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Seite an Seite standen sie in der Dämmerung am Barren des Geheges, Star rechts, Buck links, so wie sie im Joch zu arbeiten gewöhnt waren und warteten. Kühl und würzig im ersten Tau lag hinter der Wiese der Erlensumpf, von dem das zarte Flöten einer Eremitendrossel herübertönte, der innigste und rührendste aller Vogelgesänge. Im bleichen Himmelsgewölbe, über dessen unergründliches Blaßgrün mit dünner violetter Tusche hingewischt schien, schmetterte langhintönend der Schrei eines Nachtfalken, als sei die Saite einer Harfe angeschlagen. Die dunklen Fichtenwälder jenseits der Scheune hauchten ihren aromatischen Balsam in die stille Abendluft, und irgendwo unter den Erlen quarrte ein Frosch. Einer der Stiere begann schließlich leise und ängstlich zu muhen und sofort stimmte sein Kamerad in die Klage ein, jedoch rauher, nachdrücklicher. Gerade vor ihnen, nur auf der anderen Seite der Hütte stand der bis zum Rand gefüllte Wassertrog. Die Tränkzeit war längst vorüber. Warum kam ihr Herr nicht wie sonst bei Sonnenuntergang und ließ den Barren herunter, damit sie zum Wasser konnten?
Es war ein prachtvolles Paar, diese beiden Stiere. Beide dunkelrot, tief und massig in den Schultern, mit kurzen geraden Hörnern und jeder mit einem blütenweißen Stern in der Mitte der breiten Stirn. Sie waren so vollkommen gleich in allen äußeren Einzelheiten, daß ein ungeübtes Auge sie nicht hätte unterscheiden können. Beide standen sie auch mit den geduldig gebeugten Nacken derer, die sich lange unter der Bürde des Jochs abgeplagt haben. Nur dem geschärften Auge des Tierkenners und -Psychologen war der Unterschied zwischen beiden sichtbar. Ein ungleiches Temperament leuchtete aus ihren großen dunklen Augen, und selbst die Geduld, die aus den geneigten Köpfen sprach, war im Ausdruck verschieden. Die Geduld Stars war eine zufriedene Resignation. Flüche, Schläge und Stöße mit dem Ochsenziemer nahm er als etwas Selbstverständliches hin und da er seines Herrn Liebling war, bekam er auch nicht mehr, als es beim Pflügen und Ziehen eben notwendig ist. Mit Buck dagegen stand es anders. Sein mürrischer, schneller Seitenblick ließ den Beobachter auf der Hut sein. Schläge empfing er nie ohne grollendes Schnauben und drohendes Schütteln seiner kurzen scharfen Hörner. Außerdem verstand er es, blitzschnell auszuschlagen, womit er mehr als einen Plagegeist Vorsicht gelehrt hatte. Bei allem Mißtrauen schätzte ihn doch sein Besitzer sehr hoch, denn er war klug, gut trainiert, ein gewaltiger Arbeiter und schneller und unermüdlicher als sein Jochgenosse.
Zwischen den beiden großen roten Stieren bestand eine Zuneigung, wie man sie oft bei Tieren beobachten kann, die lange im gleichen Geschirr gearbeitet haben. Sie gewöhnen sich derart aneinander, daß eines ohne das andere ruhelos und unzufrieden ist. Auf Seiten Bucks war es aber noch mehr als das. Uebellaunig und instinktiv feindselig gegen jeden, ob Mensch oder Tier, war er seinem Jochgefährten gegenüber die aufrichtigste Ergebenheit selbst. Stundenlang konnte er ihm den Hals lecken, während dieser in behaglicher Entgegennahme dieser Zärtlichkeit wiederkäute.
Immer tiefer senkte sich die Dämmerung über die einsame Lichtung. Der Nachtfalke, ein im blassen Himmelsraum auf und nieder stoßender Punkt, versank in der Tiefe des Firmaments, nur sein schmetternder Schrei ertönte von Zeit zu Zeit aus der Höhe. Das Flöten des Eremiten im Erlengestrüpp war verstummt. Unheimlich geisterte ein Eulenruf irgendwoher aus dem Tannenwald. Aber noch immer kam der Herr der Stiere nicht, um den Barren niederzulassen. Er lag tot neben dem murmelnden Forellenbach, eine Weile den kleinen Weg hinab, mit gebrochenem Genick, von einem fliegenden Ast beim Baumfällen erschlagen. Winselnd stand sein Hund über dem Leblosen und kratzte und schnüffelte an dem Leichnam in grenzenloser Verlassenheit.
Der kühle Hauch nahen Wassers bereitete den beiden durstigen Stieren unerträgliche Tantalusqualen. Buck, von Natur ohne sonderlichen Respekt vor Grenzen oder Schranken, begann ungeduldig auf den Barren einzuhacken, während ihn Star in gelassener Bewunderung betrachtete. Aber der Schlagbaum war fest und gut gesetzt und Buck merkte bald, daß nach dieser Richtung nur wenig auszurichten war. Nach einer schwachen Stelle spürend, arbeitete er sich bis zum ersten Feld des Geheges entlang. Es war die übliche, rohe »Schlange« der Ansiedler-Lichtungen, ein Zick-zack-Bau aus rohen Balken, an den Ecken durch gekreuzte Pfähle getragen. An einer Stelle waren sie gebrochen und nur flüchtig ausgebessert. Der oberste Querbalken hob sich leicht unter dem ziellosen Angriff der Hörner Bucks, fiel aber sofort in die Gabel der gekreuzten Pfähle zurück, dem tastenden Tier hart auf die Nase schlagend.
Schon gereizt, fuhr der hitzige Stier sofort in die Höhe und rannte mit seiner massiven Stirn schwer gegen die Einzäunung an. Der eine der gekreuzten Pfähle, halb durchgefault, brach sofort, und die zwei obersten Querbalken stürzten dumpf zur Erde. In eifrigster Ausnützung dieses Anpralls warf Buck sein ganzes Gewicht vorwärts, rannte die übrigen Balken fast mühelos nieder und brach krachend und triumphierend in den Hof ein. Star, von dem unerhörten Wunder dieser Befreiung völlig konsterniert, glotzte zuerst einige Sekunden unentschlossen, folgte dann aber dem Gefährten durch die Oeffnung. Seite an Seite löschten die beiden ihren Durst, senkten ihre breiten Schnauzen in die Kühle des Trogs, hoben sie triefend wieder und bliesen die Tropfen wollüstig aus den Nüstern. Star fühlte nun den Drang, wieder auf die umhegte Weide zurückzukehren, wie er es gewöhnt war. Buck dagegen kannte keine solche Gewohnheit. Er war stets mehr oder weniger widerstrebend eingetrieben worden. Zum ersten Male, soweit er sich entsinnen konnte, trieb ihn heute niemand, und ein fremdes, ihm ganz neues Gefühl von Freiheit, gefallenen Schranken, erfüllte ihn. Sonst fiel um diese Zeit ein Lichtstrahl aus dem Fenster. Heute aber war es dunkel. Der ganze Platz schien leer, wunderlich leer. Nichts lag Buck ferner, als in das Gefängnis der Weide zurückzukehren, aus dem er soeben ausgebrochen war. So stand er mit erhobenem Haupt, als sei selbst die verdrießliche Erinnerung an das Joch von seinem Nacken geglitten.
Ein oder zwei Minuten stand er, die weiten Nüstern blähend, und trank in tiefen Zügen die kühle, starkduftende Luft. Es war dieselbe Luft, die er auf der anderen Seite des Geheges geatmet hatte, aber wie ganz anders schmeckte sie jetzt! Es war etwas in ihr, das ihn unwiderstehlich in die dunklen, unabgezäunten Tiefen des die Weide umgebenden Waldes zog. Seinen großen Kopf wendend, muhte er schmeichelnd seinem Gefährten zu, der neben der Oeffnung der Einzäunung stand und ihm irr sanfter Frage nachglotzte. Dann setzte er sich plötzlich in munterem Schritt auf dem schattigen, blassen Band des Weges in Bewegung.
Star schien mit sich zu kämpfen. Sollte er zu der heimischen, bequemen Weide zurückkehren oder seinem Jochgefährten folgen? Der stärkere Trieb siegte! Mit einigem Zögern und in dumpfer Verwunderung schwang er sich herum und eilte Buck nach. Seite an Seite, wie im Joch, wenngleich mit leichteren Schritten bogen sie von der tiefgefurchten Fahrstraße nach einer bemoosten alten Schneise ab, die in das schwälende Dunkel des Waldes führte.
Ein sicherer Instinkt leitete Buck in gerader Linie von den Ansiedlungen mitten in das Herz der Wildnis. Nach einer Stunde trat der Weg aus dem dichten Wald hinaus auf eine wilde Wiese, durch die ein seichter Bach sanft dahinmurmelte. Hier grasten die beiden Gefährten eine Weile, bauchtief im blumendurchsäten Gras, während die Fledermäuse in taumelndem Zickzackflug um sie schwirrten. Von Zeit zu Zeit drang der monotone Ruf und Gegenruf der Ziegenmelker aus der Ferne zu ihnen.
Seite an Seite legten sie sich in einer Ecke der Lichtung nahe dem dichten Gestrüpp, das den Wald umsäumte, nieder, um wiederzukäuen und zu schlafen, gleichsam umhüllt von dem scharfen Duft der durch ihre riesigen Leiber niedergedrückten Stengel der wilden Pastinake. An Vorsicht nicht gewohnt, waren weder ihre Augen noch ihre Ohren auf der Hut. Hinter ihnen, kaum zwölf Schritt entfernt, schlich ein Luchs und funkelte die Eindringlinge in sein Jagdrevier mit verschlagenen, mondblassen Lichtern rachsüchtig an. Die Stiere schenkten dem scharrenden Laut seiner Krallen, wie er mit mächtigem Satz zwischen den Aesten einer Birke in Späherstellung ging, nicht die geringste Aufmerksamkeit. Was hätte ihnen auch ein Luchs anderes als Gegenstand gelassener Neugierde sein können! Sie kannten diesen gefährlichen Räuber nicht und selbst die Nähe eines Panters würde sie wenig beunruhigt haben. Den Rücken gegen den Wald lagen sie, sahen im tiefsten Frieden ins Weite hinaus und käuten träge, von Zeit zu Zeit die breiten Flanken in tiefen, behaglichen Atemzügen blähend. Nur einmal öffnete Buck seine halbgeschlossenen Augen und schnaubte mißbilligend, als dicht vor seiner Schnauze der kurze helle Todesschrei eines Kaninchens ertönte, dem ein Wiesel die Kehle zerriß. Star schenkte der kleinen Tragödie überhaupt keine Aufmerksamkeit. Er war ganz in die Wollust der Ruhe, des Wiederkäuens versunken.
Etwas später tauchte ein herumstreifender Fuchs auf, nicht wenig erstaunt, das Paar so fern von der Weide zu finden. Auf seinen Jagdzügen hatte er sie oft schon beobachtet. Gewohnt, sie stets in der Nähe ihres Herrn zu sehen, gegen dessen Büchse er eine tiefe Abneigung empfand, glitt er unverweilt wieder in Deckung zurück, umschlich vorsichtig die ganze Lichtung, bis er die beruhigende Sicherheit gewann, daß die Stiere allein waren. Dann kehrte er zurück und setzte sich auf seine Rute mit Bedacht dicht vor sie hin, den Kopf auf die Seite geneigt, als wolle er sie einladen, ihre Gegenwart zu erklären.
Star erwiderte sein Gaffen mit ruhiger Gelassenheit, Buck dagegen fühlte sich belästigt. In seinen Augen war der Fuchs ein spitzschnäuziger Hund mit buschigem Schwanz und aufdringlichem Geruch. Er haßte alle Hunde, besonders aber die kleinen Kläffer, die ihm so geschickt nach den Beinen fuhren. Mit ärgerlichem Schnaufen erhob er sich und stürmte mit vorgeneigtem Kopf auf den Zudringling ein. Der Fuchs, ohne seiner Würde das geringste zu vergeben, wich mit eleganter Leichtigkeit nach allen Seiten aus, bis der Stier des unnützen Jagens müde wurde. Als der Fuchs außerdem weder kläffte noch Anstalten machte, ihm nach den Beinen zu schnappen, schwand schließlich Bucks Zorn. Er kehrte an seines Genossen Seite zurück und legte sich wieder nieder. Der Fuchs hatte seine Neugierde befriedigt und trottete ab.
Im ersten geheimnisvoll glasigen Grau der Morgendämmerung, während sich zarte Dunstbüschel noch zwischen den Grasspitzen kräuselten, erhoben sich die beiden Wanderer und zogen grasend weiter. Star fühlte zwar Sehnsucht nach den alten Weideplätzen und hätte gern den Weg heimwärts eingeschlagen. Buck jedoch wollte nichts davon wissen.
An diesem Tag drang das Paar immer tiefer in die Wildnis vor. Buck immer begierig, Unbekanntes zu erforschen, Star stets zögernd und unsicher. Wie gewöhnlich beherrschte auch hier der Entschlossene den Wankelmütigen, und Bucks Abenteurergeist setzte sich durch.
Es war ein rauhes, aber in diesem fruchtbaren Spätjuni gastfreundliches Land, durch das die Stiere vertrauensselig ihres Weges wanderten.
Durch das gigantische Gewirr des Hochwaldes und wilde Wiesen, an schäumenden Strömen und einsamen kleinen, von Granitgestein umgebenen Seen vorüber, zogen sie und überquerten weite Heidestrecken, die in der brütenden Sonne kochten. Futter und Trank gab es reichlich, und wenn Fliegen und Hitze lästig wurden, wälzten sie sich in den kühlen, gelbbraunen Pfuhlen. Sogar Star begann, seine heimatliche Weide zu vergessen und sich mit der Freiheit abzufinden, nach der ihn nie verlangt hatte.
Wie weit den unbändigen Buck der Drang seines wilden Herzens geführt haben würde, ist kaum zu ermessen. Aber ohne es zu ahnen, hatte er die alte, grausame Sphinx der Wildnis herausgefordert und plötzlich, ohne sein Zutun, war die Herausforderung angenommen.
Am dritten Tage der Wanderung kam das Paar an einen Fluß, so tief und breit, daß selbst Buck nicht wagte, ihn zu durchqueren. Die Ufer waren felsig, klippensteil und von vielen Ausbuchtungen und Mündungen zerschnitten. Buck wandte sich nach Norden und zog stromaufwärts, manchmal nahe am Rande, manchmal weiter landein, wo es gerade am bequemsten war oder die saftigsten Grasbüschel lockten. Unermüdlich suchte er nach einem Uebergang, denn sein Instinkt trieb ihn, jedes Hindernis zu überwinden. Der Weg nach Westen schien gesperrt – und so wollte er gerade nach Westen vordringen!
Es war spät am Nachmittag, als sie plötzlich aus dichtem Gebüsch auf eine grasbedeckte Lichtung hinaustraten und einen jungen Bären überraschten, der einen großen gelben Pilz zwischen den Branten hielt und damit sein Spiel trieb, eifrig und doch voller Behutsamkeit, wie ein Kätzchen. Für Buck war natürlich das spielende Junge nichts als einer seiner Quälgeister, ein Hund, der ihm aller Voraussicht gleich an die Beine fahren würde. So ging er mit mißbilligendem Schnaufen zum Angriff vor. Der drohende Ton ließ das Junge erstaunt aufsehen. Als es aber die schreckliche rote Riesenmasse gewahrte, die durch das Gras heranstürzte, stieß es ein Schreckensschnaufen aus und floh einem schützenden Baum zu. Doch noch zu jung und unbehende war es schon überrumpelt, ehe es Deckung erreicht hatte. Bucks felsenharte Stirn prallte gegen seine Flanken, Rippen und Beckenknochen krachten brechend. Ein Todesbrüllen; das Leben war aus ihm herausgequetscht.
Verblüfft über den leichten Erfolg – den ersten dieser Art, den er je gehabt hatte –, aber vom Siege berauscht, beäugte der große rote Stier das Opfer, während sein Schwanz triumphierend die Weichen peitschte. Dann nahm er den kleinen schwarzen Körper auf die Hörner, schleuderte ihn hoch in die Luft und trampelte ihn dann schnaubend unter die Hufe. Es war eine blutige Rache, die er an allem kläffenden Hundevieh übte, das ihn so oft gereizt, aber ihm immer entgangen war. In diesem Moment fing er mit einem Seitenblick eine schwarze Gestalt auf, die voller Ungestüm herannahte. Es war die Bärenmutter, eine Riesin ihrer Art, die der Todesschrei ihres Jungen herbeigerufen.
Mit erstaunlicher Geschicklichkeit riß sich Buck herum, um den Angriff zu parieren. Doch es gelang ihm nicht. Ein Brantenhieb nach seinem Genick, der es unzweifelhaft gebrochen hätte, ging zwar fehl, doch die langen, stahlharten Klauen trafen den Schädel und rissen die linke Seite buchstäblich bis zu den weißen Knochen auf, das Auge vollständig vernichtend. In derselben Sekunde stürzte Buck aber auch schon nach vorn und trieb ein kurzes rächendes Horn tief in die Brust der Bärin und schleuderte sie auf ihre Hinterbeine zurück. So gräßlich seine eigene Verletzung war, so gab ihm doch dieser glücklich geführte Stoß den augenblicklichen Vorteil. Aber kampfesungeübt verstand er ihn nicht auszunutzen. Er zog sich zurück, um noch einmal auszuholen, stampfte den Boden, brüllte und schüttelte seinen schrecklich verwundeten Kopf.
Der tiefen Wunde nicht achtend, hatte die Mutter sich ihrem Jungen zugewandt und beschnüffelte den kleinen Körper. Es war tot, das sah sie sofort und wie ein Blitz fuhr sie herum, um sich erneut auf den Mörder zu stürzen. Durch ihre Wendung war sie auf Bucks erblindete Seite geraten. So konnte sie seinem Angriff mit Leichtigkeit entgehen. Zum zweiten Male hob sie die Brante! Ein enormes Gewicht krachte auf Bucks Genick nieder, gerade hinter den Ohren, und die helle grüne Welt versank ihm in finstere Nacht. Mit entsetzlichem Gebrüll brach er schwer in die Knie, stürzte vornüber auf die Schnauze. Noch einmal schlug die Bärin zu, zog ihm mit der anderen Tatze die Gurgel heraus und zerfleischte sie in stiller Raserei, als er auf die Seite rollte.
Star, stets schwerfällig in Auffassung und Entschluß, hatte mit entsetzten Augen dem Kampfe zugesehen, unfähig, in die Situation einzugreifen, wenngleich auch eine seltsame Hitze seine Adern spannte. Als er aber seinen Jochbruder vornüberstürzen sah, als er den gräßlichen Angstschrei seines Gefährten hörte, da fand das unbekannte Feuer seinen Weg zum Gehirn. Es wurde ihm rot vor den Augen, und mit einer Geschwindigkeit, die diejenige Bucks weit übertraf, stürzte er sich in den Kampf. Die Bärin, ganz in den Rausch ihrer Rache untergetaucht, wurde vollständig überrumpelt. Stars Anprall traf sie wie ein zu Tal rollender Felsblock in die Flanken, warf sie hintenüber und zermalmte sie. Der große rote Stier entwickelte in seiner Wut eine Kampfesgeschicklichkeit ohnegleichen. Er drehte seinen Kopf und grub sein Horn tief in den Bauch des Gegners, riß und zerrte mit der Zerstörungswut eines wilden Rhinozeros. Konvulsivisch schlossen sich die Vorderbranten der Bärin um seinen Kopf und seine Schultern, lösten sich aber sofort wieder und fielen schlapp zurück, als das pflügende Horn das Herz erreichte. Dann erst ließ Star von ihr ab, stand und schüttelte seinen Kopf, um das Blut aus den Augen zu schleudern.
Zwei Tage und zwei Nächte stand Star über dem Körper seines toten Jochbruders und verließ seinen Posten nur in langen Abständen und nur wenige Schritt und wenige Minuten, um ein Maul voll Gras zu nehmen und sich an dem kalten Strom zu tränken, der am Rande der verhängnisvollen Lichtung vorüberfloß. Am dritten Tage kamen zwei Waldleute in einem Boote den Fluß herab, nicht wenig erstaunt, das Muhen eines Stieres an diesem verlassenen Ort, fern der verlorensten Siedelung, zu hören. Sie kamen ans Ufer und forschten nach.
Verwundert betrachteten sie die Szene, die sich ihnen auf der sonnigen kleinen Waldwiese bot. Eingeweiht in die Mysterien der Wildnis kamen sie bald zu dem richtigen Schluß. »Hier ist reiner Tisch gemacht«, sagte schließlich der eine. »Hätt's gern gesehen!« der andere. Der große rote Stier mit dem blutbesudelten Kopf war viel zu kostbar, als daß man ihn hier zurücklassen durfte. Sie beschlossen, der eine solle ihn am Ufer entlang treiben, während der andere langsam mit dem Boote folgte.
Zuerst widersetzte sich Star störrisch dem Versuch, ihn von dem toten Jochgefährten zu trennen. Der Trapper war aber im Winter ein Fuhrmann, und was er vom Viehtreiben nicht verstand, war sicher nicht wissenswert. Er schnitt sich einen langen weißen Stock wie einen Ochsenziemer, stellte sich an Stars Seite, gab ihm einen festen Stoß in die Flanke und schrie voll Autorität: »Hei! Bright!« »Bright« war nun zwar nicht sein Name, aber Star glaubte doch bei dem bekannten Zuruf sofort den ihm gewohnten Druck des Jochs auf seinem Nacken zu fühlen. Er schwenkte gehorsam zur Linken, senkte den Kopf, warf sein Gewicht nach vorn, als ob er ziehen wolle und setzte sich in Bewegung, wie sein Herr es befahl.
Und nach und nach, wie er so schritt, gelenkt von dem scharfen »Ho« oder »Hei«, und der Ochsenziemer dunkle Erinnerungen weckte, fing sein Kummer um den gefallenen Jochkameraden an abzustumpfen.
Es war doch tröstlich, wieder gelenkt zu werden, und von der Freiheit, die sich als so unruhevoll und schrecklich erwiesen hatte, wieder in die Abhängigkeit zurückzukehren.