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Die Verzweiflung des Schwertträgers war groß. Olenka mußte ihn fortwährend trösten. Sie stellte ihm vor, daß man das Geraubte nicht als verloren betrachten dürfe, da der Brief Boguslaws ja einer Schuldverschreibung gleichkommen und seine Güter groß genug seien, um genügende Deckung zu geben.
Umsomehr war Olenka in Sorge, was ihnen beiden noch bevorstehen könne, besonders wenn es Boguslaw beschieden sei, als Sieger nach Tauroggen zurückzukehren. Sie sannen deshalb eifrig auf Flucht.
Dennoch riet Olenka, dieselbe aufzuschieben, bis Ketling wieder genesen sein würde, denn Braun war ein ungefälliger, mürrischer Geselle, der nur Sinn für seinen Dienst hatte. Es wäre unmöglich gewesen, sich diesen geneigt zu machen.
Bezüglich Ketlings war Olenka fest überzeugt, daß er sich seine Verwundung absichtlich beigebracht hatte, um in ihrer Nähe bleiben zu können. Sie gab deshalb der Hoffnung Raum, daß er alles für sie thun würde, sie zu retten. Zwar beunruhigte sie ihr Gewissen unablässig; sie frug sich oft, ob sie wohl das Recht habe, ihretwegen das Geschick eines Fremden zu gefährden, doch die Gefahr, die ihnen bei längerem Aufenthalt in Tauroggen drohte, war so groß, daß sie bei weitem die Unannehmlichkeiten übertraf, welche sein Beistand über Ketling heraufbeschwören konnte. Als ausgezeichneter Offizier fand schließlich Ketling überall einen besseren und würdigeren Dienst als hier. Die Protektion Sapiehas, Tscharniezkis konnte ihn beim Könige empfehlen; er konnte einer edleren Sache dienen und würde dereinst dem Lande dankbar sein, welches ihn wie einen Sohn aufnehmen wollte. Sein Leben war nur für den Fall bedroht, wenn er in die Hände Boguslaws fiel, aber Boguslaw regierte ja noch nicht in der Republik.
Das Fräulein schwankte nicht länger. Als der junge Offizier wieder so weit hergestellt war, daß er seinen Dienst versehen konnte, da ließ sie ihn zu sich bitten.
Nun stand er vor ihr bleich und elend. Aus dem Angesicht schien jeder Tropfen Blutes entwichen, ehrfurchtsvoll und demütig blickte er zu ihr auf.
Bei seinem Anblick füllten sich die Augen Olenkas mit Thränen; war doch dieser hier die einzige Seele in Tauroggen, welche ihr wohlwollte. Dabei rührte sie sein krankes Aussehen, und als sie ihn nach seinem Befinden fragte, antwortete der junge Offizier mit schwacher Stimme:
»Leider fange ich an, mich zu erholen; ach und ich wäre so gern gestorben ...«
»Ihr solltet euren Dienst aufgeben,« sagte das Mädchen, während sie ihn mitleidig anblickte. »Eure edle Seele bedarf der Gewißheit, daß ihr einer edlen Sache und einem edlen Herrn dient.«
»Leider!« wiederholte der Offizier.
»Wann geht eure Dienstzeit hier zu Ende?«
»In einem halben Jahre.«
Sie schwieg ein Weilchen, dann erhob sie ihre wunderschönen Augen, welche in diesem Augenblick ihren strengen Ausdruck verloren hatten, und sagte:
»Hört mich, Herr Kavalier. Laßt mich zu euch, wie zu einem Bruder sprechen, wie zu einem teuren Freunde: Ihr könnt und müßt euch frei machen!«
Sie bekannte ihm nun ihren ganzen Fluchtplan und sagte ihm, daß sie dabei auf seinen Beistand rechne. Sie stellte ihm vor, wie er einen schönen, ehrenvollen Dienst finden solle, seiner schönen Seele würdig, wie er bestimmt sei, ein Ritter zu werden, und endete schließlich mit den Worten:
»Ich will euch bis zum Tode dankbar bleiben. Es ist mir bestimmt, mich in Gottes Schutz, in ein Kloster zu flüchten und das Gelübde der Keuschheit abzulegen. Aber wo ihr auch weilen mögt, ob fern, ob nah, ob in Krieg oder Frieden, immer will ich für euch beten, will Gott bitten, daß er meinem lieben Bruder und Wohlthäter Frieden und Glück verleihen möge, da ich außerstande bin, ihm etwas anderes zu geben, als Dankbarkeit und frommes Gebet ...«
Ihre Stimme bebte und Ketling wurde, während sie sprach immer bleicher. Als sie geendet hatte, kniete er nieder, schlug beide Hände vor die Augen und antwortete mit klagender Stimme:
»Ich darf nicht, Herrin! ich darf nicht! ...«
»Ihr schlagt mir meine Bitte ab?« frug Olenka erschrocken.
Statt zu antworten, begann er zu beten:
»Großer, barmherziger Gott!« sprach er. »Nie ist seit meiner Kindheit eine Lüge über meine Lippen gekommen, nie hat eine schlechte That mich befleckt. Als ich noch ein Knabe war, schützte ich mit schwacher Hand meinen König und mein Vaterland. Herr! warum strafst du mich so hart, warum legst du mir Qualen zu tragen auf, für die meine Kräfte nicht ausreichen!«
Und sich an Olenka wendend fuhr er fort:
»Herrin! Ihr wißt wohl nicht, daß der Gehorsam für den vereideten Soldaten nicht nur seine Pflicht, sondern auch sein Ruhm und seine Ehre bedeuten. Mich bindet mein Fahneneid, ja mehr noch mein Ritterwort, diesen Dienst nicht vor Ablauf der festgesetzten Frist zu verlassen und blindlings zu thun, was derselbe von mir fordert. Ich bin Soldat und Edelmann und so wahr Gott mir helfe, – ich werde niemals zu denjenigen Söldlingen zählen, welche ihren Eid und ihr Ritterwort brechen. Auch euer Befehl, auch eure Bitte, Herrin, vermag nicht, mich meiner Pflicht abwendig zu machen, obgleich mein Herz vor Qual und Pein zu brechen droht. Ich würde, wenn ich die Thorwache beziehe und ihr, Herrin, in eigener Person das Schloß verlassen wolltet, euch den Weg nur über meinen Leichnam hinweg freigeben, da ich Befehl habe, niemanden aus Tauroggen fortziehen zu lassen. Ihr kennt mich nicht, Herrin, ihr habt euch in mir getäuscht ... Aber habt Erbarmen mit mir und sucht zu verstehen, daß ich euch zur Flucht nicht verhelfen kann, ja nicht einmal hören darf, daß ihr fliehen wollt, denn der Befehl, euch hier festzuhalten, lautet bestimmt und klar und nicht ich allein, sondern auch Braun und die anderen vier zurückgebliebenen Offiziere haben ihn erhalten. O Gott! wenn ich das hätte voraussehen können, so wäre ich lieber ins Feld gezogen ... Ich werde euch nicht überzeugen können, ihr werdet mir keinen Glauben schenken wollen und dennoch – Gott weiß es, Gott wird mich richten, es ist heilige Wahrheit, mein Leben würde ich freudig für euch geben – meine Ehre kann ich nicht geben!«
Während er die letzten Worte sprach, rang Ketling die Hände, dann verstummte er. Er war vollständig erschöpft und atmete nur schwer.
Olenka hatte sich noch nicht von ihrem schmerzlichen Staunen erholt. Sie war außerstande, darüber nachzudenken, wie hohe Achtung die edle Denkungsart dieses außergewöhnlichen, jungen Offiziers verdiente; sie fühlte nur, daß der letzte Rettungsanker schwand, die letzte Hoffnung auf Befreiung aus dieser verhaßten Gefangenschaft.
Noch einmal versuchte sie Ketling zu überreden.
»Ich bin die Enkelin und Tochter eines alten tapferen Soldaten,« sagte sie nach einer Weile. »Mein Vater und mein Großvater stellten auch ihre Ehre über ihr Leben, aber gerade darum hätten sie sich nicht blindlings jedem Befehl gefügt ...«
Ketling zog mit zitternder Hand ein Schreiben aus den Falten seines Kollets, reichte es Olenka und sagte:
»Ueberzeugt euch, Herrin, daß der Befehl streng dienstlich gehalten ist.«
Olenka überflog die Zeilen und las folgendes:
»Da zu Unserer Kenntnis gelangt ist, daß der geborene Billewitsch, Schwertträger von Reußen, beabsichtigt, Unsere Residenz zu verlassen, um in Uns feindlicherweise seine Bekannten, Verwandten, Standesgenossen und Unterthanen um sich zu versammeln und zur Rebellion gegen Seine Schwedische Majestät und Uns anzustiften, so befehlen Wir den in Tauroggen zurückgebliebenen Offizieren, diesen geborenen Billewitsch samt seiner Bruderstochter als Geiseln und Kriegsgefangene zurückzuhalten und ihre Flucht zu verhindern, bei Verlust der Ehre und Bestrafung durch das Kriegsgericht ... u. s. w.«
»Der Befehl ist im ersten Standquartier ausgegeben,« sagte Ketling, »daher ist er uns schriftlich zugegangen.«
»So geschehe denn Gottes Wille!« sagte Olenka nach einer Weile des Stillschweigens. »Es ist geschehen!«
Ketling fühlte, daß es an der Zeit sei, sich hinauszubegeben, dennoch vermochte er nicht, sich von der Stelle zu rühren. Seine blassen Lippen zuckten, als wolle er noch etwas sagen, doch die Stimme versagte ihm.
Ein heftiges Verlangen bemächtigte sich seiner immer mehr, das Verlangen, ihr zu Füßen zu stürzen, ihre Verzeihung anzuflehen. Andererseits fühlte er, wie schwer sie an dem eigenen Unglück zu tragen hatte, und empfand es wie eine Wonne, daß auch er um sie und mit ihr leiden durfte.
Endlich verneigte er sich schweigend, aber gleich im Korridor riß er den Verband von seiner Wunde und fiel ohnmächtig hin. Als nach etwa einer Stunde die Schloßwache ihn dicht an der Treppe liegend fand, war er noch leblos. Er wurde nach dem Zeughause gebracht, wo er während der nächsten zwei Wochen totkrank das Lager nicht verlassen konnte.
Olenka blieb, nachdem Ketling sie verlassen, lange in tiefer Betäubung allein. Sie hätte eher den Tod erwartet, als seine Weigerung. Daher verließen sie, trotz ihrer durch das Unglück gestählten Seele und ihrer außergewöhnlichen Energie, in diesem Augenblick die Kräfte; sie wurde schwach, wie jedes andere Weib und – obgleich sie, ohne es selbst zu wissen, fortwährend die Worte wiederholte: »Gottes Wille geschehe!« – gewann doch der Schmerz die Oberhand über die Resignation und heiße Thränen raunen an ihren Wangen herab.
Da trat der Schwertträger zu ihr in das Gemach. Als er sie so fassungslos dasitzen sah, erriet er sogleich, daß sie ihm etwas Schlimmes mitzuteilen hatte; er frug daher eilig.
»Um Gotteswillen! Was giebt es wieder?«
»Ketling verweigert seinen Beistand,« sagte das Mädchen.
»Sind denn die Menschen hier alle Schufte, Schelme, Höllenhunde? Wie, auch der?«
»Er will uns nicht nur nicht helfen,« antwortete sie klagend, wie ein kleines Kind, »sondern uns sogar mit eigener Lebensgefahr an der Flucht hindern.«
»Warum denn? Bei den Wunden des Herrn! Warum?«
»Weil es unser Geschick so will! Ketling ist kein schlechter Mensch, nur unser Schicksal hat es so bestimmt, denn wir sind die unglücklichsten Menschen in der ganzen Welt.«
»Der Teufel hole alle diese Wichte!« rief der Schwertträger. »Mädchenjäger! Räuber! Diebe! zuletzt Kerkermeister! Der Erdboden möge sich öffnen und sie verschlingen! Besser tot sein, als in diesen verruchten Zeiten leben.«
Der alte Edelmann trabte im Gemach hin und her, ballte die Fäuste, endlich sprach er zähneknirschend:
»Der Wojewode von Wilna war mir lieber, Kmiziz tausendmal lieber, als dieser parfümierte Schelm.«
Und da Olenka nicht antwortete, sondern noch heftiger zu weinen begann, wurde der alte Herr weich, und tröstete nach einer Weile:
»Weine nicht! Kmiziz kam mir nur in den Sinn, weil er der einzige ist, der imstande wäre, uns aus dieser babylonischen Gefangenschaft zu befreien. Der würde mit allen Braunen, Ketlingen, Patersons und mit Boguslaw selbst schnell fertig werden! Aber – die Verräter stecken alle unter einer Decke! Weine nicht! Mit Weinen ist nichts ausgerichtet; hier muß Rat geschafft werden. Will Ketling nicht ... daß er doch schief werde! ... so werden wir ohne ihn fertig ... Ist das dein berühmter Mannesmut, wenn du in der Stunde schwerer Sorge nur weinen kannst? ... Was sagte Ketling?«
»Er sagte, daß der Fürst befohlen hat, uns als Kriegsgefangene zu behandeln, weil er fürchtet, ihr würdet eine Partei Freiwillige um euch sammeln und zu den Konföderierten gehen.«
Der Schwertträger stemmte die Arme unter.
»Ah! Er fürchtet mich! ... Und er hat recht, denn so wahr Gott lebt, das will ich thun!«
»Da der Befehl an Ketling streng dienstlich lautet, so muß er ihn vollziehen bei Verlust der Ehre und Bestrafung von dem Kriegsgericht.«
»Gut! ... So wollen wir uns ohne ihn behelfen.«
Olenka trocknete die Thränen ab.
»Glaubt ihr, Oheim, daß das möglich sein wird?«
»Ich denke, daß es notwendig sein muß, und was sein muß, das ist auch möglich. Wir müssen fort von hier und sollten wir an Stricken aus den Fenstern herabrutschen.«
Und das Fräulein rief schon getröstet:
»Es ist thöricht von nur, zu weinen ... Beraten wir lieber gemeinschaftlich!«
Die letzten Thränen wurden schnell abgewischt, die Brauen zogen sich zusammen, das schöne Gesicht Olenkas nahm wieder den Ausdruck der Entschlossenheit an.
Es erwies sich nun, daß der Schwertträger gar keinen Rat wußte und daß das Fräulein viel erfinderischer in den zu ergreifenden Maßregeln war. Aber auch ihr wurde schwer, das Rechte zu finden, da sie nun wußte, wie ängstlich sie bewacht wurden.
Sie beschlossen daher, nicht eher einen Fluchtversuch zu wagen, bis die ersten Nachrichten von Boguslaw eingetroffen waren. Ihre ganze Hoffnung beruhte darauf, daß das Gericht Gottes ihren Feind erreichen werde. Er konnte fallen oder von einer schweren Krankheit heimgesucht werden. In jedem Falle würde doch in Tauroggen eine Aufregung entstehen, während welcher die Wachsamkeit keine so strenge sein würde.
»Ich kenne den Sapieha,« sagte der Schwertträger, Olenka und sich zum Troste. »Er ist etwas unentschlossen und überlegt lange, dafür ist er sehr ordnungsliebend und steht treu zu König und Vaterland. Er hat alles, sein ganzes Hab und Gut versetzt und verkauft, um ein Heer zu formieren, gegen welches dasjenige Boguslaws ein Spielzeug ist. Jener dort ist der ernste Senator, die personifizierte Ueberlegung, dieser hier ein eitler Fant und Hitzkopf. Kann denn dieser über jenen siegen? Es müßte keine Gerechtigkeit mehr in der Welt geben! ... Warten wir nur die nächsten Nachrichten ab, unterdessen wollen wir beten und Gott bitten, daß er dem Sapieha zum Siege verhelfe.«
Unter solchem Sorgen und Warten verging ein Monat, ein langer, für die bedrückten Herzen schwer zu ertragender Monat, ehe der erste Eilbote ankam. Er brachte nicht nach Tauroggen, sondern an Stenbock Briefe vom Fürsten. Doch erfuhr auch die Tauroggener Besatzung durch ihn den Stand der Dinge.
Ketling, welcher seit dem Tage der Unterredung mit Olenka nicht gewagt hatte, dem Fräulein wieder unter die Augen zu treten, sandte ihr sogleich einen Zettel mit der Nachricht des Geschehenen:
»Fürst Boguslaw hat den Herrn Krystof Sapieha bei Bransk geschlagen; mehrere Fahnen Reiter und Füsiliere sind getötet. Er ist im Begriff, nach Tykozin zu gehen, wo Horotkiewitsch steht.«
Das war ein harter Schlag für Olenka. Die Größe und Stärke ritterlicher Tapferkeit war für ihren Mädchenverstand das einzige Erfordernis, um überall zu siegen. Da sie diese Eigenschaften nun durch den Augenschein an Boguslaw kannte, und selbst zugegen war, wie er mit Leichtigkeit einen Gegner zu werfen verstand, so wurde nach der soeben erhaltenen Nachricht für sie zur Gewißheit, daß Boguslaw mit seinem Heere eine zwar böse, aber unbezwingliche Macht repräsentiere.
Die Hoffnung, der Fürst werde besiegt werden, war nun mit einem Schlage vollständig vernichtet. Umsonst erklärte ihr der alte Ohm, daß der junge Fürst sich gar nicht mit dem alten Feldherrn messen könne, umsonst versicherte er ihr, daß schon die Würde eines Großhetman, welche der König dem Herrn Sapieha unlängst verliehen, demselben ein gewisses Uebergewicht über Boguslaw verleihen müsse. Sie wagte an nichts mehr zu glauben, nichts mehr zu hoffen.
»Wer könnte ihn bezwingen, ihm gleichkommen?« wiederholte sie unablässig.
Weitere Nachrichten schienen ihre Befürchtungen zu bestätigen.
Wenige Tage später sandte Ketling wieder einen Zettel mit der Nachricht, daß Horotkiewitsch geschlagen und Tykozin genommen sei. »Ganz Podlachien,« schrieb er, »ist schon in den Händen des Fürsten, welcher nicht warten will, bis Herr Sapieha ihm entgegen kommt, sondern ihn in Eilmärschen je eher desto lieber zu erreichen sucht.«
»Auch Herr Sapieha wird besiegt werden,« dachte Olenka.
Inzwischen gelangte aber auch noch aus einer anderen Gegend eine Nachricht nach Tauroggen. Sie kam, wie die Nachtigall im Frühling, etwas spät aus dem Süden an die nördlichste Grenze der Republik geflogen. Dafür war sie ausgestattet mit allen leuchtenden Farben einer Legende der Heiligen, den ältesten Zeiten des Christentums entstammend, aus jener Zeit, wo die Heiligen noch auf Erden wandelten, um Zeugnis abzulegen für Recht und Wahrheit.
»Tschenstochau! Tschenstochau!« tönte es aus aller Mund.
Das Eis taute von den Herzen, gleich Frühlingsblumen vom Licht der wärmenden Sonne erweckt, blühte die Hoffnung darin auf. Tschenstochau hatte dem Feinde widerstanden, man hatte sie selbst gesehen, sie die Königin Polens, wie sie ihren blauen Mantel über die bedrohten Mauern gebreitet. Die mörderischen Granaten waren vor ihren heiligen Füßen niedergefallen, hatten sich vor ihr gewälzt, wie schmeichelnde Haushunde. Den Schweden waren die Hände vertrocknet, die Musketen an das Gesicht angewachsen, bis Scham und Entsetzen sie zum Abzug getrieben.
Menschen, die sich bisher fremd geblieben waren, fielen sich in die Arme als sie die Kunde vernahmen und weinten vor Freude. Andere klagten, daß sie die frohe Botschaft erst jetzt erfuhren.
»Und wir sitzen hier in Thränen,« sagten sie, »wir haben in Harm und Qual so lange Zeit verbracht, während welcher wir uns schon hätten freuen können!«
Und nun erst wußte es die ganze Republik. Nun aber rollten auch die gewaltigen Donner der Erhebung vom Pontus Euxynius bis zu den Ufern des Baltischen Meeres. Die Wellen der Empörung gegen die Unterdrücker gingen hoch; das treue Volk stand wie ein Mann auf, jetzt, wo alle sich unter dem Schutze der Gottesmutter wußten. Trost war eingekehrt in die Herzen, Begeisterung machte die Augen leuchten und die Schrecknisse der vergangenen Tage erschienen weniger beängstigend.
»Wer ihn besiegen wird?« sagte der Herr Schwertträger zu Olenka, »wer ihm gleichkommt? Weißt du's nun? Es ist die heilige Jungfrau, an der seine Macht zerschellt.«
Beide, er und Olenka, brachten Tage lang zu Kreuze liegend zu, um Gott für seine Barmherzigkeit mit dem Vaterlande zu danken; sie zweifelten nun auch nicht länger an der eigenen Rettung.
Von Boguslaw hörte man jetzt lange nichts mehr. Es war, als sei er mit seiner ganzen Armee im Wasser versunken. Die Offiziere in Tauroggen wurden unruhig und begannen sich vor einer unsicheren Zukunft zu ängstigen. Die Kunde einer Niederlage wäre ihnen lieber gewesen, als diese Ungewißheit. Aber gerade zu dieser Zeit war es, wo der schreckliche Babinitsch mit seinen Tartaren die fürstliche Armee überholt hatte und alle Boten auffing. Deshalb konnte keiner von ihnen nach Tauroggen gelangen.