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1.
Zum Titelwort.
Fündlinge nennt in Schwaben
Das Volk die Felsenkiesel,
Die, lang im Berg begraben,
Ablöset Flutgeriesel.
Im Thal zerstreut gefunden,
Doch werden sie zu Mauern
Von rüstger Hand verbunden,
Zu Schlössern, welche dauern.
Fündlinge spült seit Jahren
Mein Lebensbach vom Grunde,
Was wert ist zu bewahren,
Maur' ich hier ein vom Funde.
2.
Die Hassenswerten.
Wär Haß erlaubt, wen möcht ich hassen?
Die Falschen, die man trefflich nennt,
Die von dem Lob der Menge prassen,
Und die der Kluge selbst nicht kennt;
Die heimlich lieben, heimlich grollen,
Die graben, wenn man meint, sie ruhn,
Und wenn sie je das Gute wollen,
Nur hinterrücks das Gute thun.
3.
Lebensregel.
Willst du in Wahrheit sein bekehrt,
Sprich dies Gesetz dem Triebe:
Der Zorn ist nie der Mühe wert,
Doch immer ist's die Liebe.
4.
In das Stammbuch eines Hegelianers.
Es gähnt ein Zwiespalt aufgerissen,
Ein Abgrund zwischen mir und dir:
Dein höchstes Gut ist nur das Wissen,
Und das Gewissen ist es mir.
5.
Desgleichen.
Ich weiß ein spitzes, kahles Felsenriff,
An das ich meines Glaubens schwankend Schiff
Im Lebensocean nur mit Entsetzen triebe.
Die Klippe heißet: Gott ist der Begriff. –
Wie? Gott ein Sein voll nichts? Ein log'scher Kniff,
Der Welt, Natur und Geist, zu Staub zerriebe?
Lenk ab, o Nachen, steure hin zum Port,
Wo hell in Sternengold aufglüht das Wort:
Gott ist die Liebe!
6.
G-Saite.
Wo, der ich auch gereist,
Mißfiel mir's im Gemüte?
Wo Geld mehr galt als Geist,
Wo Geist mehr galt als Güte.
7.
Amnestierter.
Wer aus tiefen Kasematten
Wird ans späte Licht gelassen,
Zwingherr, frag den bleichen Schatten!
Fürchten lernt er nicht, nur hassen.
8.
Prognostikon.
Wer, zu fallen bestimmt, mit Ehren zu fallen versäumt hat,
Fällt mit Schanden, ein Spott Feinden, und Freunden ein Graun.
9.
Der verfolgte Spekulative.
Ein Tropfen Blut an deinem Kleid?
Bist du schon Märt'rer worden?
»O nein, es ist noch nicht so weit!
Der Fleck ist – nur ein Orden.«
10.
An einen Bekehrten.
Seit dir selber besser Brot ward,
Leugnest du des Volkes Not;
Seit dein Knopfloch für dich rot ward,
Wirst du selber nicht mehr rot.
11.
Ausnahme.
Du wardst vom Orden ausgenommen,
Weil du von Gott ihn mitbekommen.
12.
Titel.
Ein Titel ist nicht mehr als Hut, Rock, West, Hemd, Hosen;
Ein Wesenssurrogat für einen Wesenlosen. –
Und wird von diesem Spruch ein einzig Herz beschämt,
So ist der Tyrannei schon eine Kraft gelähmt.
13.
Der Superfeine.
Die Thür steht offen, wagenweit; und doch
Schlüpft er beiseit herein durchs Katzenloch.
14.
Der Philosoph.
Begriff und Vorstellung! Wo aber ist die Brücke?
Du deutest auf die Kluft und reichst mir eine Krücke.
15.
Im Hörsaale.
Du arm System! aus einem Götterhirn
Hervorstolziert! Nun sollst du dich bequemen,
Bei schiefen Köpfen, unter niedrer Stirn,
In winziger Dachkammer Platz zu nehmen.
16.
Dichterbewußtsein.
Entfaltet vor mir lebenshell
Der Genius die Blume,
O wie vergißt mein Herz mir schnell
Den Traum von eignem Ruhme! –
Doch brüstet sich Putzmacherei
Vor mir mit starrem Flore,
Dann fragt mich, ob ich Dichter sei –
Anch' io son pittore!
17.
Romanzenpoesie.
Find ein poetisch Korn
Auf, unter Schutt und Dorn,
Drauf mit dem plumpen Schritt
Sonst der Philister tritt;
Pflanz es in deine Stirn,
Heg es und pfleg's im Hirn,
Bis es im Sonnenlicht
Aufgeht, ein klar Gedicht;
Kaum ist es aus dem Kopf,
Nimmt einer dich beim Schopf,
Knicket die Blume hold,
Riechet dran, niest und grollt:
»Dir gehört nichts davon,
Freund, als die Diktion!«
18.
Verstocktheit.
Wen Nachtigall belehrt, was echte Lieder seien,
Den, junges Volk, belehrt kein Chor von Papageien.
19.
Vorschlag.
Laß
sie schimpfen, Laß
uns impfen.
Laß
sie schmähen, Laß
uns säen.
Laß
sie lügen, Laß
uns pflügen.
Laß
sie klaffen, Laß
uns schaffen.
Laß
sie richten, Laß
uns dichten.
20.
Ein Kritiker.
Wie stolz er sich geriert,
Der große Dilettant, –
Wer Schönes ignoriert,
Ist eben ein Ignorant.
21.
Auf einen Kritiker.
Seit zehen Jahren meint der Thor,
Er spreche zu der Welt als Chor;
Der Widerhall der Wand betrog
Ihn bei dem langen Monolog.
22.
Haarscharfe Kritik.
»Ich will ein Schelm sein, wenn ich nicht
Ein Haar in jeder Suppe finde!«
Drum schmälzest
du dir dein Gericht:
Das Haar fiel stets aus
deinem Grinde.
23.
Die Jungdeutschen.
»Auf, Brüder, individualisiert!
Malt frech den krummen Tieck! malt Chamisso, den fahlen!«
Ihr Buben, die ihr so die Bücher ziert,
Mit gleicher Münze wird man euch bezahlen!
»O nein, uns hat Natur so hingeschmiert,
Daß keiner Lust bekommt,
uns abzumalen.«
24.
Auf eine Selbstbiographie.
Daß er, von hochberühmten Lieben
Umringt, berühmten Umgang pflog,
Erzählt er, unberühmt geblieben,
Im selbstverfaßten Nekrolog.
25.
Stolz der Muse.
Auf den Thronen hat sie Freunde, deine Muse? Freund, ich wette,
Stolzer fühlte sie sich, wenn sie Freunde in den Hütten hätte.
26.
Verwandlung.
Blätter kantig, Blüten goldig; hoffend pflegt' ich dich, du Schurke!
Wartet' auf Melonenfrüchte; doch du wardst nur eine Gurke.
27.
Naturgesetz.
Huldigung, Bewunderung,
Herrn- und Frauengunst und Orden
Pflücke mir kein Sänger jung,
Keiner, eh er fertig worden!
Eine Dichterexistenz
Wachs' im Sonnenschein und Regen;
Steter Sommer schon im Lenz
Brachte nie der Blüte Segen.
28.
Der alte Goethe über Uhland.
Zeige du dem ganzen Volk durch sechzig stolze Dichterjahre
Nur das Wahre, Himmelschöne, Meertiefhelle, Sonnenklare:
Viele werden's nicht begreifen, viele schütteln ihren Kopf.
Aber laß im Greisentraume dann zuletzt ein Wort entfahren,
Doppelsinnig, geisterneblicht, fern vom Tiefen wie vom Klaren:
Nachgelallt in Widerhallen wird es gehn von Tropf zu Tropf.
29.
Bitte.
Ei, laßt die Müßiggänger nur,
Die Dichter, mir gewähren!
Sie überwuchern nicht die Flur –
Kornblumen in den Ähren.
30.
Zweierlei Urteil.
Wes Urteil überzeugt? Des, dem im Hintergrund
Von Lob und Tadel wirkt wahrhaftger Seele Großheit.
Wes Urteil ekelt an? Des, dem der Lügenmund,
Sei's Tadel oder Lob, nur schöpft am Quell der Bosheit.