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In Tuat schlugen sie das Lager auf, Kosma und ihre Jagdgenossen aus London, Paris und Tiflis, Kosma und ihre Diener. Bis nach Tuat kamen die Löwen der Wüste, um ein Zicklein zu holen zum Fraß für ihre Kleinen.
In Tuat lag das schöne Weib auf Löwenfellen unter einem weißen Zelt. Draußen schliefen ihre Freunde und ihre Diener, und draußen wachte auf seinen Knien der Älteste von Tuat. Auch Kosma wachte.
Das wird wieder schön werden, eine Löwenjagd.
Kosma war die Tochter eines russischen Fürsten und einer Pariser Jüdin. Zu siebzehn Jahren hatte sie einen sarmatischen Magnaten geheiratet und zum Bettler gemacht. Zu zwanzig wurde sie die Geliebte eines Königs; er verdorrte in ihren Umarmungen und starb. Jetzt war sie dreißig und die Frau eines alten und unerschöpflich reichen Amerikaners. Kosma konnte endlich das Leben genießen. Der Mann duldete alles, Kinder hatte sie nicht. Und Kosma hatte endlich entdeckt, daß eine Künstlerin in ihr lebte, zum mindesten eine Lebenskünstlerin.
Blaß und schön lag sie auf ihren Löwenfellen, und wenn sie dürstete, so schlürfte sie, was ihr gefiel. Ob in Tuat oder in einem ihrer Paläste, jeder Genuß war bereit für jeden müden Wink der feinnervigen Frau. In ihrem Gefolge war einer, der hatte nur die Blätter umzuwenden, wenn ihr Virtuose sie zum Gesang begleiten durfte, in Tuat am Rande der Wüste.
Kosma wachte und rief von ihren Freunden den Sternkundigen, den blassen edeln Mann aus dem Haag, daß er ihr die Schönheit dieses fremden Himmels mit Namen benenne. Und der Sternkundige aus dem Haag erfüllte ihren Willen; sie träumte sich auf den Sirius und spielte mit dem braunen Haar des verstummenden jungen Gelehrten.
Auch schlafen konnte Kosma. Dann wachte sie auf und Afrika huldigte ihr. Die Sonne glänzte hinter einem Wald von Dattelpalmen. Im Westen hoben sich vom stahlgrauen Himmel ferne gelbe Hügel der Wüste.
Ihre Nasenflügel witterten, und sie sog den Duft der Wüste und der Dattelblüte in sich ein. Ihre Augen weiteten sich und sogen den Glanz der Welt in sich, ihn zu bewahren für dunkle Nächte. Und ihre kleinen Ohren zitterten und sogen die Stille der Wüste ein und von Zeit zu Zeit ein ganz fernes tonloses Rollen, wie von verwehtem Gewitter.
Da sprang der Älteste von Tuat auf, und zwei Beduinen sprangen auf und wiesen mit den Fingern und streckten ihre braunen Arme aus nach den Hügeln des Westens.
Dort war nichts zu sehen, kaum ein Punkt. Meilenweit. Einer der Freunde aber richtete das Fernglas nach dem Punkt. Es war das kostbarste Fernrohr, das jemals aus einer Werkstatt hervorgegangen war. Die Sonne lag glänzend auf dem gelben Punkt. Der Freund Kosmas hatte das Fernrohr gerichtet, und Kosma blickte hindurch. Nach wenigen Augenblicken winkte sie dem Gefolge. Sie wollte allein sein.
Auf einem Absatz des fernsten Hügels stand eine gebärende Löwin, durch das Glas zum Greifen nah. Und jetzt lag ein kleiner Löwe auf dem Moosbüschel links von der ragenden Agave. Die Löwin blickte gar nicht nach dem kleinen Löwen hin. Immer noch stand sie da, die Vordertatzen zitternd, die Hinterpranken eingestemmt gegen den Felsen, und von den Hinterpranken über den Rücken hinweg ging ein leises Zucken von unendlicher Lust und Kraft. Und mit Lust und Kraft hatte die Löwin den Hals emporgerichtet mit dem felsengleichen Löwenhaupt, und blickte mit ihren höhnischen Katzenaugen triumphierend vor sich hin, über die Wüste weg, die ein Spielplatz sein wird und Gazellen bieten wird für die kleine Löwenkatze zwischen ihren Pranken, triumphierend in den Himmel hinein, der das Löwenjunge nicht verletzen kann, nicht mit Adlern und nicht mit Blitzen, nicht mit Hagelschloßen, die es abschütteln wird wie Sandkörner, und triumphierend mit den Katzenaugen in die Augen des schönen, blassen Weibes hinter dem Glase. Und leise zog die Löwin die eine Hinterpranke vor, bis sie das Löwenkind berührte; dann ging es wieder durch den ganzen Leib wie ein Schauern der Lust, und die Löwin öffnete den Rachen und bleckte ihr Gebiß und stieß ein Gebrüll aus, schwanger von Lust und Kraft, von Liebe und Kampflust, zweimal, dreimal. Dann ließ sie sich nieder, sanft wie ein Hündlein, und bot dem Jungen das Euter.
Das kinderlose Weib stand auf mit schmerzenden Knien und ging in ihr Zelt und weinte die Löwenfelle naß. Dann befahl sie den Aufbruch. Sie lachte darüber, daß man Löwenjagden schön fand. Zurück wollte sie nach Europa, wo sie hingehörte. Denn mit all ihrem Künstlertum schämte sie sich vor der Natur. Sie schämte sich wie ein Laster. Und sie verbrachte den Rest der Saison am Mittelmeer, in Monaco, am Spieltisch, wo sie sich nicht zu schämen brauchte vor der Natur.