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20. Kapitel.

Unterwegs sah Kurt zu seiner Überraschung eine verschleierte Dame vor sich reiten. Sie saß auf einem Maultier, hatte einen Diener hinter sich und wurde von einer Kavalleriebedeckung geleitet. Da er schneller ritt, als diese kleine Kavalkade, so kam er rasch an sie heran. Als höflicher Mann griff er im Vorüberreiten grüßend an den Hut und war nicht wenig überrascht, als er hinter dem Schleier hervor in deutscher Sprache die Worte hörte:

»Ist es möglich? Sehe ich recht? Sie hier, Herr Leutnant?«

Die Sprecherin hielt ihr Maultier an und er infolgedessen sein Pferd natürlich auch. Da er in deutscher Sprache angeredet worden war, so antwortete er auch in derselben:

»Höre ich recht? Eine deutsche Dame?« – »Ja. Sie sind der Leutnant Kurt Helmers?« – »Allerdings. Wie komme ich zu der Ehre, von Ihnen gekannt zu sein?« – »Wir sahen uns in Wien und auch in Darmstadt, am Hof des Großherzogs. Ich denke, Sie werden mich noch kennen.«

Dabei schob die Sprecherin den dichten Schleier zurück, und Kurt erblickte ein Gesicht, das ihm allerdings sehr bekannt war.

»Wie, gnädige Frau, Sie hier? Sie wagen sich aus der Stadt heraus?« rief er. – »Sie wußten, daß ich in Querétaro bin?« – »Ich wußte, daß Sie treu zu Ihrem Gemahl halten, wie dieser treu zu dem Kaiser hält. Ich habe Ihr Schicksal mit dem allerregsten Interesse verfolgt.« – »Ich danke Ihnen! Hier, meine Hand zum Gruß, lieber Leutnant! Aber was tun Sie hier in Mexiko?«

Kurt nahm ihre Hand und drückte dieselbe an seine Lippen. Die Eskorte hatte sich ehrfurchtsvoll zurückgezogen, so daß sie nicht verstanden werden konnten, selbst wenn sie sich der spanischen, anstatt der deutschen Sprache bedient hätten.

Diese Dame war die Prinzessin Salm, die Gemahlin jenes braven Prinzen Salm, der als treuer Adjutant des Kaisers die letzte, unglückliche Phase des mexikanischen Kaiserreiches mit durchlebte und durchlitt. Beide, er und seine Frau, hingen mit größter Hingebung an Max, aber alle ihre Bemühungen, eine Änderung seines Schicksals herbeizuführen, erwiesen sich leider als vergeblich.

»Sprachen wir nicht in Darmstadt einmal von den eigentümlichen Verhältnissen der Familie Rodriganda, gnädige Frau?« fragte Kurt. – »Gewiß! Ich entsinne mich dessen ganz genau.« – »Nun, das ist die Angelegenheit, die mich über die See führte.« – »So wünsche ich Ihnen die besten Erfolge.« – »Ergebenen Dank! Die Erfolge haben auf sich warten lassen, stellen sich jedoch endlich ein.« – »Das freut mich. Aber was tun Sie hier im feindlichen Lager? Man scheint Sie zu kennen und zu respektieren.« – »Was ich tue?« lächelte Kurt. »Nun, ich belagere Querétaro!« – »Sie auch?« antwortete die Prinzessin in scherzendem Ton, da sie annahm, daß auch Kurt nur scherze. – »Ja, auch ich. Ich bin bei den Belagerungsarbeiten beschäftigt.« – »Im Ernst?« – »Im Ernst«, nickte Kurt.

Da nahm das Gesicht der Dame einen fast bestürzten Ausdruck an. Sie sagte:

»Das kann ich doch nicht für möglich halten!« – »Halten Sie es sogar für wirklich. Ich habe mich Juarez und Eskobedo zur Verfügung gestellt.« – »Sie als Deutscher? Abtrünniger! Verräter!«

Diese letzten Worte waren zwar nicht schlimm gemeint, wurden aber doch in einem sehr ernsten Ton ausgesprochen.

»Ich bin überzeugt, daß Sie mich pardonieren werden, meine Gnädige«, meinte Kurt. »Darf ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen?« – »Ich werde es nicht verraten.« – »Oh, Sie dürfen und sollen es verraten, aber nur an zwei Personen, sonst an keinen Menschen.« – »Wer sind diese beiden Personen?« – »Der Kaiser und Ihr Herr Gemahl.« – »Und wie lautet Ihr Geheimnis?«

– »Ich belagere den Kaiser nur aus dem Grund, um ihn zu retten.« – »Das klingt widersinnig.« – »Ist aber leicht verständlich und erklärlich. Leider aber sind meine bisherigen Bemühungen ohne Erfolg gewesen.« – »Wie leider auch die unsrigen. Raten Sie, von wem ich komme, lieber Helmers!« – »Ich habe keine Ahnung.« – »Vom Präsidenten.« – »Von Juarez? Das ist mir im höchsten Grade interessant.« – »Ich wurde vorgelassen und habe mit ihm gesprochen.« – »Im Auftrag?«

Die Prinzessin sah sich vorsichtig um und antwortete:

»Eigentlich war es mein Herz, das mich zu dem Zapoteken trieb, aber ich kenne Sie und kann Ihnen im Vertrauen mitteilen, daß mir auch von gewisser Seite, die ich nur anzudeuten brauche, ein Auftrag wurde. Ich suchte bei Eskobedo um freies Geleit nach und erhielt es.« – »Aber wohl vergeblich?« – »Leider! Ich kehre hoffnungslos zurück.«

Im Auge der Prinzessin standen Tränen. Kurt konnte seine Rührung über diese Treue kaum verbergen. Die Dame fuhr fort:

»O mein Gott, ist dieser Juarez hart und gefühllos!« Kurt schüttelte den Kopf.

»Sie irren«, sagte er. »Ich kenne ihn. Äußerlich scheint er von Eisen zu sein, unnahbar, wie er auch unbestechlich ist. Aber sein Herz schlägt warm und fühlt mit anderen Menschen.« – »Das kann nicht sein, nein, das kann nicht sein! Er hat mich kalt und teilnahmslos angehört und dann fortgeschickt,« – »Kalt und teilnahmslos? Das hat nur so geschienen. Er ist ein Indianer und läßt als solcher seine Gefühle nur selten einem Mann, niemals aber einer Dame merken.« – »Wenn er wirklich fühlt, so mußte er mein Flehen erhören.« – »Um was baten Sie?« – »Um das Leben des Kaisers.« – »Und was antwortete er?« – »Seine Antwort war härter als hart, sie war unhöflich, ja ungezogen.« – »Das sollte mich wundern.« – »Sie werden mir recht geben. Er sagte, der Kaiser habe bereits selbst über sein Leben verfügt, ihm, dem Präsidenten, sei es also unmöglich, etwas zu tun; übrigens sei es eine Unvorsichtigkeit von mir, ihm eine solche Bitte vorzutragen, und er wünsche sehr, daß dies von keiner Seite mehr geschehe. Ist das nicht ungezogen und beleidigend sogar?« – »Ich finde das nicht.« – »Was? Wie? Haben auch Sie kein Herz, kein Gefühl?« – »Von mir ist jetzt nicht die Rede, sondern von dem Zapoteken, und ich finde, daß er nichts als die Wahrheit gesagt hat.« – »Dann ist es mir bei Gott unmöglich, den Kaiser zu begreifen!« – »Hören Sie! Juarez hat ganz recht, wenn er sagte, daß der Kaiser selbst endgültig über sein Leben entschieden habe. Juarez hat ihn retten wollen, ja, er hat sogar Personen in die Nähe des Kaisers gebracht, die den bestimmten Auftrag hatten, für das Leben Maximilians zu wirken, ich selbst war in dieser Angelegenheit beim Kaiser. Ja, der Präsident vertraute mir ein Passepartout durch alle Truppen und Stellungen an, das auf den Vorzeiger und alle seiner Begleiter lautete. Er bedrohte jeden, der diesen Paß nicht achte, sogar mit dem Tode.« – »Gott! Wenn Sie es nicht sagten, könnte ich es unmöglich glauben.« – »Ich gebe Ihnen, allerdings überflüssigerweise, mein Ehrenwort darauf.« – »Das ist nicht nötig, Leutnant! Sie sind mit diesem Passepartout beim Kaiser gewesen?« – »Ja, vor einigen Tagen, allein ohne Erfolg; der Kaiser las es durch, gab es mir zurück, und ich konnte wieder gehen.« – »Das ist mir abermals unbegreiflich.« – »Ich gestehe von mir das Gegenteil. Ich war sogar sehr froh, daß ich nicht als heimlich eingeschlichener Republikaner ergriffen und stranguliert oder erschossen wurde.« – »Ist das nicht übertrieben?« – »Nein, gewiß nicht. Eine andere Person befand sich bereits längere Zeit in der Nähe des Kaisers, um auf Befehl des Präsidenten auf den Kaiser zur Rettung desselben einzuwirken ...« – »Wer war diese Person?« – »Verzeihung, gnädige Frau. Ich bin nicht genau überzeugt, ob ich Namen nennen darf. Es gelang dieser Person, das Vertrauen des Generals Mejia zu erlangen ...« – »Mejia ist treu und brav.« – »Beide gaben sich alle Mühe, den Wünschen des Präsidenten gerecht zu werden – vergeblich. Zuletzt erriet man von gewisser Seite den Zweck, den jene Person verfolgte. Raten Sie, was nun geschah? Man lockte sie auf die Straße, des Nachts, und nahm sie gefangen. Man entführte sie gefesselt nach Tula, wo sie hingerichtet werden sollte. Es war an dem Abend des Tages, an dem ich bei dem Kaiser gewesen war. Ich überraschte zwar die Menschen, kam aber zu spät, um eingreifen zu können. Ich kehrte in meine Venta zurück, stieg auf das Pferd, gelangte glücklich aus der Stadt und verfolgte diese Kerle. Ich erreichte sie in einem Wirtshaus, und es gelang mir, die Person zu befreien.« – »Sie sehen mich erstaunt, ja vollständig bestürzt. Wer war der, der die betroffene Person gefangennahm und entführte?« – »Oberst Lopez.« – »Ah! Ahnen oder wissen Sie vielleicht, auf wessen Befehl derselbe handelte?« – »Das ist leicht zu erraten.« – »Meinen Sie etwa Miramon?« – »Ja.« – »Wie soll ich das glauben?« – »Miramon war es auch, der durch sein Einschreiten den Kaiser bestimmte, mich fortzuschicken.« – »Welchen Grund kann er haben?« – »Er hofft durch den Tod des Kaisers sich selbst zu retten. Übrigens gibt es eine geheime Verschwörung, die den Zweck hat, den Kaiser zu bestimmen, im Land auszuharren, bis keine Rettung mehr möglich ist. Sein Tod soll Juarez aufgeladen und dieser dadurch als Kaisermörder diskreditiert und gestürzt werden.« – »In welchen Abgrund blicke ich da! Sind Ihnen etwa Teilnehmer dieser Verschwörung bekannt?« – »Sie hüllen sich in Dunkel, doch vermute ich, daß Miramon das Haupt ist. Einen anderen, den Sie aber nicht kennen, ergriff ich, und General Velez spaltete ihm den Kopf. Sie sehen, daß selbst republikanische Offiziere im Interesse des Kaisers handeln.« – »Ich werde denselben benachrichtigen und warnen.« – »Wenn Sie das tun, so erwähnen Sie dabei eine Person, die er gesehen hat, als ich bei ihm war, und die sicher zu den Verschwörern gehört. Es ist das ein gewisser Pater Hilario aus Santa Jaga.« – »Ah, ich glaube diesen Namen vom Beichtvater gehört zu haben.« – »Warnen Sie den Kaiser auch vor dem letzteren, denn er war es, der jene Person, die heimlich entführt wurde und in Tula den Tod finden sollte, hinterlistigerweise auf die Straße lockte.« – »Könnten Sie das beweisen?« – »Zur Genüge. Ich kam dazu und ergriff den einen. Er entfloh und ließ seine Kutte in meinen Händen. Es war diejenige des Beichtvaters.« – »Kutten sind einander ähnlich!« – »Der Beichtvater war soeben bei einer Familie gewesen, die er täglich besuchte, und diese Leute erkannten die Kutte. Das ist genug, um jeden Zweifel zu beseitigen.« – »Himmel, was soll man da denken! Untreue und Verrat auf allen Seiten! Aber jener Pater Hilario, was wollten Sie von ihm sagen?« – »Er war der Beauftragte, der Bote der geheimen Verbindung und kam nach Querétaro, um dem Kaiser vorzulügen, daß hinter dem Rücken der Republikaner zahlreiche Demonstrationen zu seinen Gunsten stattgefunden hätten. Nur in Santa Jaga bestand eine Verbindung, die allerdings eine Demonstration vorbereitete, um den Kaiser zu täuschen, aber die Republikaner vereitelten dieses Vorhaben und nahmen die Demonstranten gefangen. Diese letzteren sitzen noch heute im Kloster hinter Schloß und Riegel.« – »Darf ich das dem Kaiser erzählen?« – »Ich bitte Sie sogar darum.« – »Und Sie verbürgen diese Tatsache mit Ihrem Ehrenwort?« – »Ja. Ich war ja Zeuge des ganzen Vorganges. Sie kennen die Gräfin Rosa de Rodriganda, die jetzt Frau Sternau ist?« – »Ja. Ich sah sie beim Großherzog und unterhielt mich gern mit ihr.« – »Nun, ihr Gemahl, Doktor Sternau, war auch Zeuge jener mißlungenen Demonstration von Santa Jaga. Und in vergangener Nacht hat Miramon nicht weit von hier eine ebensolche angeordnet. Er sandte jenen Pater Hilario mit dem Befehl an einen Bandenführer, derselbe solle die Republikaner angreifen, sich aber zurückziehen. Auch dies mißlang. Wir haben sie ergriffen, bis auf den letzten Mann. Sogar der Pater ist in meine Hand geraten. Wir hatten von früher her mit ihm abzurechnen, und als wir ihn als einen Verbrecher ersten Ranges entlarvten, wirkte die Fürchterlichkeit der Enthüllungen so auf ihn, daß er vom Schlag getroffen zu Boden niederstürzte. Gott hat ihn gerichtet, obgleich der Kaiser ihm glaubte und vertraute.« – »Der Kaiser ist nicht allwissend. Wie wird mein Mann staunen, wenn er alles hören wird. Er muß sofort um Audienz nachsuchen.«

Kurt zuckte die Achsel.

»Ich zweifle am Erfolg!« sagte er. »Sie sehen also ein, daß Juarez das Wohl des Kaisers gewollt hat. Indem der letztere das bekannte Dekret fertigte und unterzeichnete, hat er das jus talionis herausgefordert und über sein Leben verfügt. Indem er alle Bemühungen des Präsidenten zurückwies, hat er über sein Leben verfügt. Indem er der Bitte des französischen Marschalls, mit ihm Mexiko zu verlassen, das Gehör versagte, hat er über sein Leben verfügt. Hat Juarez nicht recht?« – »Was soll ich Ihnen antworten, lieber Leutnant? Ich möchte fast verzweifeln!« – »Juarez hat die rettende Hand wiederholt geboten, sie wurde zurückgewiesen. Juarez war nicht die Person, mit der man unterhandeln konnte, von der man sich retten lassen wollte. Verträgt es sich mit der Würde des Präsidenten, die Hand abermals zu bieten, wo übrigens an eine Rettung kaum noch gedacht werden kann?« – »Mit seiner Würde allerdings nicht. Aber als Mensch muß er vor dem Vergießen dieses Blutes zurückschrecken, und dennoch wies er mich ab.« – »Ah, da komme ich auf seine vermeintliche Unhöflichkeit.« – »Vermeintlich? Ich bin neugierig, wie es Ihnen gelingen soll, ihn zu entschuldigen.« – »Eine bloße Entschuldigung liegt nicht in meiner Absicht. Ich will ihn so verteidigen, daß Sie ihn freisprechen, ja, daß Sie sogar sein Verhalten gutheißen.« – »So versuchen Sie das Unmögliche!« – »Bitte sagen Sie mir, ob Juarez das, was er für den Kaiser tat, öffentlich tun durfte! Keineswegs!« – »Warum nicht?« – »Er hätte sich bei seinen Anhängern unmöglich gemacht. Es wäre um sein Ansehen, um seine Präsidentschaft geschehen gewesen. Sie staunen, und dennoch ist es richtig. Ich versichere Ihnen, daß ich überzeugt bin, der Präsident sei auch nun noch nicht abgeneigt, dahin zu wirken, daß wenigstens das Leben des Kaisers nicht angegriffen werde ...« – »Wirklich?« unterbrach sie ihn. – »Ich wiederhole Ihnen, daß ich wirklich überzeugt bin.« – »Sie geben mir die bereits geschwundene Hoffnung zurück.« – »Mußte er es vorher geheimhalten, so nun erst recht. Wo die Republikaner den Kaiser sicher zu haben glauben, werden sie ihn mit aller Gewalt festhalten. Er kann ihnen nur durch List entrissen werden.« – »Das sehe ich ein.« – »Die Schritte, die Juarez in dieser Richtung tut, müssen sehr geheimgehalten werden. Niemand darf ahnen, daß er sich auch nur mit der Spur eines Gedankens beschäftigen könne, der dem Kaiser günstig ist.« – »Ich gebe das zu, aber was bezwecken Sie denn eigentlich mit dieser so eifrigen Auseinandersetzung?«

Kurt wehrte mit der Hand ab und fuhr, ohne eine direkte Antwort zu geben, fort:

»Und nun gehen Sie öffentlich zu ihm, um ihn um das Leben des Kaisers zu bitten, offen und frei; vor den Augen und Ohren aller Welt, die nur sehen und hören und dann – beobachten und verurteilen will!« – »Gott, ich begreife, was Sie meinen!«

– »Das wollte ich. Hat Juarez nicht das Recht, Sie unvorsichtig zu nennen?« – »Oh, mehr als das.« – »Und selbst, daß er Ihnen dies Wort gesagt hat, ist ein sehr großes Wagnis von ihm. Indem er von Unvorsichtigkeit spricht, gibt er indiskret zu, daß er Vorsicht wünsche, also, daß er sich mit dem Gedanken beschäftige, den Sie in ihm anregen wollen.« – »Leutnant!« meinte die Prinzeß, seine Hand ergreifend. »Sie stellen diese Angelegenheit in ein Licht, für das ich Ihnen gar nicht genug dankbar sein kann!« – »Ich will Ihnen nur beweisen, daß Juarez nicht unhöflich, nicht ungezogen gegen Sie gewesen ist, sondern Ihnen auf eine zwar indiskrete, doch korrekte und diplomatisch feine Weise die Versicherung gegeben hat, daß er tun werde, was in seinen Kräften steht, um Ihre Bitte zu erfüllen.«

Bei diesen Worten änderte sich die trübe Stimmung der Prinzessin plötzlich. Ihr Gesicht glänzte vor Freude, und in lebhaftem Ton sagte sie:

»Sie geben mir da eine Lektion, wie ich sie aus dem Munde eines jungen Leutnants nicht erwartet, ja geradezu für eine Unmöglichkeit gehalten hätte. Man hat recht, Sie als einen guten Offizier zu bezeichnen, und ich bin überzeugt, daß Sie so nebenbei auch noch das Zeug zu einem ganz leidlichen Diplomaten haben.« – »Zu viel auf einmal, meine Gnädigste«, lachte Kurt. »Aber bleiben wir beim Gegenstand unserer Unterhaltung! Ich kann Ihnen sogar den Beweis liefern, daß ich die Antwort, die Sie von Juarez erhalten haben, richtig deute. Ich habe Ihnen doch vorhin gesagt, daß ich den Kaiser belagere, nur um ihn zu retten. Juarez weiß nun ganz genau, daß Mexiko mich nichts angeht, daß es mir sehr gleichgültig ist, ob dieses Land von einem Monarchen oder einem Präsidenten regiert wird. Er weiß genau, daß ich nicht aus Begeisterung für die Republik hier vor Queretaro liege und daran arbeite, eine Bresche in die Mauern zu legen.« – »Sie meinen also, er kenne Ihre Absicht?« – »Ja.« – »Und billige dieselbe?« – »Natürlich! Anderenfalls würde er mich nicht dulden, mir nicht sogar allen Vorschub leisten.« – »Das tut er?« – »Ja, ich kann es zu meiner Freude sagen.« – »Haben Sie sich vielleicht ihm gegenüber aussprechen können?« – »Was man aussprechen nennt, nein; aber es sind gewisse Worte und Winke gefallen, die mir zur Richtschnur dienen.« – »Sie halten also den Kaiser nicht für rettungslos verloren?« – »Nein, obgleich seine Rettung schwierig ist.« – »Worin liegt denn eigentlich diese Schwierigkeit?« – »Darin, daß er nur dann zu retten ist, wenn er gerettet werden will. Bisher aber hat er es nicht gewollt.« – »Man muß ihn umzustimmen suchen.« – »Ja, aber man muß vor allen Dingen den Einfluß der Personen brechen, die es nicht ehrlich mit ihm meinen, und dazu ist leider die Zeit fast zu kurz. Es kann dies nur mit Gewalt geschehen, und die Mittel dazu habe ich Ihnen heute ja hinreichend an die Hand gegeben.« – »Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar dafür und werde Sorge tragen, sie sofort und mit Nachdruck in Anwendung zu bringen. Also ich darf Ihrer bei ihm erwähnen?« – »Ja. Versichern Sie ihn meiner Ergebenheit, und bitten Sie ihn inständigst, daß er auf mich hören möge, wenn er mich wiedersieht!« – »Sie werden ihn sehen?« – »Ich hoffe und wünsche es mit Sehnsucht.« – »Wann?« – »Bei – der Erstürmung von Querétaro.« – »Schrecklich! Wird die Stadt fallen?« – »In einigen Tagen. Begegne ich dem Kaiser, so werde ich glücklich sein, ihn in Zivilkleidung und waffenlos zu sehen. Folgt er dann genau dem Wink, den ich ihm gebe, so hoffe ich, daß er gerettet wird.« – »Diese Worte wiegen schwerer als Gold. Möge Gott Sie und Ihre Pläne segnen!« – »Das ist auch mein Gebet. Nun aber lassen Sie uns scheiden!« – »Bleiben Sie nicht, mich zu begleiten?« – »Nein. Ich muß bitten, mich zu entschuldigen. Man weiß, welche Absicht Sie aus der Stadt geführt hat. Sieht man mich bei Ihnen, so könnte man mich mit dieser Absicht in Verbindung bringen, und das wünsche ich nicht. Hier war zufälligerweise ein einsamer Ort. Wir haben uns unterhalten, ohne von vielen beobachtet zu werden, was aber anders würde, wenn ich Sie begleiten wollte. Ich werde sogar einen kleinen Umweg einschlagen.«

Sie nahmen mit herzlichem Händedruck Abschied, und die Prinzessin nahm Hoffnungen mit in die Stadt, die sie kurz vorher vollständig aufgegeben hatte.


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