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Zurück in westlicher Richtung. – Vorbereitungen zur Landung. – Neue Entdeckungen in der Sidney Herbert-Bay. – Ein schwerer Kampf mit dem Eis. – Unsere Ankunft am Snow Hill. – Die Ausrüstung der Winterstation.
Am 1. Februar erreichten wir den 63° 30' s. Br. und den 45° 7' w. L. Während der Nacht war ein Mittelding zwischen Regen und Schnee gefallen, so dass das ganze Tauwerk wie vereist war. Das Wetter war so nebelig, dass wir nur einige hundert Meter vor uns sehen konnten, dabei war die Dünung, schwer und der Wind nahm immer mehr zu. Unter diesen Verhältnissen war die Aussicht, weiter östlich und südlich etwas ausrichten zu können, offenbar sehr gering; dazu drohte die Gefahr, dass unser Kohlenvorrat auf die Neige gehen könne, ehe es uns gelungen war, die Winterstation an Land zu setzen. Deswegen rief ich die Gelehrten zusammen, teilte ihnen die Sachlage mit und verlangte ihre Meinung zu hören. Wir beklagten natürlich alle eine Situation, die uns kaum eine andere Möglichkeit übrig liess, als umzukehren, nachdem wir dieser Fahrt nach dem Weddell-Meere so viel Zeit und Arbeit gewidmet hatten. Fast alle Anwesenden stimmten denn auch dafür, die Rückfahrt so schnell wie möglich anzutreten.
Wir kamen jedoch erst am nächsten Abend zu der Ausführung unseres Planes, da wir vorher noch eine sorgfältige hydrographische und zoologische Untersuchung der Wasserschichten an diesem östlichsten Punkt vornehmen wollten. Im Anfang ging unsere Fahrt ziemlich langsam von statten. Am 3. Februar wehte ein heftiger Sturm von der Südwestseite. Unser Schiff ächzte und krachte in allen Fugen, wenn es wie ein Ball von den Wellen auf und nieder geworfen wurde oder von einem vorübertreibenden Eisblock einen Stoss in die Seite oder an den Bug erhielt. Der Schaum des aufgeregten Meeres spülte über das Deck und die Kälte war gross genug, um alle Arbeiten da oben so unangenehm wie möglich zu machen. Wir waren gezwungen, still zu liegen und das Feuer unter dem Dampfkessel ausgehen zu lassen, um in der Lage zu sein, ihn reinigen zu können, ehe die Rückfahrt allen Ernstes angetreten wurde.
Ich hatte nun endgültig beschlossen, unsere Station irgendwo in der Nähe von Kap Seymour zu errichten, am liebsten innerhalb des Admiralitäts-Sundes, wo ich mehr Schutz gegen die Stürme zu finden hoffte. Ein wesentlich südlicherer Platz stand uns ja nicht zu Gebote; in magnetischer Beziehung musste das Terrain des erwählten Gebietes günstig sein, und schon allein durch seine interessante Geologie war es wohl wert, ihm die Arbeit einiger Monate zu widmen.
Eine wichtige Frage, die erst zu allerletzt entschieden wurde, war die, wer von unserer Gesellschaft an der Überwinterung auf der Station teilnehmen sollte. Dass Bodman, als der mir am nächsten Stehende, zurückbleiben sollte, war schon in Schweden verabredet worden; mit dem Marineminister von Argentinien hatten wir bezüglich Sobrals, wie bereits oben erwähnt wurde, ein Abkommen getroffen, und Jonassen war ja nur zu diesem Zweck geheuert. Ferner hatte ich stets gewünscht, einen Arzt mit zu haben und deswegen schon vor unserer Abreise aus Schweden mit Ekelöf darüber geredet, ohne dass jedoch die Frage zur Entscheidung gelangt war. Jetzt nahm ich mit Dank sein Anerbieten an, bei uns zu bleiben. Ausser Jonassen sollte uns noch einer von der übrigen Mannschaft begleiten. Alle ohne Ausnahme waren hierzu bereit, einige mit fast zu grossem Eifer. Unter den sich Meldenden wählte ich schliesslich den jüngsten Mann an Bord, Aakerlund, und ich hatte in der Folge keinen Grund, diese Wahl zu bereuen. Nur einer konnte sich bis zum letzten Augenblick nicht entschliessen, ob er mit uns auf der Winterstation zurückbleiben sollte oder nicht. Mr. Stokes hatte zwar von Anfang an die Absicht gehabt, an Land zu überwintern und führte u. a. ein eigens zu diesem Zweck gebautes Haus mit sich, in dem er wohnen und sein Atelier aufschlagen wollte. In der letzten Zeit war er jedoch sehr unschlüssig geworden. Teils fand er, dass wir die Station zu weit nördlich aufzuschlagen gedachten, wobei die geringe Aussicht, hier Gelegenheit zum Malen von Südlichtern zu finden, eine entscheidende Rolle spielte, teils veranlassten ihn auch noch andere Gründe zu dem Entschluss, dauernd auf der »Antarctic« zu bleiben.
Am Morgen des 9. Februar bekamen wir wieder Land in Sicht, und um die Mittagsstunde befanden wir uns schon auf gleicher Höhe mit Kap Seymour. Der Wind hatte sich indes wieder derartig verstärkt, dass von einer Landung keine Rede sein konnte, und binnen kurzem ging er in einen vollständigen Orkan über. Eine heftige Böe zerriss den Klüver in Fetzen. Um uns vor noch schlimmeren Schäden zu bewahren, mussten wir herauszusteuern versuchen, um unter der Cockburn-Insel Schutz zu finden. Diese eigentümliche Insel, deren Bekanntschaft wir jetzt zum ersten Male machten, wird noch häufiger in dieser Arbeit genannt werden. Sie hat eine sehr merkwürdige und charakteristische Form, nach unten zu mit einem Abhang aus loserem Gestein, nach oben zu ein ebenes Plateau bildend, auf dessen nördlichster Spitze sich ein dreieckiger, pyramidenförmiger Gipfel erhebt. Die Insel hat besonderes historisches Interesse als der einzige Punkt, an dem Ross in diesen Gegenden landete; hier nahm er das Land im Namen Englands in Besitz, und dies war lange der südlichste Punkt auf dem Erdball, von dem man wusste, dass sich dort irgendwelche Vegetation befand.
Bei dem rasenden Schneesturm, der jetzt herrschte, war es indes unmöglich, viel von der Insel zu sehen. Glücklicherweise flaute der Wind im Laufe des Vormittags ein wenig ab, aber wir waren weit nach Norden zu verschlagen. Vor uns lag die Sidney Herbert-Bay, der bisher von niemand besuchte innere Teil der Erebus- und Terror-Bucht. Da wir nun so nahe an die Bay herangekommen waren, beschlossen wir, einige Stunden zu opfern, um hinein zu fahren und eine Übersicht über die Gegend zu gewinnen. Das Wetter war allmählich klar und strahlend geworden, es war, als wolle uns die antarktische Natur noch einen letzten Tag, reich an Erinnerungen und Ergebnissen gönnen, als würdigen Abschluss unserer Sommerarbeit. Rings umher waren wir von der grossartigsten Natur umgeben, die Ufer waren fast schneefrei und schimmerten in braunen und roten Farben. Die niedrigen Berge waren grösstenteils von ausgeprägter Plateauform und bestanden offenbar aus vulkanischem Gestein. Dazwischen senkten sich mächtige Gletscher nach dem Meer zu hinab, während ganz im Hintergrunde der Haddington-Berg mit seinem blauweissen Scheitel aufragte. Die interessanteste Beobachtung machten wir indes insofern, als es sich herausstellte, dass die Bucht, wovon wir uns gar bald überzeugen konnten, sich weit tiefer in das Land hinein erstreckte, als dies auf den Karten angegeben ist; die meisten von uns hielten es schon jetzt über allen Zweifel erhaben, dass die Sidney Herbert-Bay einen durchgehenden Sund bildet, der offenbar in eine dahinterliegende Bucht oder einen Kanal mündet. In der Hoffnung, dies Rätsel vollständig lösen zu können, hielten wir unsern Kurs auf eine eigentümliche, niedrige sandige Landzunge, plötzlich aber veränderte sich die Farbe des Wassers, und einen Augenblick später sahen wir, dass der Propeller Schlamm aus dem Grunde aufwühlte. Sofort wurde »Wenden« kommandiert, aber ehe es uns gelungen war, zu drehen, sass das Fahrzeug schon fest. Glücklicherweise machte es jedoch keine grossen Schwierigkeiten, wieder flott zu werden, denn als die Segel gehisst und die Maschine auf Volldampf gestellt war, glitten wir wieder leise vom Grunde ab. Allerdings widerfuhr uns noch einmal Malheur, aber auch diesmal kamen wir glimpflich davon und konnten unsern Kurs bald wieder nach Süden nehmen. Nachdem wir einen dichten Gürtel aus grobem Eis passiert hatten, näherten wir uns zum zweiten Male der Cockburn-Insel, wo der Wind von neuem anfing, frisch zu wehen und uns zwang, beizulegen.
Die ganze Nacht tobte der Sturm, aber ebenso wie am vorhergehenden Tage bekamen wir am Morgen wieder gutes Wetter. Leider waren wir jetzt wieder ganz weit nach Norden hinauf getrieben, und gewaltige Eismassen, die offenbar weiter südwärts losgerissen waren, traten uns auf dem Wege nach dem Admiralitäts-Sund hindernd entgegen. Es gelang uns, einen Schleppnetzzug zu machen, dann fingen wir an, uns durch das Eis hindurch zu kämpfen. Dies wurde eine harte Arbeit, die härteste dieser Art, die wir bisher gehabt hatten. Mehr als einmal sah es so aus, als würden wir gezwungen sein, wieder umzukehren und eine bessere Gelegenheit abzuwarten, die sich in dieser Jahreszeit vielleicht überhaupt nicht mehr geboten hätte. Aber dank der Energie unseres Kapitäns und der guten Eigenschaften der »Antarctic« überwanden wir alle Hindernisse und gegen Abend konnten wir uns endlich beglückwünschen, diese ungewöhnlich schwere Probe bestanden zu haben; der Weg nach dem Gebiete, wo die Station errichtet werden sollte, war jetzt gebahnt.
Um 4 Uhr am nächsten Morgen, am 12. Februar, war ich wieder auf Deck. Es war schneidend kalt dort oben, wo ich stand und zum erstenmal Inseln und Ufer überschaute, die bestimmt waren, während fast zweier Jahre unsere Heimat zu sein. Man kann sich kaum ein Land vorstellen, das mehr von seiner Umgebung abweicht, als die völlig eisfreie Seymour-Insel mit ihren tiefen Tälern und eigentümlich geformten Gipfeln. Gute Landungsstellen waren vorhanden, aber wir setzten unsere Fahrt fort, in der Hoffnung, noch bessere zu finden. Nachdem wir an dem Sund vorübergefahren waren, der die Seymour-Insel im Süden begrenzt, kamen wir an ein neues Landgebiet, ebenso schneefrei wie das erstere, das aber ein zusammenhängenderes Plateau mit hohen, steilen Ufern bildete, an denen nirgends ein passender Landungsplatz zu entdecken war. Ganz unvermittelt geht dies Landschaftsbild in eine weitgestreckte, ununterbrochene Schneewölbung über, die nach dem Meere zu mit einer lotrechten Wand abschliesst. Vor uns liegt der Snow Hill, derselbe mächtige Gletscher, den wir bei einer früheren Gelegenheit von der Südseite aus gesehen hatten. Die Eismasse läuft nach Nordwesten in ein schmales Vorgebirge aus, zwischen diesem und dem hohen Lande befindet sich ein niedriger Strand, der durch seine Lage wie durch seine Beschaffenheit ganz besonders für die Errichtung einer Station geeignet erscheint.
Jedenfalls wollte ich den Platz gern näher untersuchen, und bald war ein Boot ausgesetzt, in dem ich mit den in erster Linie Interessierten sofort an Land ging. Zwischen grundfesten Eisblöcken suchten wir uns einen Weg dahin. Das in Frage stehende Ufergebiet bildet ein schmales Dreieck, dessen längste Seite einige hundert Meter lang ist, und wird an der einen Seite von dem hohen Lande, an der andern von der lotrechten Eiswand geschützt. Unsern unerfahrenen Augen wollte es scheinen, als müsse man hier den vorzüglichsten Schutz vor den kalten Südwinden finden. Mehrere gute Bauplätze fanden wir oben auf den niedrigeren Höhen mit ihrer völlig ebenen Oberfläche. Das Gestein besteht aus Sandstein, der freilich mit einem Basaltgang durchsetzt ist, dieser ist aber so schmal, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach keinen wesentlichen Einfluss auf die magnetischen Beobachtungen würde ausüben können.
In dieser Hinsicht war also die Lage günstig; was mich ausserdem bestimmte, war der grosse Reichtum an Fossilien, die wir gleich antrafen. Sie waren sehr viel zahlreicher, als auf dem Teil der Seymour-Insel, den ich besucht hatte, und unterschieden sich wesentlich von allem, was man bisher an dort vorkommenden Versteinerungen kannte, durch das Vorhandensein zahlreicher Ammoniten, die bisher niemals in antarktischen Gegenden angetroffen worden waren. Ich war also fest davon überzeugt, dass der Besuch dieses Platzes grosses Interesse zu bieten versprach. Nach einem kurzen Aufenthalt kehrten wir nach dem Schiffe zurück, um ohne Zögern mit dem Löschen zu beginnen.
Es war keine kleine Ausrüstung, die an Land geschafft werden und sechs Personen die Möglichkeit bieten sollte, sich hier zwei Jahre lang aufzuhalten; da diese Frage nicht ohne Interesse ist, will ich hier gleich eine kurze Übersicht von dem geben, was wir mit uns führten. Zunächst kam das Material zu unserm Wohnhaus, das Schwerste und Umfangreichste von allem, was wir zu transportieren hatten, ebenso das Material zu zwei Observatorien, von denen das magnetische ein ziemlich grosses Gebäude bildete, und ausserdem eine Menge Reservebretter. Es folgte dann unsere Einrichtung, die aus Tisch und Stühlen, einem eisernen Herd und einem Ofen, einer reichlichen Menge Bettzeug, Filtern. Küchenausstattung, einer Wanduhr, Lampen und Stearinkerzen und noch vielerlei anderm Gerät bestand.
In Bezug auf Brennmaterial war es meine Absicht gewesen, die Station mit ungefähr 20 Tonnen Kohlen zu versehen. Aus Gründen, die ich gleich mitteilen werde, mussten wir uns indes mit einem bedeutend geringeren Vorrat begnügen. Statt dessen wurde eine um so grössere Menge Petroleum mitgenommen, nämlich ungefähr vierzig Kisten, von denen eine jede 36 Liter enthielt.
Unsere Ausrüstung an Nahrungsmitteln war für die Dauer von 20 Monaten berechnet, und von wichtigeren Artikeln, die hier unten auf keine Weise ersetzt werden konnten, besassen wir einen nicht unbedeutenden Reservevorrat. Von den wichtigsten Proviantartikeln führten wir folgende Quantitäten mit: Brot, ungefähr 570 kg; davon Schiffsbrot 465 kg und »Knäckebrot« 80 kg; Mehl 1200 kg, Hafergrütze 200 kg, Salzfleisch ca. 200 kg, gesalzenes Schweinefleisch und Schinken ca. 160 kg, Heringe 2 Tonnen, gesalzenen Fisch 1 Tonne, getrockneten Fisch ca. 50 kg, Erbsen 100 kg, Bohnen 100 kg, gedörrte Kartoffeln 60 kg, gedörrte Gemüse 140 kg, Zucker 320 kg, Kaffee 60 kg, Butter und Margarine 240 kg, Käse 30 kg, Hafergrütze 3 Anker, gedörrtes Obst 100 kg. Dazu kam unser ganzer Vorrat an Konserven: Fleisch, Fisch, Suppen und Gemüse, wovon namentlich die letzteren recht reichlich berechnet waren. Ferner hatten wir zu regelmässigem Gebrauch bestimmte Vorräte von Tee, Schokolade, Kakao, konservierter Milch, Blutpudding, Maccaroni, Kronsbeeren usw. Ausser dem hier angeführten war noch ein sogenannter Schlittenproviant vorgesehen, der eine vollständige, auf eine Dauer von 2? Monate berechnete Ausrüstung für sechs Personen enthielt. Einen grossen Teil machte der Hundeproviant aus, der für die Schlittenfahrten aus Pemmikan und sonst aus Brot, getrocknetem Fisch und »greaves« (Fleischabfall, mit Fett verschmolzen) bestand.
Ferner ist zu erwähnen unsere rein persönliche Ausrüstung, sowie allerlei, was zu unserer Unterhaltung und Erheiterung dienen sollte, darunter eine Bibliothek, ferner die Schlittenausrüstung. sowie Reservekleidungsstücke oder Material zu solchen, zu gemeinsamem Gebrauch angeschafft, sechs Gewehre mit reichlich Munition, Raketen und bengalische Flammen, allerlei Tauwerk, eine Feldschmiede und schliesslich eine ganze Reihe gröberer und feinerer Werkzeuge.
Schliesslich darf ein wichtiger Bestandteil der Expedition nicht unerwähnt bleiben, die wissenschaftliche Ausrüstung. Hierunter dürften besonders hervorzuheben sein ein eigenes Passageinstrument für die Längenbestimmung, ein Prismazirkel, zwei grössere Chronometer und ein Taschenchronometer, eine vollständige Serie von magnetischen Variationsinstrumenten sowie Instrumente für absolute Bestimmungen, ein kleiner magnetischer Theodolit, eine einfache Ausrüstung für Kartenzeichnen, zwei Thermometerhäuser zur Aufbewahrung der meteorologischen Instrumente, eine doppelte Garnitur von selbstregistrierenden Instrumenten zur Erforschung von Temperatur und Feuchtigkeit, zwei Quecksilberbarometer, ein Barograph, zwei Siedethermometer, zwei Anemometer für die Ausmessung der Windstärke, ein Apparat für die Registrierung des Sonnenscheins, ein sogenanntes Aspirationspsychrometer nach Assmann, sechs photographische Apparate mit Zubehör, eine reichliche Ausstattung für Aufbewahrung von botanischen und zoologischen Sammlungen, sowie schliesslich im Interesse des Arztes eine vollständige Serie von bakteriologischen Apparaten.
Obwohl das hier aufgeführte Verzeichnis natürlich nicht vollständig ist, wird es doch einen Anhalt dafür geben können, wieviele verschiedenartige Gegenstände an Land geschafft werden mussten. Für den Transport selber wurden zwei der Walfischboote mit einem Überbau aus Brettern verbunden, wodurch wir eine Art grosses Floss erhielten, das eine bedeutende Ladung auf einmal aufnehmen konnte und von einem dritten, kleineren Boot an Land bugsiert wurde. Alle Mann waren bis spät in die Nacht durch den Transport in Anspruch genommen, und wir konnten uns am Ende dieses langen Arbeitstages freuen in dem Bewusstsein, dass ein bedeutender Teil der Ausrüstung für die Winterstation am Strande gelagert war.
Ausser mit der Aufsicht über das Löschen, war ich selber in diesen Tagen mit der Abfassung meiner Berichte, wie mit der Instruktion für das Schiff und sein Personal beschäftigt. Es war bestimmt, dass die »Antarctic« so schnell wie möglich nach unserer Landung nach Süden gehen sollte, um an einem passenden Platz ein Depot zu errichten zur Erleichterung der Proviantierung auf unsern künftigen Schlittenfahrten. Es war mein Wunsch gewesen, das Schiff auf dieser Fahrt zu begleiten, aber im letzten Augenblick stand ich davon ab, denn ich sah ein, dass, falls sich die Eisverhältnisse verschlimmerten, meine Rückkehr nach dem Überwinterungsplatz das Schiff einer zu grossen Gefahr aussetzen würde. Die Folge dieser Änderung meiner Pläne war jedoch, dass eine Menge Arbeiten, die ich an Bord hatte ausführen wollen, sich nun plötzlich in einen so kurzen Zeitraum zusammendrängten, dass allerlei wichtige Sachen unwillkürlich vernachlässigt werden mussten.
In einem besonderen Schreiben übergab ich Kapitän Larsen die Führung des Schiffes und der Expedition, bis dieselbe mit Dr. Joh. Gunnar Andersson zusammentreffen würde. In ausführlichen Promemorien suchte ich die wichtigsten Aufgaben zusammenzustellen, die ihm gestellt waren, teils während des kommenden Winters, teils, und zwar in erster Linie, während des Sommers, wo der Entsatz der Überwinterungspartie allen andern Arbeiten vorangehen musste. Die ganze Instruktion war jedoch in so allgemeinen Ausdrücken gehalten, dass den beiden erprobten und hervorragenden Männern volle Handlungsfreiheit gelassen wurde.
Am Abend war schon der grössere Teil unserer Ladung an Land. Auf dem Schiff befand sich ausser unserm persönlichen Gepäck und allerlei absichtlich bis zuletzt zurückbehaltenen Sachen nur noch der grössere Teil des Kohlenvorrats für die Station. Der morgende Tag sollte also unser letzter Tag an Bord sein, auf der andern Seite aber hatten wir darauf gerechnet, vor Abschluss dieser wichtigen Geschäfte über den grösseren Teil desselben frei verfügen zu können.
Ich sass noch bis drei Uhr des Morgens auf und schrieb; ehe ich aber zu Bett ging, machte ich einen Gang auf das Deck hinauf. Der Abend war wundervoll gewesen, und weder früher noch später erinnere ich mich, in diesen Gegenden so intensive Farben am Himmel gesehen zu haben. Jetzt fing es an zu tagen, der Morgen war herrlich und alles um uns her so still und friedlich. Ich wechselte einige Worte mit Steuermann Reinholdz, der die Wache hatte und dort auf und nieder ging. Er machte mich darauf aufmerksam, wie eine Menge Eis in den Sund hineintrieb, ohne dass dies jedoch irgendwie ängstlich aussah. Kaum aber war ich unten in meiner Koje eingeschlafen, als mir der Kapitän mitteilen liess, dass der Wind von Norden auffrische und dass uns Unmengen von Eis entgegentrieben. Sofort war ich wieder auf den Beinen, und es währte nicht viele Minuten, bis alles wieder in voller Tätigkeit war. Es handelte sich darum, wenigstens das wichtigste von dem, was noch zurückgeblieben war, an Land zu schaffen. Die Kohlen konnten wir jedoch nur teilweise befördern, deswegen wurde beschlossen, dass ich für die Winterstation den Vorrat an Petroleum übernehmen sollte, den Mr. Stokes zur Heizung seiner Hütte mitgenommen hatte. Das Eis kam in mächtigen Schollen herangetrieben und man musste ängstlich acht geben, dass sie nicht zu hart gegen das Schiff prallten. Anfangs waren wir recht besorgt, denn eine grosse Eisscholle hätte mit Leichtigkeit die Ankerkette zerreissen und uns direkt auf den Snow Hill-Gletscher zu treiben können. Natürlich gab es in diesem Augenblick tausenderlei zu bedenken, persönliche Fragen, die entschieden, Aufträge, die den Reisenden erteilt werden sollten usw. Inzwischen traten die letzten Bootsladungen ihre lange, zeitraubende Fahrt an. Die Stunden verstrichen aber schnell, und bald sahen wir die Boote wieder vom Ufer abstossen und sich unserm Schiffe nähern. Uns, die wir hier zurückbleiben sollten, stand jetzt nur noch der Abschied und die Trennung bevor.