W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

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Augsburg, 17. Oktober 1777.

... Wegen des Kriegssekretärs Hamm seiner Fräulein Tochter kann ich nichts anders schreiben, als daß sie notwendigerweise Talent zur Musik haben muß, indem sie erst drei Jahr lernt und doch viele Stücke recht gut spielt. Ich weiß mich aber nicht deutlich genug zu erklären, wenn ich sagen soll, wie sie mir vorkömmt, wenn sie spielt: so kurios gezwungen scheint sie mir; sie steigt mit ihren langenbeinigen Fingern so kurios auf dem Klavier herum. Freilich hat sie noch nie keinen rechten Meister gehabt, und wenn sie zu München bleibt, wird sie das ihr Lebtage nicht werden, was ihr Vater will und verlangt. Dann er möchte gern, daß sie vortrefflich im Klavier wäre. Wenn sie zum Papa nach Salzburg kömmt, so ist es ihr doppelter Nutzen, in der Musik sowohl als in der Vernunft; dann sie ist wahrlich nicht groß. Ich habe schon viel wegen ihr gelacht. Sie würden für Ihre Bemühung gewiß genug Unterhaltung haben. Essen kann sie nicht viel, dann sie ist zu einfältig dazu. Ich hätte sie probieren sollen? Ich habe ja nicht gekonnt vor Lachen; dann wenn ich ihr einigemal so mit der rechten Hand etwas vormachte, so sagte sie gleich Bravissimo, und das in der Stimme einer Maus.

Nun will ich meine angefangene Augsburger Historie in möglicher Kürze auserzählen. Herr von Fingerle, dem ich vom Papa ein Kompliment ausgerichtet habe, war auch beim Herrn Direktor Graf. Die Leute waren alle sehr höflich und besprachen sich immer wegen einer Akademie. Sie sagten auch alle: »Das wird eine der brillantesten Akademien werden, die wir in Augsburg gehabt haben. Sie haben viel voraus, da Sie die Bekanntschaft des Herrn Stadtpfleger Langenmantel haben; und dann, der Namen Mozart macht hier sehr viel.« Wir gingen ganz vergnügt auseinander. Nun muß der Papa wissen, daß der junge Herr von Langenmantel beim Herrn Stein dort gesagt hat, er wolle sich impegnieren, eine Akademie auf der Stube (als etwas Rares, das mir Ehre macht) ganz allein für die Herren Patricii zu veranstalten. Man kann nicht glauben, mit was für einem Impegno er sprach und sich anzunehmen versprach. Wir redeten ab, ich sollte morgen zu ihm kommen und Antwort haben. Ich ging hin. Das war den 13. Er war sehr höflich, sagte aber, er könnte mir noch nichts Positives sagen. Ich spielte wieder so eine Stund. Er lud mich auf morgen, als den 14., zum Speisen ein. Des Vormittags schickte er her, ich möchte doch um elf Uhr kommen und etwas mitnehmen, er hätte einige von der Musik bestellt, sie wollten etwas machen. Ich schickte gleich etwas, kam um elf Uhr, da machte er mir eine Menge Schwänz, sagte ganz gleichgültig: »Hören Sie, mit der Akademie ists nichts; o, ich habe mich schon gezürnet gestern wegen Ihnen. Die Herren Patricii sagten mir, ihre Kassa stehe sehr schlecht, und das seie kein Virtuos, dem man einen Souveraindor geben könnte.« Ich schmutzte und sagte: »Ich glaube auch nicht.« NB. Er ist auf der Stube Intendant von der Musik, und der Alte ist Stadtpfleger! Ich machte mir nicht viel daraus. Wir gingen zum Tisch; der Alte speiste auch heroben, er war sehr höflich, sagte aber kein Wort von der Akademie. Nach dem Speisen spielte ich zwei Konzert, etwas aus dem Kopf, dann ein Trio vom Hafeneder auf der Violin. Ich hätte gern mehr gegeigt, aber ich wurde so schlecht akkompagniert, daß ich die Kolik bekam. Er sagte mir ganz freundlich: »Wir bleiben heute beisammen und fahren in die Komödie, und dann soupieren Sie bei uns.« Wir waren sehr lustig. Als wir von der Komödie zurückkamen, spielte ich wieder bis zum Essen; dann gingen wir zum Souper. Er fragte mich schon vormittag wegen meinem Kreuz; ich sagte ihm alles ganz klar, was und wie es seie. Er und sein Schwager sagten so öfters: »Wir wollen uns das Kreuz kommen lassen, damit wir mit dem Herrn Mozart inkorporiert sind.« Ich achtete aber nicht darauf. Sie sagten auch so öfters: »Sie, Kavalier, Herr Sporn!« Ich sagte nichts. Unterm Souper wurde es aber zu arg. »Was wird es etwa kosten? Drei Dukaten? Muß man die Erlaubnis haben es zu tragen? Kostet diese Erlaubnis auch etwas? Wir wollen uns das Kreuz doch kommen lassen.« Da war ein gewisser Offizier noch da, Herr Bach, der sagte: »Ei pfui, schämen Sie sich, was täten Sie mit dem Kreuz?« Der junge Esel von Kurzenmantel winkte ihm mit den Augen, ich sah es, er merkte es. Darauf war es ein wenig stille; dann gab er mir einen Tobak und sagte: »Da haben Sie einen Tobak darauf.« Ich war stille. Endlich fing er wieder an ganz spöttisch: »Also morgen werde ich zu Ihnen schicken, und da werden Sie die Güte haben und mir das Kreuz nur einen Augenblick zu leihen; ich werde es Ihnen gleich wiederschicken; nur damit ich mit dem Goldschmied reden kann. Ich bin versichert, daß, wenn ich ihn frage (denn er ist gar ein kurioser Mann), wie hoch es zu schätzen seie, so wird er mir sagen, etwa einen bayrischen Taler. Es ist auch nicht mehr wert, dann es ist ja nicht von Gold, sondern von Kupfer. Hehe!« Ich sagte: »Gott behüte, es ist von Blech. Hehe!« (Mir war warm vor Wut und Zorn.) »Aber sagen Sie mir,« sagte er, »ich kann ja allenfalls den Sporn weglassen?« – »O ja,« sagte ich, »Sie brauchen keinen, Sie haben ihn schon im Kopf. Ich habe zwar auch einen im Kopf, aber es ist halt ein Unterschied, ich möchte mit dem Ihrigen wahrhaftig nicht tauschen. Hier haben Sie einen Tobak drauf.« (Ich gab ihm Tobak.) Er wurde ein wenig bleich. »Neulich,« sing er wieder an, »neulich stunde der Orden recht gut auf der reichen Weste.« Ich sagte nichts. Endlich rief er »Hei!« zum Bedienten: »Daß Ihr auf die nächst mehr Respekt vor uns habt, wenn wir zwei, mein Schwager und ich, dem Herrn Mozart sein Kreuz tragen. Hier haben Sie einen Tobak darauf.« – »Das ist doch kurios,« fing ich an (als wenn ich nicht gehört hätte, was er gesagt hat), »ich kann noch eher alle Orden, die Sie bekommen können, bekommen, als Sie das werden, was ich bin, und wenn Sie zweimal sterben und wieder geboren werden. Hier haben Sie einen Tobak darauf« und stunde auf. Alles stund auch auf und war in größter Verlegenheit. Ich nahm Hut und Degen und sagte: »Ich werde schon morgen das Vergnügen haben, Sie zu sehen.« – »Ja, morgen bin ich nicht hier.« – »So komme ich halt übermorgen, wenn ich ja noch hier bin.« – »Ach, Sie werden ja doch –« – »Ich werde nichts; hier ist es eine Bettlerei. Leben Sie unterdessen wohl!« und weg!

Den andern Tag, den 15., erzählte ich alles dem Herrn Stein, Herrn Geniaux und Herrn Direktor Graf, nicht wegen dem Kreuz, sondern daß ich im höchsten Grad disgustiert seie, indem man mir das Maul machte wegen einem Konzert und nun alles nichts seie. »Das heißt die Leute vorn Narren gehabt, die Leute angesetzt. Mich reuete es recht, daß ich hieher gereiset bin. Ich hätte mein Lebtage nicht geglaubt, daß, da doch Augsburg die Vaterstadt meines Papa ist, daß man hier seinen Sohn so affrontieren würde.« Der Papa kann sich nicht einbilden, wie die drei Leute lamentierten und sich erzürnten. »Ach, Sie müssen ein Konzert hier geben, wir brauchen die Patricii nicht.« Ich blieb aber bei meiner Resolution und sagte: »Ja, für meine wenige gute Freunde da, welche Kenner sind, will ich zum Abschied bei Herrn Stein eine kleine Akademie geben.« Der Direktor war ganz betrübt. »Das ist abscheulich,« rief er, »das ist eine Schande! Wer würde sich aber das vom Langenmantel einbilden! Pardieu, wenn er gewollt hätte, so hätte es gehen müssen.« Wir gingen auseinander. Der Herr Direktor gab mir in seinem Schlafrock das Geleit über die Stiege und bis vor die Haustüre. Herr Stein und Geniaux (der sich dem Papa empfehlet) gingen mit mir nach Haus. Sie drangen in uns, wir sollten uns entschließen, noch hierzubleiben; wir blieben aber fest. Nun muß der Papa wissen, daß neulich der junge von Langenmantel, als er mir die saubere Nachricht wegen dem Konzert ganz indifferent herstammelte, mir sagte, die Herrn Patricii laden mich zu ihrem Konzert künftigen Donnerstag ein. Ich sagte: »Ich werde kommen, um zuzuhören.« – »Ach, Sie werden uns ja das Vergnügen machen und spielen?« – »Nu, wer weiß, warum nicht?« Weil aber den Abend hernach mir so viel Affront geschah, so entschlosse ich mich, nicht mehr zu ihm zu gehen und mich vom ganzen Patriziat im Arsch lecken zu lassen und wegzureisen.

Den 16., als Donnerstag, so unter dem Essen rief man mich hinaus; da war ein Mädel vom Langenmantel da, und er ließe sich erkundigen, ob ich gewiß kommen würde, mit ihm in die Akademie zu gehen, und ich möchte doch gleich nach dem Essen zu ihm kommen. Ich ließe mich gehorsamst empfehlen, und ich gehe nicht in die Akademie, und zu ihm kann ich nicht kommen, weil ich schon engagiert bin, wie es auch wahr war; ich würde aber morgen kommen, um mich zu beurlauben, dann längstens Samstag werde ich abreisen. Herr Stein ist unterdessen zu die andern Herren Patricii von der evangelischen Seite gelaufen und hat halt ganz erschröcklich peroriert, so daß den Herren völlig angst wurde. »Was?« sagten sie, »einen Mann, der uns so viele Ehre macht, sollen wir weglassen, ohne ihn zu hören? Der Herr von Langenmantel meint halt, weil er ihn schon gehört hat, so ists genug.« Enfin, es war halt so ein Feuer, daß der gute junge Herr von Kurzenmantel selbst den Herrn Stein hat aufsuchen müssen, um ihn im Namen aller zu ersuchen, er möchte sein möglichstes tun, um mich zu persuadieren, daß ich in die Akademie ginge; auf etwas Großes dürfte ich mich nicht gefaßt machen usw. Ich ging also nach vielem Weigern mit ihm hinauf. Da waren die Ersten von die Herren ganz höflich; besonders ein gewisser Offizier, Baron Belling, er ist auch so ein Direktor oder so ein Tier; der machte meine Musikalien selbsten auf. Ich nahm auch eine Sinfonie mit, man machte sie, ich geigte mit. Hier ist aber ein Orchester zum Frais kriegen. Der junge Lecker von Langenmantel war ganz höflich; doch hatt er noch immer sein spöttisches Gesicht. Er sagte zu mir: »Ich habe schon wirklich geglaubt. Sie werden uns so entwischen; ich habe gar etwa geglaubt. Sie möchten einen Verdruß haben wegen dem neulichen Spaß.« – »Ei beileibe,« sagte ich, »Sie sind halt noch jung. Aber nehmen Sie sich besser in Obacht, ich bin nicht gewohnt auf solchen Spaß, und das Sujet, über das Sie raillierten, macht Ihnen gar keine Ehre und war auch von gar keinem Nutzen, dann ich trage es doch. Hätten Sie lieber andern Spaß gemacht!« – »Ich versichere Ihnen,« sagt' er, »es war nur mein Schwager, der –« – »Lassen wir es gut sein«, sagte ich. – »Bald«, sagte er, »hätten wir das Vergnügen nicht gehabt, Sie zu sehen.« – »Ja, wenn der Herr Stein nicht gewesen wäre, wäre ich gewiß nicht gekommen. Und Ihnen die Wahrheit zu gestehen, bin ich nur gekommen, damit Sie, meine Herren Augsburger, nicht in anderen Ländern ausgelacht werden, wenn ich sagte, daß ich in der Stadt, wo mein Vater geboren, acht Täge gewesen seie, ohne daß man sich bemüht hätte, mich zu hören.« Ich spielte ein Konzert; alles war gut bis auf das Akkompagnement. Auf die Letzt spielte ich noch eine Sonata. Dann bedankte sich der Herr Baron Belling im Namen der ganzen Gesellschaft auf das höflichste und bat mich, ich möchte doch nur den Willen betrachten, und gab mir zwei Dukaten.

Man läßt mir noch keinen Fried, ich sollte bis Sonntag ein öffentliches Konzert geben. Vielleicht! Ich bin aber schon so stuff, daß ich es nicht sagen kann. Ich bin recht froh, wenn ich wieder in ein Ort komme, wo ein Hof ist. Das kann ich sagen, wenn nicht ein so braver Herr Vetter und Base und so liebs Bäsle da wäre, so reute es mich so viel, als ich Haar im Kopf habe, daß ich nach Augsburg bin. Nun muß ich von meiner lieben Jungfer Bäsle etwas schreiben. Das spar ich mir aber auf morgen, dann man muß ganz aufgeheitert sein, wenn man sie recht loben will, wie sie es verdient.

Den 17. in der Frühe schreibe und beteuere ich, daß unser Bäsle schön, vernünftig, lieb, geschickt und lustig ist, und das macht, weil sie brav unter die Leute gekommen ist; sie war auch einige Zeit zu München. Das ist wahr, wir zwei taugen recht zusammen; dann sie ist auch ein bißchen schlimm. Wir foppen die Leute miteinander, daß es lustig ist ...


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