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Mejia ging. Draußen begegnete er Miramon, der ihm mit einem fremden Menschen entgegenkam. Beide Generäle grüßten sich kalt und schritten gleichgültig aneinander vorüber.
»Warten Sie hier!« meinte Miramon zu dem Pater.
Er ließ sich melden und trat dann ein.
Im Angesicht des Kaisers lag ein Etwas, was der General sich nicht zu erklären vermochte. Mejia war hier gewesen. Jedenfalls galt es, den Eindruck, den dieser zurückgelassen hatte, wieder zu verwischen.
»Was bringen Sie?« fragte der Kaiser ernst. – »Eine außerordentlich wichtige Nachricht, Majestät«, antwortete der General unter einer tiefen Verneigung. – »Wichtig? Aber doch wohl nicht erfreulich?« – »Im Gegenteil, außerordentlich erfreulich.« – »Das bin ich leider gar nicht mehr gewöhnt.« – »Oh, Majestät werden sich bald wieder an das zurückkehrende Glück gewöhnen und Ihre Regierung noch lange zum Wohl und Ruhm des Landes fortsetzen.« – »Ich verstehe Sie nicht! Welche Nachrichten bringen Sie?« – »Juarez wird von Querétaro ablassen.« – »Ah!« rief der Kaiser im Ton des höchsten Erstaunens. – »Und Diaz von der Hauptstadt und Puebla.« – »Das wäre mir unbegreiflich.« – »Juarez ist gezwungen.« – »Wodurch?« – »Durch den Aufstand Ihrer Treuen.«
Da trat der Kaiser rasch näher.
»Einen Aufstand gibt es? Wirklich?« – »Ich bringe die Nachricht davon.« – »Gegen Juarez ein Aufstand?« – »Ja.« – »Wo?« – »Oh, an vielen, vielen Orten.« – »Nennen Sie dieselben.« – »Da ist zuerst zu nennen das Kloster della Barbara.« – »Wo liegt dieses?« – »In Santa Jaga.« – »Liegt diese Stadt nicht viel nördlicher als Zacatecas?« – »Allerdings.« – »So wäre dieser Aufstand ja im Rücken von Juarez.« – »So ist es.« – »Und die anderen Orte?« – »Liegen alle auch im Rücken der Republikaner.« – »Woher haben Sie diese Kunde?« – »Von einem sicheren Gewährsmann.« – »Können Sie sich auf ihn verlassen?« – »Wie auf mich selbst.« – »Wo befindet er sich?« – »«Vor der Tür Eurer Majestät,« – »Ah, Sie haben ihn mitgebracht?« – »Ich sagte mir, daß Majestät den Wunsch haben würden, eine so wichtige Botschaft aus seinem eigenen Mund zu hören.« – »Ich danke Ihnen. Wer ist der Mann?« – »Er ist ein hochgelehrter und berühmter Arzt, Pater Hilario, der Dirigent der ebenso berühmten Krankenheilanstalt della Barbara.« – »Wo der Aufstand ausgebrochen ist?« – »Ja.« – »Lassen Sie ihn eintreten!«
Eigentümlich! Die Haltung des Kaisers war im Handumdrehen eine ganz andere geworden. Er dachte bereits nicht mehr an Rückzug und Flucht, Seine Augen glänzten; seine Wangen hatten sich gerötet, und es war ein höchst wohlwollender Blick, mit dem er den Eintretenden betrachtete.
»Sie nennen sich Pater Hilario?« fragte er ihn. – »Zu Befehl, Majestät«, antwortete der Gefragte, indem er sich fast bis zur Erde verneigte. – »Haben Sie sich bisher mit Politik beschäftigt?« – »Ich habe mich nur mit meinen Kranken beschäftigt.«
– »Das ist sehr verdienstvoll. Man sagt mir, daß diese Anstalt jetzt sehr beunruhigt worden sei?« – »Majestät meinen die militärische Demonstration, die in Santa Jaga stattgefunden hat?« – »Ja. War sie bedeutend?« – »Sie wurde von vielleicht zweihundert Personen eingeleitet, und sodann beteiligte sich die Bevölkerung der ganzen Stadt und Umgegend daran.« – »In welcher Weise?« – »Man bewaffnete sich, man ließ Fahnen und Flaggen wehen, man läutete die Glocken und sandte zu den Nachbargemeinden, um Kompanien, Bataillone und Regimenter zu bilden, die ausziehen werden, unseren Kaiser zu schützen.« – »Wie hoch belief sich die Anzahl der Demonstrierenden in Santa Jaga?« – »Früh zweihundert, abends vielleicht bereits dreitausend.« – »Man sagt, auch andere Orte haben demonstriert?« – »Ich habe die Liste derselben bei mir.« –
»Zeigen Sie, guter Mann.«
Der Pater gab auch hier den Zettel hin. Maximilian las die Namen und sagte dann zu Miramon gewandt:
»Alle im Rücken von Juarez.« – »Desto besser für uns.« – »Gelangen diese Demonstrationen ebenso wie diejenige in Santa Jaga?« – »Gewiß. Die Bewegung wird sich wie ein Präriefeuer verbreiten. Nach meiner Rechnung stehen dreißigtausend Mann hinter Juarez, die sich von Stunde zu Stunde verstärken werden.« – »Man muß ihnen einen geeigneten Anführer senden.« – »Ich bitte um die Erlaubnis, dies mit Majestät besprechen zu dürfen. Aber wir sehen, daß der Kaisergedanke tief Wurzel geschlagen hat und von keinem republikanischen Schwärmer jemals wieder ausgerissen werden darf.« – »Wenigstens sind die militärischen Folgen dieser Kundgebung einzusehen.« – »Sie werden nicht auf sich warten lassen. Die Republikaner müssen sich gegen den neuen Feind nach Norden wenden. Das verschafft uns Luft und Raum zu neuen Evolutionen.«
Während der Kaiser mit Miramon ganz begeistert von den so plötzlich neu belebten Hoffnungen sprach, kam Mejia mit Emilia aus dem Garten.
»Seine Majestät noch allein?« fragte der General einen Bedienten. – »Nein«, antwortete dieser. – »Wer ist bei ihm?« – »Miramon und ein Unbekannter.«
Mejias Stirn legte sich in Falten. Die beiden waren also zum Kaiser gegangen. Er ahnte eine Gefahr, und schnell entschlossen, wie er als Soldat war, sagte er zu Emilia.
»Kommen Sie! Treten Sie gleich mit ein.«
Es war dies natürlich gegen den Gebrauch. Miramon machte daher ein sehr finsteres Gesicht, als er Mejia eintreten sah. Der Kaiser aber übersah in seiner Freude den faux pas und trat rasch auf Mejia zu.
»General, haben Sie bereits gehört, daß es nun nicht nötig sein wird, unseren Plan auszuführen?« – »Unseren Plan«, dachte Miramon. »Ah, sie hatten einen Plan, von dem ich nichts wissen sollte?«
Mejia verbeugte sich kalt und antwortete:
»Ich würde glücklich sein, zu hören, daß Ereignisse eingetreten sind, die diesen Plan unnötig machen. Darf ich mir eine Erkundigung erlauben?« – »Oh, sehr einfach! Man revoltiert gegen Juarez und zwar an zehn Orten, hinter seinem Rücken. Er ist jetzt gezwungen, mit seinen Truppen eine Rückwärtsbewegung zu machen, die uns erlaubt, angriffsweise vorzugehen und ihn zwischen zwei Feuer zu nehmen.«
Der verständige Mejia schüttelte den Kopf.
»Haben Eure Majestät Beweise?« fragte er. – Ja. Hier steht der Bote.«
Der General wandte sich zum Pater. Dieser hatte nicht gewagt, sich umzudrehen, als die Tür aufging, und hatte also Emilia auch noch nicht gesehen.
»Wer sind Sie?« fragte ihn Mejia. – »Er ist ein Señor, den ich Majestät bereits vorgestellt habe«, entgegnete Miramon in scharfem Ton.
Um Mejias Lippen spielte ein überlegenes Lächeln.
»Das schließt nicht aus, daß auch ich ihn kennenlernen muß«, antwortete er. »Majestät sind nicht so gnädig gewesen, mir den Namen zu nennen, nach dem ich mich also erkundigen muß.« – »Dieser Señor ist der Arzt Pater Hilario im Kloster della Barbara in Santa Jaga«, erklärte der Kaiser.
Mejia konnte einen Ausdruck der Überraschung nicht verbergen. Sein Blick flog zu Emilia hin und auf den Pater zurück, auf dem er streng und stechend haften blieb. Dann fragte er, sich zum Kaiser wendend:
»Erlauben mir Majestät, einige Fragen an diesen Mann zu richten?« – »Sprechen Sie mit ihm!« nickte der Kaiser. – »Nicht wahr, Sie sind Arzt?« fragte Mejia. – Ja«, antwortete der Pater. – »Wer schickt Sie her nach Querétaro?« – »Die Bevölkerung dieser Stadt.« – »Weshalb?« – »Sie hat sich nebst den Bewohnern anderer Städte für Seine Majestät den Kaiser erklärt. Wir sind über dreißigtausend Mann stark und stehen bereit, Juarez anzugreifen.« – »Wer ist Euer Anführer?« – »Wir haben noch keinen, bitten aber um einen solchen.« – In solchen Fällen schickt man eine Deputation und keinen einzelnen Mann. Wo haben Sie die Adresse?« – »Eine Deputation mit Adresse wäre in die Hände von Juarez gefallen. Darum komme ich allein.« – »Ich hoffe, daß Sie ein ehrlicher Mann sind.« – »Ich bin es.« – »Kennen Sie diese Dame?«
Der Pater drehte sich um. Er erkannte Emilia, hatte aber so viel Macht über sich, daß er sich nicht aus der Fassung bringen ließ.
»Ja«, antwortete er ruhig. – »Nun, wer ist sie?« – »Eine Spionin des Juarez, die ich allerdings nicht hier erwartet habe.« – »Ah!« machte Miramon, indem er Emilia fixierte.
Mejia lächelte überlegen und antwortete:
»Majestät wissen bereits, wer diese Dame ist. Ich habe von ihr erfahren, daß sie in dem Kloster della Barbara gewesen ist. Es scheint dort nicht alles in Ordnung zu sein.«
Das trat Miramon vor. Er ahnte, was hier beabsichtigt wurde, und fiel schnell ein:
»Die Privatverhältnisse dieses Señors interessieren uns hier nicht. Wir haben es zunächst nur mit seiner Botschaft zu tun.« – »Ich glaube nicht daran«, meinte Mejia. – »Señor!« rief Miramon.
Mejia trat hart an ihn heran und antwortete:
»Welch ein Ton ist dies in Gegenwart unseres allergnädigsten Kaisers! Ich wiederhole, daß ich nicht an die Worte dieses Mannes glaube, es sei denn, daß er mir Beweise bringe.«
Da winkte der Kaiser mit der Hand und wandte sich an Miramon:
»General, Sie haben diesen Mann eingeführt. Sind Sie überzeugt von der Wahrheit dessen, was er berichtet hat?« – »Vollständig.« – »Das ist genügend.« Und sich an Mejia wendend, fuhr er fort: »Ich habe Ihnen die Mitteilung zu machen, daß ich dieser Dame nicht mehr bedarf. Sie können dieselbe begleiten.«
Mejias Fäuste ballten sich, aber er hielt an sich. Er verbeugte sich tief, aber nur vor dem Kaiser, und entfernte sich mit Emilia, seinen Feind und Widersacher beim Regenten lassend. Wieder einmal hatte ihm der Verräter den Rang abgelaufen!
Erst eine Stunde später verließ auch Miramon das Kabinett des Kaisers, an seiner Seite der Pater. Er bezeichnete diesem letzteren eine Venta, in der er logieren solle, und begab sich darauf zu dem Beichtvater.
Dieser hatte augenscheinlich auf ihn gewartet und empfing ihn mit der Frage:
»Gelungen, Señor?« – »Ja, aber schwer.« – »Ah! War der Kaiser ungläubig?« – »Der nicht, aber Mejia.« – »Der General war bei ihm, und in seiner Gesellschaft befand sich Señorita Emilia?« – »Ja.« – »Diese Señorita war beim Kaiser?« – »Ja.« – »Mit Mejia?« – Ja. Und zwar hatte Mejia mit dem Kaiser einen Plan gefaßt, von dem ich nichts wissen sollte.« – »Donner! Er wird doch nicht etwa fliehen wollen?« – »Ich vermute es.« – »Das müssen wir hintertreiben. Aber was hat diese Emilia dabei zu tun?« – »Oh, sehr viel. Unser Pater sagte mir, daß sie eine Spionin des Juarez sei und viele Franzosen in das Verderben geführt habe. Sie soll wenigstens ebenso gefährlich sein wie jener Schwarze Gerard, von dem man vor Wochen so viel erzählte.« – »So steht zu vermuten, daß beide, der Kaiser und Mejia, mit ihrer Hilfe, also unter dem indirekten Schutz des Juarez, fliehen wollen, was wir verhindern müssen.« – »Natürlich. Aber wie?« – »Ich habe das meinige bereits getan. Der Kaiser glaubt mir und dem Pater. Er ist voller Hoffnungen und erwartet nur eine Kunde, daß Juarez von hinten angegriffen worden sei. Ich werde ein Regiment detachieren, das eine Demonstration machen soll, dann ist dieser Max völlig überzeugt und wird in der Falle sitzen bleiben.« – »Das ist indes nur halbe Arbeit. Wie leicht könnte er dennoch mißtrauisch werden!« – »Er war nahe daran.« – »Inwiefern?« – »Diese Señorita Emilia muß Mejia einiges nicht Empfehlendes von unserem Pater mitgeteilt haben. Der General fing davon an, ich aber fiel ihm sofort in die Rede.« – »So müssen wir das Frauenzimmer entfernen.« – Jedenfalls. Dann fehlt Mejia der Beweis und ihnen beiden die Helferin zur Flucht.« – »Also fort mit ihr! Aber wie?« – »Es muß scheinen, als ob sie heimlich entwichen sei. Dann fällt der Verdacht des Kaisers auf sie, daß sie gelogen habe und vor der Verantwortung entwichen sei.« – »So muß ihre Entfernung im geheimen geschehen.« – »Natürlich. Kennen Sie Ihre Wohnung?« – »Sehr gut. Sie wohnt bei der alten Señora Miranda, deren Beichtvater ich bin und deren Haus; ich also ganz genau kenne.« – »Könnten Sie sie heute abend aus dem Haus locken, ohne daß es bemerkt wird?« – »Ich bin bereit. Aber was dann?« – »Der Kaiser darf nichts ahnen. Ich sende sie nach Tula und lasse ihr dort als Spionin den Prozeß machen.« – »Lopez ist zuverlässig und verschwiegen, er wird sie sicher hingeleiten. Sie werden also die Señorita aus dem Haus locken. In der Nähe hält Lopez dann mit seinen Leuten. Um wieviel Uhr sind Sie Bereit?« – »Punkt neun Uhr?« – »Lopez wird fünf Minuten vorher zu Ihnen kommen. Adios!« – »Adios!«