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XLVII. Tischreden D. M. Luthers von Juristen

 

Was Juristen sind.

»Ein Jurist ist ein Balkenträger; ein Theologus ein Splitterträger. Und ein Doctor Juris ist ein Balkendoctor; ein Theologus ein Splitterdoctor. Ein Jurist ist nach menschlicher Weisheit klug; aber ein Theologus ist klug nach Gottes Weisheit. Viele sind gelehrter, denn ich bin; aber daß sie sollten gelehrter sein in Gottes Wort, das ich lehre und predige, das ist unmöglich. Ich will einen Schuster, Schneider, Juristen, und ein Jeglichen lassen bleiben; ficht mir aber einer den Predigtstuhl an, so will ich ihn herab weisen, daß er sichs soll wundern. Ein Jurist ist nicht mehr, denn ein Schuster oder Schneider.«

 

Abdecker und Jurist.

Ein Abdecker kam ein Mal zu einem silbernen Juristen, und sprach zu ihm: Glück zu, Gott ehre das Handwerk! Da ward der Doctor unwillig. Ja, sprach der Schinder, wir sind billig eines Handwerkes, wiewohl wir eines Grades leidlicher, und nicht so große Schinder sind, als ihr Juristen, ob ihr gleich den Namen nicht wollt haben; denn wir schinden todte Thiers, ihr aber lebendige Leute.

 

Daß gefährlich sei, ein Jurist sein.

»Kaiserliche Rechte, wie sie in Büchern verfasset sind, wissen und verstehen, ist wohl eine feine Kunst und Facultät; aber jetzt stehet sie nur auf der Praktika, und wird nach den Gerichtsstühlen und Gebräuchen gerichtet. Darum ists gar eine jährliche Vocation. Und D. Benedictus Pauli bekannte und sagte frei: Wenn er gleich viel Söhne hätte, so wollte er doch keinen lassen Jura studiren. Ich wills ja meinen Söhnen auch verbieten; denn das rechte Recht ist jetzt aufgehoben und abgethan, ist zum Schemen und Pützemanne worden. Und da gleich noch etwas Gutes übrig ist, das verdrehet und verfälscht man, und macht ihm eine wächserne Nase. Gleichwie die Theologia unter dem Papstthum war nur ein bloßer Name und Schein, da nichts hinter ist. Gott aber wird sein Reich, wider des Teufels Betrügerei, Verfälschung und Verführerei, durch rechtschaffene Lehrer und Prediger erhalten; denn die Lehre des Evangelii stehet jetzt in großer Gefahr, wird angefochten von Secten und Rotten, von aufrührischen Bauern, Bürgern und Adel, den Bauchdienern; wie etwa vor Zeiten das römische Reich angefochten und geplaget ward.«

 

Unterschied des Rechtes.

»Das Recht ist vornehmlich zweierlei: Eins, natürlich; das andere beschrieben oder gesetzte Recht. Das natürliche Recht lehret, wie man sich in diesem Leben halten soll, beide gegen Gott und Menschen, so viel den äußerlichen Wandel und die Sitten belangt; verbeut was böse und unrecht ist, und gebeut was gut und recht ist, und deß Stifter ist Gott, der solch Licht geschaffen und dem Menschen ins Herz gepflanzt und geschrieben hat. Beschriebene und gesetzte Rechte aber sind die Gesetze und Ordnungen, so ihre Umstände haben, und aus bewährlichen und vernünftigen Ursachen also gesetzt sind, und mit dem natürlichen Rechte übereinstimmen; ob sie wohl bisweilen in etlichen Umständen aus Ursachen geändert sind; und derselben Stifter ist die Oberkeit. Als, daß an etlichen Enden Diebstahl mit dem Strang gestraft wird, das kömmt aus gesetzten Rechten, aus bewährlichen billigen Ursachen. Nicht wie des Draconis Gesetz, welches alle Diebe, die auch nur ein Huhn gestohlen hatten, zum Strick an den Galgen verurtheilte und verdammte; aber es hatte deß keine bewährliche, vernünftige und billige Ursachen, und ist wider die Natur, drum sagt man davon, daß solch Gesetz mit Blut geschrieben wäre. Doch muß man solche Pön in Landen und Orten, da die Leute verrucht und wilde sind, und sich an keine Strafe kehren, etwas schärfer und härter mit Ernst exequiren und üben.«

 

Worauf man in Händeln am meisten und vornehmlich sehen soll.

»In allen Sachen,« sprach D. Mart., »soll man mehr sehen auf die Billigkeit, denn auf gestreng und scharf Recht. Also saget S. Jakob in seiner Epistel (K. 2, 13): Barmherzigkeit erhebt das Gerichte, denn das schärfeste Recht ist das größte Unrecht. Darum soll man die Billigkeit ansehen und darnach richten, welche das Recht und die Disciplin nicht los macht, noch bricht und aufhebt, sondern dieselbe ausleget und lindert nach Gelegenheit der Umstände, vornehmlich in den Fällen, davon das Recht vornehmlich nicht redet. Doch soll man gleichwohl in solcher Milderung fleißig zusehen, daß unter solchem Schein nicht wider Recht etwas gehandelt werde: Judex sit juris dispensator, non dissipator. Denn was wider natürliche und göttliche Recht ist, darinnen soll kein Dispensiren zugelassen werden; und die guten Werke, so aus der Natur nöthig herfließen, und derselben eingepflanzt sind von Gott, Ehrbarkeit, Liebe und Disciplin belangende, sollen, außerhalb dem Bekenntniß, den Ceremonien vorgezogen werden. Drum soll man mit großer Vorsicht und in Gotts Furcht und Anrufen handeln; nicht unbedächtig und plötzlich bald heraus fahren und sagen: das ist billig und recht; wie junge unerfahrne Leute pflegen. Denn es gehet also zu, wie wir sehen und erfahren: Ein junger Jurist will haben das höchste und schärfeste Recht; ein junger Theologus die größte Heiligkeit, und ein junger Regent den größten Gehorsam. Sie meinen, wie es in Büchern geschrieben stehet, und sie gefaßt haben, also soll es auch stracks gehen und geschehen. Aber es fehlet ihnen weit, man kanns nicht alles zu Bolzen drehen; doch in Artikeln des Glaubens und in Gottes Wort, da soll man weder zur Rechten noch zur Linken weichen.«

 

Juristenstand ist jetzt ein fährlicher Stand.

»Juristerei, wie sie in den alten Rechtsbüchern der römischen Heiden verfaßt und beschrieben, ist ein feine gute Facultät; aber jetzt gibt man sich nur auf die Praktike, verwirret die Sachen, nachdem mancherlei Bräuche der Gerichte sind, schiebet und ziehets auf, hackt allerlei Hundshaar mit ein. Die alten Rechte liegen unter der Bank, und einem jeglichen Zungendrescher und Procurator wird sein Muthwillen gestattet, der bringet die armen Leute um das Geld, hetzt sie in einander, damit er etwas heraus schneide und reich werde, und ist des Rechtens kein Maaß noch Ende. Drum ists gar ein fährliche Vocation und Stand; nicht, daß die Rechte unrecht wären, sondern des schändlichen Mißbrauchs halben.«

 

Um Genusses willen studiert man gemeiniglich Jura.

Doct. M. L. sagte: » Studium Juris, im Rechten studiren, wäre ein sordidum, unfläthig und garstig Ding, da man nur Genieß, Geld und Gut mit suchte, daß man reich würde.« Da sprach Peter Weller, der bei ihm im Hause war und zu Tisch ging: Er hätte den Sinn nicht, und thäte es nicht. Da rief D. M. L. überlaut, und sprach zu seinem Famulo: »Wolf, gehe und laß die große Glocke lauten, und bring Wasser her, daß man ihn kühle.« Da er aber drauf bestand, und es theuer verjahete; fragte ihn der Doctor: »Ob er allein von wegen des Erkenntniß der Händel, und daß er möge wissen, was Recht ist, oder Lust halben in Jure studirte? So wäre er unsinnig; sondern die endliche Ursach, darum ihr zu Juristen werdet und Jura studiret, ist das Geld, daß ihr reich werdet.

 

Juristen wissen nicht, was die Kirche ist.

»Juristen wissen nicht, was Ecclesia (die Kirche) ist. Wenn sie gleich alle ihre Bücher aussuchten, so finden sie nicht, was Ecclesia, die Kirche sei; darum sollen sie uns auch hier nicht reformiren. Omnis Jurista est aut nequista, aut ignorista; ein jeglicher Jurist ist entweder ein Schalk, oder ein Esel, der nichts kann in göttlichen Sachen. Und wenn ein Jurist davon disputiren will, so sagt zu ihm: Hörest du Gesell, ein Jurist soll hier nicht eher reden, es farze denn eine Sau, so soll er sagen: Dank habt, liebe Großmutter, ich habe lange keine Predigt gehört. Sie sollen uns nicht lehren, was Ecclesia (Kirche) heißt. Es ist ein alt Sprichwort: Ein Jurist, ein böser Christ. Das ist wahr.«


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