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Fünftes Kapitel.

Am Abend desselben Tages saß Frau Geheimrat Renner in der Veranda des Kurgartenrestaurants. Sie hatte heute denselben Platz gewählt, welchen sie bereits seit acht Tagen um dieselbe Stunde innegehabt, umgeben von denselben drei Kavalieren, welche auch jetzt wieder ihre Begleitung bildeten. Es ist ein Opfer, das uns die gnädige Frau bringt, sagte der Oberst Krell, das gefärbte Bärtchen, dessen schmale, an den Enden spitz gedrehte Streifchen die Oberlippe markierten, mit der behandschuhten Linken leise berührend; – ein großes Opfer. Grausam peinlich das, sich von den tausend und drei Bewunderern anstarren lassen zu müssen – alles um unserethalben, die wir sonst in der Menge spurlos verschwinden würden. Nicht wahr, Wolfsberg?

Zu Befehl, Herr Oberst, sagte der Angeredete zerstreut.

Udo, Du schläfst schon wieder, sagte Poly; Du hast gar nicht gehört, was der Oberst gesagt hat; oder Du müßtest, als ein galanter Bruder, für Deine Schwester Partei nehmen.

Ich bitte um Entschuldigung, sagte Udo. Um was handelt es sich denn, Doktor?

Ich kann dem Herrn Oberst nur beipflichten, erwiderte Doktor Gönnich. Die gnädige Frau ist das Licht, um das wir arme graue Motten flattern – aus Nacht in Nacht, nur für einen Moment erhellt von dem Strahl, der von dem Lichte ausgeht.

Ein schönes Gleichnis, sagte der Oberst. Ihr Herren von der Litteratur seid doch um dergleichen nie verlegen.

Ich weiß nicht, sagte Udo; ich finde, daß von uns dreien eigentlich nur der Herr Doktor wie eine Motte aussieht – wie eine veritable Motte.

Ich muß denn doch sehr bitten, Herr von Wolfsberg! rief Gönnich, sich in den Hüften aufrichtend.

Nichts für ungut, Herr Doktor; sagte Udo höflich; ich habe mir dabei nichts Arges gedacht.

Wenn Du überhaupt etwas dabei gedacht hast, warf Poly ein.

Ausnahmsweise, liebe Schwester, erwiderte Udo. Ihr Jägerkostüm, lieber Herr Doktor – bitte, zu beachten, daß es die erste Aeußerung ist, die ich mir über dasselbe erlaube, wie es auch die letzte sein wird – ist ja gewiß sehr praktisch, sehr gesund; aber in den Augen von uns Militärs hat das so etwas – etwas – ich kann das nicht recht ausdrücken, aber der Herr Oberst wird mich verstehen.

Ich vermute, Sie wollten sagen: Sozialdemokratisch-Gleichmacherlustig-Aristokraten-Kopfabschneidermäßiges; rief der Oberst lachend. Aber das finde ich gerade so schön daran. Ich schwärmte für die Zukunftsmusik, lange ehe sie beseligende Gegenwart war, und so schwärme ich für den Zukunftsstaat.

Der Herr Oberst belieben zu scherzen, sagte Gönnich.

Nicht im mindesten, verehrter Herr Doktor. Nur die machtvollen Ideen regieren die Welt, habe ich heute in der Weltgeschichte unsers alten Ranke gelesen; ich habe das Buch zugeklappt, ich konnte nicht weiter lesen: so hatte mich der große und doch so einfache Gedanke gepackt. Nun, und ist nicht der Sozialdemokratismus eine der machtvollsten Ideen, die jemals in die Welt gekommen sind? Machtvoll mit der absoluten Unwiderstehlichkeit einer geometrischen Progression: eine ganz einfache Frage der Zeit, und, ich glaube, einer Zeit, die da sein wird, viel, viel eher, als sich gewisse Köpfe träumen lassen. Vor dreißig, zwanzig, noch vor vierzehn Jahren – was war das für ein Leben hier: Fürsten und Grafen aus aller Herren Ländern: blasierte Russen, die nach Patschuli und Juchten rochen, waghalsige Amerikaner, die das Gold, das sie verspielten, in Kalifornien höchsteigenhändig aus dem Sande gedigget; spleenige Engländer, die sich zur Abwechslung einmal unter grünen Tannen, wo's so schön knallt, erschießen wollten; stolzschweigsame Spanier, zappelnde Italiener, schnatternde Franzosen – und dazwischen all die himmlischen Gestalten, die nicht fragten, ob Franzose, Spanier oder Italiener oder wer sonst, nur: ob der Mann Geld hätte, um ihnen verklärt zu erscheinen – wohin, wohin diese farbenbunte, sinnberückende Zauberwelt? Vernichtet! ausgelöscht! Von wem? Von der Riesenhand, die aus der Zukunft nur einen kleinen Finger herauszustrecken brauchte, damit die ganze Herrlichkeit in Trümmer sank. Und die wir bald ganz sehen werden, wie sie gelassen alles von der Bildfläche wischt, aus der dann das Geschlecht der Zukunft hervortritt – natürlich von Kopf bis zu Fuß in Wolle, den Schlapphut keck auf das blonde Haar gedrückt, die hochherzige Brust in die biedere Joppe geknöpft, die Fortschrittsbeine in elastischen, wahrheitsliebenden Trikots, die nivellierenden Füße in breiten Schnallenschuhen, wie – unser Herr Doktor hier.

Gönnich, der in seiner Eigenschaft als Schöngeist es für selbstverständliche Pflicht erachtet hatte, den Tiraden des geistreichen Obersten mit verbindlichem Lächeln und obligatem Kopfnicken zu lauschen, machte, als sich die Spitze derselben nun schließlich doch wieder gegen ihn kehrte, ein sehr verblüfftes Gesicht, worüber Udo in ein fröhliches Lachen ausbrach, das die Verlegenheit des Getroffenen noch vermehrte. Poly, die es mit dem Doktor nicht verderben durfte und mit dem Baron nicht verderben wollte, meinte, daß die Sache trotz der scherzhaften Wendung, welche letzterer derselben gegeben, und trotz Udos Gelächter, der eben immer an der unrechten Stelle lache, doch ihre sehr ernsthafte Seite habe, und daß sie den Mann loben müsse, der, wie der Doktor, den Mut besitze, schon in der Gegenwart die Zukunft zu antizipieren und dieser dadurch die vernichtende Gewalt zu rauben.

Ich hör' Ulyssen reden, sagte der Oberst mit einer galanten Verbeugung. Sie müssen durchaus in den Reichstag, gnädige Frau, um himmlische Kompromißrosen in das schauderhaft irdische Parteileben zu weben.

Sehr wahr! rief Gönnich; die Frage der politischen Stimmfähigkeit der Frauen, welche in Amerika bereits –

Du, Poly, da ist die schöne Engländerin wieder! sagte Udo, seine Schwester anstoßend. Da, die da mit der gelben Jacke! Ich weiß jetzt auch, wer sie ist: eine Lady Douglas – der langweilige Kerl, der neben ihr geht, ist ihr Mann. Sie wohnen im Angleterre. Da, eben kehren sie wieder um – sie kommen hier vorbei.

In der That sehr chic, soweit es sich aus der Rückenansicht beurteilen läßt! sagte der Oberst, sein Lorgnon fester ins Auge klemmend.

Finden Sie? sagte Poly, ihre Lorgnette fallen lassend.

Purer Brotneid, murmelte Udo.

Du machst von der brüderlichen Freiheit einen ausgedehnten Gebrauch, sagte Poly.

Na, es ist doch aber auch wirklich wahr, rief Udo. Wenn die nicht schön ist! Reinstes englisches Vollblut!

Inklusive den schleppenden Gang, der noch immer an Homers schwerhinwandelndes nützliches Haustier erinnert, sagte Gönnich mit einem beifallsuchenden Blick in Polys Augen, welchen diese mit einem dankbaren Lächeln und einem leichten Fächerschlag auf den Arm des Satirikers erwiderte.

Hony soi qui mal y pense, bemerkte der Oberst trocken, es ungewiß lassend, ob er es auf den klassischen Vergleich des Doktors, oder auf den Fächerschlag bezog. Poly wandte sich hastig wieder nach dem Gewühl der Vorüberwandelnden, in das sie durch ihre Lorgnette eifrig zu blicken schien.

Da sind auch Deine »drei Gleichen«, Udo! rief sie.

Wo? wo? fragte der Leutnant.

Dort! sie stehen eben vor der Musik still.

Die drei gleich großen, das heißt: gleich kleinen Dämchen mit dem alten Herrn neben ihnen? fragte der Oberst.

Eben die, erwiderte Poly. Udos letzte Flammen, das heißt vorletzte, denn den letzten Platz in seinem großen Herzen müssen wir doch wohl der schönen Lady lassen.

Nonsens: Flammen! sagte Udo; sie sind gar nicht schön, bloß zum Anbeißen niedlich, wahrhaftig. Jammer und schade, daß sie positiv nicht zu unterscheiden sind – auf Ehre! Sie lachen, Gönnich? ich pariere, was Sie wollen: Sie können es auch nicht. Kommen Sie mit!

Udo war aufgesprungen.

Ich trage gar kein Verlangen, mich als Paris Ihrer drei Göttinnen aufzuspielen, sagte Gönnich.

Der Doktor will Ihnen nur keine Konkurrenz machen, sagte der Oberst.

Thun Sie ihm doch den Gefallen! flüsterte Poly.

Wie Sie befehlen, sagte Gönnich, indem er sich mit einem ärgerlich-mißtrauischen Blick auf die Dame und den Oberst erhob und Udo nachging, der sich bereits zwischen den benachbarten Tischen durchgedrängt hatte.

Welchem Umstande verdanke ich diese unerhörte Gunst? fragte der Oberst, mit einem spöttischen Lächeln seinen Sessel noch einen Zoll näher an den der Dame rückend.

Davon sogleich, erwiderte diese. Zuerst wollte ich Sie bitten, meinen armen Schützling Ihre Ueberlegenheit nicht immer so grausam fühlen zu lassen.

Würde ich so grausam sein, wenn er nicht Ihr Schützling wäre?

Mein Gott, sagte Poly, er ist nicht sowohl mein Schützling wie der meines Mannes. Mein Mann hat ihn mir so auf die Seele gebunden; er hält so große Stücke auf ihn und protegiert ihn auf alle mögliche Weise. In Berlin war leider kein Platz für ihn; mein Mann hat ihn deshalb nach Straßburg geschickt. Aber Gönnich sagt, er geht dort unter; er möchte wieder nach Berlin. Er ist jetzt nur deshalb herübergekommen, um mich zu bitten, ein gutes Wort für ihn bei Renner einzulegen, den ich nebenbei in der nächsten Woche hier erwarte. Ich werde mein möglichstes thun, ich gestehe es: auch in meinem Interesse. Ich brauche ihn für meine litterarischen Abende. Gönnich liest bezaubernd und ist mir auch sonst sehr nützlich, wo und wie er kann. Er hat meine Gedichte herrlich in den Grenzboten rezensiert und ist von meinem Julius Cäsar entzückt. Ich habe ihm das Manuskript zur Durchsicht gegeben; er behauptet, in dem Stück wehe echt Shakespearescher Geist.

Es ist gewiß ein herrliches Stück, sagte der Oberst; kommt auch ein Narr darin vor? so ein recht gutmütiger, wie der, für den mich eben meine liebenswürdige Freundin zu nehmen scheint?

Er hatte sich in den Sessel zurückgelehnt und blies den Rauch seiner Zigarette in die Luft.

Sie sind nicht klug, Krell: dem Reinen ist alles rein.

Ich rühme mich, der reinlichste Mensch von der Welt zu sein, sagte der Oberst, ein Stäubchen Asche von seiner blendend weißen Manschette klopfend.

Ich sagte: rein, nicht reinlich.

Und ich sage: Poly Wolfsberg sollte sich schämen, ihrem alten Liebhaber ein X für ein U zu machen.

Er bog sich vornüber und blickte Poly starr in die Augen. Poly versuchte, den Blick auszuhalten, was ihr auch gelang. Aber dem maliziösen Lächeln, das jetzt um den noch immer hübschen Mund ihres Vis-a-vis zu zucken begann und sich dann blitzschnell die Wangen hinauf bis in die geschminkten Fältchen an den Augenecken fortschlängelte, vermochte sie nicht zu widerstehen. Der Oberst stimmte mit faunischem Behagen jetzt offen ein.

So ist es recht, sagte er; das richtige Augurenlachen, wie es sich für uns schickt.

Mein Gott, ja, sagte Poly; ich wußte, daß Sie mir das kleine lyrische Intermezzo nicht mißgönnen würden.

Prinzipiell auf keine Weise, liebe Freundin; aber individuell – wenn Sie ihm doch wenigstens die alberne Tracht abgewöhnen könnten, mit der er nebenbei in unverantwortlicher Weise kokettiert.

Chacun à son goût, lieber Krell. Ich mokiere mich doch auch nicht über Fräulein Selmas Toilette, trotzdem sie heute auf der Promenade wieder einmal unglaublich war.

Dafür habe ich aber wenigstens den guten Geschmack, mich nicht öffentlich mit ihr zu zeigen.

Es möchte Ihnen auch schlecht bekommen; ich denke, Sie erwarten Ihre Frau Gemahlin jeden Tag?

Mit derselben zärtlichen Sehnsucht, wie Sie Ihren Herrn Gemahl.

Poly warf sich in ihren Stuhl zurück und begann mit ihrem Fächer zu dem Hochzeitsmarsch aus dem Lohengrin, welcher eben vom Orchester gespielt wurde, den Takt zu schlagen. Unerlaubt falsch, wie der musikalische Oberst halb schadenfroh, halb mitleidig bemerkte. Ihm war es keineswegs ernst mit dem Streite gewesen und am wenigsten hatte es in seiner Absicht gelegen, die schöne Freundin zu erzürnen. Sich einen Menschen, wie den Gönnich, zum Liebhaber zu nehmen, war freilich arg; aber Polys Geschmack war ihm nie über allen Zweifel erhaben gewesen, und jedenfalls hatte es keinen Sinn, sich deswegen mit ihr zu verfeinden, oder gar mit ihr zu brechen.

Er berührte leise ihre linke Hand, welche in seiner unmittelbaren Nähe auf dem Tische ruhte und sagte:

Und damit sich zwei alte Freunde alle diese Liebenswürdigkeiten ungestört sagen können, haben Sie die beiden jungen Leute weggeschickt? Kommen Sie! wir haben zu viel miteinander in Freud und Leid erlebt! Und wenn ich auch jetzt nach jeder Seite ein alter a. D. bin, so werden Sie, die Sie einst die Herrin meines Herzens waren und es jeden Augenblick wieder sein können, mir doch, sowenig wie mein oberster Kriegsherr, das Zeugnis versagen, daß ich alle Zeit nicht ohne Ruhm gedient habe.

Die schöne Frau schien wider sein Erwarten durch diese Erklärung nicht befriedigt. Sie hatte ihre Hand schnell zurückgezogen, und der Ausdruck von Unmut auf ihrem Gesicht war nicht gewichen, wenn sie auch, zum Glück für des Obersten empfindliche Nerven, das leidige falsche Taktschlagen eingestellt hatte. Sie blickte starr vor sich hin und sagte plötzlich:

Ossecks sind heute angekommen.

Ah! sagte der Oberst.

Ich wußte schon vorgestern, daß sie kommen würden – von der Generalin selbst. Ich hielt es denn doch für klüger, ihr nicht aus dem Wege zu gehen, wie gewisse Leute es gethan haben. Sie war sehr gnädig; erkundigte sich angelegentlichst nach Papas und Mamas Befinden; bedauerte, die Eltern neuerdings so wenig zu sehen – als ob sie sich nicht immer möglichst aus dem Wege gegangen wären! – aber sie lebe, seit ihre Hilde sich verheiratet, ganz zurückgezogen; sehe keinen Menschen und so weiter. Und dann kam die große Neuigkeit. Ossecks würden auch im Angleterre wohnen; sie hätten natürlich das Kindchen bei sich – was sagen Sie dazu?

Daß Ossecks auch das Kindchen bei sich haben? erwiderte der Oberst. Nun, ich finde das ebenfalls ganz natürlich. Ist es ein Knabe oder ein Mädchen? Bleiben Sie sitzen, liebe Freundin! ich will, wenn Sie wollen, ganz ernsthaft sein. Auch ich bin von Ossecks Anwesenheit hier nicht sehr enchantiert, besonders, wenn dieselbe, wie es scheint, längere Zeit dauern wird. Aber was ist dagegen, oder auch nur dabei zu thun? Man muß sich eben, als ein Weiser, in das Unvermeidliche mit Würde fügen.

Sie haben gut reden, rief Poly; Sie haben sich freilich damals salviert und über meinen Kopf mit ihm Frieden geschlossen.

Doch besser über Ihren Kopf, als über Ihr Herz, sagte der Oberst. Uebrigens sprechen Sie, bitte, etwas leiser; man beginnt so wie so bereits, sich über unser langes tête à tête zu wundern. Nein, nein, liebe Poly, seien wir doch ehrlich: Sie haben Osseck so wenig geliebt, wie mich. Und weil wir, Osseck und ich, das wußten, respektive uns nach einigen Auseinandersetzungen darüber verständigten, brauchten wir einander nicht die Hälse zu brechen, sondern durften, wenn nicht die alten Freunde bleiben – dazu war die Sache doch ein wenig zu pikant – uns doch gegenseitig auf einen Fuß stellen, der mir erlaubte, dem jungen Paare zur Hochzeit zu gratulieren, was ich denn auch in der landesüblichen Form mit aller mir zu Gebote stehenden Höflichkeit gethan habe. Und jetzt?

Gedenke ich, auf diesem Fuß weiter mit ihm und mit seiner Frau zu verkehren. Was sonst?

Da die Antwort ausblieb, suchte der Oberst dieselbe von dem Gesicht der Dame zu lesen und wäre über den Anblick fast erschrocken: so waren die klassischen Züge von einem Hasseslächeln, das fast ein Grinsen war, widerwärtig entstellt. Er hatte der sonst so Leichtlebigen, Leichtfertigen diese Energie der Empfindung nicht zugetraut; es war ihm, als hätte er zufällig in einem Buche, das er genau zu kennen glaubte, eine neue Seite aufgeschlagen.

Sie müssen Osseck gründlich hassen, sagte er mit einer Art von Respekt.

Soll ich es etwa nicht? erwiderte sie, die Flügel der Jacke, wie um sich Luft zu machen, von dem vollen Busen schiebend; er ist das Unglück meines Lebens; er ist an allem schuld. Oder denken Sie, ein Mädchen, wie ich, schließt eine solche Ehe außer in halber Verzweiflung?

A qui le dites-vous! sagte der Oberst, sich eine neue Zigarrette anzündend.

Mit Ihnen ist es ganz was anders! Sie wollten, Sie mußten sich rangieren. Sie hatten Ihre goldene Freiheit, wie Sie das nennen, nach allen Seiten ausgekostet, und mit vier Millionen kann sich auch der flotteste Offizier ins Privatleben zurückziehen. Aber ich – ich!

Der Oberst hatte auf den Lippen, zu sagen, daß, wenn der famose Baron Krell das dicke Fräulein Rosa Golde zu ihren vier Millionen in den Kauf genommen habe, sich die rote Poly mit ihren fünfundzwanzig Jahren über den notorisch steinreichen vortragenden Rat im Kultus-Ministerium nicht eben zu beklagen brauche; aber er behielt den Gedanken für sich und sagte:

Revenon à nos chers amis! Sie wollen also, wenn ich Sie recht verstehe, Krieg mit Ossecks und mich dabei als Ihren Bundesgenossen.

Zu meinem Bundesgenossen auf jeden Fall, erwiderte Poly eifrig, und auch Krieg, ganz gewiß, aber eben so gewiß keinen offenen. Wollte ich den, würde ich mich dann der alten Generalin so genähert haben?

Freilich, daran dachte ich nicht.

Sehen Sie! Und dieser kluge Schritt hat mir ungeheuer genützt. Ich habe herausgebracht, daß die Generalin ihren Schwiegersohn nichts weniger als leiden kann, vermutlich, weil er nicht splendabel genug ist.

Glaube ich nicht, sagte der Oberst kopfschüttelnd. Sie wissen recht gut: ich hasse Osseck mindestens ebenso gemütvoll wie Sie, und bin nicht minder entschlossen wie Sie, gelegentlich meine Revanche an ihm zu nehmen. Aber ich lasse auch meinen Feinden soweit Gerechtigkeit widerfahren: Osseck ist immer die Freigebigkeit und Generosität selbst gewesen.

Meinetwegen. So ist es, weil sie in ihren Grasaffen von Tochter verliebt ist. Verliebte Mütter detestieren ihre Schwiegersöhne.

Die meine betet mich an, sagte der Oberst. Indessen, was wollen Sie damit? Ich meine: wie gedenken Sie das gegen Osseck zu gebrauchen?

Vorläufig habe ich dafür gesorgt, daß die Generalin über Osseck nach unserer Unterredung nicht besser denken wird, als vorher. Aber das genügt mir natürlich nicht. Was liegt an dem schlechten Verhältnis zwischen Schwiegermama und Schwiegersohn, solange das zwischen den beiden Gatten gut ist? Es soll jetzt sehr gut sein; aber so etwas kann sich ändern.

Donna è mobile, summte der Oberst.

Also! Die kleine Frau steht gewiß unter dem Einfluß ihrer Mutter, wie alle verzogenen Kinder. Da müßte man anknüpfen. Versteht sich: sehr vorsichtig, ohne Osseck zu brüskieren – im Gegenteil. Ich werde gegen ihn die Liebenswürdigkeit selber sein. Und wenn Sie, lieber Krell, die kleine Frau – mein Gott, Sie sind ja unwiderstehlich, wenn Sie wollen. Seien Sie es in diesem Falle – mir zuliebe! Sie haben noch eine schwere Schuld gegen mich abzutragen – Sie wissen es, Krell! Thuen Sie es jetzt – meine Dankbarkeit soll unbegrenzt sein.

Sie blickten einander starr in die Augen und lächelten dann gleichzeitig.

Abgemacht, sagte Poly. Und nun lassen Sie uns ein wenig promenieren; es fängt an, kühl zu werden.

Sie hatten sich erhoben; in diesem Augenblicke kam Udo, dem Gönnich langsam folgte, zwischen den jetzt weniger besetzten Tischen eiligen Schrittes heran, schon, bevor er sie völlig erreichte, rufend: Schnell, Poly, schnell!

Was gibt's? Habt Ihr die drei Gleichen –

Ach was, drei Gleichen! Die kleine Osseck – so was ist noch nicht dagewesen – Du mußt sie sehen!

Er wollte den Arm seiner Schwester nehmen.

Geht Ihr nur voraus und zeigt uns den Weg! Ich komme mit dem Baron nach.

Aber schnell! Sie stehen da unten an den Buden. Ich glaube, sie wollen schon wieder fort. Ich sage Dir, wunderbar!

Er hatte Gönnich mit sich fortgerissen, Poly und der Oberst folgten Arm in Arm, nachdem sie aus den Tischen heraus waren und nun, die Stufen der Estrade herabsteigend, in das Gedränge unten im Garten gelangten. Poly drückte den Arm, den sie in dem ihrigen hielt, fester an sich.

Ich denke, das hat Ihnen Mut gemacht, flüsterte sie.

An dem hat es dem Baron Krell noch nie gefehlt, sobald es zur Attacke ging, erwiderte der Oberst, mit dem Goldfinger der freien Hand auf die Spitze seines Schnurrbärtchens tupfend.



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