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Der Empfänger: Eines nach dem andern, zuerst mal die Titelseite. Also »Unglaublichkeiten« nennst du das. Erkläre mir doch genau, was verstehst du darunter?
Der Verfasser: Und ich beantworte deinen Wunsch mit einer Gegenfrage. Was ist glaublich?
Der Empfänger: Na, ich sollte meinen: das was ohne weiteres einleuchtet.
Der Verfasser: Sehr schön, damit kommen wir der Sache schon näher; wenn wir uns nur darüber verständigen, daß mit dem ohne weiteres Einleuchtenden im Schrifttum kein Staat zu machen ist. Für Exempel, die restlos aufgehen, braucht man eigentlich keinen Autor und keinen Leser. Aber in der Welt der Dinge und Gedanken gibt es zum Glück fast nichts, das sich nicht von irgend einem Standpunkt aus bezweifeln und mit Unglauben aufnehmen ließe. Und bei Lichte betrachtet sind die interessantesten Entdeckungen im Felde des Denkens und der Schriftstellerei überhaupt dadurch zustande gekommen, daß der Zweifel gegen die vermeintliche Selbstverständlichkeit anrannte.
Der Empfänger: Derartige Zweifel sollte man eben unterdrücken. Das allgemein Glaubliche hat doch etwas Ehrwürdiges . . .
Der Verfasser: Und dazu einen Anflug von Langeweile; wie das Einmaleins, wie eine Logarithmentafel, wie das preußische Landrecht, wie alles in sich Richtige und Gültige. Aber das nämliche Vertrauen, das du dem Einmaleins entgegenbringst, beherrscht dich auch in vielen anderen Dingen, die du als völlig ausgemacht und unangreifbar betrachtest. Und da tritt einer auf, der da einen Spalt entdeckt, durch den das Mißtrauen einschlüpfen kann. Durch diesen Spalt führt er dich wie durch den Sprung in einer Kulisse. Und plötzlich stehst du einem andern Bild gegenüber. Hinter der abgestandenen Glaublichkeit öffnet sich eine frische und sehr interessante Unglaublichkeit!
Der Empfänger: So, so. Und solche Unglaublichkeiten willst du erst entdecken und dann beleuchten?
Der Verfasser: Allerdings. Allein ich verfahre dabei nicht nach einem vorher festgelegten Schema F. Der Magisterton ist mir zuwider. Der Leser soll ergötzlich unterhalten werden, das ist mir genau so wichtig, wie die Absicht, ihm merkwürdige Belehrung zufließen zu lassen. Vielfach kleide ich diese in die Form einer im Plaudertone vorgetragenen Erzählung, ja sogar eines Schwankes, den man auf einer Bühne oder im Film darstellen könnte. Aber irgendwo sitzt da immer ein Gedankenexperiment, das mit dem Unglaublichen spielt und aus dem Kontrast von Möglich und Unmöglich gewisse Reize zu entwickeln trachtet.
Der Empfänger: Nenne mir einzelne Beispiele!
Der Verfasser: Gerade das möchte ich vermeiden. Ich käme mir vor wie ein Lustspieldichter, der im Vorspiel Pointen aus den folgenden Akten verraten wollte. Denn auch hier ist das Wesentliche auf Pointen angelegt, freilich auf Spitzen, die sehr erheblich über die Alltäglichkeit hinausragen.
Der Empfänger: Am Ende gar ins Philosophische hinein?
Der Verfasser: Sagen wir: in ein Grenzgebiet, wo sich Philosophie und Humor berühren. Ob es mir gelungen ist, auf diesem Gebiet Fuß zu fassen, das wirst du als Leser zu entscheiden haben. Mir steht es nur zu, von meinen Absichten zu reden. Und zu diesen gehört der Wille, durch erlebte und gedachte krause Wunderlichkeiten, Rätsel und geistige Abenteuer Spannung zu erzeugen; Fernblicke in ungeahnte Horizonte zu eröffnen.
Der Empfänger: Und sollte dabei nicht sehr viel Paradoxes mit unterlaufen?
Der Verfasser: Ganz bestimmt. Ich bekenne mich sogar auf der Titelseite ausdrücklich zu ihnen. Auf geradlinigen Wegen läßt sich der Widerspruch gegen das Leichtglaubliche nicht gewinnen, und wenn man sich schon einmal vorgenommen hat, Unglaublichkeiten zu entwickeln, darf man auch vor Ketzereien gegen die Allerweltslogik nicht zurückbeben.
Der Empfänger: Es fragt sich bloß, ob alle Leser deine Paradoxien werden mitmachen wollen.
Der Verfasser: Alle? höchst unwahrscheinlich. Aber viele von denen, auf die es ankommt. Ich halte dies sogar meinem Unglauben zum Trotz für eine mit allen Anzeichen des Wahrscheinlichen ausgerüstete Glaublichkeit.
Der Empfänger: Du redest sehr zuversichtlich.
Der Verfasser: Das muß ich wohl. Denn ein Buch schreiben, das heißt: an willfährige Leser glauben. Das Gegenteil für möglich halten, siehst du, Freund, das wäre selbst mir eine allzu paradoxe Unglaublichkeit!