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Die Böhmenkönigin in Schwaben.

1824

Nach der Weise: Mag ich Unglück nicht widerstahn etc. Dies Lied, aus welchem der sechste Vers unsrer Romanze entlehnt ist, schreibt die Sage der Königin Maria zu.

O Böhmenland mit Bergen stolz,
Mit dunklem Holz,
Mit süßen frischen Quellen!
Was hörest du für frommen Schall
Im Widerhall
Aus deinen Thälern schwellen?
Wer singt so schlicht
Vom Glaubenslicht?
Wer wiegt so fein
Den Kummer ein
Auf sanften Liedeswellen?

Maria, deine Königin,
Erneut im Sinn,
Die hat so hell gesungen,
Durch Ungarn und durch Böhmen ist
Von Jesus Christ
Ihr heilig Lied gedrungen;
Wohl durch das Schloß,
Wohl durch den Troß,
Bis in den Saal
Zum Ehgemahl
Hat es sich frei geschwungen.

Herr Ludwig steht im Eisenkleid,
Macht sich bereit,
Will mit dem Türken ringen.
Er spricht ergrimmt: »Wer darf so frei
Von Ketzerei
An meinem Hofe singen?
Auf Riesen wag'
Ich jetzt den Schlag;
Da kommt der Zwerg
Von Wittenberg,
Legt meinem Weibe Schlingen!«

»Drum wandre, Frau, aus meinem Haus
Zur Fern' hinaus,
Laß dich nicht Fürstin nennen!
Leg' ab dein würdig Königskleid,
Laß das Geschmeid
Von deinem Halse trennen!
Fleuch meinen Grimm,
Die Harfe nimm,
Ja sing dich fort
Von Ort zu Ort,
Ich mag dich nicht mehr kennen!

Sie schaut ihn an voll Lieb' und Treu',
Doch ohne Reu',
Sie thät, wie er befohlen.
Durch Berg und Thal, ihr wohlbekannt,
Im Böhmerland
Sie wandelt fort verstohlen;
Ein Schloß bald lauscht,
Ein Quell bald rauscht;
Ins Saitenspiel
Sie endlich fiel,
Da sang sie unverhohlen:

»Richt', wie ich woll', ich jetzt mein Sach,
(Weil ich bin schwach,
Und Gott mich Furcht läßt finden)
So weiß ich, daß kein' G'walt bleibt fest;
Ist's allerbest', –
Das Zeitlich' muß verschwinden.
Das ew'ge Gut
Macht rechten Mut,
Dabei ich bleib',
Wag' Gut und Leib;
Gott helf' mir's überwinden!«

Und wo die Elb' im Grunde tost,
Trat sie getrost
Hervor in fremde Lande;
Die fromme, schöne Harfnerin
Sie ziehet hin
Im ärmlichen Gewande;
Hoch ist ihr Mut,
Grüßt Sachsen gut,
Wo schon das Licht
Durch Wolken bricht;
Da wird ihr leicht die Schande.

Doch sehnt sie sich ins Ferne weit,
Zur Einsamkeit
In tiefen Thalgewinden.
Wann birgt sie wieder Felsenwand?
O Böhmenland,
Wo wird sie neu dich finden?
O Brunn, o Wald,
Vom Lied durchhallt!
O Berges Schutz,
Du Menschentrutz!
Sie sah euch all' verschwinden!

So wallet sie durchs ebne Land,
Im flachen Sand,
Bis sie zur Stätt' ist kommen,
Wo schöne Hügel, rund und grün,
Drauf Reben blühn,
Sie wieder aufgenommen.
Doch weilt sie nicht;
Im Abendlicht
Steigt wie ein Traum
Ein Bergessaum,
Dort ruft das Ziel der Frommen.

Das ist die teure Schwabenalb,
Die allenthalb
Blau nach der Ebne winket,
Wo man auf Heiden hoch und kühl
Fern vom Gewühl
Die reinen Lüfte trinket,
Wo Blütenduft
Zu Thale ruft;
Man wandert schnell,
Bis man am Quell
In Waldesschatten sinket.

Und als sie durch der Thäler Pfad
In Wälder trat,
Aus denen Felsen stiegen,
Und als sie auf den Spitzen rings
Sah rechts und links
Die alten Burgen liegen,
Da sang sie hell
An einem Quell,
Da flog der Hall
Vom Bergeswall,
Wie Engelsstimmen fliegen.

»Ich habe dich mein Böhmenland,
Von Gott gesandt,
Willst du mich hier umschließen.
Es steigt dein Berg, es schießt ins Thal
Dein Wasserstrahl,
Und deine Wälder sprießen!
Auch Gottes Licht
Ist ferne nicht!
Es rauscht, es muß
Des Heiles Fluß
Bald durch dies Land sich gießen!«

Vom Berge grüßet alt und grau
Ein Schloß Beim Bade Überkingen. die Frau,
Zerrissen, ausgestorben.
Dort zieht die fremde Herrin ein,
Ein Kämmerlein
Hat sie sich bald erworben;
Sie singt voll Ruh
Den Trümmern zu:
»Kein G'walt bleibt fest,
Sei's allerbest',
Das Zeitlich' ist verdorben!«

Sie wallt an jedem Tag den Weg,
Den Felsensteg,
Ins tiefe Dorf hernieder,
Ein Heilbrunn, wie im Vaterland
Quillt aus dem Sand,
Und labt die müden Glieder;
Im Kirchlein steht
Sie oft und fleht
Für den Gemahl
Um Gottes Strahl;
Sie singt viel Sehnsuchtslieder.

So lebet sie von Jahr zu Jahr,
Selbst arm, sie war
Der Armen Trost und Segen.
Da tönt im Dorf ihr einst von Krieg,
Von Türkensieg
Verworrne Klag' entgegen.
»O Frau, so fromm!
Komm, bete, komm!
In Ungarn ist
Der Widerchrist!
Ein König ist erlegen!«

»Es liegt des Königs Ludwig Rumpf
Versenkt im Sumpf,
Sein Haupt ist abgeschlagen!«
Die Fürstin starrt, es bricht in Schmerz
Das treue Herz,
Sie kann nicht weiter fragen.
Die Harfe schweigt,
Ihr Haupt sich neigt,
Sie sinket um
Verbleicht und stumm,
Wird tot hinweggetragen.

Ihr eignes Lied, das sangen leis,
Zu Gottes Preis,
Viel Mägdlein fromm und Knaben;
Da ward sie wie im Vaterland
Am Bergesrand
Beim kühlen Quell begraben.
Ihr Lob erschallt
Durch Thal und Wald,
Sie harrt des Herrn,
Sie ruhet gern,
Die fremde Frau, in Schwaben.


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