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Hans Hemmling.

1826

 

1.

Aus Brügge reitet im Niederland
Ein königlicher Held,
Er ist der kühne Karl genannt,
Ihm steht kein Feind im Feld.

Sein Auge schwarz und schlummerlos
Schießt in die Ferne weit,
Es sucht in der Alpen Riesenschoß
Des freisten Volkes Streit.

Es glänzt sein Leibrock purpurrot
Von Edelstein und Gold.
Zög' ihm den einer ab im Tod,
Der hätte reichen Sold!

Doch legt darum sein Panzer sich
Mit undurchdrungner Wehr,
Zehntausend Lanzen, fürchterlich,
Sie starren um ihn her.

Der Fürsten und der Grafen Schar
Umringt ihn hoch zu Pferd,
Und eines jeden Haupt fürwahr
Ist einer Krone wert.

Nicht seinesgleichen hat das Heer
An Zahl und Herrlichkeit,
Es wogt, an Glanz und Trotz ein Meer,
Strömt über weit und breit.

Und wie des Herzogs Roß sich bäumt,
Alle Rosse steigen in Lust,
Und wie sein Herz von Siegen träumt,
Glüht aller Ritter Brust.

Der prüft sein Schwert, der schwingt mit Macht
Das Banner im Morgenwind,
Mit seines stählernen Kleides Pracht
Blitzt der die Augen blind.

So wallt vorüber mit leichtem Flug
In Gold und Stahl das Heer,
Noch einer reitet im letzten Zug,
Den drückt kein Panzer schwer.

Und in der Hand kein Schwert ihm blitzt,
Der Waffen ist er bar,
Und statt des Helms die Mütze sitzt
In seinem schlichten Haar.

Doch schweift sein Blick so frei und hell
Wohl über den ganzen Schwarm,
Es wohnt in seinem Aug' ein Quell
Von farbigem Leben warm.

Er sieht sich die Gestalten an,
Als wären sie sein zumeist,
Was er geschaut, in hellem Wahn
Lebt's fort in seinem Geist.

Und hättest du gefragt den Herrn,
Den Herzog von Burgund:
Wer reitet dir dort im Heere fern?
Gesprochen hätte sein Mund:

»Ein kunstbegabter Meister ist's,
Er tauget nicht zur Schlacht;
Doch hab' ich gesiegt mit Hülfe Christs,
So dient er meiner Pracht.

»So dient er mir zu Ruhm und Ehr',
So glänzt an meiner Wand
Der Feinde Tod, mein mähend Heer,
Mein Sieg, von seiner Hand.« –

Und hättest du dann geschaut hinein
Tief in des Meisters Brust:
O was für wonniger Farben Schein
Aufstrahlte dort in Lust!

Doch ist es nicht der wilde Krieg,
Der kümmert wenig ihn!
Doch ist es nicht des Herzogs Sieg,
Den sein Geist läßt erblühn.

Ein andres Leben entfaltet sich
Aus dieses Heeres Glanz,
Ein ander Bild strahlt königlich
Geziert mit andrem Kranz.

Er trägt in seiner Brust die Welt,
Die keiner noch geschaut,
Der als ein niedrer Erdenheld
Der Erdengröße vertraut.

Hans Hemmling ist's, der Maler gut,
An lichten Bildern reich;
Die andern schauen im Geiste Blut
Und hören des Schwertes Streich;

Sie treiben die Pferde mit wildem Sporn,
Sie jagen durch Saat und Flur,
Der kühne Herzog reitet vorn,
Sie folgen alle der Spur.

 

2.

Zu Brügge lag ein kranker Knecht
Im milden Haus geborgen,
Lang sprach er irre von Mordgefecht,
Vom letzten, blut'gen Morgen.

Er sah im wachen Traum die Not,
Den Schwarm der Feinde, der Raben,
Die Banner gesunken, die Edlen tot,
Den Herrn im Eis begraben.

Bis daß ein Schlummer lang und tief
Sich seiner Qual erbarmte,
Und was in ihm von Leben schlief,
In Ruhe lind erwarmte.

Jetzt hebt sein Auge leuchtend sich,
Auf springt er von dem Bette,
Es fragt der Fremdling freudiglich
Nach Pinsel und Palette.

Die Diener sprechen: »Krankheitswahn
Hat ihm den Sinn verstöret!«
Sie sehn einander fragend an,
Sie bringen, was er begehret.

»Nein, Freunde, spricht er, es ist kein Traum!
Gönnt mir das mutige Streben!
Was ich erlebt, das war nur Schaum,
Jetzt naht das wahre Leben.«

Und auf das öde Tuch mit Macht,
Mit kühnen Pinselstrichen,
Verbreitet er der Farben Pracht,
Die heut noch nicht verblichen.

Hans Hemmling! tönt's im Hospital,
Hans Hemmling! auf den Gassen,
Mit Bürgern füllet sich der Saal,
Sie können das Glück nicht fassen.

»Das Heil will wieder mit uns sein,
Nicht alles ist verloren!
Die Ehre stellt sich wieder ein
In unsern schwarzen Thoren.«

Der Meister lächelt selig, still,
Fährt fort und fort zu malen,
Und immer größre Wonne will
Aus seinem Bilde strahlen.

Von fernen Burgen führt er her
Die Kön'ge mit Geleite,
Doch nicht mit wildem Kriegesheer
Zu unheilvollem Streite.

Sie alle treibt ein frommer Mut,
Nicht Feindschaft, die sich brüstet,
Der Kleider hohe Farbenglut
Hat nicht der Stolz gerüstet.

Die Demut wölbt den grauen Bau,
Legt in die Krippe den Knaben
Und setzt zu ihm die reine Frau
Und reicht ihm dar die Gaben.

Und Gottes Friede schwebet mild
Um die geweihte Stätte,
Der Meister steht vor seinem Bild
Mit dankendem Gebete.

Das ist der Herr, das ist der Held,
In dessen Dienst er lebet,
Das ist die heilige Wunderwelt,
Die stets sein Aug' umschwebet.

Es zückt die Kraft ihm durch die Hand,
Er wird in vielen Bildern
Das überird'sche Vaterland,
Das höchste Leben schildern.

Und Meer und Ström' und Berg und Thal,
Was Herrlichs er gesehen,
Verklärt von seines Pinsels Strahl
Wird alles auferstehen.

In tausend Zügen wird er licht
Der Menschheit Bild uns malen
Und in ein göttlich Angesicht
Vereinen alle Strahlen.

So schafft der Meister zu Gottes Ehr',
Es leuchten seine Werke.
Wo blieb der Herzog und sein Heer?
Der Stolz, der Glanz, die Stärke? –

Hinunter muß der Erde Pracht
In düstere Grabeshügel;
Das Echte rettet aus der Nacht
Die Kunst auf ew'gem Flügel.


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