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19. Kapitel.

Endlich brach der Morgen an, und der Zug konnte sich in Bewegung setzen. Die Gefangenen in der Mitte, ging es auf Querétaro zu. Natürlich hatten die Sieger die Pferde der Besiegten in Verwahrung genommen.

Der Weg wurde in größter Ordnung zurückgelegt, bis man an eine Schlucht kam, die nach links hin in eine Höhe schnitt und mit dichtem Buschwerk bestanden war.

Der Pater hatte sich geärgert, daß es ihm nicht erlaubt gewesen war, sich den gefangenen Offizieren anzuschließen, denen man ihre Pferde gelassen. Er sah seine Zukunft beim Schimmer des Tages, der jede Einbildung zu zerstören pflegt, in einem nicht so günstigen Licht wie am Ende der Nacht.

Er wurde nach Querétaro transportiert. Wie nun, wenn man ihn dort erkannte? Wenn man hörte, daß er nicht Pater Lorenzo aus dem Kloster de la Cruz sei? In diesem Fall war er verloren. Flucht war das einzige Rettungsmittel für ihn.

Er sah sich vergebens nach einer Gelegenheit zu derselben um. Aber als man die erwähnte Schlucht erreichte, die man umreiten und umschreiten mußte, war eine Möglichkeit des Entkommens geboten.

Der Weg war hier sehr schmal. Fußgänger und Reiter waren gezwungen, sich einzeln zu folgen. Der Pater ließ seine Augen umherschweifen. Niemand schien auf ihn zu achten. Gelang es ihm, die Büsche zu erreichen, so war er unter denselben versteckt, und keine Kugel konnte ihn treffen.

Gerade an der Mündung der Schlucht warf er den letzten Blick um sich. Dann – husch – sprang er zur Linken ab.

»Haltet auf!« schrie sein Hintermann.

Jetzt erst sah man den Fliehenden in weiten Sprüngen den Büschen entgegeneilen. Zehn, zwanzig Gewehre wurden erhoben. Die Schüsse krachten. Zu spät! Die Zweige hatten sich bereits hinter dem Flüchtling geschlossen.

Dieser drang in das Dickicht ein. Er hatte die Schüsse gehört Er war von keiner Kugel getroffen worden. Die Freude seines Herzens war so groß, daß er einen lauten Jubelruf ausstieß.

Dieser Ruf war verfrüht. Ein einziger hatte, mehr aus Instinkt als aus Berechnung, ihn im Auge behalten – Kurt Helmers. Er ritt seitwärts hinter ihm, und als das fragliche Terrain kam, drängte er sein Pferd noch näher, ohne daß der Pater es merkte.

Sobald nun der letztere mit möglichster Schnelligkeit in die Schlucht eindrang und Deckung durch die Büsche zu erreichen suchte, riß Kurt sein Pferd nach links, gab ihm die Sporen und galoppierte eine Strecke oben am Rand der Schlucht dahin, bis er annehmen konnte, daß er den unten durch das Gesträuch sich drängenden Pater überholt habe.

Dort stieg er ab, band sein Pferd an und arbeitete sich durch die Büsche bis an den Rand der Schlucht, an dem er vorsichtig hinabrutschte. Dort kauerte er sich nieder und lauschte.

Er brauchte nicht lange zu warten, so hörte er nahende Schritte, immer lauter werdendes Rascheln und ein tiefes, arbeitendes Atmen.

»Da kommt mein Mann«, flüsterte er. »Wie wird er staunen, wenn er mich bemerkt!«

Einige Sekunden später teilte sich das Buschwerk, und der Pater erschien, bemüht, eiligst weiterzukommen. Nur noch wenige Schritte war es bis zum Beginn des eigentlichen Waldes. Hätte er diesen erreicht, so wäre er geborgen gewesen.

Kurt richtete sich gerade vor ihm auf.

»Guten Morgen, frommer Pater!« grüßte er lachend. »Wohin so früh und so eilig?«

Der Pater blieb einen Augenblick starr und mit aufgerissenen Augen stehen. Den Leutnant hier vor sich, wo er alle hinter sich wähnte, das dünkte ihm Zauberei zu sein.

»Verdammt!«

Diesen Ausruf stieß er endlich hervor, und zugleich schoß er seitwärts, um die Lehne der Schlucht emporzuklimmen.

»Halt!« rief Kurt. »Stehe, oder ich schieße!«

Zugleich zog er den Revolver hervor.

»Schieß, du Hund!« rief der Pater.

Zugleich keuchte er mit aller Anstrengung nach oben, in der Hoffnung, daß ihn die vielleicht unsichere Revolverkugel nicht treffen werde. In einer Minute mußte er den Rand erreichen.

Kurt besann sich anders. Vielleicht war es besser, diesen Menschen lebendig zu fangen.

»Schießen? Nein!« antwortete er. »Aber mein wirst du doch!«

Im Nu hatte er den Lasso los; im Nu war derselbe zur Schlinge gelegt. Kurt hob den Arm empor. Ein kurzes Drehen – ein pfeifendes Sausen, und die Schlinge zuckte nieder.

»Alle Teufel!« rief der Pater.

Er hatte gerade in diesem Augenblick den Rand der Schlucht erreicht und sich als gerettet betrachtet. Da wurden ihm die Arme plötzlich mit aller Gewalt zusammengezogen, und ein kräftiger Ruck riß ihn kopfüber von oben wieder in die Schlucht hinab. Es war ihm zumute, als sei er vom Himmel in die Hölle gestürzt. Er schloß die Augen.

Als er dieselben wieder öffnete, lag er oben neben Kurts Pferd, an Händen und Füßen gebunden. Das volle, von der Sonne gebräunte Gesicht des Leutnants lachte ihm entgegen.

»Nun, Pater Lorenzo, wie ist der Rutsch bekommen?« fragte Helmers. – »Hole Sie der Teufel!« lautete die grimmige Antwort. – »Ich denke, der hat mehr Neigung für Sie als für mich.« – »Warum lassen Sie mich nicht entkommen?« – »Weil ein Spion das nicht wert ist.« – »Wo sind die anderen?« – »Vorwärts! Man wollte Sie in Masse verfolgen, aber ich habe sie zurückgewiesen. Um einen Pater zu fangen, ist ein Mann mehr als genug.«

Der Pater drängte seinen Ärger zurück.

»Wenn man nicht wüßte«, sagte er, »daß Sie mich wieder ergriffen haben, würde ich Ihnen einen sehr akzeptablen Vorschlag machen.« – »Kann ich denselben nicht unter den gegenwärtigen Verhältnissen hören?« – »Es würde nichts nützen.« – »Das weiß man nicht.« – »Gut. Sie sollen ihn hören! Aber machen Sie mir vorher erst die Fesseln weg!« – »Nein, Schatz! Sonst müßte ich Sie vielleicht wieder einfangen, und es ist mit einem Male genug. Es geht dabei nicht sehr rücksichtsvoll zu, und es schmerzt mich, einen Angehörigen Ihres Standes unzart zu behandeln.« – »Sie spotten? Wenn Sie wüßten, was ich Ihnen sein könnte, würden Sie das nicht tun!« – »Nicht? Nun, was könnten Sie mir denn sein?« – »Ihr – Ihr Wohltäter.« – »Ah! Inwiefern denn?« – »Nicht wahr, Sie sind nicht reich?« – »Hm! Nicht sehr.« – »Sondern arm?« – »So ziemlich.« – »Nun, ich könnte Sie reich machen, nach Ihren Begriffen sehr reich.« – »So? Sind Ihnen denn meine Begriffe so sehr bekannt?« – »Ich denke.« – »Nun, wodurch wollen Sie mich denn reich machen?« – »Indem ich Ihnen meine Freiheit bezahle.« – »Pah! Ihre Freiheit ist ganz und gar nichts wert. Ich gebe keinen Pfifferling dafür.« – »Aber ich.« – »Wirklich? Wieviel?« – »Ich biete Ihnen fünftausend Dollar.« – »Ah! Sie haben also Geld?« – »Ich bin reich.« – »So, so. Dann können Sie auch noch mehr bezahlen.« – »Gut, Ich biete Ihnen zehntausend.« – »Alle Wetter! Sie müssen es sehr notwendig haben, wieder frei zu sein.« – »Das ist wahr. Ich habe nämlich einige schwere Patienten liegen, die ohne mich sterben müssen.« – »Da tun mir die Patienten leid, der Arzt aber keineswegs. Ich denke, aus unserem Handel wird nichts werden. Kommen Sie!«

Kurt hob den Pater empor, um ihn auf das Pferd zu nehmen.

»Fünfzehntausend!« rief dieser. – »Unsinn!« – »Ich gebe zwanzigtausend!« – »Schweigen Sie, ich brauche Ihr Geld nicht.«

Bei diesen Worten stieg Kurt auf und nahm den Pater zu sich empor.

»So haben Sie doch nur Erbarmen!« bat letzterer in höchster Verzweiflung. »Ich biete Ihnen dreißigtausend Dollar!«

Kurt setzte sein Pferd in Bewegung und antwortete: »Jetzt befehle ich Ihnen, still zu sein, sonst stecke ich Ihnen einen Knebel in den Mund. Daß Sie für Ihre Freiheit so viel bieten, macht Sie mir im höchsten Grade verdächtig; ich werde mich informieren, welche Gründe Sie veranlassen, für Ihr Entkommen solche Summen zu bieten. Ihr Gewissen scheint viel schlimmer bestellt zu sein, als ich bisher dachte.«

Er setzte sein Pferd in Galopp und flog den anderen nach, die er kurz vor dem Lager erreichte.

Der Pater hatte den Mund nicht wieder geöffnet. Er schien sich einstweilen in sein Schicksal ergeben zu haben. Jetzt wurde er vom Pferd genommen, um seinen Einzug mit den anderen zu Fuß zu halten, wobei es ohne einige Püffe und Stöße nicht abging.

Er hatte mit seinem Fluchtversuch so viel erreicht, daß er in ein Gefängnis gesteckt wurde, während die anderen nach dem Gefangenendepot gebracht wurden, wo ihnen ihr Los möglichst wenig hart gemacht wurde.

General Hernano war sehr erfreut über den günstigen Erfolg der Expedition. Ganz entgegen der Art und Weise, wie er Kurt am Abend vorher empfangen hatte, sendete er demselben jetzt das höchste Lob und versprach, über ihn Juarez und dem Obergeneral in bester Weise zu berichten.

Bei Erwähnung des Paters und dessen Flucht gab er den Entschluß kund, über die Person dieses Mannes die genaueste Erkundigung einzuziehen. Kurt wurde in größer Freundlichkeit entlassen.

Er stand eben im Begriff, sein Pferd zu besteigen, als ein Reiter in kurzem Galopp dahergeritten kam. Kurt erkannte ihn bereits von weitem, es war – Sternau.

»Ah, Herr Doktor, Sie hier?« rief er ihm entgegen. »Das ist eine Überraschung!« – »Dich zu finden, für mich auch, mein Junge«, antwortete der Arzt. »Ich suchte dich.« – »Wo?« – »Bei dir. Es hat seit einiger Zeit keinen Kampf, kein Gefecht gegeben; so habe ich einige freie Zeit und beschloß gestern, dich zu besuchen.« – »Ich war leider nicht anwesend.« – »Allerdings. Ich erfuhr, daß du zu Eskobedo seist, aber am Abend zurückkehren würdest. Ich wartete den Abend, ich wartete die ganze Nacht – vergebens. Da brach ich auf. Um mir die Schanzarbeiten zu besehen, schlug ich die gegenwärtige Richtung ein und – treffe dich.« – »Was mir die größte Freude bereitet.« – »Mir ebenso. Aber sage, wo du gesteckt hast!« – »Ich hatte ein Abenteuer, und zwar ein sehr glückliches. Lassen Sie uns absteigen und einige Augenblicke da eintreten! Es wird sich in Hernanos Hauptquartier schon ein Ort zum Plaudern finden und auch ein Tropfen, um das Plaudern zu erleichtern.« – »Wollen es versuchen.«

Sie fanden, was sie suchten, und als sie beisammensaßen, begann Kurt zu erzählen. Sternau hörte sehr aufmerksam zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. Als Kurt geendet hatte, nickte er leise vor sich hin und sagte:

»Eigentümlich! Bist du über die gegenwärtigen Verhältnisse des Klosters de la Cruz in Querétaro unterrichtet?« – »Nein.« – »Nun, im Hauptquartier hat man sich besser orientiert. Die früheren Insassen haben das Kloster räumen müssen.« – »Das ist auffällig.« – »Auch hat es, soweit ich weiß, dort jetzt keinen Mönch gegeben, der als Arzt tätig gewesen ist. Willst du mir diesen Pater nicht einmal beschreiben?« – »Gewiß.«

Er folgte der Aufforderung. Sternaus Gesicht nahm den Ausdruck einer immer größeren Spannung an, und als Kurt geendet hatte, sprang er sogar auf.

»Wie?« fragte er. »Du hast diesen Pater gefangengenommen? Es muß der Pater Hilario sein!« – »Sollte dies möglich sein!« antwortete Kurt ganz erstaunt. – »Und er befindet sich hier im Gefängnis? Hast du Zutritt zu ihm, ohne große Weitläufigkeiten zu haben?« – »Ich kann zu ihm, sobald und so oft es mir beliebt.« – »Gehen wir zu ihm!« – »Sofort!« – »Aber ich trete zunächst nicht mit ein.« – »Warum?« – »Weil ich ihn überraschen möchte. Du sprichst zuerst allein mit ihm.« – »Gut! Brechen wir sofort auf. Wehe ihm, wenn er es ist! Ich eile dann sofort zum General, um ihm Mitteilung zu machen.«

Sie ließen den Wein auf dem Tisch und ihre Pferde vor dem Haus stehen und begaben sich nach dem Gefängnis.

Als solches diente das Erdgeschoß eines einzelstehenden Hauses, das aus früherer Zeit stammte und äußerst solide gebaut war. Die Mauern waren mehr als mannesdick, und alle Fenster zeigten ein Gitterwerk von Eisen. Hierher ließ Hernano alle Gefangenen bringen.

Der Soldat, dem die Schlüssel anvertraut waren, erkannte Kurt sogleich wieder und öffnete ihm ohne Weigerung die Tür zur Zelle des Paters. Sie wurde nicht verschlossen und blieb angelehnt. Draußen aber stand Sternau, um dem innen geführten Gespräch zu lauschen.

Der Pater wunderte sich, als er den Leutnant eintreten sah.

»Sie wieder hier?« fragte er.

Er war jetzt nicht gefesselt und saß auf der nackten Diele, von der er sich erhob.

»Wie Sie sehen«, antwortete Kurt.

Es war ein ganz anderer Blick als früher, den er auf den Gefangenen warf. Diesem fiel das auf.

»Was führt Sie her?« fragte er. – »Eine Erkundigung. Ich habe Ihnen gesagt, daß der hohe Preis, den Sie mir für Ihre Befreiung boten, meinen Verdacht erregt habe, und daß ich Erkundigungen einziehen wolle. Wird es nun nicht besser sein, wenn Sie mich dieser Mühe entheben, indem Sie offen sind und mir sagen, was der Grund Ihrer Furcht ist, erkannt zu werden?« – »Erkannt zu werden? Von wem? Ich habe keine Begegnung zu befürchten. Wer den Pater Lorenzo kennt, der kann und wird mir von Nutzen sein.« – »Und sodann verlangten Sie so sehnlich nach Ihrer Freiheit, nicht weil Kranke auf Sie warten, sondern weil Gefangene von Ihnen zu versorgen sind. So zunächst ein gewisser Gasparino Cortejo und ein anderer, der Henrico Landola heißt.«

Es war dem Pater, als ob er mit einer Keule auf den Kopf getroffen sei. Dennoch gelang es ihm, sich schnell zu fassen, denn die beiden Genannten waren doch nicht Freunde, sondern Feinde von Kurt Helmers.

»Ich kenne diese Namen nicht«, antwortete er mit gutgespieltem Gleichmut. – »Andere werden Sie besser kennen. Ich nenne da Pablo Cortejo und dessen Tochter Josefa.« – »Diese beiden sind mir allerdings bekannt, aber nur wie jedem anderen Mexikaner, der weiß, welche jämmerliche Rolle sie gespielt haben.« – »Hm! Jetzt spielen sie eine noch viel jämmerlichere Rolle – in dem unterirdischen Keller von della Barbara – angeschmiedet an die nackten Wände.«

Kurt gab diese Tropfen langsam, einen nach dem anderen. Der Pater wurde kreideweiß im Gesicht. Seine Stimme zitterte merklich, als er fragte:

»Wie meinen Sie das? Ich verstehe Sie nicht. Ich weiß nicht, was Sie wollen.« – »Wirklich? Nun, so muß ich Ihnen noch einige andere Gefangene nennen, zum Beispiel den Grafen Ferdinando de Rodriganda. Kennen Sie den?«

Es war dem Pater, als ob er in die Erde versinken müsse. Seine Knie zitterten.

»Ich kenne ihn nicht.« – »Mariano, Helmers, den Kleinen André, Büffelstirn und Bärenherz auch nicht?« – »Nein. Sie sind mir völlig fremd.« – »Aber Sternau doch nicht?«

Jetzt lehnte sich der Pater in die Ecke. Er fürchtete, daß er sonst umfallen werde. Doch stammelte er:

»Ich habe diesen Namen – noch – nie gehört.« – »Alle diese Männer steckten angebunden in einem anderen Gewölbe, bewacht von Manfredo, Ihrem Neffen.«

Für einen anderen wäre das zu viel gewesen, aber gerade das Fürchterliche der Entdeckung, daß dies alles verraten sei, gab dem Pater seine Beherrschung zurück. Er richtete sich wieder empor und sagte:

»Was Sie da reden, scheint einem Märchen entnommen zu sein oder aus einem alten Ritter- oder Schauerroman zu stammen.« – »Ja, ein Schauerroman ist es, und der Ritter desselben sind Sie. Ich selbst bin es gewesen, der die Gefangenen befreit hat.« – »Wa- wa- waaas?!« rief der Pater. – »Und dafür habe ich Ihren Neffen eingesperrt. Er sieht seiner Strafe entgegen, die Sie mit ihm teilen werden.«

Der Pater starrte den Sprecher an, ohne zu antworten. Wann war das geschehen? Befanden sich nicht Soldaten jetzt im Kloster? Es sollte ihm sofort Auskunft werden, denn Kurt sagte:

»Auch Ihre anderen Machinationen liegen offenbar. Ihr Verbündeter, der Sie nach Querétaro schickte, ist von General Velez niedergesäbelt worden; Señorita Emilia wurde von mir und dem Kleinen André gerettet. Ich bin es gewesen, der die in das Kloster della Barbara eingedrungenen Kaiserlichen gefangennahm. Und die Hauptsache, der Massenmord, den Sie auf der Hacienda del Erina beabsichtigten, ist vereitelt worden. Kein Mensch hat von dem Saft des Todesblattes getrunken, den Sie in den Kessel schütteten.«

Das war mehr, als selbst der Pater auszuhalten vermochte. Seine Augen nahmen einen starren Ausdruck an. Er hörte Namen und vernahm Tatsachen, die er im tiefsten Geheimnis gewähnt hatte, und nun war alles offenbar. Er fühlte sich verloren, versuchte aber doch mit fast überschnappender Stimme die Rechtfertigung: »Ich verstehe – ich begreife nichts.« – »Wirklich nicht, Schurke?« tönte es da vom Eingang her.

Die hohe, ernste Gestalt Sternaus erschien im Rahmen der Tür. Der Pater erblickte ihn. Seine Augen wurden gläsern, seine Lippen verfärbten sich. Er griff mit den Händen haltlos in die Luft.

»Ster- Ster- Ster- er...«

Er wollte den Namen des Eintretenden ausrufen, vermochte aber nicht einmal, die erste Silbe zu wiederholen. Er stammelte die verschwindenden Laute, die in ein unartikuliertes Gurgeln verliefen. Die Hände emporgehoben, taumelte er hin und her und stürzte dann wie ein Sack zu Boden, wo er bewegungslos liegenblieb, dicken Schaum vor dem Mund.

Kurt wandte sich ab, Sternau aber kniete nieder, um den Pater zu untersuchen. Als er damit zu Ende war und sich wieder erhob, erklärte er:

»Den richten wir nicht. Gott hat ihn gerichtet.« – »Ah! Ist er tot?« – »Nein. Noch schlimmer. Der Schlag hat ihn getroffen.« – »Ist er zu heilen?« – »Nein. Er wird noch tagelang leben und Todesqualen erdulden müssen, denn wie ich an seinem Blick sehe, ist der Geist nicht mit betroffen.« – »Fürchterlich!« – »Ich werde ihn überwachen, obgleich keine Hoffnung vorhanden ist, ihn noch zum Sprechen zu bringen.« – »Hört er, was wir reden?« – »Jedenfalls. Siehst du nicht, daß seine Augen angstvoll auf uns gerichtet sind?« – »Ja. Gott straft gerecht. Aber wenn er stirbt, geht manches Geheimnis mit ihm für uns verloren.« – »Das befürchte ich nicht.« – »Wenn er nicht wieder zum Sprechen kommt?« – »Er wird keinen verständigen Laut mehr zu stammeln vermögen; aber sein Neffe wird gezwungen sein zu reden. Dieser Pater wird langsam zur Hölle fahren. Die Zunge wird bleischwer in seinem Mund liegen. Seine Eingeweide werden nach und nach den Dienst versagen, und er wird, zur Strafe für das, was wir bei ihm erlitten haben, seine letzten Atemzüge zählen können und seinen letzten Pulsschlag fühlen. Komm! Laß uns gehen!«

Sie verließen das Gefängnis und schlossen den Pater ein, über dessen einstweilige Behandlung Sternau dem Schließer Verhaltungsmaßregeln gab. Der Doktor ging sodann zu General Hernano, um diesem das Nötige mitzuteilen, während Kurt sich zu Pferde setzte, da er seit gestern nicht auf seinem Posten gewesen war, wo seine Gegenwart leicht notwendig sein konnte.


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