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Der Besuch Schweinsbergs gab Heinz doch so viel zu denken, daß er sich zu seinem Leibburschen begab, um dessen Rath einzuholen. Als er Hanning erzählt hatte, daß Schweinsberg soeben bei ihm gewesen, stellte dieser sich zunächst auf den Kopf, wahrscheinlich um durch diese ungewöhnliche Stellung seine Worte für ewig in Heinzens Gedächtniß einzugraben, und verharrte in derselben so lange, daß Heinz alles Ernstes für sein Leben zu fürchten begann und ihn daher halb mit Gewalt wieder auf die Beine brachte. Damit nicht zufrieden, machte Hanning noch einen Versuch, an der Wand emporzuklettern, und erst als er sich von der Unmöglichkeit, sein Vorhaben auszuführen, überzeugt hatte, rief er, indem er die Hände zum Himmel erhob:
»Welch' ein Fuchs!«
»Sprich doch verständig,« sagte Heinz ärgerlich, »ich meine es ernstlich!«
» Sancta simplicitas! Wahrhaftig, Heinz, Du könntest durch Deine Einfalt Kinder bis zu 15 Jahren und darüber erschrecken!«
»Was hätte ich denn thun sollen?«
»Was Du hättest thun sollen? Ihn hinauswerfen, hättest Du thun sollen!«
»Das kann doch nicht Dein Ernst sein?«
»Gewiß, Heinz. Ich spreche zwar nur sehr ungern ernsthaft, denn ich finde, daß das die einfältigste Art ist, die Zeit todtzuschlagen; aber soweit mein Temperament es erlaubt, spreche ich augenblicklich ganz ernsthaft.«
»Aber ich muß Dir sagen, daß mir der Mann ganz wohl gefällt!«
»Das kann wohl sein, mein Bester. Mir gefielen seinerzeit die Pflaumen in unseres Nachbars Garten auch über die Maßen und doch gab es Hiebe, sobald man mich in ihrer Gesellschaft erwischte.«
»Du meinst also, daß ich als Burschenschafter nicht mit ihm verkehren darf?« Heinz sagte das nicht ohne Bedauern.
»Du darfst so wenig mit ihm verkehren, wie ein Förster mit einem Wilddiebe, wie ein Grenzwächter mit einem Schmuggler! Ich bin ihm so böse, daß ich ihn mit einem Maaße Bier vergiften könnte! Du siehst, mein Rachedurst ist so groß, daß ich vor dem Mißbrauche des Heiligsten nicht zurückschrecke. Wenn ich jetzt sein Richter wäre, ich könnte ihn dazu verurtheilen, acht Tage lang weder selbst zu sprechen, noch ein Wort sprechen zu hören, und das Alles bei Gänsebraten und kaltem Wasser. Nicht zufrieden damit, daß er sich von Dir abführen läßt und Dich dadurch von vornherein verdirbt, beschimpft er unsere ganze Verbindung und veranlaßt dadurch wenigstens ein halbes Dutzend Convente. Und das bei diesem herrlichen Wetter und zu einer Zeit, die eigentlich gar keine Zeit ist, sondern eine Periode, in der man bis 10 Uhr im Bett und nach 10 Uhr im Grase auf dem Rücken liegen kann. Ich sage Dir, Heinz, wenn ich an mein Stück denke und an meine Rolle – mir stehen die Haare zu Berge.«
»Was für ein Stück?«
»Ah so! Du weißt noch nichts davon? Freitag ist Kluge's Hochzeitstag und da ist's alter Brauch, daß wir Burschen ein Stück aufführen, nämlich ein wirkliches Theaterstück. Diesmal wird es, da ich mitspiele, natürlich höchst amüsant und ich kann Dir nur rathen, vor der Aufführung nichts zu essen, Du könntest sonst vor Lachen bersten!«
»Was ist denn das für ein Stück?«
»Was für ein Stück? Nun, ich sagte es Dir doch schon, ein Theaterstück.«
»Ja, aber wie heißt es?«
»Ach, den Namen willst Du wissen? Ja so, den Namen wolltest Du erfahren? Nun, das ist schön. Ich habe früher immer geglaubt, die Schauspieler wären mehr oder weniger Bummler; aber seit ich an meiner Rolle lerne, und das ist schon seit vierzehn Tagen der Fall, habe ich allen Respect vor diesem Beruf und fange an zu glauben, daß die Schauspieler die fleißigsten Leute auf der Welt sind.«
»Ist denn Deine Rolle so allewelt lang?«
»Nein, das nicht, Heinz. Eben deshalb bewundere ich die Schauspieler von Fach so sehr. Meine Rolle ist gewissermaßen nur eine Nebenrolle, obgleich das ganze Stück mehr oder weniger auf mir ruht und ganz unverständlich bliebe, wenn ich nicht erschiene.«
»Was stellst Du denn vor?«
»Ich werde als Götterbote auftreten, gewissermaßen als Hermes.«
»Ist's denn eine Offenbachiade? Du hast mir den Namen noch immer nicht genannt.«
»So? Habe ich ihn Dir nicht genannt? Nein, es ist nicht von Offenbach. Es ist von – von, von einem Andern. Aber, wie gesagt, ich bin Hermes. Mein Stichwort ist: ›In tiefster Noth muß ich verkommen.‹ Sobald Fräulein Rosalie in tiefster Noth verkommen will, klopfe ich an die Thür. Das nächste Stichwort ist dann: ›Nur auf die Ewigkeit noch meine Hoffnung setzen.‹ Dann trete ich ein und rufe: ›Immer munter, meine Damen, der alte Herr Gott lebt noch, Gott sei Dank, und der Herr Vetter in Amerika ist todt, Gott sei Dank, und hier im Briefe sind 500,000 Thaler.‹ Du kannst Dir denken, wie Fräulein Rosalie sich freut! Ich versichere Dir, ich bekomme schon seit vierzehn Tagen zwei Stück Zucker mehr in den Kaffe als Anton, der arme Junge.«
»Und das ist Deine ganze Rolle?«
»Nun, ich will's meinen! Ist das nicht genug? Und dazu noch die zwei leidigen Stichwörter. Heinz, die Stichwörter! Ich sage Dir, Heinz, die Stichwörter machen mich toll. Du glaubst nicht, wie sie mir zusehen! Kaum erwache ich am Morgen, so klingt es mir in den Ohren: ›In tiefster Noth muß ich verkommen,‹ und mit dem Humor ist's für den Tag natürlich vorbei, und wenn ich mich Abends zu Bett lege, kann ich ›nur auf die Ewigkeit noch meine Hoffnung setzen‹ und natürlich kein Auge zuthun. Und dann, denke Dir, ich setze den Fall, denn was man denken kann, ist nicht unmöglich, denke Dir, daß Fräulein Rosalie das Stichwort ausläßt und ich stehe nun an der Thür und klopfe und klopfe und kann nicht hereinkommen. Und unterdessen trinkt Ihr Punsch! Schöne Geschichte! Was?«
Der Kluge'sche Hochzeitstag und der Kluge'sche Geburtstag, der Kluge'sche Namenstag und der Kluge'sche Confirmationstag, der Tag, an dem Herr Kluge den »Höchst« gekauft, der, an dem ihm die Erbin geboren, der, an dem diese zu einer Schwester und Miterbin gelangt war – alle diese Tage waren eben so viele Feste, die der ganze »Höchst« mit all dem Aufwande von Frohsinn, Bier und Rothwein beging, den die Natur angewandt hatte, um einen so heiteren, durstigen und gefälligen Mann, einen Mann mit einer so rothen Nase, einem so stattlichen Bauche und so schelmisch blickenden Augen wie Herrn Kluge hervorzubringen und zu erhalten. Herr Kluge war nicht nur der Besitzer, sondern auch die Seele und das Gedächtniß des »Höchst«. Es ist unmöglich, daß je irgend ein Mann auf dem Höchst gewohnt hat, wohnt oder wohnen wird, der zu mehr gelegener Zeit eine Ausfahrt aus eine Kirchweih, oder in die benachbarte Reichsstadt, oder in ein Gebirgsthal arrangirt, als Herr Kluge. Es wohnte, wohnt oder wird gewiß nie ein Mann auf dem Höchst wohnen, der sich behaglicher in seiner Haut fühlt, lauter lacht und lustiger singt als Herr Kluge.
Wer kennt alle die Leute, die in den letzten 35 Jahren Arminen waren, bei Namen, weiß sie zu schildern nach Antlitz und Art wie Herr Kluge? Wer liebt alle diese Hunderte, die da kamen und gingen, so warm wie Herr Kluge! Freilich, mit Allen hat er schmollirt, mit Allen manche gemüthliche Stunde verschwatzt, Allen hat er Geld geliehen. Daß sie ihn wieder geliebt, davon zeugen alle die Bilder in seiner Wohnstube, davon legt das schwere Silberzeug, das dort den großen Schrank füllt, vollwichtiges Zeugniß ab. Sobald einer der obgenannten Tage herannaht, beginnt unter den Füchsen ein geschäftiges Treiben, das sich an dem Tage vor dem Feste auch auf die älteren Burschen ausdehnt und schließlich zur Ueberreichung eines silbernen Pokals oder eines Armleuchters führt. Ebenso beginnt, sobald einer der obgenannten Tage herannaht, unter dem Personale der Kluge'schen Küche ein geschäftiges Hinundherlaufen, das schließlich zur Bereitung und Darbringung einer Punsch- oder Champagnerbowle führt. Am Morgen eines jeden der oben genannten Tage erscheint eine Deputation von zwei Jünglingen bei Herrn Kluge und theilt ihm in wohlgesetzter Rede mit, daß sie und ihre Committenten sich der Hoffnung hingeben, daß Herr Kluge noch oft an diesem Tage eine Deputation empfangen werde, worauf Herr Kluge erwidert, daß er diese Hoffnung theile, weil er dadurch eine neue Gelegenheit erhalte, sich von dem Blühen und Gedeihen der Arminia zu überzeugen; und am Morgen jedes dieser Tage erscheint eine Deputation der Familie, bestehend aus den zwei Fräulein Kluge, bei vorgedachten Jünglingen, um sie zu einem ganz bescheidenen Abendessen einzuladen, worauf besagte Jünglinge erwidern, daß sie diese Einladung als eine Veranlassung, einen Abend im Kluge'chen Familienkreise zu verbringen, mit Freuden begrüßen.
Herr Kluge stand nicht allein in der Welt, eine Gattin und zwei Töchter theilten mit ihm die Sorgen und Freuden des Lebens. Die Gattin hieß Amalie, die Töchter Rosalie und Eulalie. Die Gattin war sehr groß, sehr mager und sehr sparsam, der Gatte sehr klein, sehr fett und sehr verschwenderisch; die Gattin war sehr schweigsam und sehr leicht verletzt; der Gatte war sehr offen, sehr geschwätzig und nahm keinen Spaß übel; die Gattin war immer sehr fein gekleidet und sprach nur Hochdeutsch; der Gatte trug immer eine grobe Jacke, grub und ackerte selbst und sprach Dialekt. So vertrugen die Gattin und der Gatte sich schlecht mit einander.
Rosalie und Eulalie waren auch recht verschieden. Rosalie hatte braune Augen und schwarzes Haar, Eulalie hatte blaue Augen und war blond. Rosalie kleidete sich immer dunkel, Eulalie zog helle Stoffe vor. Rosalie war eine sehr gebildete Person, die nur hochdeutsch redete und noch dazu das st immer so aussprach, wie es geschrieben wird; Eulalie zischte und sprudelte beim Reden wie ein Bergquell und hing jedem Wort ein »le« an; Rosalie citirte gern Schiller und Goethe, welchen letzteren Namen sie ungemein spitz aussprach; bei Eulalie war es zweifelhaft, ob sie überhaupt zu lesen verstand.
Rosalie und Eulalie vertrugen sich vortrefflich mit einander. Rosalie erklärte Eulalie für ein liebes, süßes, unwissendes Geschöpf und Eulalie erklärte Rosalie für schrecklich gelehrt und überaus klug. Frau Kluge und Herr Kluge haben mit einander nichts Gemeinsames, aber Rosalie und Eulalie haben vieles, was ihnen gemeinsam. Rosalie und Eulalie stehen Beide zu den Arminen als Ganzes durchaus mütterlich. Das wird ihnen leicht, denn ihren Jahren nach sind sie zu Muttergefühlen berechtigt, und Beide stehen doch auch wieder zu den Arminen als einzelnen Individuen mitunter sehr bräutlich, und das wird ihnen leicht, denn der Wärme ihrer Gefühle nach sind sie zu bräutlicher Liebe berechtigt. Die Schwestern stehen sich sehr nahe, denn nichts vereint mehr, als gemeinsam erfahrenes Leid, gemeinsam ertragener Schmerz! Und sie haben Leid erfahren, der Liebe Leid. Nicht einmal, auch nicht zweimal, nein, viel öfter! Sie haben sich als Bräute schmucker, blondlockiger Burschen gefühlt und haben den schönen Traum geträumt, einmal Mecklenburgische Pastorinnen zu werden, oder Hannöversche Doctorinnen, oder Oldenburgische Frau Amtmänninnen. Sie haben ihren Geliebten schwarz-roth-goldene Farbenbänder gestickt und Morgenschuhe genäht. Sie haben beim Abschiede heiß geweint und haben dann viele Briefe geschrieben und immer weniger Briefe erhalten, bis dann endlich der treue Mecklenburger oder Hannoveraner oder Oldenburger den letzten Brief schrieb, den schrecklichen, in dem er mittheilte, daß er an einer unheilbaren Krankheit leide, daß der Arzt ihm das Heirathen verboten und ihm nichts übrig bleibe, als ein einsamer Tod. Sie haben dann immer Beide geantwortet, daß die Krankheit sie nicht abhalte, daß ihr Herz sie jetzt nur umsomehr zum Geliebten treibe und haben dann keine Antwort erhalten und erst nach einiger Zeit erfahren, daß der Kranke nicht todt, sondern – verheirathet sei. Dann haben sie alle seine Briefe gesammelt und durch ein roth- oder grün- oder blauseidenes Bändchen zu einem Päckchen verbunden und – das ganze Spiel von neuem begonnen. Sie hielten es mit der Mutter, denn der Vater erwies sich als ein herzloser Mann. Nicht nur nannte er seine ganze Familie, wer weiß warum, seine »Apostel«, nicht nur erinnerte er die Töchter unhöflicher Weise oft an ihr Alter, und zwar gerade, wenn der Betreffende zugegen war, nein, er bewies auch in den ernstesten Augenblicken, daß keine Spur väterlicher Liebe in ihm lebte, daß er ein Rabenvater war. Wenn der Jüngling aus Mecklenburg, Hannover oder Oldenburg mit laut klopfendem Herzen, mit geröthetem Antlitz, mit thränenerfüllter Augen zu ihm kam und ihn mit stockender Rede um seinen Segen bat, dann scheute sich der alte Barbar nicht, in ein schnödes Gelächter auszubrechen und den Jüngling darauf aufmerksam zu machen, daß seine Braut ja seine Mutter sein könne.
War es da ein Wunder, daß aus diesen Partien nichts wurde? Konnte es anders kommen? War der Vater, der eigene Vater nicht der Urheber aller dieser unheilbaren Krankheiten?
Freitag freilich, am Hochzeitstage der Kluge'schen Eheleute, war nichts von innerem Unfrieden zu merken, und nachdem die Deputation der Jünglinge und die Deputation der Jungfrauen ihre Pflicht gethan hatten, war Alles einträchtig in der Kluge'schen Familienstube versammelt. Zwar waren die Töchter des Hauses nicht zugegen und auch einige der Burschen fehlten, aber Niemand fragte nach ihnen, weil man durch eine derartige Frage unnütze Forschungen wachgerufen hätte. Hätte das nicht die ganze Festfreude verderben können? War es nicht besser, daß die Jubilare gar keine Ahnung davon hatten, daß im Nebenzimmer eine kleine Bühne errichtet war, daß Rosalie in ihrem elegantesten Staate und Eulalie gar in der Tracht einer Tyrolerin schon vor einer halben Stunde in das bewußte Zimmer geschlüpft waren, daß etliche Burschen, mit gewaltigen Bärten, gestickten Hosenträgern, nackten Beinen und hohen Strümpfen ungefähr zu derselben Zeit sich durch die Küche geschlichen, daß Hanning in kanariengelbem Rock und dito Pantalons durch das Fenster hineingeklettert war?
Nur Geduld! Das Zimmer wird nicht immer verschlossen bleiben, die Thür wird sich aufthun, der Vorhang wird aufgerollt werden und Rosalie und Eulalie, Gräfin und Bäuerin, werden in gleich tiefes Unglück gerathen und mit ihnen die verschiedenen Herren mit großen Bärten und nackten Beinen, die all' dies Unglück angerichtet haben, und von denen der eine sich als Graf enthüllen wird, nachdem er sich hinreichend davon überzeugt hat, daß Rosalie aus Liebe zu ihm mit Standesvorurtheilen, Eltern und Vermögen brechen kann und will. Es wird darauf Hanning erscheinen und mit ihm sein Brief und das Pathos seiner Rede, verbunden mit dem Inhalte seines Briefes, werden allgemeine Heiterkeit hervorrufen. Zum Schlusse wird im großen Saale ein entsetzlicher Lärm entstehen und man wird so lange und so energisch in die Hände klatschen, daß einige schüchterne Gemüther nicht ohne Sorge die Decke betrachten werden. Man wird darauf die geehrten Schauspieler hervorrufen und sie werden sich alle an die Hände fassen und sich tief verneigen. Darauf werden die Festeheleute die Festkinder umarmen und die Festkinder den Festeltern die Hände küssen.
Man geht nun, die Schauspieler im Costüme, zu Tisch und spricht Speise und Trank fleißig zu. Als man mit dem Essen fertig ist, erhebt sich einer der Burschen und klopft mit dem Messer an sein Glas. Alles schweigt und sieht ihn erwartungsvoll an.
»Meine Damen und Herren!« beginnt er. »Gestatten Sie mir, unvorbereitet wie ich bin, in einigen Worten der Verlegenheit, die uns hier (eine Stimme ruft: ›Gelegenheit‹) – ganz richtig – Gelegenheit, also der Gelegenheit, die uns hier zusammengeführt hat, zu gedenken. Schon bei den alten Germanen, ich meine natürlich die alten Deutschen, also schon bei den alten Germanen war es Sitte – schon unsere Vorfahren – schon als unsere biederen deutschen Vorfahren – ja, biedere deutsche Vorfahren – denn sie waren bieder und deutsch – doch ich kehre zu meinem Thema zurück. Weil wir nun also hier lauter deutsche Männer und deutsche Weiber – gestatten Sie mir, meine Damen, den schönen alten Ausdruck ›Weiber‹ statt des üblichen ›Frauen‹ zu gebrauchen; er ist jedenfalls der deutschere – doch ich kehre zu meinem Thema zurück. Ich wollte nur sagen, meine Damen und Herren, daß, wenn irgendwo deutsche Worte froh erschallen, sei es an den Ufern des Orinoco oder des Hoangho, sei es dort, wo die Newa über Klippen schäumend daherstürzt, oder fern am einsamen Nil, daß, sage ich, mögen der Nordsee Wogen oder des rebengeschmückten Rheinstromes Fluthen, – daß also im Palast und in der Hütte, im Schlosse und Bauernhause, wenn anders deutsches Wort in ihnen erklingt, deutsches Lied in ihnen erschallt, deutsche Rede in ihnen ertönt, ja unser holdes, gestatten Sie mir den ungewöhnlichen Ausdruck, wenn unser holdes Mutterdeutsch in ihnen erklingt, dann, meine Damen und Herren, dann schlagen alle deutschen Herzen, dann lodern alle deutschen Pulse hoch auf! Also, meine Damen und Herren, lassen wir das Jubelpaar leben. Die Jubeleheleute hoch! und nochmals hoch! und abermals hoch!«
Das Eis war gebrochen! Auf diesen Redner folgte ein anderer Redner, der damit anfing, daß er das deutsche Volk für das bescheidenste Volk der Erde erklärte und damit schloß, daß man wahren Muth, wahren Hochsinn, wahre Tugend jeder Art, sowie wahre Liebe, wahre Demuth, wahre Bescheidenheit einzig und allein bei besagter Nation finde.
Da man bei solchen Gelegenheiten stets rapid fortschreitet, so beeilte sich der nächste Redner, mit allen deutschen Tugenden ausschließlich die Fischersbacher Arminia zu schmücken, die schließlich wie ein wahres Musterbild von Tugend und Sittsamkeit erschien.
Endlich erwies es sich, daß man sich allgemein, sei es nun an Vaterlandsliebe, an Sittsamkeit und Tugendhaftigkeit oder auch einfach an Punsch berauscht hatte, und als Heinz sich zu Bett legte, machte er die Entdeckung, daß sein Bett sich während seiner Abwesenheit in ein Caroussel verwandelt hatte und sich mit unglaublicher Geschwindigkeit um seine Axe drehte. Ja, selbst der Umstand, daß die Decke des Zimmers langsam, aber sicher herabsank, konnte die Bewegung nicht aufhalten. Erst als es Heinz gelang, sich aufzurichten, verschwand der Spuk.