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Wien, 18. Juni 1783.
Ich gratuliere, Sie sind Großpapa! Gestern früh, den 17., um halb sieben Uhr ist mein liebes Weib glücklich mit einem großen, starken und kugelrunden Buben entbunden worden; um halb zwei Uhr nachts fingen die Schmerzen an, folglich war es mit dieser Nacht um alle Ruhe und Schlaf für beide getan. Um vier Uhr schickte ich um meine Schwiegermutter und dann um die Hebamme; um sechs Uhr kam sie in Stuhl und um halb sieben Uhr war alles vorbei. Meine Schwiegermutter bringt nun alles das Üble, was sie ihrer Tochter ledigerweise zugefügt hat, nun wieder mit allem Guten herein, sie bleibt den ganzen Tag bei ihr.
Mein liebes Weib, welche Ihnen die Hände küßt und meine liebe Schwester von Herzen umarmt, befindet sich, soviel es diese Umstände zulassen, recht gut. Ich hoffe zu Gott, daß, da sie sich gut hält, sie ihr Kindbett auch glücklich überstehen wird. Auf das Milchfieber habe ich Sorge, dann sie hat ziemliche Brüste. Nun hat das Kind wider meinen Willen und doch mit meinem Willen eine Säugamme bekommen. Meine Frau, seie sie es imstande oder nicht, sollte niemals ihr Kind stillen, das war immer mein fester Vorsatz; allein einer andern Milch solle mein Kind auch nicht hineinschlucken, sondern bei Wasser, wie meine Schwester und ich, will ich es aufziehen, allein die Hebamme, meine Schwiegermutter und die meisten Leute hier haben mich ordentlich gebeten, ich sollte das nicht tun, nur aus dieser Ursach, weil hier die meisten Kinder beim Wasser daraufgehen, indem die Leute hier nicht damit umgehen können, das hat mich nun bewegt nachzugeben, dann ich möchte mir nicht gerne einen Vorwurf machen lassen.
Nun wegen der Gevatterschaft! Hören Sie, was mir geschehen ist. Ich ließ die glückliche Entbindung meiner Frau gleich dem Baron Wetzlar (als meinem wahren guten Freund) benachrichtigen; er kam gleich darauf selbst und offrierte sich zum Gevattern. Ich konnte es ihm nicht abschlagen und dachte bei mir, ich kann ihn deswegen doch Leopold nennen, und als ich das dachte, so sagte er voll Freuden: »Ah, nun haben Sie einen Raimundl!« und küßte das Kind: was war also zu tun? Ich ließ den Buben also Raimund Leopold taufen. Ich kann Ihnen aufrichtig gestehen, daß, wenn Sie mir nicht Ihre Meinung darüber in einem Briefe geschrieben hätten, ich mich sehr in Verlegenheit würde befunden haben, und ich wollte nicht gutstehen, ob ich es ihm nicht etwa wieder abgeschlagen hätte. Ihr Brief tröstet mich aber, daß Sie mit meinem Verfahren nicht unzufrieden sein werden; er heißt ja doch auch Leopold.
Nun muß ich schließen. Ich küsse Ihnen samt meiner Kindbetterin tausendmal die Hände, und wir umarmen tausendmal unsere liebe Schwester und sind ewig Dero gehorsamste Kinder.