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Der Pfad über das »Bleichgesicht«

Man nannte sie »das alte Bleichgesicht«, jene splitternackte Felswand, die von den Gluten der Sonne und den peitschenden Sturmschauern gebleicht, aschgrau und schreckenerregend über das dunkle Grünviolett der Wildnis starrte. Bis dicht an den Fuß des riesigen kahlen Berghanges dehnten sich die unbegrenzten Flächen eines Zedernsumpfes. Hinter dem Bleichgesicht aber verbarg sich ein undurchdringliches Gewirr von Schluchten, Felsspitzen und -spalten, zwischen denen geschwärzte Baumskelette, in den Stein gekeilt, trostlos gen Himmel ragten.

Zur Zeit der Frühjahr- oder Herbstüberschwemmungen ist der Zedernsumpf nur dem Mink, den Bisamratten und Ottern zugängig. Wer dann von dem Westplateau aus die den Ottanoonsis speisende Seengruppe erreichen will, muß den schwindelerregenden Pfad über die hohe, sturmumfegte Stirn des »alten Bleichgesichts« nehmen. Diesen Pfad bildete ein Felsvorsprung, auf dessen breitesten Stellen ein Ochsengespann mit knapper Not fahren konnte, der sich aber dann so verengte, daß ihn selbst das sichere Renntier nur mit Vorsicht beschreiten kann. Die einzigen Bewohner des »Bleichgesichts« waren Adler – drei Paare – deren Horste weit voneinander entfernt auf einsamen Höhen thronten, auf Felsvorsprüngen und Spitzen, die kein unbeschwingtes Wesen erreichen konnte. Der Pfad führte zwar an seinen höchsten Punkten weit über den Horsten dahin – in deren einen er sogar Einblick gewährte – doch längst hatte ihre Insassen die Erfahrung gelehrt, daß ihnen von dem Pfade her keine Gefahr drohte. Ihre scharfen Augen und argwöhnischen Gehirne, auf alles gespannt, was in ihren Gesichtskreis trat, hatten jedoch erkannt, daß der geringe Verkehr über den Gebirgspaß nur zu mehr oder weniger regelmäßigen Zeitpunkten und zu bestimmten Jahreszeiten vor sich ging. Bei trocknem Wetter und hartem Frost lag der Pfad vereinsamt. Während der Ueberschwemmungszeiten aber nahm der Verkehr je nach deren Dauer zu und erfolgte dann am Vormittag von Osten nach Westen und am Nachmittag von Westen nach Osten.

Diese Tatsache war die Folge einer dunkel empfundenen Ueberlieferung unter den Tieren, geboren aus dem klugen Einvernehmen unter ihnen, unnötige – und notwendigerweise todbringende – Mißverständnisse und Kampf zu vermeiden; denn die Bewohner der Wildnis kämpfen selten um des Kampfes, sondern ihrer Nahrung willen, und in den Kämpfen der Brunstzeit geht es um die Aussonderung der Besten und Stärksten zur Fortpflanzung der Art. Zwecklose Gefahren und Zusammenstöße suchen sie instinktiv zu vermeiden. Deshalb war auch für die kühnsten Streiter – den Bären und den Elchhirsch, ganz abgesehen von all den kleineren Rittern – der luftige Felspfad über das Bleichgesicht nicht der Ort, einen unsicheren Kampf herauszufordern. Dies stille Einvernehmen zur Vermeidung unheilvoller Begegnungen und Kämpfe um freie Bahn an einem Punkt, wo der sichere Tod den einen oder gar beide Streiter erwartete, widersprach also keineswegs den Gesetzen und Gebräuchen der Wildnis. Freilich hätte man sich die Gewohnheit der Tiere, das »Bleichgesicht« einmal von Osten und einmal von Westen zu überqueren – ein übrigens selbst zu den günstigsten Zeitpunkten seltenes Ereignis – ganz einfach damit erklären können, daß sie vermieden, auf dieser schwierigen Passage gegen die Sonne zu ziehen, denn naturgemäß ließ sich der handbreite Felsvorsprung hoch über den Adlerhorsten leichter mit der Sonne im Rücken überwinden.

Joe Peddler blendete das starke, grelle Sonnenlicht mitten in die Augen, als er sich am frühen Morgen nach den Ottanoonsis-Seen hinüberarbeitete. Er hatte ein Ueberschreiten des »Bleichgesichts« noch nie versucht, aber immer ziemlich spöttisch den Geschichten der Indianer gelauscht, die sie über die Gefahren des Felspfades zu erzählen wußten. Die kurze bisher zurückgelegte Strecke hatte ihn aber bereits gelehrt, daß die Berichte nicht übertrieben waren. Und dennoch – er fühlte sich seines Kopfes und seiner Füße sicher, und je höher er in dieser herrlichen klaren, frischen Luft aufwärts drang, um so zufriedener wurde er mit sich. Seine mächtigen Lungen tranken gierig die rhythmisch anwogenden Wellen des Windes, die ungebrochen vom äußersten Ende der Welt heranzurollen schienen. Seine Augen weiteten sich und füllten sich mit dem Panorama einer endlosen Weite zu seinen Füßen. Mit der seltsamen Einbildungskraft einsam hausender Waldbewohner fühlte er seinen Geist sich ausdehnen und das weite Sonnenlicht und den winddurchspülten Raum voll in sich aufnehmen. Auf einmal bemerkte er mit angenehmem Schauer, daß der Pfad direkt über ihm um einen schroffen Felsvorsprung, der mehrere hundert Meter steil in die Tiefe abstürzte, schmal herumlief. Wie ein daunenweicher Teppich dunkelte der Abgrund aus Baumspitzen empor. Peddler untersuchte genau die Sicherheit seines Fußhaltes, als er sich dieser Biegung näherte und auch die Unebenheiten des überhängenden Felsens, für den Fall, daß ein plötzlicher Windstoß ihn dort überraschen würde. Denn mit Leichtigkeit hätte ihn ein unberechenbarer Wirbel in den weiten Raum und die grün sich dehnende Tiefe schleudern können. In seinen schmiegsamen, geölten »Larripans« aus dickem Rindleder bewegte sich Peddler wie eine Wildkatze, lautlos sogar über die losen Steine des Pfades, voran. Wie ein grauer Schatten glitt er über das »Bleichgesicht«. Als er sich der Biegung bis auf acht bis zehn Schritt genähert hatte, fühlte er richtig, wie jeder Nerv sich in glühender Erwartung spannte – und, wie so oft, geschah gerade das Unerwartete.

Um die Biegung herum auf feinen Hufen zierlich schreitend kam ein Schmaltier und sperrte gerade an dieser schwindeligen Stelle den Pfad.

Peddler zuckte zurück und versuchte, sich wie eine Tellermuschel an den Felsen zu heften. Mit eisernen Fingern griff er nach einem winzigen Vorsprung. Das Tier stand im Augenblick vor Ueberraschung wie versteinert. Es war gegen alles Herkommen, daß ihm auf diesem Pfad ein Wesen entgegentrat. Im nächsten Moment löste sich aber auch schon seine Ueberraschung in wildeste Panik, entsetzt warf es sich zur Flucht herum, aber auch für einen kleinen Körper wie den seinigen war hier kein Platz zur Drehung und das unerbittliche »Bleichgesicht« prallte ihn von sich ab. Mit weit gespreizten Läufen und entsetzensstieren Lichtern glitt es in den Abgrund.

Mitleidsvoll pochenden Herzens beugte sich Peddler vor und folgte dem gräßlichen Todesflug bis das verräterisch weiche Baumkronengewebe das Opfer verschlang.

Seine Stimmung war beträchtlich gedämpft. Vorsichtig kroch er nach der schwindelnden Biegung des Pfades und lugte um die Ecke. Mit unangenehmer Beharrlichkeit lastete der Gedanke auf ihm, daß er jetzt unter dem trügerischen Kisten liegen würde, wäre ihm anstelle des nervösen kleinen Tieres ein eigensinniger alter Elch oder Bär begegnet.

Hinter der Böschung lag der Weg etwa dreißig Meter weit dem Blicke frei, dann stieg er steil im Einschnitt einer neuen mächtigen senkrechten Runzel des Felsangesichts an und verschwand hinter einem vorgelagerten Bollwerk. Fiebernd eilte Peddler voran, um diesen die Aussicht auf freie Bahn versperrenden Vorsprung zu überwinden und bedauerte zum ersten Male, außer seinem langen Jagdmesser keine Waffe bei sich zu haben. Seine Büchse hatte er als ein beim Klettern lästiges Gepäck zurückgelassen. Die Jagdzeit für irgendein Wild war noch nicht gekommen, und außerdem trug er im Rucksack Reiseproviant genug. Er hatte die Möglichkeit einer Begegnung mit Elchhirschen oder Bären gar nicht in Erwägung gezogen, denn außer zur Brunstzeit pflegte auch der kühnste Kämpfer dem Menschen aus dem Wege zu gehen. Nun aber erkannte er, daß ihm auf diesem schmalen Pfad Bär oder Elch gefährlich werden konnte.

Der steile Anstieg zwang Peddler, sogar die Hände zuhilfe zu nehmen, und als er endlich die nächste Biegung erreichte, sah er überrascht etwa dreißig Meter unter sich einen Adler kreisen, der aber seltsamerweise nicht die geringste Notiz von ihm nahm, trotzdem er doch in seinen Luftbereich eingedrungen war. Gewiß lag der Horst auf irgend einer unzugänglichen Stelle in sicherer Entfernung von dem Pfad. Peddler stand still, um aus unmittelbarer Nähe das langsame Schlagen dieser weiten Schwingen zu beobachten, wie sie den Wind der Majestät ihres Fluges untertan machten. In seine Betrachtungen vertieft, durchzuckte ihn plötzlich ein erdrückender Gedanke: Zweifellos herrschte auf diesem Pfad ein lebhafter Verkehr wilder Tiere, sonst hätte den Adler seine Gegenwart nicht so gleichgültig gelassen. Diese Erwägung ließ sofort Peddlers Interesse an den Problemen des Fluges erlöschen. Er eilte weiter, ängstlich gespannt, was hinter der nächsten Biegung seiner warte.

Schneller, als ihm lieb war, wurde seine Neugierde befriedigt. Er erreichte die Biegung, streckte den Kopf vor und – stand Auge in Auge mit einem riesigen schwarzen Bären. Vor Schreck über das so plötzlich hinter dem Felsblock auftauchende hagere, dunkle Gesicht mit den scharfen, blauen Augen setzte sich der Bär mit entgeistertem »Wuff« auf die Keulen.

Peddler, nicht weniger erschrocken, verlor trotzdem die Geistesgegenwart nicht. Kein Muskel zuckte. Den Körper vorsichtig hinter dem Felsvorsprung verborgen, so daß das Gesicht in der Luft zu hängen schien, hielt er, ohne die Wimpern zu bewegen, die Augen des großen Tieres mit ruhigem, festem Blick gebannt. Der Bär war sichtlich beunruhigt. Nach wenigen Minuten wandte er seinen Kopf zurück und schien einen strategischen Rückzugsplan in Erwägung zu ziehen. Zu seiner Ausführung wäre der Felspfad an dieser Stelle breit genug gewesen. So erwartete Peddler also in der Tat die Umkehr des Bären, denn er ahnte nichts von jenem mystisch zwingenden Pfadgesetz, das den vierfüßigen Wanderern verbietet, umzukehren oder eine Richtung einzuschlagen, die einer bestimmten Tageszeit nicht entsprach. Der Bär aber wußte instinktiv, kehrte er jetzt um, so lief er nur anderen Wegwanderern entgegen, und er hatte sich bald zwischen zwei Feuern gefangen.

Dem scharf beobachtenden Peddler entging es zu seiner peinlichen Ueberraschung nicht, daß die Verwirrung in den Augen des Bären langsam einem wilden Groll Platz machte, sein unveräußerliches Recht an freiem Durchmarsch vereitelt zu sehen. Aber das drohend auf ihn gerichtete Gesicht riet doch nachdrücklichst zu freiwilliger bedingungsloser Unterwerfung. Es war das Gesicht eines Menschen, das stand fest, da galt es sich zu hüten. Seltsam schwebend erschien es an der Felswand und war deshalb noch erschreckender. Doch es verlegte ihm den Weg und brachte ihn in tödliche Gefahr! Wieder packte ihn wütender Zorn, der alle anderen Empfindungen verdrängte. Er kam heran. Entschlossen, aber doch langsam und vorsichtig. Hier half kein Einschüchterungsversuch mehr, aber wie war ein Zusammenstoß zu vermeiden? Flucht auf dem Weg zurück konnte gelingen, denn bei der Enge des Pfades war Peddler dem Bären an Schnelligkeit sicher überlegen. Blitzschnell erwog Peddler alle Chancen, die ihm der Augenblick noch ließ – da fiel sein Blick auf einige Vorsprünge und Spalten in der senkrecht neben ihm aufschießenden Felsmauer. Ohne noch eine Sekunde zu verlieren, klammerte er sich mit stahlharten Fingern an eine Kante, faßte mit sicheren Zehen Fuß und schwang sich schnell in die Höhe. Jetzt lugte der Bär um die Ecke. Auf hohem Felsensitz konnte Peddler seine Heiterkeit über den geprellten Petz nicht unterdrücken. Helles Gelächter schlug dem verdutzten Bären unheimlich ans Ohr. Sichtlich eingeschüchtert duckte er sich eilig und eilte mit drohendem Brummen davon, immer wieder ängstliche Blicke hinter sich werfend, als fürchte er einen Verfolger auf seinen Fersen.

Peddler jedoch ließ sich von seinem freundlichen Hochsitz herab, erleichterten Herzens, aber seinen Leichtsinn verwünschend, die Büchse daheim gelassen zu haben.

Nach einer halben Stunde etwa hatte er den Scheitelpunkt des Passes erreicht. Weit unter ihm, gleichsam in der Tiefe, kreiste der Adler und, obwohl er wegen der Unsicherheit und Schwierigkeiten des Weges der unvergleichlichen Fernsicht wenig Beachtung schenken konnte, durchschauerte ihn doch eine starke, selige Erregung. Die ängstliche Beklommenheit war dem Reiz der reinen, stärkenden Atmosphäre gewichen. Leicht und durchdringend arbeiteten seine Sinne, mit scharfen Blicken überflog er den Weg, der nunmehr nie weiter als etwa dreißig Meter zu überschauen war, während er gleichzeitig in die Felsenwand über sich spähte, ob sie ihn bei einer unerwarteten Begegnung wieder Zuflucht gewähren könne. In Unkenntnis des »Pfadgesetzes« erwartete er eigentlich keine weiteren Ueberraschungen, glaubte vielmehr, daß seine Begegnung mit dem Schmaltier und dem Bären anderes Wild gewarnt, ja selbst die Raubtiere verscheucht hätte, die sich selten ohne Zwang der gefährlichen Nähe des Menschen aussetzen. So traute er denn seinen Augen kaum, als hinter einer Runzel des Felsgesichts plötzlich wieder die Gestalt eines Bären auftauchte.

»Ist hier eine Menagerie unterwegs«, fluchte Peddler, »oder hat mich der Teufel zum besten!«

Der Bär war noch etwa zwei Meter entfernt, kleiner als sein Vorgänger und jünger, wie Peddlers geübtes Auge an dem schönen Glanz des Fells erkannte. Augenblicklich stand der Bär still, als er Peddler bemerkte. Peddler aber ging seinerseits ruhig auf ihn los, ohne das geringste Zeichen der Ueberraschung oder Furcht zu verraten. Das war in dieser Situation die einzige Möglichkeit, das Tier zur Umkehr zu bewegen. Der Bär aber zögerte, trotzdem er sichtlich vor dem Manne erschrocken war, zog sich verwirrt einige Schritte zurück und blieb dann stehen. Seine Augen liefen die Felsmauer ab, als suchte er in dieser unmöglichen Richtung nach einem Ausweg.

Der Pfad war an dieser Stelle verhältnismäßig breit und bequem, und schließlich entschloß sich der Bär doch zur Umkehr. Freilich nur zögernd und unter ängstlichem Schnaufen, als fürchte er, jemand auf dem Rückweg zu begegnen. Peddler hielt sich so dicht wie möglich dem abziehenden Tier an den Fersen. »Eine vorzügliche Avantgarde«, dachte er und lachte bei dieser Vorstellung vergnügt in sich hinein. »Vorwärts, Brauner, vorwärts!«

Nervös blickte der Bär sich um und beschleunigte seinen Rückzug, so gut es die Schwierigkeiten des Weges gestatteten.

Der Pfad fiel schnell aber unregelmäßig nach dem östlichen Plateau ab und lief dann verhältnismäßig eben dahin, nur hier und dort durch kurze steile Steigungen unterbrochen.

Nicht lange mehr, und das rätselhafte Zögern des Bären beim Rückzug sollte sich erklären. Von Peddler in einem Abstand von zwölf bis fünfzehn Meter gefolgt, hatte er eben eine dieser kurzen steilen Steigungen erreicht, als sich von der anderen Seite plötzlich ein heftiges Schnauben und Grunzen vernehmen ließ.

»Ein Elch! Verflucht!« entfuhr es Peddler. »Haben sich's denn alle Kreaturen heute in den Kopf gesetzt, über das Bleichgesicht zu ziehen!«

Auch der Bär hatte das Schnauben gehört, stand sofort still und sah sich verzweifelt nach Peddler um.

»Voran mit dir!« fuhr ihn Peddler an und der Bär, der die Menschen mehr fürchtete als die Elche, gehorchte. Im nächsten Moment erschien hinter dem Anstieg ein langer, dunkler, riesiger Kopf, mit festen, vorstehenden Lippen und schmalen, ärgerlich bösen Lichtern. Dem furchterregenden Kopf schoben sich mächtige Schultern nach, bis der ganze Bulle in seiner gewaltigen Majestät vor Bär und Mensch stand, hinter ihm zwei Kühe und ein Kalb.

»Jetzt gibt es ja etwas!« dachte Peddler und suchte nach einem Schlupfwinkel im Felsen, falls sein Ritter den kürzeren ziehen würde.

Angesichts des Bären standen die Kühe und das Kalb sofort still und starrten, die großen Lauscher ängstlich nach vorn gelegt, dem Feind entgegen, der ihnen den Weg versperrte. Der alte Bulle dagegen schritt ruhig weiter, wenn auch langsam und mit Vorsicht wie ein rechter geübter Zweikämpfer. Seine Stirn trug keine Schaufeln zu dieser Jahreszeit, die großen gespaltenen Vorderschalen waren aber eine Waffe, die er mit tödlicher Sicherheit zu gebrauchen wußte.

Der Bär jedoch, der wohl vor der Unheimlichkeit des Menschen zurückwich, fürchtete ein Elen nicht. In diesen Tagen erst hatte er ein Kalb gerissen. Er war kampfbereit. Mit einem kurzen Blick überzeugte er sich, daß der Mann ihm nicht näher kam, schmiegte sich dann eng an den Felsen und wartete, die riesige Brante erhoben, wie ein Boxer in der Erwartung des Angriffs. Er hatte nicht lange zu warten.

Mit atemloser Spannung sah Peddler, wie der Bulle langsam mit hochmütig gehobenem Kopf herankam, als wolle er seinen Gegner überhaupt ignorieren. Versuchte das majestätische Tier tatsächlich ohne Kampf an dem Bären vorbei zu kommen? Würde der Bär ihn passieren lassen?

Plötzlich jedoch und ohne die leiseste Androhung flog die Vorderklaue des Bullen bis zur Schulterhöhe seines sich schnell duckenden Gegners. Blitzschnell erfolgte der Schlag und mit solcher Gewalt, daß er der erste und letzte des Kampfes gewesen wäre, falls er getroffen hätte. Doch des Bären Abwehr war ebenso geschickt. Seine mächtige Vorderbrante parierte, und die Klaue des Bullen schmetterte wirkungslos auf dem Steinboden nieder. Im selben Moment, noch ehe der Bulle zu einem zweiten rammenden Schlag ausholen konnte, war der Bär wie eine Feder emporgeschnellt, streckte seinen Körper mit aller Kraft seiner mächtigen Hinterpranken aus und warf sich unwiderstehlich wie ein Keil zwischen seinen Gegner und das Felsgesicht. Die Taktik war dem Elen bei all seinen Kämpfen noch nicht begegnet. Es wankte, taumelte und glitt über den Rand des Abgrundes hinaus. Mit der Kraft der Verzweiflung versuchte es, mit den Vorderläufen sich auf dem Felsrand festzuklammern und in wahnsinnigen Zuckungen den schwebenden Körper auf den Pfad hinaufzuschleudern. Aber schon fuhr der vernichtende Schlag ihm mitten zwischen die beiden wild stierenden Lichter. Es fiel hintenüber und stürzte, sich überschlagend, in gewaltigem Bogen in den Abgrund.

Als die Kühe die Niederlage ihres Führers gewahr wurden, warfen sie sich in panischem Entsetzen herum und stoben in wilder gefährlicher Hast davon. Der Bär folgte vorsichtig, anscheinend nicht in der Absicht, sie einzuholen. Peddler folgte ihm, seinerseits auf der Hut, seinem Ritter und Retter nicht allzu nahe auf den Pelz zu rücken.

Nach etwa einer halben Stunde waren die Ausläufer des Berges erreicht, der Pfad wurde breiter und verzweigte sich in kleine Waldwege, die sich zwischen den Hügeln verloren. Kaum bot sich dem Bären ein Unterschlupf, so schwenkte er ab und verschwand zwischen den dichten Tannen mit einer ängstlichen Hast, die Peddler bei dem mächtigen und mutigen Tier höchlichst erheiterte.


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