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Ein ‹uninteressanter› Paß

Mit merkwürdiger Übereinstimmung wurde mir überall unterwegs, wo ich meine Absicht äußerte, über den Pragelpaß zu wandern, der nämliche abmahnende Bescheid: «Ein mühsamer und uninteressanter Paß!» Oder auch als Variante: «Ein schmutziger Weg». Diesen Einwänden würde ich wohl Gehör gegeben haben, wenn mir nicht die Erinnerung an einen alten Pragelübergang aus der Zeit meiner Knabenjahre das Gegenteil gesagt hätte, und da man den eigenen Augen, und wären es selbst Phantasieaugen, immer mehr Glauben schuldet als bloßen Gerüchten, so beschloß ich, dem üblen Rufe des Pragels zum Trotz, bei meinem Vorsatz zu beharren. Im schlimmsten Falle, wenn ich Unrecht behielt, was verlor ich denn dabei? Mit eigensinniger Sehnsucht trieb es mich dorthin zurück, und die endliche Befriedigung eines langjährigen eigensinnigen Wunsches ist ja an sich ein Genuß, und keiner von den geringsten.

Um aber gleich vorweg das Ergebnis meines Versuches mitzuteilen, so sei gesagt, daß ich mich jetzt, nachdem ich soeben den Pragel wieder begangen, keineswegs für widerlegt bekenne, sondern im Gegenteil meine alte Überzeugung von der großen und mannigfaltigen Schönheit dieses Passes festhalte.

Es handelt sich eben darum, was man begehrt. Ist Aussicht das einzige, was wir von den Bergen verlangen? Wenn ja, nun dann kommt der Pragel freilich gar nicht als Wanderziel in Betracht. Lauter Kulissenszenen, beschränkt und verhangen, weder auf der Paßhöhe noch unterwegs beträchtliche Fernsichten. Allein es gibt ja noch andere und nach meiner Meinung viel bedeutendere landschaftliche Schönheitsmomente als die Aussicht: zum Beispiel die Gruppierung und Verschiebung der Bergzüge, die geschlossene Abrundung einzelner Vordergründe zu stimmungsvollen Bildern, die Abtönung des Lichtes, die inhaltreiche Ahnung, welche über geheimnisvollen Linien und rätselhaften Wegen schwebt. Das, was man nicht sieht, ist in der Landschaft oft noch wichtiger, als was man mit dem sinnlichen Auge wahrnimmt.

Der Pragelpaß ist nun in hervorragendem Sinne ein ahnungsreicher Paß. Auf Schritt und Tritt ist der Horizont nach derjenigen Seite, nach welcher wir vordringen, also zunächst nach oben, verheimlicht. Sogar die Richtung bleibt dem Auge fortwährend unklar, denn mehr als ein halbes Stündchen der Strecke, der wir zustreben, wird selten überschaut. Folgt aber daraus die Minderwertigkeit des Weges? Im Gegenteil. Es bleiben im Gedächtnis, und zwar tief innen im Gedächtnis, eine Menge gesonderter bedeutender Bilder haften: träumerische Waldverließe, düstere Halden, freundliche Weiden, geheimnisvolle Eitäler, silberne Steinmeere und Schneegipfel, abenteuerliche Felsenwälle und tiefe Bachgründe.

Zweifellos ist es lohnender, die Wanderung von der Schwyzerseite her zu unternehmen als umgekehrt, weil im genannten Fall der entzückendere Teil des Weges, das Klöntal, als Lohn der Mühe an das Ende fällt. Auch der steilere, mithin rascher fördernde Hang der Schwyzerseite, sowie der Umstand, daß in den Morgenstunden die Schwyzerseite im Schatten liegt, sprechen zugunsten des Aufbruches von Muotathal.

 

Gleich hinter den letzten Häusern des langgestreckten Dorfes Muotathal geht es steil auf steinigem Stutz hinan, durch abenteuerlichen Schutt, über welchen bei anhaltendem oder heftigem Regen Felstrümmer und Baumstämme herunterkollern. Allein die bösesten Wege sind mitunter die unterhaltendsten. Es ist ferner ermutigend, gleich anfangs in dichtem, kühlem Schatten eine beträchtliche Höhe zu überwinden. Übrigens umfängt uns in Bälde der Wald mit ebenso tröstlichen als schönen Baumgruppen, zwischen welchen wir links in das tiefe Tobel des Starzlenbaches hinunterblicken, der uns auf dem ersten Drittel des Aufstieges beständig begleitet. Jenseits über dem Starzlenbach thront der Forstberg, einer jener sonderbar geformten Zackenberge, die dem Muotatal seinen geheimnisvollen Charakter verleihen. Zur anderen Seite, also zur Rechten, beherrscht der Wasserberg auf lange Zeit das Landschaftsbild. Kurz vorübergehend gewinnen wir während der ersten halben Stunde auch einen Blick ins Hürital gegen den Kinzig. Der Rückblick zeigt beständig das Dorf Muotathal mit seiner nächsten Umgebung. Diese erste Partie, welche ob ihrer Unwegsamkeit in den Fremdenbüchern des Dorfes Muotathal so übereinstimmend mit Entsetzen vermerkt steht, ist gerade jene, die ich als besonders lohnend empfinde. Und nicht ich allein, sondern die ganze Gesellschaft, mit der ich wanderte, eine gemischte Gesellschaft von allerlei jungem und älterem Volk, teilte mein Entzücken. «Mühsamer, schlechter Weg!» Wer wissen will, was ein mühsamer, schlechter Weg ist, der steige von Rigi-Scheidegg nach Gersau hinunter oder von Airolo nach Val Piora hinauf; dagegen ist die berüchtigte Schutthalde des Pragel eitel Vergnügen. Das einzige, was ich dieser Partie vorzuwerfen habe, ist, daß sie nicht länger dauert.

Hierauf erscheint sonniges, hügeliges Wiesenland, Mulde über Mulde, ab und zu ein Häuschen, hin und wieder etwas sumpfige Matten, über welche Steinplatten führen. Weder der Weg, noch die Richtung ist unmittelbar einleuchtend, so daß einiges Irrewandern nicht ausgeschlossen ist. Wohl findet man den Pfad schließlich wieder, nachdem man vielleicht einen breiten Karrenweg eingeschlagen, der sich allmählich in einen Bach verwandelt; allein auf einem unwirtlichen Paß, wo man bis auf die Paßhöhe keine Erquickung, nicht einmal ein Tröpfchen Milch vorfindet, bedeutet die Versäumnis eines halben Stündchens eine unnütze Verlängerung der Entbehrungen. Wer also Gelegenheit hat, einen solchen Begleiter mitzunehmen, der den Paß schon einmal begangen hat, der verschmähe die Begleitung nicht. Es kommt zum Beispiel vor, daß der richtige Pfad abwärts führt, während allerlei falsche Wege in die Höhe schwenken; wie soll da einer sofort auf die rechte Spur kommen? Nun winken zwar öfters Häuschen zur Seite in den Matten, auf größere oder geringere Entfernung, irgendwo auf einem Hügel; doch wird die Hoffnung, sich dort Rat zu holen, meistens zuschanden. Sei es, daß keine Menschenseele zu Hause ist, oder daß scheue Buben sich vor unserer Ankunft verkriechen, oder daß uns ungenügend geantwortet wird. Nämlich so freundlich und leutselig auch die dortigen Hirten sind, die Gabe, einem Fremden Richtung und Weg verständlich zu machen, scheint ihnen nicht verliehen zu sein. Ein paar Wegweiser in jenem Wiesengebiet wären daher wünschbar!

Eine lange, lange Zeit steigen wir auf den lieblichen, mit Tobeln durchzogenen, luftigen, doch sonnigen Weiden. Inzwischen legen wir allmählich den Forstberg zurück und der Drusberg nimmt seine Stelle zu unserer Linken ein, der seinerseits mehr und mehr an uns vorbeizieht. Das Gefühl, uns der Paßhöhe zu nähern, vom Bewußtsein der beträchtlichen Höhe, die wir schon gewonnen, geweckt und vom sehnsüchtigen Wunsch genährt, wird überdies durch die freien Linien und die ahnungsvolle Lichtfülle bestätigt; da erscheint weit, weit vor uns in duftiger Ferne in der hintersten Kulisse ein milchig leuchtender Berg, die Silbernalp. Eine herrliche, aber niederschlagende Erscheinung; denn dort oben irgendwo müssen wir hinüber. Die Paßhöhe liegt mithin noch weit in unsichtbarer Ferne. Das ist eine ganz energische Enttäuschung, die in solcher Stärke dem Pragelpaß eigentümlich angehört. Diese Enttäuschung wirkt aber um so entmutigender, als sie ihrerseits wieder täuscht, indem der Blick, durch den Dunst verführt, die Entfernung bedeutend größer schätzt, als sie in Wirklichkeit ist. Hier gilt es also, sich nicht bange machen zu lassen.

In der Tat treten wir jetzt wieder in erquickende Landschaftsreihen ein. Der Wald, den wir längst neidisch zu unserer Rechten über uns schauten, nähert sich mehr und mehr unserer Bahn, bis er uns endlich umfängt. Reizende Tannenidylle mit Erdbeergründen locken zum Weilen ein; und wer vorsichtig genug war, sich mit Nahrung und Getränk zu versorgen, mag der Einladung Folge leisten. Im andern Falle gilt es jedoch der Verlockung zu widerstehen, da erst auf der Paßhöhe, die noch eine Stunde entfernt liegt, Labung erhältlich ist. Auch wird, wenn man nicht sehr früh aufbrach, die Mittagsstunde schon nahe sein; jedenfalls wird sich Durst und Appetit an diesem Punkte schon gebieterisch melden. Nachdem wir den Wald durchschritten, stehen wir plötzlich in einem äußerst bedeutenden, stimmungsvollen Eital, einem wahren Alpentraum voller Licht und Phantasie; ein geschlossenes Stück Hochwelt, ruhig und vollendet. Wie man eigentlich da hinein gelangt, das vergißt merkwürdigerweise die Erinnerung; kurz, man steht darin und zwar auf dem Boden des Tales, während zu allen Seiten waldige Felswände uns umringen. Wiederum sieht man sich desorientiert. Wo hinaus aus diesem innigen Verließ? Nun, der Pfad bewährt sich, indem man ihm Schritt um Schritt folgt, diesmal als ein getreuer Führer. Aus dem Talboden, der an einen Seeboden gemahnt, erhebt sich am gegenüberliegenden Ende ein schroffer, spärlich bewaldeter Stutz, von welchem ein lebhafter Bach heruntersprudelt, während Tümpel und froschreiche Naturkanäle den Boden befeuchten, weshalb denn auch hier wieder der Weg auf den für den Pragel charakteristischen Steinplatten fortläuft. Eine böse, sonnige, die bereits erlahmenden Kräfte erschöpfende Strecke, eine Art Lungenstutz. Aber zugleich die letzte mühsame Partie. Und wie schön! Wie schön namentlich in der Erinnerung, wo die Körperarbeit wegfällt.

Der begleitende Bach entpuppt sich allmählich als Quellbach, dessen Wasser immer kälter und schließlich eisig wird. An Stelle des Drusberges zur Linken ist inzwischen der Miesern getreten, dessen hintere Randlinie uns die Paßhöhe verspricht. Mit einem Male aber springen unerwartet über die rechtseitigen Waldkuppen riesige Bergungeheuer empor, mit Schnee teilweise bedeckt, ein so entzückender Anblick, daß die Erinnerung daran mich aus meinen Knabenjahren her noch mit Sehnsucht nach dem Wiedersehen erfüllte. Es sind natürlich Urnerberge: Schächentaler Windgälle oder so etwas. Mit dem Augenblick, da die Urnerberge erscheinen, ist für das Bewußtsein die Höhe gewonnen, denn der geistige Genuß läßt fortan die körperliche Mattigkeit vergessen.

Zugleich neigt sich jetzt der Stutz, an welchem wir klimmen, bequemer; die Steigung wird unbedeutend, ja öfters unmerklich. Und damit der Lohn vollständig sei, erstreckt sich nun auch die Silbernalp in ihrer ganzen stattlichen Breite unmittelbar vor unsern Augen. Nun, wer den Pragel verachtet, was sagt er denn zur Silbernalp? Nach meiner Meinung ist das ein überwältigendes Schauspiel, wie man es nicht leicht wieder findet. Ich möchte die Silbernalp der Tremolaschlucht des Gotthardpasses an die Seite stellen. Ein Gestein, reiner und weißer als ein Schneefeld; Fels in Duft verwandelt. Wir biegen vor der Silbernalp links ab, der Miesern zu: über weite, teilweise versumpfte Weiden bequem auf untrügerischem Wege wandernd, der sich fast eben hinanzieht. Der Raum zwischen Miesern und Silbern verengert sich; eine Sennhütte liegt zur Rechten etwas abseits von uns. Sollte das die Paßhöhe sein? Richtig, vor der Sennhütte ragt ein Block, mit Alpenrosen bewachsen, mit einem Steinmännchen geschmückt. Das Steinmännchen ist das Triumphzeichen, das jeder sofort versteht. Und wo bleiben nun Müdigkeit, Verdruß und Ungeduld? Nachdem wir stundenlang die Höhe ersehnt, ruft jetzt plötzlich alles in uns den einzigen Überraschungsspruch: «Wie? wäre es möglich? wir sind schon oben?» Und jetzt schämen wir uns der zeitweiligen Verzagtheit. Ja, wenn man uns dort unten, am bösen Stutz des Eitales gesagt hätte, daß die Höhe so nahe ist?

Während ich dies schreibe, bringt mir die Post die ‹Neue Zürcher Zeitung› mit ihrer Beschreibung der Gebirgsreisen in der Schweiz vor hundert Jahren. Da bin ich nun nahe daran, mich zu schämen, denn das ist mir klar: meine Schilderungen der Mühseligkeit und Verzagtheit anläßlich eines so unbedeutenden Hindernisses wie der Pragelpaß haben eine verwünschte Ähnlichkeit mit der ‹Reise auf den Uetliberg›. Aber ich schäme mich doch nicht, erstens weil ich mich grundsätzlich überhaupt niemals schäme, und dann, weil ich an der so gewaltigen körperlichen Überlegenheit unseres heutigen Menschengeschlechts ein bißchen zweifle. Es ist ja Larifari, daß die heutigen Bergfexen die Schneegipfel spielend nehmen; sie schwitzen und knorzen unterwegs ebenfalls. Nur macht es sich im Jahrhundert des Sportes nicht gut, das schriftlich einzugestehen. Ein jedes Zeitalter hat eben sein eigenes Ideal: vor hundert Jahren war es die Weichherzigkeit, heute ist es die Hartwadigkeit.

Also die Paßhöhe wäre gewonnen. Was gibt es nun da oben in der Sennhütte zu beißen? Hartes altes Brot mit Butter und Ziegenkäse. Überdies natürlich Milch, so viel das Herz begehrt. Das ist etwas wenig; dafür gibt es anderseits etwas zu viel: nämlich ein Schmutzmeer von allerlei tierischen Auswürfen, das die Hütte umgibt und das uns mit seinen Ausdünstungen bald in die Flucht jagt, so daß aus der erhofften Ruhe nichts wird. Das ist das Beschwerliche am Pragelpaß, daß er vom einen Fuß zum andern keine einzige Gelegenheit gewährt, sich zu laben und sich zu erholen. Freilich, billig reist man auf solche Weise.

 

Von der Paßhöhe nach Richisau und auch weiter bis Glarus hinab kommen wir jetzt durch eine ununterbrochene Reihe der bedeutendsten Landschaften. Zunächst läuft der Weg noch eine geraume Weile in dem schmalen Korridor zwischen Miesern und Silbern. Die Silbern streut ihr wundersames Blankgestein bis hart an unseren Pfad, ja sogar darauf hinüber. Alpenrosen erscheinen in Menge, zur Rechten, an der Silbern, und kommen mehr und mehr in unsere Nähe. Den Pfad säumen Enzianen. Öfters ist das Gestein des Weges mit Blumen so bunt besetzt, daß liebliche Felsgärtchen entstehen.

Dann geht es in erweiterter Kluft scharf abwärts, über mancherlei Bäche in den herrlichen großen Wald, der uns fortan bis Richisau umgibt. Auf Schritt und Tritt schauen links und rechts Köpfe und Wälle der Klöntaler Berge oben und zwischen herein; jeden Augenblick bietet die Waldlandschaft andere Motive. Hier ist es ein Bach, der die Szene beherrscht, dort treten wir auf eine freie Blöße; einmal befinden wir uns in sonnigem Zwielicht, ein andermal im Tannendunkel. Und öfters ziehen wir eine geraume Strecke ebenaus, so daß man vermeint, schon unten im Tale zu wandern. Um so mehr, wenn allmählich in dem Tannenbestand Ahornbäume auftauchen, die dem Wald Reichtum und Üppigkeit verleihen. Indessen, der Weg ist weit, und die Knie verspüren es. Unaufhörlich folgen sich die Waldgruppen, und ähnlich wie auf der anderen Seite des Pragels bleibt auch diesseits das Ziel, das jetzt Richisau heißt, verborgen. Wir werden in der Tat das Haus nicht früher gewahren, als bis wir hart davorstehen.

Endlich, auf der Schanze einer beherrschenden Halde, kommt uns in der Ferne der Klöntalersee zu Gesicht, scheinbar ziemlich auf unserer Fläche liegend, in Wirklichkeit noch mehrere hundert Meter tiefer. Wem es glückt, hier eine günstige Beleuchtung, also Sonnenstrahl, womöglich Abendsonnenstrahl, vorzufinden, wird diesen Punkt für einen der schönsten der Schweiz erklären. Denn Umrahmung, Beleuchtung, Färbung und Spiegelung des Klöntalersees ergeben als Summe eine Naturschönheit ersten Ranges. Allerdings bedeutet die Ansicht von hier oben nur das Vorspiel; der Weg am Ufer des Sees ist noch entzückender. Aber was für ein Vorspiel! Zum letzten Mal steigen wir ins Ungewisse hinunter, abermals in den Wald, hernach wieder einmal zur Abwechslung auf Platten über Morast; plötzlich enthüllt sich dicht unter uns ein Wiesenboden mit Häusern am Bachgrunde und all den vielen, mannigfaltigen Spuren, welche die menschliche Kultur verraten. Zu diesen Spuren rechne ich auch, und nicht zuletzt, spazierenlesende Fräulein, die in ausgeruhtestem Zustande, wohlgepflegt und lebensfroh uns des Weges entgegenschlendern. Kein Zweifel, das ersehnte Richisau liegt in allernächster Nähe. Ein großer schwarzer Hund meldet von weitem mit mächtiger Stimme unsere Ankunft; ein wahrer Idealhund, der das Bellen als ein freundliches Grüßen auffaßt, zu welchem er mit dem Schweif wedelt, zum Zeichen, daß es gut gemeint sei. Schließlich schiebt er uns mit einladenden Schnauzenstößen zutraulich bis zum Gasthof.

Von Richisau brauche ich weiter nichts zu melden; es ist ein weitberühmter Sommeraufenthalt und verdient seinen Ruhm. Gewaltige Tannen um und um; eine Höhe von elfhundert Metern und eine ebenso großartige wie einfache, folglich beruhigende Gebirgsszenerie. Weder Blendung noch Windzug. Ein Ort zum Bleiben, mit einem Wort. Auch die Weiterreise bis Glarus übergehe ich in Anbetracht ihrer Bekanntheit. So beiläufig redet man nicht über das wunderbare Klöntal, so wenig wie über den Brienzersee.

Nun mag sich nach dieser Beschreibung jeder selber nach seiner Eigentümlichkeit die Frage beantworten, ob sich der Pragelpaß für ihn lohne oder nicht. Es wird eben auf die Kräfte ankommen und auf die Fähigkeit der Geduld und guten Laune, die durch die Länge des Weges und die Abwesenheit menschlicher oder menschenwürdiger Wohnungen allerdings scharf geprüft werden. Für mich lautet das Ergebnis: eine recht beträchtliche körperliche Anstrengung, gegen welche Rigi oder Gotthard als leichter erscheinen, dagegen eine große Summe eigenartiger und unvergeßlicher Schönheiten, vorausgesetzt, daß einer die Schönheit im Gebirge nicht einzig nach der Menge und Höhe der geschauten Berggipfel bemißt. Wie ich anfangs sagte: Es ist hauptsächlich Stimmungs- und zwar Ahnungsschönheit, was der Pragelpaß bietet.


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