenkel eine solche Quetschung, daß er auf dem Fuß nicht mehr stehen konnte. Nach genauer Untersuchung stellte sich heraus, daß die Knochen noch in der Ordnung und nur starke Quetschungen vorhanden seien. Gewöhnlich werden in solchen Fällen kalte Umschläge gemacht, damit keine zu große Hitze die Herrschaft bekomme, sondern durch die Überschläge Alles vertheilt werde. Ich lobe Dieses und empfehle es; aber noch viel schneller und größer ist die Wirkung, wenn die verwundete Stelle zuvor mit Arnicatinktur eingewaschen wird. Am allerbesten ist die Wirkung, wenn man einen Lappen, in verdünnte Arnicatinktur getaucht, auflegt und darüber noch einen kalten Umschlag thut. Die Wirkung ist rascher und sicherer. Den unteren Lappen lasse man liegen, der obere wird häufig gewechselt, stets wieder in kaltes Wasser mit Arnica eingetaucht.
Karl hat Holz gemacht. Es entwischte ihm die Axt, flog auf den Fuß, und er bekam eine große Wunde. Der Arzt wurde schnell gerufen; was er aber angewendet, war nicht im Stande, die Blutung zu stillen. Ein Nachbar kannte die Arnicatinktur. Dieser wusch die Wunde schnell damit aus, schloß dieselbe und band Wollwatte, in Arnicatinktur getaucht, darauf. Bis der Verband angelegt war, hörte auch die Blutung auf. Anfangs wurde jeden Tag Tinktur aufgegossen, und in wenigen Tagen war die große Wunde geheilt.
Ein Handlanger fiel vom zweiten Gerüst auf das erste und von da auf den Boden und blutete aus dem Mund, so daß er ungefähr einen Liter Blut verlor. Der Kopf war ganz zerschmettert; auf der linken Seite war die Haut stellenweise ganz abgestreift. Anfangs war der Gefallene besinnungslos. Was wird hier am besten helfen? So schnell wie möglich wurde Zinnkrautthee, jede Minute zwei bis drei Löffel voll, gegeben. Innerhalb 20 Minuten hörte die Blutung auf.
Die Quetschung am Kopf wurde schleunigst zuerst mit reinem Wasser so ausgewaschen, daß aller Schmutz herauskam. Dann wurde etwas verdünnte Arnicatinktur eingerieben und endlich Wollwatte, in solche Tinktur getaucht, aufgebunden. Wie das Bluten schnell aufgehört, so wurde auch der Kopf schmerzfrei. Der Mann bekam wieder die Besinnung innerhalb eines Tages. Jeden Tag wurde auf's Neue die schadhafte Stelle gewaschen mit Arnicawasser, und in wenigen Tagen war das ganze Unglück beseitigt.
Ein Mädchen war beim Dünger-Aufladen durch einen Fehltritt auf den Misthacken getreten und hatte sich am Vorderfuß so verwundet, daß die Spitze oben herausschaute.
Was ist hier zu thun? Schleunigst wurde diese Verwundung ausgewaschen mit Wasser; dann wurde verdünnte Arnica-Tinktur in die Wunde gegossen, dieselbe gut ausgewaschen und ausgepreßt. Als die Wunde ganz rein und keine Spur mehr von Unrath zu finden war, wurde Wollwatte in verdünnte Tinktur getaucht, gut überbunden, jeden Tag neue Tinktur aufgegossen, und in vier Tagen war die Wunde zugeheilt.
Viele Landleute kennen den Spitzwegerich als Heilmittel bei Verwundungen; derselbe kann auch auf's Wärmste empfohlen werden. Ich habe mich oft überzeugt, wie in den schwierigsten Verwundungen Spitzwegerich ganz glücklich heilte.
Einem Taglöhner fiel eine Sense auf den Arm und verursachte eine solche Wunde, daß er einen Finger hätte hineinlegen können. Schnell wurde die Wunde ausgewaschen, einige Spitzwegerichblätter etwas geknetet und der Saft in die Wunde gepreßt. Die Wunde wurde dann gut zugepreßt und Spitzwegerichblätter aufgelegt. So heilte sie rasch zusammen. Täglich einmal wurde auf die Binde Spitzwegerichsaft gegossen, so daß er bis zur Wunde eindrang. – Den Saft bereitet man auf folgende Weise: Die frischen Blätter werden in einem Mörser zerstoßen, auch mit einem Wiegenmesser gewiegt, dann in einen Lappen gebracht und ausgepreßt. Wenn man aber nur wenig braucht, nimmt man sechs bis acht Blätter, knetet sie mit den Fingern und preßt diesen Saft auf die Wunde.