Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Dritte Szene

Zimmer.

Gräfin von Cleve. Juliane.

Juliane: Und nichts kann, teure Gräfin, Euch erheitern?

Gräfin: Ich bin nicht traurig, doch bekümmert sehr,
Es war so nah mein Glück, befreit zu sein
Von dem verhaßten Zwang der Vormundschaft,
Da reist der Graf in ferne Welt hinein,
Verschiebt die Hochzeit, gibt zu Land und Meer
Sich vielerlei Gefahren preis und zögert
Zurückzukommen; – nein, er liebt mich nicht.

Juliane: Er liebt Euch, seht die herrlichen Geschenke,
Die er Euch von der Reise schickt, den Purpur
Aus Syrien, Perlen, goldne Spangen, schaut
Die Seidenzeug', und laßt das Aug sich freuen.
Ihr hört, daß er nur nach Venedig ging,
Zur Hochzeit einzukaufen Gold, Juwelen;
Seid nicht betrübt, bald kommt er froh zurück.

Gräfin: Doch dieser Trieb, so fern von mir zu sein,
Als schon der Hochzeittag bestimmt, als alles –
O nein, ich zürn ihm, werd ihm ewig zürnen!
Was ist es in den Männern, daß die Heimat,
Ein stilles Glück, die Lieb und ihre Schätze
Den Giergen, Unruhvollen nicht genügt?

Juliane: Das ist ja jetzt die allgemeine Sitte
Zum Heilgen Grabe hinzuziehn, sie meinen
Sie dürfen nicht das Wort mit Anstand führen,
Wenn sie nicht dort gebetet, von den Sitten
Der Muselmänner, von des Tempels Stätte,
Dem Berg der Leiden und vom Sinai
Erzählen können: – und dann denk ich auch,
Fliegt wohl der Mann zu guter Letzt noch einmal
Mit Freuden aus und weit, weil er hernach
Der Frau, der Kinder, seines Landes pflegt,
Und gern zur Rechenschaft gefordert wird
Um jegliches Gelag, um jede Jagd,
Wär's auch nur in des Betts geheimer Beichte.

Gräfin: Das ist's ja, was mich quält, sie lieben nicht,
Und doch ist er der Beste noch von allen.

Ein Diener tritt ein.

Diener: Gnädige Gräfin, soeben ist ein Bote aus Flandern herübergeritten, der die Nachricht bringt, daß der Graf glücklich von Venedig abgereist, und jetzt schon auf dem Wege hieher ist.

Gräfin: Führ ihn in mein Gemach, ich will ihn selber sprechen.

Sie gehn ab.

 


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