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Nach einem Leben des Staubwischens und Bettmachens, in dem ein Eiscream in der Drogerie und ein Ball in Fireman's Wigwam die wildesten Ausschweifungen waren, erschien Effie May ihr Appartement in Westward als Paradies.
Wäre es auf ihn allein angekommen, so hätte Myron seine Wohnung lieber so behalten, wie sie war, mit grauen Wänden, wenigen Bildern, spärlichen Einrichtungsgegenständen aus gefirnißter Eiche und viel Platz. Da er aber Effies Vorliebe für das Helle und Bunte kannte, hatte er von Bermuda aus Luciano Mora geschrieben und ihn gebeten, das Appartement entsprechend herrichten zu lassen. Als Effie May, nachdem sie während der mannhaften Begrüßungsszenen mit Elphinstone, Mora und Carlos Jaynes in der Halle unten gebührend errötet war, die Wohnung zum erstenmal sah, kreischte sie geradezu: »Ach, das ist ja einfach zu süß!« Myron strahlte – und stöhnte. Luciano hatte das Schlaf- und das Wohnzimmer, deren jedes sechs mal sechs Meter groß war, mit nahezu allen überflüssigen Möbeln vollgestopft, die überhaupt unterzubringen waren. Da waren kleine Apfelbaumholztischchen, große Mahagonitische und Garnituren von chinesischen Chippendaletischen. Es gab Wandbeleuchtungskörper, die Kerzenleuchter imitierten, und Stehlampen aus gewundenem vergoldetem Eisen. Es stand eine Couch da und ein Diwan, auf dem sich safranfarbene Kissen aus Leder häuften, rosagoldene Kissen aus Atlas, lohgelbe Kissen aus Tuch, mit smaragdfarbenen Blumen bestickt, und eine lange, hagere, schlacksige, milchgesichtige, degeneriert aussehende Puppe, die Effie May mit einem Schrei des Entzückens in die Arme nahm und die Myron vom ersten Moment an haßte. Es waren graublaue Lithographien von Paris da, Farbdrucke von Katzen, die etwas Böses im Schilde führten, und sehr komische, einigermaßen unanständige französische Karikaturen von Kokotten und Klösterchen, bei deren Anblick Effie nochmals errötete. Ein kleines Klavier stand da, das sie zärtlich streichelte, wodurch sie verriet, daß die Musik in ihrer Bildung nicht besonders gut weggekommen war, und sogar Bücher gab es – Myrons Bibliothek, die aus einer Dickensausgabe bestand, zwei Romanen von Rex Beach, einem von Conan Doyle und siebenundsechzig Bänden, die vom Hotelwesen und der Buchführung handelten.
Und das Badezimmer war mit schimmernden schwarzen Kacheln ausgestattet, Wanne und Waschbecken waren fliederfarben, und zwei Dutzend verschiedene Handtücher warteten darauf, gebraucht zu werden.
»Mein Gott, müssen die uns für schmutzig halten!« lachte Effie May. »Aber, ach, Myron, es ist ja so wunnerbar, daß man es gar nicht sagen kann!«
Effie May, die in Black Thread jeden Morgen um sieben Uhr früh aufgestanden war und sich selbst das Frühstück zubereitet hatte, bevor sie es in einem Zimmer, das noch die Gerüche des Abendessens vom Tag vorher auf bewahrte, zu sich nehmen konnte, reckte die Pfötchen wie eine Angorakatze, als sie die Möglichkeit hatte, sich das Frühstück ins Schlafzimmer bringen zu lassen – und was für eine reichhaltige Auswahl gab es da: dreierlei Arten von Melonen, dreizehn verschiedene Arten von Zerealien, viererlei Fisch (Fisch zum Frühstück!) französischer Toast mit Honig oder Sirup, englisches Erdbeerjam in »süßen« Töpfchen, Setzeier in Sahne mit Würstchen und Nieren mit Champignons! »Ich bin ja so aufgeregt, Myron, aber ich bin ein solches Schwein! Ich möcht mir alles auf einmal bestellen! Ich werd dick werden wie ein Faß! Du wirst auf mich aufpassen müssen!«
»Das werd ich auch, meine Liebe! Verlaß dich nur auf mich! Aufpassen ist meine Spezialität! Gib mir einen Kuß!«
Es machte ihr Spaß, daß es so gewichtig aussah, wenn der Zimmerkellner – nicht ein Dienstmädchen, sondern ein Mann, ein richtiger Kellner, noch dazu um halb elf Uhr vormittags! – einen Tisch für sie ganz allein hereinbrachte und devot murmelte: »Madame, es ist angerichtet.« Sie liebte das Silber, das amethystblaue Wasserglas, den Kaffee in der Thermoskanne, das englische Gebäck unter der sauberen Serviette, und die einzelne Rose in der schlanken Vase. Es bereitete ihr Vergnügen, eine Stunde herumzuspielen, erst von diesem, dann von jenem zu naschen und sich dann gewissenhaft mit Jam zu beschmieren wie ein kleines Kind, während Myron schon unten bei seiner Arbeit war.
Sie konnte sich, wann immer es ihrer Ladyschaft beliebte, die Haare waschen, Dauerwellen machen, maniküren oder massieren lassen, in ihrem Zimmer oder unten im »Schönheitssalon«, und den Angestellten war es eine Wonne, mit der Gattin des Mannes, der wahrscheinlich der künftige Präsident der Gesellschaft war, über Zänkereien und Klatschgeschichten im Hotel zu reden.
Effie May war wirklich eine Angorakatze; sie liebte es, wenn kräftige, weiche Finger über die Wurzeln ihres elektrischen Haares, über ihre geröteten Wangen, über ihre Nervenenden an den Schultern fuhren.
Die Zimmermädchen waren ausnahmslos gleich unterwürfig. Sie säuselten: »Aber nein, Ma'am, es eilt durchaus nicht!« wenn sie um elf Uhr noch nicht zum Aufräumen hineinkonnten. Sie ergötzte sich an dem Luxus, täglich frisch bezogene Betten vorzufinden, und fing allmählich an zu glauben, daß sie, obgleich der Lambkin-Haushalt sich für puritanisch sauber gehalten hatte, niemals auch nur das geringste von Staubwischen und Ausfegen gelernt hätte … Daß unter dem Bett und der Couch hervorgekehrt wurde, und zwar täglich – das, brabbelte sie vor sich hin, war »einfach Klasse«. Die ganze Haushaltsabteilung fügte sich mit der größten Zuvorkommenheit allen ihren Dekorationswünschen. In den versäuerten und verblichenen Zimmern des Lambkinhauses hatte sie sich nach breiten Bändern und Spitzen und Samt gesehnt. Jetzt genoß sie es, davon so viel zu haben, wie sie nur wollte. Zu dem Wirrwarr auf dem Diwan fügte sie noch flaumige Sofakissen aus aprikosenfarbener Seide hinzu, die mit Spitzen eingefaßt waren; sie brachte an den sich dafür anscheinend durchaus nicht eignenden Doppelbetten aus Ahornholz Troddeln an; und die Telephonapparate in den beiden Zimmern verbarg sie unter einer Puppe mit weiten Röcken aus Goldspitze, die mit Glasperlen besetzt waren, was Myron dazu brachte, wütend, wenn auch insgeheim, zu fluchen, sooft er telephonierte.
Sie hing Photographien auf: ihr Vater auf der Schnepfenjagd, Julia in einem Tüllkleid, Herbert während der mystischen Prozedur, die ihn aus einem gewöhnlichen Sterblichen in einen Magister der Künste verwandelte, und die ganze Familie auf der zum Hause gehörigen Rasenfläche im Jahre 1902 – ein brauner, verblaßter Druck, auf dem Effie May selbst als albern grinsendes kleines Mädchen in kurzem, hochgestecktem Rock, auf dem Kopf einen Matrosenhut, zu sehen war.
Myron klagte niemals über ihre Rechnungen. Sie hielt ihn für einen reichen Mann und wußte nicht recht – obwohl sie zu gutmütig war, ihn damit zu behelligen – warum er bei seinem Reichtum immer so angestrengt weiterarbeitete.
Es war anfangs so aufregend viel zu tun; die Toilette-Riten, ganz neu für sie, die, trotz aller abgestandenen Würde ihres Elternhauses und trotz den Vorräten an Kosmetika im schönen Etablissement ihres Vaters, nicht mehr gekannt hatte als ein rasches Bad in einer gußeisernen Wanne und ein hastiges Abreiben mit einem dünnen Handtuch. Nun weidete sie sich an Bädern in warmem, jeden Tag nach einem anderen Badesalz duftendem Wasser, an Frottiertüchern so groß wie Bettlaken, an Kölnisch Wasser und Puder und Lippenstift, an Nagelcreme und Schminke, an der Weichheit der Hände, mit denen sie frisiert wurde – ihr ganzes Leben lang hatte sie sich selbst frisiert oder war dem ungeduldigen Reißen von Julias harten Fingern ausgeliefert gewesen. Sie kaufte sich »Lotionen« mit französischen Namen und erfuhr zu ihrer Überraschung, nachdem sie sie als Toilettewasser benutzt hatte, von einer Verkäuferin, daß sie für das Haar zu gebrauchen seien. Sie weihte sich in die Mysterien der Cremes ein, die eingerieben und wieder abgerieben, und in die jener Cremes, die eingerieben und daraufgelassen werden müssen. Sie machte sogar einen Versuch mit violettgrünen Augenlidern, aber dagegen protestierte Myron.
So viel zu tun! Nach Toilette und Frühstück, nach dem Arrangieren der Blumen und der Kissen und nach der Entscheidung, ob auf dem Schemel aus Teakholz der Zigarettenkasten aus Sandelholz oder der chinesische Emaillekasten besser aussehen würde, kam immer das Schaufensterbummeln mit Überraschungen, die in Black Thread unerhört gewesen wären: englische Jagdstöcke, die sich in einbeinige Hocker verwandeln ließen, Aquamarinhalsbänder, Pariser Hüte, Hors d'œuvre-Schüsseln aus geschliffenem Glas, Spazierstöcke mit Onyxgriffen für den Abend, Benedictine in unnatürlich aussehenden vierschrötigen Flaschen, Silberschuhe. Sie hatte Verabredungen beim Schneider, beim Schuhmacher, und zwischendurch gab es immer diese wunnerbaren Kinos, die noch nicht bis nach Black Thread gedrungen waren. Als sie Königin Elisabeth mit der Sarah Bernhard und mit Zukors prachtschimmernder Architektur sah, bekam sie vor Begeisterung über ihr hinreißend schönes neues Leben keine Luft.
Wenn es sonst nichts gab, konnte sie sich immer auf dem Diwan ausstrecken und auf die neuen Pumps und Seidenstrümpfe hinabsehen, mit den Zehen spielen und mit den kleinen Füßen in der Luft herumfuchteln, sich darüber freuen, daß Julias Küchenaufträge sie nicht erreichen konnten, und langsam, voll Wonne, Pralinés verschlucken – richtige Pralinés aus dem Laden, das Pfund zu einem Dollar! Zu Hause hatten sie selbstgemachte Schokoladenbutter gehabt oder Pralinés aus der Drogerie zu dreißig Cent, die besten, die ihr Vater verkaufte. Pralinés, von denen das Pfund einen Dollar kostete, in rotgoldenen Schachteln mit Silberbändern, das war etwas, das einem ein Verehrer einmal im Jahr voll Scheu aus Bridgeport mitbrachte. Hier, im Westward, konnte sie alles haben, was sie wünschte, und sie wünschte recht viel, so daß sie schon anfing sich Sorgen zu machen, ob sie nicht zu dick würde, wenn sie den ganzen Nachmittag hindurch Pralinés, Kuchen, kandierte Früchte naschte.
Myron war immer aufmerksam – in der ersten Zeit. Er mochte noch so viel zu tun haben, er rief sie jede Stunde an; er schickte ihr täglich Blumen; er führte sie zum Lunch und zum Dinner entweder in den mit Brokat dekorierten Georgianischen Speisesaal des Westward oder in Restaurants, wo es sie glücklich machte, wenn die Chefkellner sich verbeugten und krächzten: »Guten Abend, Mr. Weagle – Guten Abend, gnädige Frau.«
Oft gingen sie ins Theater.
»Wir müssen uns viel ansehen. Wir beide haben es notwendig, unseren Horizont zu erweitern und ein, ich möchte sagen, gesellschaftlicheres Leben zu führen«, erklärte Myron.
Das gesellschaftliche Leben bestand zum größten Teil im Verkehr mit Luciano Mora, Alec Monlux und Ora; und Effie May erschien es wirklich als besonders schönes gesellschaftliches Leben, denn was sie hinter sich hatte, war die gute Stube der Lambkins, das Gejammer Herberts über den Schulausschuß und Julias Gezänk mit Willis. Es bedeutete sowohl eine Erweiterung des Horizonts wie ein nettes Vergnügen, zuzuhören, wie Myron, Alec und Luciano, während sie mit anmutigen Gebärden Whisky tranken, und zwar nicht pur, sondern mit Sodawasser aus kleinen Flaschen, Diskussionen führten über Neubauten im alten Kolonialstil, die Chancen des Gouverneurs Woodrow Wilson bei der Präsidentenwahl, die Nachteile des Zahnradantriebes bei automatischen Kartoffelschälern.
Dann kehrte Luciano nach Neapel zurück, um die Leitung über eines von den kleineren Hotels seines Vaters zu übernehmen, und Myron und Effie entbehrten ihn tagtäglich. Ohne sein Lachen schienen ihre Cocktailstunden allmählich langweilig zu sein. Myron hatte immer mehr zu tun, und wenn er auch zärtlich war, so oft er telephonierte, wurden seine Anrufe immer seltener. Mit einemmal, als echte Originallotusbadesalze nach alten ägyptischen Rezepten, das Bewundern von Schildpattspiegeln in Schaufenstern und das Absuchen der Pralinéeschachteln nach Schokolade mit Paranüssen den Reiz der Neuheit verloren hatten, kam Effie May dahinter, daß sie nichts zu tun hatte und sich langweilte.
Myron und Effie waren nie auf den Gedanken gekommen, daß sie in einem Hotelappartement, wo sie nicht einmal Geschirr abzutrocknen oder Hühner zu füttern hatte, zu wenig zu tun haben würde, wenn sie nicht gerade von einem besonderen Verlangen erfüllt war, Imagismus oder Assyriologie oder die Geschichte der Endokrinologie zu studieren. Da sie sich langweilte, begann sie sich bald vernachlässigt vorzukommen – was sie wahrscheinlich auch war, obgleich der abgehetzte Myron keine Ahnung davon hatte, was er dagegen tun sollte. Sie kam sich um so vernachlässigter vor, als Ora ihr voll Hilfsbereitschaft erzählte, sie sei es. Sie nahm Französischunterricht, Tanzunterricht, turnte täglich in einer Sporthalle, in der ehemalige Boxer mit ängstlicher Mühe an den Körpern dicker Nichtstuerinnen arbeiteten, und bekam Anfälle von Schneiderwahn, bis Myron anfing, sich über die Rechnungen zu entsetzen. Aber die einzige von diesen Künsten, für die sie eine Begabung an sich entdeckte, war das Anziehen. Die nette kleine Effie May aus Black Thread mit ihren drei, von der Dorfschneiderin genähten guten Kleidern wurde jetzt eine elegante Dame mit Tweedkostümen und Pariser Modellen, und gerade als sie daran war, wirklich unzufrieden zu werden und Myron vorzuklagen, daß sie die Leere ihrer Tage nicht vertragen könnte, lernte sie Mrs. Bertha Spinney kennen.
Mrs. Spinney war im Besitze roten Haares und einer Alimentation; sie weihte die Hälfte ihres Lebens der Erhaltung dieser Schätze und den Rest älteren Junggesellen mit neugierigen Fingern und echter Chartreuse. Sie war fünfundvierzig Jahre alt im Sonnenlicht des Nachmittags, und fünfundzwanzig, wenn es dunkel wurde, ihre Wangen waren gepudert, als läge Kuchenmehl darauf, sie lachte oft, sie erzählte ausgezeichnete Geschichten, und sie klirrte mit schwer oxydierten Silberketten. Ihr Appartement lag im selben Stockwerk wie das der Weagles, und Effie May hatte sie oft im Fahrstuhl getroffen. Sie schien über Effie May sehr genau Bescheid zu wissen, und eines Tages stellte sie sich vor und lud Effie zu einem Cocktail bei sich ein.
Im Handumdrehen waren sie ganz intim.
Myron hatte keine Sympathien für Bertha Spinney.
Der blinde, vernarrte, tüchtige, freundliche Myron hatte nie daran gedacht, daß Effie in ganz New York keine Freundin hatte, überhaupt kein einziges befreundetes Wesen außer ihm selbst, Alec und vielleicht noch Ora.
Nun war Effie Mays Zeit zu ihrer Zufriedenheit ausgefüllt. Sie ging mit Bertha Spinney die Schaufenster bewundern, und alles wurde viel interessanter, wenn Bertha ihr von Diamanten, die blau, und von Saphiren, die weiß waren, erzählte, wenn sie ihr erklärte, daß »Couronne d'Amour«, ein Parfum in einem schwarzen feigenförmigen Fläschchen, zehn Dollar kostete, weil es so berückend duftete, daß die Männer toll davon wurden. Effie wünschte sich insgeheim ein solches Fläschchen und sparte die zehn Dollar dafür, aber sooft sie zu dem Laden zurückging und ins Schaufenster sah, wurde sie von Scham überwältigt und brachte nicht ganz den Mut auf, hineinzugehen und es zu verlangen.
Mit Bertha ging sie zum Lunch, zu Matinés, fuhr sie in den Park, entdeckte sie »kleine Schneiderinnen, die Ihnen echte Pariser Modelle einfach für nichts machen, meine Liebe!« und ging sie schließlich auch zu Cocktailparties.
Es war zwar noch keineswegs die Ära der Atelierhäuschen auf Wolkenkratzerdächern, der kompliziert zusammengesetzten Cocktails, der öffentlichen Küsserei, der allgemeinen Begrüßungsformel, »Hallo, Liebling«, der Gigolos, die als Aktienmakler, und der Aktienmakler, die als Gigolos posieren, und der übrigen schönen und Glückseligkeit bringenden Begleiterscheinungen der Prohibition und des Großen Friedens, aber die Lebemänner des Jahres 1911 brachten mit ihren einfachen Cocktails auch schon ganz schöne Leistungen zustande. Sie waren nicht ganz so rasch dabei, die Mädchen bei ihren Vornamen zu rufen oder ihnen den Mann zu zeigen, aber wenn sie einmal so weit waren, wollten sie es genau wissen, und Effie May machte die Entdeckung, daß sie mit einemmal Stammgast in Männerwohnungen war, die aus den Dielen großer alter Häuser in der Nähe des Washington Square oder des Gramercy Park gemacht waren; sie entdeckte – mit einigem Gekicher – daß sie plötzlich die angebetete Freundin von zehn, zwölf Börsenmännern, oder mindestens Männern aus der Umgebung der Börse, war und gelegentlich sogar von echten importierten Adligen, die nach fünf Uhr nachmittags, wenn sie ihre Bürojacke aus Alpaka abgelegt hatten, ganz große Edelleute wurden, die aber trotzdem so simplen Gemüts waren, daß sie recht gern mit irgendeiner liebreizenden nordischen Gottheit Tee trinken gingen, vorausgesetzt, daß sie die Rechnung bezahlte.
Effie May stellte auch fest, daß sie mit Erotik geladen war und davon geradezu vibrierte. Sie zitterte und hatte ein Gefühl, als gingen Feuerwerkskörper in ihr los, wenn einer jener Allerweltsfreunde, der unverheirateten Lebemänner, ihren feuchten Arm der ganzen Länge nach abtätschelte oder ihr mit tastenden Fingerspitzen unter das Kinn faßte. Sie hatte genug Achtung vor Myron, um zu bleiben, was technisch als »anständige Frau« bezeichnet wird, aber sie kam so voll atemloser Begierde zu ihm zurück, daß er ganz überwältigt war von ihrer Glut, ihren heißen Händen und ihrer faltenlosen elfenbeinfarbenen Haut, und während er anscheinend völlig konzentriert mit Registraturkarten und Küchenberichten beschäftigt war, verzehrte er sich vor Verlangen nach ihr.
Wahrscheinlich war er seelisch so steif, daß er sie selbst nie in nennenswertem Maße hätte wecken können; wahrscheinlich verdankte er Bertha Spinney und den elektrisierenden Trägern niederer Adelsprädikate recht viel, aber er konnte sie niemals schätzen.
Effie lernte eine ganze Gesellschaft alleinstehender Frauen kennen, die in Hotels wohnten; müßige Frauen, die von Alimenten lebten und Energie nur dann entwickelten, wenn sie ihre ehemaligen Gatten vor Gericht schleiften. Viele von ihnen sprachen unaufhörlich über ihre hingebungsvolle Liebe zu ihren Kindern, deren sie sich entledigten, indem sie sie im Winter in Internate und im Sommer in Ferienlager schickten. Viele von ihnen waren hübsch, viele von ihnen hielten mit Hilfe der Alimente, die sie von ihren seltsamerweise widerstrebenden ehemaligen Männern bekamen, Liebhaber aus, und die meisten von ihnen waren große Cocktailfreundinnen. Im Westward und in anderen nahegelegenen Hotels lebten Hunderte von diesen Blutsaugerinnen, und Bertha Spinney führte Effie May in ihre Gesellschaft ein.
Eine gewisse Mrs. Koreball, offiziell bekannt als Nr. 772, The Westward, gab eine »Party« für Effie May.
Effie May fand es bezaubernd.
Mrs. Koreball war, das merkte Effie bald, ganz reizend! Eine so kleine Dame mit so glattem, schimmerndem schwarzem Haar, das genau in der Mitte gescheitelt war, mit einem sittsamen Mund und dem kleinen Kinn eines Kindes, aber mit so lustigen und wissenden Augen! Ihr Appartement war viel größer als das Effies, und sie besaß ganz wunderbare echte originalspanische Antiquitäten: einen großen, gewaltigen dicken Eichentisch – Refektoriumstisch wurde er genannt – mit uralten Holzstühlen, die Jahrhunderte alt waren, aus einem spanischen Kloster! Und an den Wänden hatte Mrs. Koreball keine gewöhnlichen Bilder, sondern etwas ganz anderes – sehr antike Heiligenbilder, von denen sie sagte, sie wären Kopien, leuchtend rot mit Goldrahmen, richtig an Bilderleisten gehängt. Und dann war noch ein Leuchter aus vergoldetem Eichenholz da mit einer Kerze, die eineinviertel Meter lang war!
Mrs. Koreball gab nicht Cocktails, sondern einen einfach wunnerbaren Punsch, der, wie sie sagte, gemacht war aus Sekt und Kognak und Mosel (das war ein deutscher Wein) und Wodka (das war so eine Art russischer weißer Korn) und allem möglichen anderen, insbesondere jedoch mit Fruchtsaft, so daß er gar nicht schwer zu sein schien, aber Mrs. Koreball warnte sie – sie müsse achtgeben, sagte ihr Mrs. Koreball, und nicht zu viel davon trinken, weil er schrecklich schwer sei und sie nicht zugeben könne, daß ihre neue Freundin Effie bei dieser ersten Party blau werde, sagte sie, und sie lachte ganz unbändig und küßte Effie, und sie machte dabei ganz spitzbübische, aber sehr nette Augen.
»Was meinen Sie, wozu ich den Mut gehabt habe, Mrs. Weagle? Ich hab Ihren netten Mann angerufen, und er hat gesagt, vielleicht kommt er auch auf einen Sprung her.«
»Ach, das wäre nett!«
»Ach, ich finde ihn herrlich – er ist so stark, und man kann sich immer auf ihn verlassen. Aber es ist so furchtbar schwer, ihn dazu zu kriegen, daß er vor sieben irgendwohin geht. Er hat immer so viel im Büro zu tun.«
»Er ist wirklich sehr hübsch!«
»Ach, finden Sie wirklich, Mrs. Koreball? Ich finde es ja auch, aber zuerst denk ich immer daran, wie stark er ist und wie, na ja, eben wie zuverlässig. Natürlich sieht er sozusagen sauber und so aus, so, als ob er sich immer hinter den Ohren wäscht, aber hübsch – – Nein, ein hübscher Mann ist so jemand wie der Herzog von Essex oder der Graf Sowieso oder was der war in der Königin Elisabeth. Das war ein Film, der – –«
»Ja, ich weiß. Ich hab ihn gesehen.« Mrs. Koreball schien plötzlich ein wenig kurz angebunden zu sein. »Na, kommen Sie, Sie müssen die Leute kennenlernen.«
Rings um den Punschnapf waren die reizendsten Menschen versammelt, die Effie May je kennengelernt hatte – ach, mit Ausnahme von Myron und Luciano und Alec natürlich. Die Männer hatten so entzückende diagonal gestreifte Krawatten, und zwei von ihnen trugen Gamaschen. Einige darunter hatten allerdings leider Glatzen. Der Spaßigste von allen war ein kleines Männchen mit einem roten Gesicht, mit dem er Grimassen schnitt wie ein Affe, aber man mußte ihn einfach gern haben, so komisch war er.
»Du lieber Gott, das ist ja die Schöne Helena in Person!« krähte er, als Effie vorgestellt wurde, und alles lachte sehr vergnügt.
Glücklicherweise wußte Effie, daß die Schöne Helena eine sehr schöne Frau gewesen war, die Helena hieß und in Troja, im alten Griechenland, gelebt hatte, und so wurde sie nicht verlegen.
»Los, Helena, Zeit, daß Sie noch ein Glas trinken«, sagte der Mann mit dem Affengesicht.
»Ach, ich hab grade eins getrunken, ich fürchte, es ist so schrecklich schwer – ich möchte nicht blau werden!«
»Unsinn! Es ist nichts weiter als Orangensaft mit einer ganz winzigen, kleinwunzigen Spur Dynamit und vielleicht noch einer Idee Karbolsäure! Kommen Sie her, Allerschönste, und unterhalten wir uns!« Er nahm sie am Arm, führte sie zu einer mit violettem Brokat bezogenen Couch und schnatterte drauflos: »Ich heiße Harry Burphy, und wie unterschreiben Sie sich, Rose von Sharon? Ich hab Ihren Namen nicht verstanden, als unsere schöne Wirtin Sie uns Löwen vorwarf.«
»Ich heiße Effie May Weagle. Ist das nicht ein ganz blöder Name?« Sie kicherte.
»Also, Effie May, wann gehen Sie einmal mit mir lunchen? Ich hab das allerschickste italienische Auto in der Stadt, und obwohl jetzt Winter ist, wär es sehr nett, denk ich, mal mittags den Hudson rauf zum Ye Bunche of Grapes zu fahren. Was meinen Sie dazu? Du lieber Himmel, was für süße Fingerchen Sie haben? Nein, so süße Fingerchen, wie Sie haben, hab ich ja noch nie in meinem Leben gesehen!« Er nahm ihre Hand; er deklamierte unter ausgiebigen Demonstrationen: »Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen.«
Das war freilich etwas ganz anderes als Black Thread, aber Effie May machte es Spaß, obwohl sie sich immer wieder versicherte, daß es ihr keinen Spaß machte. Seine sehnigen kleinen Hände waren stark, und er verstand sich recht gut darauf, so ungewöhnliche und interessante Dinge mit den Fingern anzustellen. Sie hatte die Absicht, seine Einladung zum Lunch abzulehnen, aber er hatte ihr noch keine Gelegenheit dazu gegeben, und gerade als sie sich eine gute Formulierung dafür ausdachte, sprang er auf, eilte zum Punschnapf und brachte ein gewaltiges Glas zurück – ihr drittes. Sie nippte langsam daran, bei jedem Schluck den Entschluß fassend, mit dem Nippen aufzuhören; sie kam sich sonderbar vor und fühlte sich sehr glücklich, und bald schien sie darüber zu streiten, ob sie zum Ye Bunche of Grapes mitkommen sollte, war sich aber nicht ganz im klaren darüber, ob sie dafür oder dagegen war. Und dann stand sonderbarerweise Myron vor der Couch, er blickte auf sie beide herab, gewaltig groß und, obgleich seine Lippen lächelten, mit einem fürchterlich strengen Ausdruck um die Augen.
Myron war niemals in Mrs. Koreballs Wohnung gewesen, aber er kannte die Dame und verabscheute sie mit höchst unkomplizierter Glut. Sie war ein ganz nett aussehendes kleines Nichts mit dem Mund und dem Kinn eines Kindes, und gegenüber den besser aussehenden Hotelangestellten benahm sie sich stets sammetweich und honigsüß. Aber die Zimmermädchen kamen immer weinend, die Pagen fluchend heraus, wenn sie bei ihr gewesen waren. Jeden Monat machte sie dem Kassierer wegen ihrer Rechnung eine höllische Szene; sie behauptete immer wieder hartnäckig, die Kellner seien alle Diebe, und so viel Mineralwasser könne sie unmöglich gehabt haben. Wenn sie gebeten wurde, selbst die mit ihren Buchstaben gezeichneten Bons zu addieren, sagte sie, das wäre eine Beleidigung, stampfte mit ihrem zierlichen kleinen Fuß auf, und in ihren Kinderaugen zeigte sich sehr deutlich der Wunsch, den Kassierer in Öl sieden zu sehen. Sie gehörte zu den wenigen Gästen, die eigene Möbel in der Wohnung hatten, und auch darüber war es zu einem gewaltigen Auftritt gekommen. Sie hatte, wie Myron sich entsann, versucht, die halbe Miete herunterzuhandeln, obwohl das Hotel die Möbel, die bereits in den Zimmern waren, auf den Speicher stellen mußte.
Er wollte durchaus nicht an der Punschgesellschaft teilnehmen, als sie aber immer wieder erklärte, daß das Ganze zu Effie Mays Ehre sei, mußte er zusagen – wobei er sich bloß zynisch fragte, zu wieviel anderer »Ehre« die Gesellschaft außerdem sein mochte.
Als er hereinkam, musterte er die Anwesenden scharf; es war gerade die Sorte gutgebügelter, redegewandter notorischer Nichtzahler, die der schlimmste Schrecken der Hotels sind. Die Zimmereinrichtung, das sah er mit einem Blick, war grauenhaft: ein gewaltiges Ungetüm von Tisch, Speisezimmerstühle mit Rücken, die zu gerade waren und Verzierungen hatten, die einem Löcher in die Schulterblätter bohrten, und Priestergewänder, die als Wandschmuck verwendet und damit entweiht waren. Spanisch, was? Antik, was? O ja. Nun, er kannte den ehrwürdigen iberischen Handelsmann, von dem sie stammten – es war kein anderer als Señor Don Milton Pincus aus dem Bronx.
Mrs. Koreball gurrte: »Es ist ja so reizend von Ihnen, daß Sie gekommen sind, Mr. Weagle – allerdings hab ich die größte Lust, ›Myron‹ zu Ihnen zu sagen wie Ihre kleine Freundin! Sie ist die reizendste Person, die mir in meinem ganzen Leben untergekommen ist! Jetzt, wo Sie beide den Weg kennen, müssen Sie recht oft auf einen Schluck hereinkommen – ich werd mich immer freuen, Sie zu sehen.«
(»Weiß Gott, es ist wirklich ein Glück für Effie, daß sie von Black Threader Provinzputen wie Mrs. Ted Dingle wegkommt und gebildete Weltdamen kennenlernt wie dieses Weibsbild!«)
»Aber es scheint ja so schwierig zu sein, an so beschäftigte Direktoren wie Sie, Myron, heranzukommen, und Ihr hübschen Männer werdet wohl von dummen Weibchen wie mir einfach zu Tode gejagt. Na, seitdem mein Verflossener mir beigebracht hat, wo ich hingehöre, und mir gezeigt hat, was für ein gemeines schwieriges Luder ich bin, hab ich es natürlich gelernt, still mit gefalteten Händen dazusitzen und brav darauf zu warten, bis mich jemand entdeckt. Kommen Sie, Sie müssen jetzt Punsch trinken. Er ist ganz gut, obwohl ich ihn selber gemacht habe – es ist netter Orangensaft mit vielleicht einer winzigen Idee Dynamit und einer ganz kleinen Spur Karbolsäure. Ach ja! Bevor ich's vergesse! Ich weiß, es ist unfein, in Gesellschaft von Geschäftlichem zu reden, aber Sie sind ja so schwer zu erwischen, und meinen Sie, Sie könnten vielleicht dieses schauerliche Biest von Haushälterin dazu bringen, daß sie mir wenigstens ab und zu bloß ein paar Handtücher gibt? Wollen Sie so nett sein und mit ihr darüber sprechen? Aber jetzt müssen Sie kommen und ein nettes Glas Punsch trinken.«
(Er sprach wirklich mit der Haushälterin, um das Vergnügen gerechten Zorns zu kosten, und stellte fest, daß Mrs. Koreball, wie er vermutet hatte, das größte Handtuch höchstens einmal benutzte, und daß sie es an ihren guten Tagen zuwege brachte, sechzehn zu verbrauchen.)
Noch bevor ihm das spanische Mobiliar aus dem Bronx aufgefallen war, hatte er Effie May zugewinkt, die er drüben auf einer Couch mit einem Menschen namens Harry Burphy sitzen sah; Myron kannte ihn als klugen, tüchtigen, manchmal recht amüsanten Importkaufmann, dessen einziger Fehler eine übertriebene Gewissenhaftigkeit war: es war ihm unmöglich, zufrieden zu sein, ehe er die Frauen aller seiner Freunde verführt hatte. Er beobachtete die beiden, während er ein halbes Glas Punsch trank. Er war beunruhigt. Effie May lachte hilflos, so als wäre sie etwas beschwipst, und ließ zu, daß Burphy ihre Hand an seine Lippen führte … Myron hatte nie viel von den New-Yorker Ehemännern gehalten, die in Freiheit und Gin dasselbe sahen und ihre Frauen andern Männern auf dem Schoße herumkriechen ließen. Er schritt hinüber, wobei ihn die unschuldig aussehende Hast, mit der Burphy ihre Hand fallen ließ, nur um so mehr ärgerte.
»Hallo, Burphy. Effie! Ich fürchte, wir müssen leider gehen. Du hast doch nicht vergessen, daß wir zum Essen wegmüssen.«
»Oh – ach – ja?« sagte sie.
Sie mußten gar nicht weg.
Betrunken war sie sicherlich nicht, aber sie redete so viel, daß es schon an Hysterie grenzte. Als sie in ihrer Wohnung waren, brachte er sie durch Zureden dazu, sich ein bißchen schlafen zu legen.
»Ach, ich könnt nicht schlafen! Ich möchte irgendwohin gehen und tanzen! Ach, ich fühl mich so wunnerbar!« rief sie.
Aber sowie ihr Kopf das Kissen berührte, hatten sich schon ihre Augen geschlossen und sie schlief tief und schwer, Stunde um Stunde, ein wenig ächzend. Er saß steif auf einem geraden Stuhl an ihrem Bett und starrte sie unglücklich an. Sie war so begehrenswert und jung! Es war eine häßliche Beschmutzung für sie, von so schmierigen Menschen wie Burphy und der Koreball berührt zu werden, und schuld daran war er, nicht sie, das stellte er jetzt fest. Was konnte sie vom Hotelleben und von Hotelmüßiggängern wissen? Und er hatte an nichts für sie gedacht, fauchte er sich an, an nichts als an das Glück, mit ihm zusammen zu sein, wenn er gerade einmal Zeit hatte! Es verlangte ihn danach, ihre Wange mit vorsichtigem Finger zu berühren; schon diese zarte Berührung mußte wonnevoll sein. Nein, ihr Schlaf durfte nicht gestört werden. Und von nun an würde es keine Burphys mehr geben!
Er ging also höchst vernünftig hinaus und rasierte sich.
Als sie gegen elf Uhr aufwachte, hatte er für heißen Kaffee und kalte Muschelbrühe gesorgt, er begann ganz leise und ruhig zu sprechen:
»Effie, ich hab mir eben gedacht, daß – –«
»Oh, bin ich sehr blau geworden bei Mrs. Koreball?«
»Aber nein, natürlich nicht, obwohl der Punsch wahrscheinlich viel mehr in sich hatte, als man zuerst meinte.«
»Sie ist eine reizende Person, nicht? – so hübsch und so lustig!«
»Ja, ja, eine prachtvolle Frau. Sieh mal, Effie, ich hab mir grad gedacht: ich glaube, es hat dir Spaß gemacht, im Hotel zu wohnen – ich hoffe es wenigstens. Aber ich weiß nicht, ob du da genug zu tun hast, so viel, daß du dich nicht langweilst. Wie wär's, wenn wir eine Wohnung, oder vielleicht ein Häuschen irgendwo draußen nehmen würden?«
»Ach, ich – –«
»Wir würden natürlich ein erstklassiges Mädchen haben, das die ganze grobe Arbeit macht, aber trotzdem, mit dem Anordnungen-treffen und Überwachen, und vielleicht mit dem Herrichten unseres Zimmers und Besuchen bei Nachbarn und so weiter hättest du doch etwas, was dich beschäftigt.«
»Ach, aber ich hab doch mein ganzes Leben lang Hausarbeit gehabt! Sogar als Papa sich ein Dienstmädel leisten konnte, mußte ich beim Geschirrwaschen helfen und lauter so Sachen und so weiter, und ach, Myron, du wirst doch nicht die arme kleine Effilein wieder in die Küche zurückschicken, nicht wahr? Wo sie doch so gern ins Theater geht und zum Tanzen und in Restaurants und zu Gesellschaften und so!«
»Aber nein, nein, natürlich nicht! Das sollst du genau so oft machen – abends, sowie ich aus dem Büro komme. Aber ich meine – – Untertags.«
»Ach, ich weiß, aber wir wollen noch ein bißchen warten. Es ist doch lustig hier. Aber hör mal, ganz ernsthaft, ich hab mich doch nicht in den kleinen Schimpansen verknallt – Murphy oder Burphy oder Brophy oder wie er heißt – Mrs. Koreball hat Harry zu ihm gesagt – aber was ich sagen wollte: ich hab ihn so albern gefunden!«
Als es dämmerte, erwachte er und überlegte ganz kühl:
»Nein. Sie ist gut und ehrlich und lieb. Sie hat wirklich eine glückliche Veranlagung. Aber sie hat nichts in sich, in sich selbst, womit sie sich befassen könnte. Und es wäre unmöglich für sie, eine Stellung auszufüllen, wie Miss Absolom und die Wilde Witwe und Tansy Quill… Das ist übrigens verflixt komisch, daß die drei Frauen, die mir imponiert haben, eine jüdische Schullehrerin waren, wahrscheinlich aus einer von den internationalen jüdischen Familien, die sich für Musik und Malerei so interessieren wie ich für Bratpfannen, und eine Vorführerin für Kolonialwarengeschäfte, die alt genug war um meine Tante sein zu können, und ein Zimmermädchen, das eine Quarteronin war! Ach, und dann Effie als vierte – natürlich vier im ganzen, nicht drei.
Und es war meine Schuld. Effie hat nie auch nur eine Sekunde lang so getan, wie wenn sie was anderes wäre, als sie ist. Und ich bin ganz verrückt nach ihr! Anscheinend ist eben doch das Verlangen, eine Frau zu küssen, ein stärkeres Band in der Ehe als Verstand oder Tugend oder irgend so was anderes! Und sie ist so lieb und gut. Ich muß sie dazu bringen, daß wir in ein richtiges Heim kommen, damit sie von diesen Alimentenhyänen wegkommt. Ob mich das daran verhindern wird, mein Kurhotel zu machen? Na, wenn es mich daran verhindert – –«
Die Pralinés, der Kuchen und die kandierten Früchte, die Schokolade mit Schlagsahne und der Kaffee mit vier Stück Zucker, die warmen Brötchen, die fetten Hammelkotelettes und die Unmenge gebräunter Bratkartoffeln, an denen sich der gesunde Black Threader Appetit Effies in der vielen freien Zeit, die sie hatte, ausgiebig labte, waren eine schwere Konkurrenz für die Massage, die es einfach nicht schaffen konnte. Täglich wog sich Effie May im Badezimmer und jammerte dann: »Ich werd ja schrecklich dick! Ich muß Diät halten!« Und tat nichts dergleichen.
Sie sah Bertha Spinney und Mrs. Koreball noch oft genug, obgleich sie nicht mehr so naiv war und vor den zahllosen Harry Burphys besser auf der Hut war. Und wenn sie sich noch ab und zu langweilte, so wurde sie dafür, daß sie eine jener beliebten Märtyrerinnen ihres Zeitalters war, ein Vögelchen in vergoldetem Käfig, reichlich durch die Bewunderung ihrer Familie entlohnt, als diese aus Black Thread angerückt kam.
Julia erschien, nicht allzu dringend eingeladen, mit Willis und Kind, um zwei Wochen vor Weihnachten bei ihr zu verbringen, und Julia, die eine Autorität war, erklärte, die Wohnung der Weagles sei »einfach elegant – so viel Geschmack«. Sie behandelte Effie May nahezu respektvoll. Herbert erwies ihnen die Ehre seines Besuches mit Frau und Kind während der nächsten Osterferien. Herbert verlangte mit allem Nachdruck, Myron solle jetzt mit dem Gefackel aufhören und ihm schleunigst den großen und gutbezahlten Hotelposten beschaffen, den er ihm versprochen hätte. (Myron konnte sich nicht darauf besinnen, so etwas versprochen zu haben.) Er gab zu verstehen, wie großmütig er immer gewesen sei; er hätte Myron seine eigene Schwester gegeben, hätte ihm verziehen, daß er kein Yale-Absolvent sei, und es sich zur Pflicht und Aufgabe gemacht, jede Zeitungsnotiz, die sich mit Hotelangelegenheiten befaßte, auszuschneiden und Myron einzusenden.
Myron stellte die Überlegung an, daß es doch erstaunlich viele Menschen auf der Welt gebe, die voll Eifer alles mögliche für einen tun, was man gar nicht haben will, vorausgesetzt, daß man für sie etwas tut, was man nicht tun möchte. Er schmiedete ein Komplott mit dem keineswegs allzu bereitwilligen Alec Monlux, der jetzt Direktor eines Familienhotels in Yonkers war. Alec machte einen Besuch, tat so, als imponierten ihm Herberts Bildung und Wortschatz außerordentlich, und bot ihm die Stellung eines Direktor-Stellvertreters im Hotel an. Es sei, sagte er ohne jede Begeisterung, ein schwerer Posten. Die drei, die ihn zuletzt bekleidet hätten, wären teils infolge Überarbeitung gestorben, teils hätten sie Selbstmord begangen, und aus diesem Grunde müßte man einen Mann mit Herberts philosophischer Kraft haben. Herbert sah eingeschüchtert, aber geschmeichelt aus, bis Alec nach etlichen Akten der Komödie zum Höhepunkt kam: Herberts Gehalt würde dreißig Dollar in der Woche betragen.
Herbert erschien ein Jahr lang nicht mehr in New York, und als Effie im nächsten Sommer nach Black Thread »rutschte«, kam Myron nur für achtundvierzig Stunden mit, von denen er zweiunddreißig bei seiner Mutter verbrachte.
Den größten Teil dieses Sommers im Jahr nach ihrer Hochzeit verbrachte Effie May mit schönem Nichtstun im Frigate Häven Manor, einem riesigen Holzhaufen von Hotel an der Südküste Long Islands. Myron kam nur zu den Wochenenden hinaus, aber Bertha Spinney hatte sich zu ihr gesellt, und den ganzen Sommer hindurch beschäftigten sich die beiden damit Pralinés zu lutschen, am Strand ein Schläfchen zu machen, auf der Veranda zu gähnen, über Komplimente albern zu lachen und Romane über Sheiks und Ingenieure zu lesen.
Eine ganze Woche hindurch sprach ein Mann Effie May im Mondschein flüsternd von Liebe – später wußte sie von ihm nur noch, daß seine weißen Flanellhosen schön waren. Eines Abends ging sie so weit, an seine Schulter gelehnt zu schlummern, aber nachher wurde sie boshaft. Als jedoch Myron am Sonnabend hinauskam, erwartete sie ihn so voll Ungeduld, daß es ihn erfreute und gleichzeitig ein wenig entsetzte; sie holte ihn am Bahnhof ab, und als er lachend fragte: »Was würdest du zu ein bißchen Tennis vor dem Essen sagen?« antwortete sie atemlos: »O nein, zu allererst möcht ich dich küssen!« und schleppte ihn an der Hand in das Zimmer, wo sie ihn mit so verzweifelter Innigkeit umarmte, daß er ganz von ihrer Köstlichkeit ausgefüllt war.
Er hatte die Absicht gehabt, den größten Teil dieses Wochenendes mit Plänen darüber zu verbringen, wie er Mark Elphinstone für den Vollkommenen Gasthof interessieren könnte. Aber er schwamm mit ihr, er lag eng an sie gepreßt neben ihr in heißen kleinen Kieferngehölzen und schenkte seinen Plänen nicht einen einzigen Gedanken.
Wenn Bertha Spinney die Männer betrachtete, die von Effie Mays rosa Teint und Goldhaar und ihrem heißen Tanzen hingerissen waren und erklärten, sie sei nicht eines jener widerlichen, modernen, intellektuellen Weiber, die einen mit tiefen Fragen anödeten, dann hatte sie Hoffnungen für Effies Karriere in der Gesellschaft. Als sie einmal nebeneinander auf der Terrasse des Frigate Haven Manor auf Schaukelstühlen saßen und bunte Schals strickten, die sie beide niemals tragen würden, fragte Bertha: »Wenn du dich einmal von Myron scheiden lassen solltest, was meinst du, wieviel Alimentation du kriegen könntest?«
»Scheiden lassen? Von Myron scheiden lassen? Aber! Ich denk ja nicht einmal im Traum daran! Ich hab ihn doch furchtbar lieb! Mmmm! Ich könnt ihn einfach totdrücken!«
»Aber ja, natürlich, meine Liebe! Ich wollte ja auch nicht – – Sei doch nicht albern! Ich wollte bloß sagen – ich hab bloß so über Alimentationen ganz im allgemeinen nachgedacht. Wir Frauen müssen zusammenhalten. Ich hab niemals was von Wahlrecht und Gleichberechtigung der Frau und dem ganzen blödsinnigen Quatsch gehalten, aber ich kann mich erinnern – das hat mich damals so interessiert, ich hab einen Vortrag von der Dr. Malvina Wormser gehört, von der Ärztin, und es ist eben so, wie sie gesagt hat: die Frauen müssen zusammenhalten und dürfen nicht zugeben, daß die Männer versuchen sie unterzukriegen, und ich wollte bloß sagen, daß – – Natürlich wird das für Myron und dich gar nicht in Frage kommen, aber jede Dame sollte von diesen Dingen etwas wissen, damit – damit sie andern einen Rat geben kann! Genau so, wie ich zum erstenmal von einer Freundin von mir gelernt hab, daß man die Männer immer warten lassen und unsicher machen soll, sonst hauen sie einen übers Ohr. Und ich dachte eben daran: wenn du mal eine Freundin hast, die sich scheiden lassen will, dann geh ihr nicht von der Pelle und, das ist das wichtigste, du mußt dafür sorgen, daß sie auf keinen Fall einen Vertrag unterzeichnet, nach dem ihre Alimentation aufhört, wenn sie sich wieder verheiratet. Da legen einen nämlich diese Schweinehunde von Verflossenen rein! Da muß man höllisch scharf aufpassen! Natürlich kann man das zweite- oder drittemal jemand heiraten, der reicher ist als der erste, aber andererseits kann man ja auch irgendeinen netten Jungen heiraten wollen, der eben nicht bloß ein gemeiner Pfennigfuchser und Geschäftsmann ist wie der Alte und schon sich selber nicht erhalten kann, also eine zweite erst recht nicht, der aber so nett und liebevoll ist, daß dir das gar nichts macht, und dann willst du natürlich dein Einkommen weiter behalten und nicht deinem Verflossenen, diesem Schwein, eine Gelegenheit geben, es dir abzuschneiden! Und recht geschieht ihm das außerdem! Ich sage dir, ein Mädel, das mit einem Mann verheiratet war, ganz gleich mit was für einem Mann, und sich ihm geschenkt hat und seine scheußlichen Launen und ekelhaften Gewohnheiten ausgehalten hat und die Art, in der er sich benimmt, um dich daran zu verhindern, daß du weiterkommst und in der Gesellschaft den Platz einnimmst, der dir zukommt, ich sage dir, du hast dir deinen Anteil an seinen Moneten verdient. Und es ist dein Recht und deine Pflicht, daß du ihn immer weiter dazu zwingst, daß er dir gibt, worauf du ein Recht hast, und wenn er blöd genug ist, inzwischen noch einmal zu heiraten, na ja, das ist dann eben sein Pech – mit dir hat er sich ja nie darüber beraten! Das hab ich eben gemeint. Wenn mit dir und Myron mal was passieren sollte – – Aber es wird natürlich nie was passieren, ich war selber am meisten überrascht!«
» O nein! Ich hoffe, und ich bete sogar darum, daß Myron und ich immer beieinander bleiben!«
In diesem Augenblick hatte sie Bertha Spinney gar nicht gern. Sie war unsäglich erschrocken. Sie wünschte, Myron wäre bei ihr, sie zu beschützen, sie von dem Gefühl der Bedrohung zu befreien, das, wie sie spürte, hinter all dem steckte, was ihr diese Spinney mit ihrem breiten Lächeln anvertraute! Sie hatte eine wunderbare Idee! Sie wollte am nächsten Tag nach New York fahren, um ihn zu überraschen und bis zum nächsten Sonnabend bei ihm zu bleiben.
Aber am nächsten Tag war es so heiß, und Bertha hatte eine Badegesellschaft zusammengestellt.
Als sie im Herbst ins Westward zurückkehrte, hatte Myron sich einen Plan ausgedacht, wie sie von ihrer Untätigkeit befreit werden könnte. (»Schon wieder einer von meinen verdammten Plänen! Ach du lieber Gott, hoffentlich ist der wenigstens klug!«)
Die Frauen vieler Hoteliers arbeiteten im Geschäft mit und schienen Freude daran zu haben. Myron hatte mit einigem Unbehagen empfunden, er müßte Effie ein solches Abrackern ersparen, aber während langer Überlegungen an den einsamen Abenden dieses Sommers – an denen er, wenn es heiß war, nur mit dem Unterhemd bekleidet und ein kühlendes Getränk in der müden Hand, in einem bequemen Stuhl an einem Fenster zu sitzen pflegte, das auf den verkehrdurchwirbelten Broadway ging – war er zu der Überzeugung gekommen, daß dies ein Vorurteil sei, das der Erinnerung an seine in der Hotelküche überarbeitete Mutter entspringe.
Effie May konnte eine tüchtige Mitarbeiterin in den Wirtschaftsregionen des Hauses werden, sie konnte so zu Tätigkeit, Triumphen und einem eigenen Einkommen gelangen. Sie war doch eine gut ausgebildete Köchin, Haushälterin, Einkäuferin – ihm konnte man doch nicht erzählen, daß der Haushalt der Lambkins von der pferdegesichtigen Julia und nicht von seiner herrlichen Effie May geführt worden sei!
Effie May war kaum vom Frigate zurück, als Myron laut verkündete, er hätte eine Idee!
Das sei nett, sagte Effie.
Warum sollte sie nicht die Aufsicht über die Küchen des Westward übernehmen und über nützliche Änderungen nachdenken? Hier sei, von Elphinstone und Carlos Jaynes unterzeichnet, ihre Ermächtigung dazu; die beiden hätten auch versprochen, daß sie sie honorieren würden, wenn sie wertvolle Einfälle hätte.
Sie war begeistert, und früh am nächsten Morgen – früh für ihre Begriffe – erforschte sie allein die Küchenregion. Myron wollte nicht mitkommen. Nein, er wäre nur im Wege.
Sie hatte sich die Küchen vor einem Jahr angesehen, aber damals war ihr nur wenig aufgefallen außer der Unterwürfigkeit (dafür hatte sie es wenigstens gehalten) des ganzen Personals gegenüber ihrem großen, hübschen, klugen Myron. Als sie diesmal, ihren ganzen Mut zusammennehmend, durch die Schwingtür in die ungeheure Hauptküche trat, war sie entsetzt und eingeschüchtert.
Der zweite Koch watschelte heran und sagte: »Guten Morgen, Mrs. Weagle. Mit was kann ich Ihnen dienen?«
»Nein – danke – ich wollte mich bloß mal umsehen.«
Sie wagte nicht, ihre wichtigtuerische »Ermächtigung« vorzuzeigen.
Mutig ging sie vorwärts, und bei jedem Schritt, den sie machte, wuchs ihre Verwirrung: Kohlenherde, Holzkohlenbratroste, Wärmtische, Dampfbacköfen, Suppenkessel so groß wie drei Waschkessel, elektrische Speiseeismaschinen, elektrische Eierkocher, Maschinen zum Mahlen von Brotbröseln, zum Gemüseputzen und zum Silberpolieren, die Schlächterei, Kühlräume mit verschiedenen Temperaturen für Fisch, Wild, Fleisch und Milch, Vorratsräume so groß wie ganze Kolonialwarenläden, und ein Hundert tüchtiger Männer und Mädchen, die mit Geschick all diese rätselhaften Einrichtungen bedienten.
Ihre Uniformen waren so sauber, ihre Hände bewegten sich mit solcher Sicherheit. Sie sahen sie an wie einen Eindringling.
Sie floh.
Als Myron erwartungsvoll zum Lunch in die Wohnung hinaufkam, schluchzte Effie May: »Ich bin hinuntergegangen und hab mir die Küche angesehen und ich bin einfach vor Angst gestorben. Ich bin ganz durcheinander gekommen! Ich weiß ja überhaupt gar nichts! Ich weiß grade, wie man ein Huhn brät und wie man Rührei macht, und wie man sich hinsetzt und Kartoffeln mit einem kleinen Messer schält, aber nicht mit einer großen, riesigen, ungeheuren Maschine! Ach Liebling!«
»Aber du könntest lernen – –«
»O nein, nein, nein! Dazu bin ich viel zu dumm! Und der Lärm hat mich erschreckt – es war so laut, und die Köche – ach, sie waren ja furchtbar nett, aber heimlich haben sie mich alle ausgelacht, ganz bestimmt, und ich hatte solche Angst!«
Um sie zu trösten, ging er mit ihr Einkäufe machen.
Er hatte sich immer Vorwürfe gemacht, weil ihm die Fähigkeit, Schmuck für sie zu kaufen, ganz zu fehlen schien. Er hatte gehört, daß hübsche Frauen eine sonderbare Vorliebe für Schmuck haben. Das konnte er nicht gut verstehen. Ihm hatten Brillantenmanschettenknöpfe und Perlennadeln bei Empfangsherren stets mißfallen. Warum kauften sie sich nicht New York Central Aktien oder Grundstücksoptionen oder irgend etwas Solides, das nie an Wert verlieren konnte? Aber trotzdem, Autoritäten wie Luciano Mora, die sich auf Frauen verstanden, versicherten ihm, daß sie sich wirklich etwas aus diesen glitzernden Steinen machten, und darum führte er Effie May wacker zu einem der geschmacklosesten Läden in der Fifth Avenue. Dort entdeckte er zu seinem Entsetzen, daß ein Stein, den er für einen sehr hübschen Amethyst hielt und für den er drei- bis vierhundert Dollar zu zahlen bereit gewesen wäre, ein Alexandrit war, der fünftausend Dollar kostete.
Er war froh, daß er sich mit einem Opal für hundert Dollar verdrücken durfte.
Effie May sagte, ihr gefielen Opale besser als alles andere; sie hätten so viel Feuer. Ganz, als ob sie lebendig wären!
Am nächsten Tag überzeugte Mrs. Koreball sie allerdings davon, daß Opale Unglück brächten, und so trug sie den Ring nie wieder.
Täglich bedauerte Myron, daß sie kein Kind hatten. Beide versicherten einander, daß sie sich eines wünschten, Effie sogar voll Glut, aber die hierfür zuständigen Götter, so erbaulich prompt gegenüber Menschen, die keine Kinder mehr wollten und sie sich nicht leisten konnten, hatten sich bis jetzt nicht veranlaßt gesehen, den Weagles diesen Gefallen zu tun. Und, so sagte er sich immer wieder voll Kummer, ein Kind würde Effie May davor bewahren, zu einem dicken, nutzlosen Wesen herabzusinken.
Als sie drei, vier, fünf Jahre verheiratet waren, nahm ihn Effie May als einen notwendigen Bestandteil ihres gutmütigen pralinénaschenden Daseins hin, nur daß sie hin und wieder versuchte, über seinen Arbeitseifer und über seine Vorliebe für das Schlafen nach Mitternacht Witze zu machen.
Er hatte den Argwohn, daß sie das von dem witzigen, dem niemals schlafenden Ora angenommen hätte.