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Nach Mitternacht ruderte ein Boot auf den Schilfsee hinaus. Das schwarze Boot auf dem nachtschwarzen Wasser entging der Wachsamkeit der Brigantinen.
Die Ruderer waren zwei Männer und eine Frau. Ihr Ziel war der Pantitlan-Strudel inmitten der Lagune. Die Richtung wies ihnen ein kleiner Wassertempel dicht beim Strudel.
Als sie sich dem Eiland genähert hatten, sahen sie, daß das Heiligtum verwüstet war. Der alte Priester der Regengötter lag unbeerdigt am Ufer, bis zur Brust im Wasser, hin und her geschaukelt von der Brandung.
Den Regengöttern zu Ehren hatten die Mexikaner hier alljährlich Kinderopfer dargebracht. Reich gekleidet und mit Schmuck versehen, die Wangen mit weißen Kreisen bemalt, wurden die Kinder gegen Abend in kleinen, mit Federn und Blumen verzierten Booten hinausgefahren. Die ganze Nacht hindurch sang der alte Priester des Wassertempels den Kindern Lieder vor, damit sie nicht einschliefen. Und er redete sie als Excoame – das heißt Perlenschlangen – an, denn jedes geopferte Kind wurde zur Perlenschlange. Bei Morgendämmer stieß man das Boot in den Seestrudel. Das Boot und die Kinder verschwanden, eingeschlürft vom wirbelnden Wasser, wie auch alle Opfergaben, die man dort in die Tiefe warf.
Die drei Ruderer waren der Herabstoßende Adler, Ohrring-Schlange und Maisblüte. Sie brachten Opfergaben, kostbarer als der Pantitlan-Strudel jemals erhalten hatte. Verfrachtet in ihrem Boote lag, was von Montezumas Hort noch übrig war, was nach der Nacht der Schrecken von Perlenfischern aus dem See gehoben worden war. Nun erhielt der König der Fische seine Beute zurück ...
Ohrring-Schlange und Maisblüte reichten dem Herabstoßenden Adler die Goldketten, die goldenen Frösche, die goldenen Kalenderscheiben. Das Licht der Sterne glitzerte ein letztes Mal in den Kleinodien. Und Stück für Stück sank hinab, eingeschlürft vom Strudel.
Die letzte mit Smaragden gefüllte Schatzkiste hinabschleudernd, sagte Guatemoc:
»Nun ist den Gelbhaarigen die Freude am Sieg verdorben! Umsonst haben sie verwüstet! Sie werden ihren Lohn nicht finden! Und das ist gut!«
»Mich werden sie finden!« ächzte Maisblüte.
Die beiden Männer schwiegen. Aufrecht stand Maisblüte im Boot und starrte in den Strudel.
»Laßt mich zur Perlenschlange werden!« jammerte sie. »In Tlalocs Reich ist Frieden!«
Sanft zog Guatemoc sie auf die Ruderbank herab. Er faßte ihre Hand, strich ihr über die Wange.
»Du sollst nicht von mir gehen, du dunkle Quetzalfeder! Ich aber muß noch leben meines Volkes wegen!«
»Wie lange noch?« rief Ohrring-Schlange verzweifelt aus. »Gräßlich zu Tode foltern werden sie uns, um zu erfahren, wo der Goldschatz verborgen ist! Und wenn sie uns das Leben lassen, werden wir ihre niederen Knechte sein! Warum warten wir Schmach und Schändung ab? Drei starke Ruderschläge, in den Strudel dort hinein – und wir drei haben Frieden in Tlalocs schönen Blumengärten! ...«
Guatemoc schüttelte traurig den Kopf:
»Ein Leben wie unser Leben ist schmerzhafter als der tausendfache Tod! Aber feige ist, wer Schmerzen flieht! Die Azteken tanzen den heiligen Totenreigen in dieser Nacht. Der König darf beim Totentanz seines Volkes nicht fehlen!«
»Ich bleibe bei dir, mein Freund!« sagte der König von Tezcuco. »Wir zwei müssen leben, damit wir den Siegern den Sieg entwinden! Wenn sie uns foltern und töten, werden wir lachend und singend die Sieger sein über sie, die Besiegten! Sieger werden wir sein über den Schmerz und über die ruchlosen Bedrücker! ... Aber Maisblüte vermag nicht mehr zu leben. Sie litt schon zu viel, ihr Herz ist ein zertretener Edelstein. Nie mehr hat sie gelacht, seit sie zurückkam. Sie wird auch der Feinde nicht lachen können!«
Auf der Ruderbank kniend, umklammerte Maisblüte den Herabstoßenden Adler und flehte ächzend:
»Laß mich zur Perlenschlange werden!«
Stumm küßte er sie und hob sie auf seine Arme. Er beugte sich behutsam über den Rand des Bootes und legte sie rücklings auf die Wasserfläche. Wie auf einem schwarzen Bahrtuch lag sie, ihr aufgelöstes Strähnenhaar bauschte sich wie ein schwarzes Kopfkissen unter ihrem gelbblassen Kopfe. Langsam trug die Strömung sie dem Strudel zu. Ein seliges Lächeln umspielte ihren Mund. Bis sie hinabschwand, dankten ihre halbgeöffneten Augen ...
Die beiden jungen Könige ruderten zurück nach Tlatelolco.
Eine große blauglühende Meteorkugel schoß aus dem Zenit ostwärts hinab und schwand hinter dem Rauchenden Berg, eine lange, leuchtende Spur hinterlassend. Obgleich die beiden das Himmelswunder sahen, stießen sie keinen Ruf aus und sprachen kein Wort, blind und taub für alles, außer für ihr Leid.
Die Spur des fallenden Gestirns strahlte noch lange – schön und schmerzlich wie eine klaffende Wunde des Himmels.
Und Mexicos letzter Tag dämmerte heran und verscheuchte Mexicos letzte Nacht. Blitzend quoll das flüssige Gold der Sonne über den Schnee der Weißen Frau empor.
Wieder ließ Cortes seine indianischen Freunde zunächst außerhalb der Mauern Tlatelolcos und überschritt nur mit Landsknechten die Floßbrücke. Er rief den Azteken zu: bevor der Kampf beginne, wünsche er die Würdenträger zu sprechen, mit denen er vor zwei Tagen verhandelt habe. Bald fanden sich fünf von jenen ein. Er schalt sie, daß sie ihn zum Narren gehalten, doch er wolle sie für den Trotz ihres Königs nicht strafen. Er habe Guatemoc gute Behandlung zusichern lassen – ob etwa Guatemoc an seinem Ritterwort zweifle? Und schließlich forderte er sie auf, noch einmal ihrem König zuzureden und ihm vorzuhalten, daß sein Widerstand zwecklos sei.
Die fünf alten Mexikaner begaben sich zum Herabstoßenden Adler.
Cortes erwartete die Antwort auf einer hohen Dachterrasse, die er erstiegen hatte, weil sich von dort aus Tlatelolco wie auch die Brigantinen und Boote auf dem Schilfsee überblicken ließen. Auf die weiß gestrichenen Brigantinen zeigend, sagte er zu Alvarado und Alderete, die neben ihm standen:
»Das sind die dreizehn weißen Götter, die Mexico zu Fall gebracht haben!«
»Señor, beruft es nicht!« bemerkte Alderete. »Noch ist Mexico nicht gefallen!«
»Heute wird es geschehen!« sagte Cortes.
Und enthusiastisch, wie es seine Art war, rief Alvarado aus:
»Deutlich sehe ich es noch vor mir, Don Hernando, wie Ihr in Popotla, am Morgen nach der Nacht der Schrecken, den Schiffbaumeister begrüßtet: ›Ihr lebt?! ... Lob sei dem Herrn! Mit Euch kann ich die Scharte auswetzen! ...‹ Und als Gutiérrez Euch fragend ansah, fügtet Ihr hinzu: ›Lächelt nicht! Glaubt an mich, wie ich an mich glaube! Nach einem Jahr werden wir die Brigantinen bauen!‹«
»Ja, daß ich damals den Glauben nicht verlor, ist mir selbst rätselhaft ... Und darum habe ich Achtung und–fast möchte ich sagen – Ehrfurcht vor Guatemocs Eigensinn, daß er sich nicht niederbeugen läßt vom grausamen Schicksal ... Jawohl, Ehrfurcht, meine Herren – obgleich sein Eigensinn uns viel zu schaffen macht ...«
»Ihr bewundert Guatemoc?« fragte aufhorchend Alderete. »Sagt das nicht laut, Don Hernando!«
»Was zum Henker wollt Ihr damit andeuten? ...«
»Daß viele Eurer Soldaten anders denken ... Längst wollte ich Euch darauf aufmerksam machen. Man findet es verdächtig, daß Boten zwischen Euch und Guatemoc hin und her gehen ...«
»Verdächtig ...?«
»Ich wiederhole nur, was ich gehört habe, Don Hernando. Man mutmaßt, Ihr könntet ein Abkommen mit ihm treffen, das Gold Mexicos mit ihm teilen, vielleicht auch die Herrschaft mit ihm teilen ...«
»Die Herrschaft über Leichen ...?«
»Andere befürchten, Ihr könntet seine Flucht begünstigen ... Ich hielt es für meine Pflicht, Euch das mitzuteilen, wenn es auch ein dummes Gerede ist ...«
»Das du, Schurke, unter die Leute gebracht hast!« dachte Cortes. Doch er sprach es nicht aus. Er sah Alvarados zorngeröteten Kopf und hielt durch eine Handbewegung ihn ab, den Vertreter des Kaisers zu beschimpfen. Gleichmütig lächelnd sagte er:
»Immer bin ich von Erzfeinden umgeben gewesen, und das hat mich doch nicht gehindert, die dreizehn Brigantinen zu bauen. Entsinnt Ihr Euch der Worte, die ich nach dem Stapellauf sprach?«
»Gewiß!« sagte Alvarado. »Dreizehn sind sie – wie die dreizehn Reiter, vor denen Montezuma zitterte! Die Zahl dreizehn wird für Tenuchtitlan eine Unglückszahl sein! – sagtet Ihr.«
»Wer dem Glück ins Herz gesehen hat, ist abergläubisch!« lächelte Cortes. »Heute ist der dreizehnte August!«
In der Tat: es war der 13. August 1581.
Die fünf alten Mexikaner kehrten zurück, und mit ihnen kam der Weibliche Zwilling. Er meldete im Auftrage seines Gebieters: der König von Mexico könne nicht kommen, da er zu sterben entschlossen sei.
»Ihr halsstarrigen Barbaren!« schrie Cortes sie an. »Habt ihr kein Mitleid mit euch selbst? Immer wieder wollte ich euch schonen – und nun wird keine Seele am Leben bleiben! Was euer König will, soll geschehen!«
Die Straßenschlacht begann von neuem. Aber bald begann auch eine Seeschlacht. Einige hundert Kriegsboote verließen die Kanäle Tlatelolcos und versuchten auf der Lagune die Kette der feindlichen Boote und der Brigantinen zu durchbrechen, um am Ufer nördlich von Tlatelolco zu landen. Allzu eifrig feuerten die Geschütze der Brigantinen auf die aztekische Flotte: der Pulverdampf legte sich wie eine weiße Nebelwolke auf den Schilfsee, so daß sich Freund von Feind nicht unterscheiden ließ. Das begünstigte den Durchbruch der Azteken.
Coxtemexi befand sich auf einer der schnellsten Brigantinen, deren Führer der Hauptmann Garcia de Holguin war. Dieser hatte den Überläufer an Bord genommen, wie man einen Bluthund mit auf den Weg nimmt, wenn man eine Fährte sucht. Daß Coxtemexi den König haßte, war bekannt. Und Holguin meinte, daß die Augen des Hasses mehr sehen könnten als andere Augen.
Seine Erwartung ging in Erfüllung. Sowie der Wind den Pulverdampf gelichtet hatte, zeigte Coxtemexi, flatternd vor Überhast, auf eine größere Piroge, in welcher einige zwanzig Azteken, Männer und Frauen, saßen.
»Dort – im blauen Boot ...! Entkommen! ... Nicht mehr weit vom Ufer! ...« kreischte er.
Mit windgeblähten Segeln jagte die Brigantine dem Ruderboot nach, holte es in kurzer Zeit ein. Vier Arkebusiere standen am Vordersteven der Brigantine, bereit zu schießen, falls Widerstand geleistet würde. Ein Verzweiflungskampf schien unvermeidlich. Denn ein junger schlanker Krieger mit gegabeltem Federkopfschmuck und Quetzalfederquasten erhob sich blitzschnell, einen Schild und ein mächtiges Sägeschwert schwingend.
»Der Herr der Welt«, krächzte Coxtemexi in heiserer Erregtheit.
Garcia de Holguin verbot den Arkebusiern zu schießen.
Der Herabstoßende Adler rief zu Holguin hinüber:
»Der Herr der Welt war ich. Jetzt bin ich der Gefangene des Grünen Steines. Führt mich zu ihm – doch tut meinen Begleitern und den Prinzessinnen kein Leid!«
Eine halbe Stunde später stieg der Herabstoßende Adler, begleitet von Ohrring-Schlange und anderen mit ihm gefangenen Türkisgebürtigen, die Steinstiegen zur Dachterrasse empor, auf welcher Cortes im Kreise seiner Unterfeldherren ihn erwartete. Der Kampf war beendet – die Nachricht von der Gefangennahme des Königs hatte sofort den Widerstand der Mexikaner gebrochen.
Marina und die Schwarze Blume standen rechts und links von Cortes: seine zwei Mitsieger, seine zwei Mitschuldigen.
Er ging Guatemoc einige Schritte entgegen. Nicht zum erstenmal sah er dies schöne, düstere Gesicht. Einst in Sempoalla hatten sich zwei Königsadler forschend, bohrend, peinigend in die funkelnden Augen gesehen ...
Aber des einen Augen funkelten jetzt nicht mehr, er war kein Königsadler mehr.
Guatemoc sprach die ersten Worte:
»Ich tat meine Pflicht. Soviel in meiner Macht stand, habe ich getan, um mein Volk zu verteidigen! Nun kam es so weit mit mir! Verfahre mit mir, wie es dir beliebt!«
Seine Augen hefteten sich an einen Dolch, den Cortes an einem Gurtgehenk trug. Der Griff war mit eingelegten silbernen Arabesken verziert, schöne Toledoarbeit. Guatemoc streckte die Hand aus, berührte den Dolch und sagte:
»Erstich mich! Töte mich! ... Zufrieden werde ich ins Land gehen, wo meine Götter weilen, wenn ich durch deine Hand fiel!«
»Ihr werdet auch in diesem Lande zufrieden leben«, erwiderte Cortes, »wenn dies Land – wie ich hoffe, bald – sich von den Kriegsgreueln erholt haben wird. Ich versprach, Euch stets wie einen König zu ehren, und werde mein Versprechen halten. Euch Trost spenden wäre kränkend – doch laßt Euch von einem, der Glückswechsel erlebte, sagen, daß Glück oder Unglück am Tatenwert nichts ändert. Als Verteidiger Eures Volkes wart Ihr ein Held. Die Geschichte wird verzeichnen, was Ihr gekämpft und gelitten. Ich wäre nicht ein Kastilier, wenn ich nicht auch am Feinde die Größe zu schätzen wüßte!«
Pagen brachten Erfrischungen. Guatemoc und Ohrring-Schlange wiesen Speise und Trank finster zurück.
Als Cortes erfuhr, daß die Prinzessinnen sich noch auf der Brigantine des Holguin befanden, äußerte er den Wunsch, sie bald begrüßen zu können.
Dann wurden Guatemoc, Ohrring-Schlange und ihre Begleiter von Hellebardieren abgeführt. Doch noch bevor sie den Altan verlassen hatten, stürzte tränenüberströmt die Schwarze Blume auf seinen Bruder Ohrring-Schlange zu, erfaßte seine Hände, wollte ihn an die Brust drücken. Ohrring-Schlange widersetzte sich und stieß ihn von sich.
»Verräter an Anahuac!« rief er. »Rühre mich nicht an, du böses Auge! Eine Krankheit bist du, ein Geschwür – dein Hauch verpestet! Unser Vater, der Herr des Fastens, hat es vorausgewußt, er hat es vorausgesagt, daß du, Schwarze Blume, dein eigenes Blut – das Blut deines Volkes – trinken werdest! Berauscht hast du dich an deines Volkes Blut – darum werden dir Anahuacs Kinder und Kindeskinder fluchen, solange die Sonne die Erde bescheint!«
Marina stand regungslos da, die Lippen aschgrau, ein Marterbild.
Die beiden Könige stiegen die Treppe der Dachterrasse hinab. Dumpfe Böllerschüsse verkündeten das Ende der Belagerung und das Ende der Königin aller Städte.
Ob es wohl auf den andern Sternen Zuschauer und Beurteiler gibt der irdischen Taten? Onyxäugige Sphinxe vielleicht mit Luchsleibern und Mädchenantlitzen? Buntschillernd gefiederte Harpyien vielleicht? Lächeln säe oder lachen sie über die Wirrnisse dieses Sternes, die uns so groß erscheinen und die so winzig sind?
Vielleicht auch wandeln übersinnliche Zuschauer neben uns und zwischen uns, unhörbar unsern Ohren, unsichtbar unsern Augen, ungreifbar unsern Händen. Wir können das Lockenhaar, die Wangen und den zinnoberroten Mund des Schicksals nicht erspähen, auch wenn das Schicksal neben uns steht. Es mag eine zauberschöne grausame Harpyie sein.
Eine Harpyie, die sich in den Helden verliebt, den sie verderben will, die mit lüstern brennenden Augen von seinen Gesichtszügen die Erschlaffung und das Selbstgericht abliest, lauernd mit böser Freude beobachtet, wie sie allmählich ihren Glanz verlieren und alltäglich werden. Auf den höchsten Gipfel führt sie ihn hinauf und jubelt, wenn er beim Abstieg fehltritt und zerschellt. Größe verleiht sie ihm und frohlockt, wenn seine Größe – der er nicht gewachsen, nicht nachgewachsen ist – abbröckelt, abbricht, zusammenbricht.
Ein Sonnensohn, hatte Cortes im strahlenden Sonnenschein gestanden bis zur Gefangennahme des Herabstoßenden Adlers. Von da an senkte sich ein verdüsternder Schatten über ihn.
Eine Woche nach der Übergabe der Stadt trotzten ihm die von Alderete aufgestachelten, über die geringe Goldbeute erbosten Landsknechte die Folterung der beiden Könige ab, obgleich er für deren Unantastbarkeit sein Wort verpfändet hatte. Geheimes Einverständnis mit Guatemoc und Beiseiteschaffung des Goldschatzes zum Schaden des Heeres und des Kaisers wurde ihm zur Last gelegt, und um sich von diesem Verdacht zu reinigen, ließ er es geschehen, daß den beiden Königen die Fußsohlen zu Kohle verbrannt wurden. »Es ist die Schmach jedes Herrn, daß er der Knecht seiner Knechte ist«, hatte er einst zu Marina gesagt ... Marina, die sein Gewissen war, vergab ihm den feigen Wortbruch nie. Guatemoc aber siegte über ihn und die Qual, und als während der Folterung Ohrring-Schlange kaum hörbar zu ächzen begann, ermahnte er ihn mit den Worten: »O mein Bruder, meinst du, daß etwa ich mich in einem Bade befinde? ... Entsinne dich deiner eigenen Worte: Gemartert entwinden wir dem Sieger den Sieg!«
Zwei Jahre später ließ Cortes den Herabstoßenden Adler und Ohrring-Schlange an einen Baum hängen – bloß auf eine Aussage Coxtemexis hin, der ein hochverräterisches Gespräch der beiden Könige erlauscht zu haben behauptete.
Ein Heilbringer war Cortes einst Marina erschienen. Sie war geheilt vom Wahn. Ihrer stummen Anklage überdrüssig, brach Cortes mit ihr, verheiratete sie mit einem seiner Landsknechte und schenkte ihr ein Gut in Oaxaca, meilenfern von Mexico.
Die drei letzten Jahre seines Lebens verbrachte Cortes am spanischen Hofe, angefeindet, verärgert und verbittert.
Die mexikanische Göttin Ixcuinan, die Herrin der Lust und der Erde, verführte den Büßer Yappan. Als er sie umarmte, wurde sie zu Staub. Nichts, nichts behielt er von der Berückenden zurück als eine Handvoll grauen, sickernden Erdenstaub.