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3. Kapitel

Am Tage nach der Unterredung mit Sakowitsch begab sich der Fürst direkt zu dem Herrn Schwertträger von Reußen.

»Herr Schwertträger, mein Wohlthäter!« sagte er gleich beim Eintreten, »ich habe mich gestern schwer versündigt, denn ich bin als Gastgeber heftig gegen den Gast geworden. Meine Schuld ist um so größer, da ich einen Mann beleidigt habe, dessen vornehmes Geschlecht mit den Radziwills seit ewigen Zeiten befreundet ist. Ich flehe euch an, verzeiht mir. Möge die Anerkennung meines Unrechts eine Genugthuung für euch, eine Buße für mich sein. Ihr kennt die Radziwills seit langem und wißt, daß sie zur Abbitte nicht leicht geneigt sind; da ich aber einen Aelteren beleidigt und die schuldige Achtung verletzt habe, komme ich, ohne Rücksicht darauf, wer ich bin, euch die Hand zur Versöhnung zu bieten. Ich hoffe, daß ihr als alter Freund unseres Hauses Verzeihung gewährt.«

Indem er das sagte, streckte er dem Schwertträger die Hand hin und dieser ergriff dieselbe, da sein größter Zorn auch bereits verraucht war, wenn auch zögernd, indem er sprach:

»Gebt uns die Freiheit, zu gehen, Durchlaucht, das wäre uns die beste Genugthuung.«

»Ihr seid frei und könnt schon heute gehen, wohin euch beliebt.«

»Ich danke, Durchlaucht!« erwiderte der Schwertträger verwundert.

»Nur eine Bedingung stelle ich noch, die ihr, so Gott will, nicht verwerfen werdet.«

»Und welche wäre das?« frug Herr Billewitsch besorgt.

»Daß ihr geduldig anhören möchtet, was ich euch zu sagen habe.«

»Wenn es nur das ist, so will ich gern bis zum Abend zuhören.«

»Ihr sollt mir auch nicht gleich Antwort geben, sondern eine oder zwei Stunden Zeit zum Ueberlegen haben.«

»Gott weiß, daß ich den Frieden herbeisehne, wenn wir nur frei abziehen dürfen.«

»Die Freiheit erhaltet ihr auf alle Fälle, nur weiß ich nicht, ob ihr von derselben Gebrauch machen werdet, ob ihr nachher noch werdet eilen wollen, von hier fortzukommen. Ich wünsche, daß ihr Tauroggen nebst allen meinen Besitzungen als euer Eigentum betrachten möchtet, und nun hört: Wißt ihr, warum ich dem Fräulein Billewitsch die Abreise versagte? Weil ich erriet, daß ihr entfliehen wolltet, ich liebe aber eure Verwandte so sehr, daß ich, nur um sie zu sehen, täglich den Hellespont durchschwimmen könnte, wie weiland Leander, um Hera zu sehen ...«

Der alte Herr errötete aufs neue einen Augenblick.

»Ihr wagt mir das zu sagen, Durchlaucht? ...«

»Gerade euch, weil ihr mein besonderer Wohlthäter werden könnt.«

»Durchlaucht! Sucht euer Liebesglück bei den Mägden eures Hofes, nicht bei den Jungfrauen des Adels. Diese hier könnt ihr gefangen halten, in das tiefste Burgverließ sperren, aber entehren dürft ihr sie nicht!«

»Entehren darf ich sie nicht!« antwortete der Fürst. »Aber ich kann vor den alten Billewitsch hintreten und sagen: Hört, Vater! gebt mir Olenka zur Gemahlin, denn ich kann ohne sie nicht leben!«

Der Schwertträger war sprachlos vor Staunen. Mit zuckenden Lippen und hervorquellenden Augen stand er da. Dann rieb er sich die Augen mit den Fäusten, wie um besser sehen zu können, und blickte zuletzt bald auf den Fürsten, bald im Gemach umher.

»Träume ich, oder wache ich?« rief er endlich.

»Ihr träumt nicht, und damit ich euch vollends überzeuge, wiederhole ich cum omnibus titulis: Ich Boguslaw, Fürst Radziwill, Stallmeister des Großfürstentums Litauen, bitte euch, den Herrn Thomas Billewitsch, Schwertträger von Reußen, um die Hand eurer Verwandten, des Fräulein Alexandra, Jagdmeisterstochter.«

»Ist es möglich? Wahrhaftig? Habt ihr das auch wohlüberlegt, Durchlaucht?«

»Ich habe es mir überlegt, jetzt seid ihr daran, zu überlegen, ob der Freier des Mädchens würdig ist.«

»Mir fehlt der Atem vor Verwunderung ...«

»Erkennt nun, daß ich niemals unreine Gedanken hatte.«

»Und Ew. Durchlaucht wolltet wirklich unseren niederen Stand nicht zu gering achten?«

»Schätzt ihr euch so gering, hat das Kleinod eures Adels und das Alter eures Geschlechtes so wenig Wert in euren Augen? Kann ein Billewitsch so sprechen?«

»Durchlaucht! Ich weiß, daß unsere Ahnen bis in die Zeiten der Römer hinaufreichen, aber ...«

»Aber,« unterbrach ihn der Fürst, »ihr habt weder Hetmane noch Kanzler in eurem Geschlecht aufzuweisen. Das macht nichts! Ihr seid ebensogut von fürstlichem Geblüt, wie mein Ohm, der Kurfürst von Brandenburg; denn wenn in unserer Republik jeder Edelmann als Kandidat zur Königswahl aufgestellt werden kann, so ist keine Schwelle zu hoch für seine Füße. Ich, mein Herr Schwertträger, hoffentlich bald mein Oheim, bin der Sohn eines alten Geschlechtes, doch meine Ahnen waren mütterlicherseits die Sobecks und meint ihr, daß ein Sobeck mehr wert sei, als ein Billewitsch? Nun? ...«

Bei diesen Worten klopfte der Fürst dem alten Herrn vertraulich auf die Schulter und dieser wurde unter der Hand des hohen Herrn weich wie Wachs.

»Gott lohne Ew. Durchlaucht die edle Absicht,« sagte er. »Mir fällt ein Stein vom Herzen! Aber – Durchlaucht! Der Unterschied des Glaubens ...«

»Ein katholischer Priester wird uns trauen, anders will ich es gar nicht.«

»Wir werden euch unser Lebenlang dankbar sein, denn es handelt sich doch um Gottes Segen ...«

»Und was die Nachkommenschaft betrifft, so werde ich nicht darauf bestehen, daß sie meinen Glauben annimmt, denn es giebt nichts in der Welt, das ich nicht für die Süße, Liebliche thäte.«

Das Gesicht des Schwertträgers erglänzte bei diesen Worten, als sei ein Sonnenstrahl darauf gefallen.

»Gott hat ihr mit der Schönheit nicht gegeizt ...« sagte er. »Das ist wahr!«

Boguslaw klopfte ihn wieder auf die Schulter und indem er sich tief zu ihm herabneigte, flüsterte er ihm in das Ohr:

»Daß der Erstgeborene ein Junge sein wird, dafür stehe ich ein, ein Bild von einem Jungen!«

»Hi! Hi! ...«

»Eine Billewitsch darf nur Jungen zur Welt bringen ...«

»Eine Billewitsch mit einem Radziwill,« setzte der Schwertträger hinzu, während sein Ohr im Zusammenklang dieser beiden Namen schwelgte. »Hi! Hi! Das wird ein Gerede in ganz Smudz geben ... Und was werden die Sizinskis dazu sagen, daß die Billewitsch so in die Höhe schießen? Sie ließen nicht einmal den alten Hauptmann in Frieden, der doch ein Mann nach altem römischen Zuschnitt und von der ganzen Republik verehrt war.«

»Wir wollen sie in Smudz ausstechen, nicht wahr?« sagte der Fürst.

»Großer, barmherziger Gott, deine Wege sind unerforschlich! – Sollte es aber in deinem Willen stehen, daß die Sizinski alle vor Neid Platzen – dann – dein Wille geschehe!«

»Amen!« setzte Boguslaw hinzu.

»Durchlaucht!« bat der alte Herr, »nehmt es nicht für übel, daß ich die Ehre, welche ihr uns erweist, nicht würdevoller aufnehme und meiner Freude zu lebhaften Ausdruck gebe ... aber wir leben so in Kummer, während die Ungewißheit uns peinigte, was unser warte, und wir uns das Schlimmste ausmalten. Es ist so weit gekommen, daß wir Ew. Durchlaucht nur Böses zutrauten und nun erfahren wir, daß wir unrecht hatten. Wir dürfen unsere frühere Verehrung wieder aufrecht halten. Damit ist – ich gestehe es gern – eine große Last von uns genommen.«

»Hat Fräulein Alexandra eine so schlechte Meinung von mir?«

»Sie? Ach wäre ich Cicero selbst, so wäre ich nicht imstande, ihre vorherige Verehrung für Ew. Durchlaucht zu beschreiben. Ich denke nur ihre Tugend und eine angeborene Schüchternheit verhinderten, daß die Verehrung sich in Liebe verwandelte ... Wenn sie nun erfährt, daß Ew. Durchlaucht Absichten ernsthafte und ehrliche sind, wird sie ihrem Herzen keine Zügel mehr anlegen.«

»Cicero hätte nicht vermocht, das schöner auszudrücken,« schmeichelte der Fürst.

»Im Glück findet sich auch der Ausdruck wieder. Doch, wenn Ew. Durchlaucht so gütig auf das zu hören geruht, was ich sage, so möchte ich gern ganz offen und ehrlich sprechen.«

»So sprecht doch ehrlich! ...«

»Obgleich das Mädchen noch jung ist, so hat sie doch hinsichtlich der Männer einen bewundernswerten Verstand und Charakter. In Fällen, wo mancher erfahrene Mann zaudert und schwankt, greift sie ohne Bedenken mit fester Hand ein. Was böse ist, das läßt sie unbarmherzig links liegen, was gut ist kommt nach rechts. Sie selbst thut immer das Rechte ... So lieblich und süß sie sein kann, so beharrt sie mit einer Festigkeit ohnegleichen auf dem einmal für recht erkannten Wege; nichts vermag sie davon abzubringen. Sie ist nach ihrem Großvater und nach mir geraten. Ihr Vater war ein berühmter Soldat ... als Mensch aber nachgiebig ... die Mutter, eine geborene Woynillowitsch, die Base der Kulwiezowna, war auch charaktervoll.«

»Das ist mir lieb zu hören, Herr Schwertträger!«

»Nun kann sich niemand vorstellen, wie verhaßt ihr die Schweden, sowie alle Feinde des Vaterlandes sind. Ist ihr jemand auch nur des kleinsten Verrates verdächtig, so wird sie ihn hassen, sei der Mensch auch sonst ein Engel an Güte ... Verzeiht einem alten Manne, Durchlaucht, der, wenn auch nicht dem Range, so doch den Jahren nach euer Vater sein könnte ... Laßt die Schweden fahren! ... Sie sind größere Bedrücker des Vaterlandes als die Tartaren! ... Wendet eure Armee gegen sie, anstatt mit ihnen zu gehen, und nicht nur ich, sondern auch sie, Olenka, wird freudig mit euch zu Felde ziehen ... O verzeiht, Durchlaucht, verzeiht! ... Ich mußte sagen, was ich denke!«

Boguslaw kämpfte seinen Aerger hinunter, nach einer Weile erwiderte er:

»Ihr hattet gestern das Recht, Herr Schwertträger, Vermutungen Raum zu geben; heute thut ihr Unrecht, noch zu denken, ich wollte euch Sand in die Augen streuen, wenn ich behaupte, dennoch auf Seiten des Königs und des Vaterlandes zu stehen. Ich schwöre euch als künftigem Verwandten zu, daß das, was ich von Friedenstraktaten und Zugeständnissen sprach, die heilige Wahrheit war. Auch ich würde vorziehen, mit dem Säbel in der Hand unser Recht zu wahren, denn meine kriegerische Natur verlangt darnach, aber da ich sah, daß ich so nicht zum Ziele kam, griff ich aus Liebe zu dem anderen Mittel ... Und ich kann sagen: Unerhörtes habe ich erreicht, das bisher unmöglich Scheinende, daß die siegende Macht den Besiegten noch ihre Dienste bot, nachdem der Friede geschlossen. Eine solche That zu vollbringen war der listigste aller Listigen, war selbst Mazarin zu vollbringen nicht imstande ... Nicht Fräulein Alexandra allein, nein, auch ich fühle einen Abscheu gegen die Feinde. Was aber bleibt mir zu thun übrig? Wie soll man das Vaterland retten? Nec Hercules, contra plures! Da dachte ich mir: Anstatt es verderben zu lassen, was leichter und für mich nützlicher wäre, will ich es lieber zu retten versuchen. Und da ich bei großen Staatsmännern aller Länder in die Lehre gegangen bin und ein hohes Ansehen auch bei den Schweden, meines Vetters Janusch wegen genieße, leitete ich die Unterhandlungen ein und was war das Resultat? Ihr habt es gestern gehört. Der Krieg sollte ein Ende haben, die Republik, eure Kirchen, die Geistlichkeit, der Adel von dem Drucke befreit werden und noch dazu solltet ihr in der Unterdrückung der Ukrainischen Aufständischen und in der Erweiterung der Landesgrenzen unterstützt werden ... Das alles unter der einen einzigen Bedingung, daß Karl Gustav dereinst König von Polen werden sollte. Wer da behauptet, mehr für das Vaterland in seiner Bedrängnis gethan zu haben, der trete mir unter die Augen!«

»Es ist wahr, was ihr sagt ... ein Blinder muß das sehen ... Nur wird es den Ständen, besonders den Adelsständen sehr unangenehm sein, daß die freie Königswahl dann aufhören muß.«

»Was ist wertvoller, das Vaterland oder das Wahlrecht?«

»Das ist einerlei, Durchlaucht! Das Wahlrecht ist das Kardinalrecht der Republik von jeher ... Was hat das Vaterland zu bedeuten ohne die Sammlung der Gesetze, ohne die Privilegien und Freiheiten, die den Adelsständen zukommen? ... Herren findet man auch unter fremder Regierung.«

Zorn und Langeweile malte sich in den Zügen Boguslaws, aber nur einen Augenblick.

»Karolus,« sagte er, »wird die pacta conventa unterschreiben, wie seine Vorgänger unterschrieben haben. Nach seinem Tode wählen wir, wen wir wollen ... sei es auch nur den Radziwill, der von der Billewitsch geboren werden soll.«

Der Schwertträger war eine Weile ganz benommen von der Größe dieses Gedankens, dann erhob er den Arm und rief begeistert:

» Consentior! ...«

»Ja, auch ich denke, daß ihr nun einverstanden sein werdet auf die Gefahr hin, daß die erbliche Thronfolge bei unserem Geschlecht bleibt,« versetzte der Fürst mit boshaftem Lächeln. »So seid ihr nun alle! Doch das auf später! Jetzt thut Not, daß die Unterhandlungen zustande kommen ... Versteht ihr, mein Herr Oheim?«

»Ich verstehe! Wahrhaftig! Es thut Not!« wiederholte aus tiefster Ueberzeugung der Schwertträger.

»Sie können zustande kommen, weil ich der schwedischen Majestät ein willkommener Vermittler bin, und wißt ihr warum? ... Seht! Karolus hat eine Schwester, welche mit Pontus de la Gardie vermählt ist und eine noch unvermählte, die er gern mir geben möchte, um mit unserem Hause in Verwandtschaft zu treten und auf diese Weise in Litauen eine ihm freundschaftlich gesinnte Partei zu haben. Daher stammt sein Wohlwollen für mich.«

»Wie das?« frug beunruhigt Herr Billewitsch.

»Das soll heißen, daß ich für euer Täubchen alle bipontischen Prinzessinnen und alle Fürstentümer der Welt hingebe. Nur darf ich die schwedische Majestät nicht reizen, so lange die Unterhandlungen dauern; doch sobald der Vertrag unterschrieben ist, wollen wir sehen!«

»Bah! Sie sind imstande, nicht zu unterschreiben, sobald sie erfahren, daß Ew. Durchlaucht vermählt sind!«

»Herr Schwertträger,« sagte Boguslaw ernst. »Ihr habt mich der Unehrlichkeit gegen das Vaterland geziehen ... Ich frage euch nun als echter Bürger: Habe ich das Recht, meiner Privatangelegenheit wegen das Wohl der Republik in Frage zu stellen?«

Herr Thomas horchte auf.

»Was soll also werden?« frug er.

»Denkt einmal nach: was soll werden?«

»Bei Gott, ich sehe schon, die Trauung muß aufgeschoben werden und das Sprichwort sagt: ›Aufgeschoben, aufgehoben.‹«

»Meine Liebe bleibt unverändert, denn ich liebe für das ganze Leben. Ihr müßt wissen, daß ich in der Treue noch die geduldige Penelope beschämen könnte.«

Herr Thomas erschrak heftig, denn gerade in Bezug auf die Treue des Fürsten war ihm das Gegenteil bekannt und die öffentliche Meinung bestätigte seine persönliche Ansicht. Als hätte er die Gedanken des alten Herrn erraten, setzte der Fürst schnell hinzu:

»Aber ihr habt Recht! Man ist des Morgen niemals sicher; man kann von Krankheit heimgesucht werden. Mir scheint, es bereitet sich eine Niederlage bei mir vor, denn gestern bin ich so steif an allen Gliedern geworden, daß Sakowitsch mich kaum zu mir brachte. Ich kann sterben, auf dem Feldzuge gegen den Sapieha umkommen; es wird Mühsale und Sorgen zu überstehen geben, die auf keine Kuhhaut zu schreiben sind.«

»Bei den Wunden Gottes, Durchlaucht, was ratet ihr?«

»Was soll ich raten,« antwortete der Fürst betrübt. »Ich wollte, das Schloß wäre schon hinter uns zugefallen.«

»Dann laßt es doch zufallen ... Laßt euch trauen, dann geschehe, was wolle ...«

Boguslaw sprang auf.

»Beim heiligen Evangelium! Ihr solltet mit eurem Verstande zum Kanzler von Litauen ernannt werden. Ein anderer würde nicht in drei Tagen mit dem zustande kommen, was euch im Fluge einfällt. Ihr habt Recht! Sich trauen lassen, dann stille sitzen. Das nenne ich einen Kopf. In zwei Tagen muß ich so wie so gegen den Sapieha ziehen, das ist ein bitteres Muß. Unterdessen richten wir den geheimen Zugang zu der Kemenate des Fräuleins her. Wir ziehen zwei oder drei Vertraute in das Geheimnis, damit die Trauung in aller Form Rechtens vollzogen wird. Der Ehevertrag soll sogleich aufgesetzt, das Kranzgeld festgestellt werden; mein Vermächtnis schließe ich den Akten bei und später! – Herr Schwertträger, ich danke, danke von Herzen! Kommt in meine Arme und dann fort zu meiner Schönsten! ... Ich werde ihrer Antwort harren, wie auf glühenden Kohlen! Unterdessen will ich den Sakowitsch nach einem Geistlichen schicken! Lebt wohl, Väterchen; so Gott will, seid ihr bald Ahne.«

Nach diesen Worten ließ der Fürst den erstaunten Edelmann aus seinen Armen und stürmte hinaus.

»Bei Gott!« sprach der Schwertträger für sich, nachdem er sich etwas erholt hatte. »Ich habe einen so verständigen Rat erteilt, daß Salomon sich vor mir schämen muß und doch, ich wollte, es ließe sich ohne das machen. Geheimnis bleibt Geheimnis ... Aber zerbrich dir den Kopf, so viel du willst, schlage das Gehirn an die Wand, Alter, es geht nicht anders. Hm! ein Blinder muß sehen, daß es nicht anders geht. Wenn doch der Frost die Schweden alle erwürgen wollte ... Wäre es nicht um die Unterhandlungen zu thun, so könnte die Hochzeit mit allen Zeremonien gehalten und ganz Smudz zu Gaste geladen werden. Und nun muß der Bräutigam die Braut fast im Alltagsgewand zum Altar führen, um keinen Lärm zu schlagen ... Pfui! zum Kuckuck! Die Sizinskis werden noch so bald nicht das Platzen kriegen, wenn sie auch später nicht verschont bleiben werden ...«

Indem er das sagte, begab er sich zu Olenka.

Unterdessen beriet sich der Fürst des weiteren mit Sakowitsch.

»Der Alte tanzte wie ein Bär auf den Vorderpfoten,« erzählte er dem Vertrauten, »aber gequält hat er mich auch! Uff! Doch ich habe ihn dafür an die Brust gedrückt, daß ihm die Rippen knackten, und geschüttelt habe ich ihn, daß ich dachte, die Stiefeln müßten ihn samt den Strohwischen von den Beinen fliegen ... Und als ich ihn Oheim nannte, da quoll er in den Augen auf, als hätte er ein ganzes Faß Bigos verschlungen. Tfu! Tfu! Warte! Ich will dich schon zum Oheim machen, doch solcher Ohme habe ich schockweise in der Welt ... Sakowitsch! ich sehe sie schon meiner in der Kemenate harren, mit niedergeschlagenen Augen und über die Brust gekreuzten Händen ... O, warte du nur! ... wie will ich diese Aeugelein küssen ... Sakowitsch! Du erhältst von mir das Gut Prudy bei Orschmian in lebenslängliche Pacht! ... Wann kann Plaska hier sein?«

»Gegen Abend! Ich danke Ew. Durchlaucht für Prudy.«

»Nicht doch! Gegen Abend? Das heißt, er kann jeden Augenblick da sein ... Könnte doch die Trauung noch heute, sei es auch um Mitternacht stattfinden ... Ist der Ehevertrag fertig?«

»Jawohl! Ich war freigebig im Namen Ew. Durchlaucht. Das Fräulein erhält die Herrschaft Birz als Brautschatz ... Der Schwertträger wird heulen wie ein Hund, wenn wir es ihm später wieder abnehmen.«

»Er wird zur Beruhigung in den Kerker gesteckt werden.«

»Das wird nicht nötig sein, denn sobald die Ehe ungültig erklärt wird, ist auch der Vertrag ungültig. Sagte ich Ew. Durchlaucht nicht, daß sie einverstanden sein werden?«

»Er machte keine Schwierigkeiten ... ich bin neugierig, was sie sagen wird ... er läßt lange auf sich warten!«

»Sie werden sich in den Armen liegen und mit Thränen Ew. Durchlaucht segnen und eure Güte und Schönheit preisen.«

»Ich zweifle an der Schönheit, denn ich sehe elend aus. Ich fühle mich noch nicht wohl, und fürchte, daß der gestrige Anfall zurückkehrt.«

»Ei nein! Ew. Durchlaucht müßte nur etwas warm werden.«

Der Fürst trat vor den Spiegel.

»Meine Augen sind bläulich unterlaufen und Fouret, der Narr, hat mir die Brauen heute schief geschwärzt. Sieh einmal her, sind sie nicht schief? Ich werde ihm die Daumschraube anlegen lassen dafür und einen Affen an seiner Stelle zum Kammerdiener machen ... Was soll das heißen, daß der Schwertträger so lange nicht kommt? ... Ich möchte gern zu ihr! Sie wird mir doch erlauben, sie vor der Trauung einmal zu küssen! ... Wie schnell es heute dunkel wird! Man möchte die Kneipzange in die Kohlen legen für Plaska, für sein langes Ausbleiben ...«

»Das würde ihn nicht berühren, er wird nicht einmal zucken, denn er ist ein Sohn der Finsternis, der Schelme schlimmster!«

»Und die Trauung ist ein Schelmenstück!«

»Ein Schelm wird den andern Schelm durch ein Schelmenstück verehelichen,« sagte Sakowitsch.

Der Fürst wurde gut gelaunt.

»Wo ein Kuppler der Brautführer ist, da kann nur ein Schelm der Priester sein!« sagte er.

Eine Weile schwiegen sie still. Dann fingen plötzlich beide an zu lachen, aber das Gelächter hallte seltsam unheimlich von den Wänden wieder. Die Nacht sank immer tiefer herab.

Der Fürst begann auf und ab zu gehen; er stampfte dabei kräftig mit dem Stöckchen auf, auf welches er sich stützte, da ihm die Beine von dem überstandenen Anfall noch etwas steif waren.

Die Pagen trugen Armleuchter mit Wachslichtern herein und entfernten sich wieder. Die Zugluft machte die Flammen hin und her flackern, so daß sie lange nicht gerade brennen konnten und das schmelzende Wachs reichlich herniedertropfte.

»Sieh', wie die Lichter brennen,« sagte der Fürst. »Wie deutest du das?«

»Das bedeutet, daß die Tugend noch heute schmelzen wird, wie Wachs.«

»Wunderlich! Das Flackern dauert so lange.«

»Vielleicht flattert die Seele des alten Billewitsch über den Lichtern.«

»Dummkopf!« sagte der Fürst heftig. »Unbeschreiblicher Dummkopf! Ist das jetzt die geeignete Zeit, mich an Gespenster zu erinnern?«

Sie verstummten eine Weile.

»In England sagt man,« begann der Fürst wieder, »daß die Flamme jedes Lichtes bläulich klar brennt, sobald ein Geist im Gemache ist. Sieh' her! Diese hier brennen gelb wie immer.«

»Unsinn! ...« versetzte Sakowitsch. »In Moskau giebt es Menschen ...«

»Stille doch!« unterbrach ihn Boguslaw. »Der Schwertträger naht ... Nein! Es ist der Wind, der mit dem Fensterladen klappert. Die Teufel haben das Mädchen mit solch einer Muhme ausgestattet ... Kulwiez Hippocentaurus! Hat schon jemand so etwas gehört? Sie sieht auch aus wie eine Chimäre.«

»Befehlen Ew. Durchlaucht, daß ich mich mit ihr vermähle. Das könnte nicht schaden. Plaska lötet uns im Augenblick zusammen.«

»Meinetwegen! Ich gebe ihr einen Spaten aus Ahornholz zum Brautgeschenk und dir eine Laterne, um ihr zu leuchten.«

»Ich will lieber nicht dein Ohm werden, Bogusch ...«

»Denke an Kastor!« entgegnete der Fürst.

»Fahre dem Kastor nicht gegen den Strich in die Haare, mein Pollux, er könnte leicht beißen!«

In diesem Augenblick trat der Schwertträger in Begleitung des Fräulein Kulwiez in das Gemach. Die Unterhaltung wurde unterbrochen. Der Fürst schritt rasch auf beide zu, indem er sich auf das Stöckchen stützte. Sakowitsch erhob sich.

»Nun, kann ich Olenka sehen?« frug der Fürst.

Doch der Schwertträger ließ die Arme schlaff herabsinken und der Kopf fiel ihm auf die Brust, während er sprach:

»Mein Fürst! Meine Bruderstochter erklärt, daß das Testament des Hauptmann Billewitsch ihr verbietet, selbst über ihr Los zu entscheiden. Aber auch wenn dies nicht der Fall wäre, könnte sie sich zu einem Ehebündnis mit Ew. Durchlaucht nicht entschließen, da sie keine Liebe für euch fühlt.«

»Sakowitsch! Hörst du?« rief der Fürst mit heiserer Stimme.

»Ich wußte von dem Testament,« sagte Billewitsch, »aber ich dachte nicht, daß sein Inhalt ein unbesiegbares Hindernis sein könnte.«

»Ich spotte eurer adligen Testamente!« sagte der Fürst. »Ich speie auf eure adligen Testamente! Versteht ihr?! ...«

»Aber wir spotten ihrer nicht!« entgegnete Herr Thomas ärgerlich, »und laut Testament hat das Mädchen zwischen dem Kloster oder Kmiziz zu wählen.«

»Wem sagst du, Graurock? Kmiziz? ... Ich will euch die Kmiziz zeigen ... Ich will euch lehren! ...«

»Mich nennt ihr einen Graurock fürstliche Durchlaucht? Mich, einen Billewitsch?«

In höchster Entrüstung trat der Schwertträger dem Fürsten einen Schritt entgegen, doch Boguslaw stieß ihn so heftig mit der Faust vor die Brust, daß der Edelmann stöhnend zusammenbrach, und den am Boden Liegenden noch mit dem Fuße fortstoßend, um Platz zu gewinnen, stürmte er barhäuptig aus dem Gemach.

»Jesus, Maria und Josef!« schrie das Fräulein Kulwiez.

Doch schon hatte Sakowitsch sie am Arm gefaßt und den Dolch ihr auf die Brust setzend, sagte er:

»Stille, mein Kleinod! Stille, liebliches Turteltäubchen, sonst schneide ich dir dein süßes Kehlchen durch, wie einer lahmen Henne. Hier stillegesessen und nicht fortgegangen, denn oben feiert jetzt deine Schwestertochter Hochzeit.«

Doch auch in den Adern des alten Fräuleins strömte adliges Blut; kaum hatte sie die Worte Sakowitschs vernommen, so verwandelte sich ihr Schrecken in ritterlichen Mut und weibliche Entrüstung.

»Schuft! Mörder! Heide!« schrie sie aus vollem Halse. »Töte mich, sonst schreie ich die ganze Republik zur Rache auf. Mein Vetter ist erschlagen! Meine Schwestertochter geschändet! Ich will auch nicht leben! Stich' zu! Mörder! Schneide! Leute her! Kommt herbei! Seht! ...«

Weitere Ausrufe erstickte Sakowitsch, indem er ihr seine große Hand auf den Mund preßte.

»Stille, du schiefe Spindel! Stille, du verwelkter Rautenzweig,« sagte er. »Ich will dich ja nicht töten. Wozu vorzeitig dem Teufel das geben, was ihm doch gehört. Aber, damit du nicht wie ein Pfau fortwährend schreien kannst, will ich zu deiner Beruhigung dein liebliches Mäulchen mit deinem Sacktuche verbinden. Ich werde dann den ›Schmachtenden‹ spielen und dir zur Laute Liebeslieder singen. Was gilt die Wette, du verliebst dich in mich.«

Während er so sprach, hatte der Herr Starost von Orschmian mit der Geschicklichkeit eines Henkerknechtes den Kopf des Fräuleins mit einem Tuch umwickelt, im Augenblick ihre Hände und Füße mit Riemen gefesselt und sie auf das Kanapee geworfen.

Dann setzte er sich neben sie und während er seine Glieder reckte, sprach er so ruhig, als ob er eine gewöhnliche Unterhaltung führen wollte:

»Wie denkt ihr darüber, mein Fräulein? Ich mutmaße, daß auch Bogusch ebenso leicht mit dem Fräulein fertig geworden ist.«

In demselben Augenblick aber sprang er auch schon entsetzt auf, denn die Thüre wurde schnell aufgerissen und Fräulein Alexandra erschien auf der Schwelle.

Ihr Antlitz war totenbleich, das Haar etwas in Unordnung geraten, ihre Brauen waren gerunzelt und aus den Augen leuchtete es drohend.

Als sie den am Boden liegenden Schwertträger erblickte, kniete sie neben ihm nieder und betastete seine Brust und seinen Kopf.

Der Edelmann seufzte tief, schlug langsam die Augen auf, dann richtete er sich halb empor und sah sich in dem Gemach um, als wäre er aus tiefem Schlaf erwacht. Darauf versuchte er, die Hand als Stütze benutzend, aufzustehen, was ihm mit Hilfe des Fräuleins endlich gelang. Sie führte ihn noch schwankend zu einem Stuhl, auf den sie ihn niederließ.

Jetzt erst sah Olenka das auf dem Kanapee liegende alte Fräulein.

»Habt ihr sie getötet?« frug sie, zu Sakowitsch gewendet.

»Bewahre mich Gott!« antwortete der Starost von Orschmian.

»Ich befehle euch, ihre Fesseln zu lösen!«

Es lag so viel gebietendes in dem Befehle, daß Sakowitsch nicht zu widersprechen wagte, sondern, als hätte eine Fürstin Radziwill zu ihm gesprochen, unverzüglich das Fräulein Kulwiez befreite.

»Und jetzt,« befahl Fräulein Alexandra, »geht zu eurem Herrn, welcher oben liegt.«

»Was ist geschehen?« schrie Sakowitsch, der wieder zur Besinnung gekommen war. »Ihr werdet mir Rede stehen!«

»Nicht euch, Bedientenseele! Fort mit euch!«

Und Sakowitsch stürzte wie besessen davon.


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