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Die Putzfrau

Putzfrauen sind so nötig wie Minister. Jeder für seine Arbeit. Manchmal auch darüber hinaus in den goldnen Stunden, wo mit der Arbeit auch das Herz gewogen wird. Nur sonderbar, daß solche goldne Stunden meistens dunkle Stunden sind.

Dunkel sind die Stunden vor dem drohenden Bankrott.

In der Firma meiner Jugend drohte er. Unsichtbar ging das Gespenst umher in den Kontoren und den Lagern. Überm Hauptbuch saß es, in alle Briefe schlüpfte es, jedem unsrer Reisenden grinste es beim Eintritt in die Läden von der Schulter: »Hähä, bald bin ich der Herr und setze hinter euren alten Firmennamen meine beiden Feuerkrallen »i. K.« – laßt die Firmenstempel ändern, bitte!«

Bankkredite wurden abgeschnitten, Kunden fielen ab, hämisch deuteten die Konkurrenten von der andern Straßenseite auf unser blankes Firmenschild – blank seit fünfzig Jahren: »Morgen Grünspan, übermorgen Rost und Schluß!«

Gramvoll saß mein Prinzipal in seinem Zimmer. Durch das Mattglas sah ich seinen Kopf. Er war gebeugt. Überm Hauptbuch lag er. Es war aufgeschlagen. Als ich morgens eintrat, konnte ich die Seitenziffer lesen: 127. Als ich mittags eintrat: 127. Als ich abends ihm die letzten Briefe brachte: 127.

Freunde kamen, suchten den Vergrämten wieder aufzurichten: Noch sei nichts verloren, die Entscheidungsschlacht noch nicht geschlagen – was fehle, sei nur Mut und Mut und wieder Mut!

Aber Mut steigt nicht aus Worten.

Am nächsten Morgen sah ich vor Geschäftsbeginn – ich als Lehrling hatte eine halbe Stunde früher zu erscheinen – einen andern Kopf durchs Mattglas schimmern. War das nicht – war das nicht – wahrhaftig ja, das war die Rosel, unsre alte Putzfrau, die seit Jahrzehnten unsre Firma sauber hielt mitsamt dem Firmenschilde draußen.

Sie schlich heraus. Sie sah mich und sie fuhr zusammen. Mein Lehrlingshochmut schrie sie an, was sie da drin zu schaffen hätte!

Demütig neigte sie den weißen Kopf und sagte nur: »Ja mei', ja mei' ...«

Da kam mein Prinzipal. Müde, eingefallen würde er gleich wieder über Folio 127 sitzen –

Nein, er saß nicht. Er fuhr auf. Er stand mit einem roten Kopfe in der Türe. Im Kopfe glühten nur Augen. Ein kleines Büchlein wehte in der Rechten. Ich konnte seine Aufschrift lesen. Ein Sparbuch war's. Das Sparbuch der alten –

»Rosel – Rosel!« schmetterte die Stimme meines Prinzipals.

Das war nicht mehr eine Stimme des Besiegten. Das war die Stimme eines neu gestärkten Kämpfers.

Er kämpfte gut von seiner neuen Plattform aus. Eine Plattform, 18 cm lang, 10 cm breit – die Maße eines armen kleinen Sparbuchs.

Und er siegte.


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