Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Fünfte Szene

Zimmer.

Der Graf. Der Kanzler.

Graf: Mir widersteht's, ich sag's Euch gradheraus,
Die schönsten Tage meines Lebens, Stunden,
Die nur der Lust, der Freundschaft, dem Entzücken
Gewidmet sollten sein, mit Staatsgeschäften,
Mit List und Heuchelei und Politik
In bösem Trug, wie Ihr wollt, zu entweihn.

Kanzler: Ihr kennt mich, gnädger Herr, seit vielen Jahren,
Daß ich zu derlei nie die Hand geboten,
Zu besserm Sinn hab ich Euch auferzogen,
Und hoffe ehrenvoll wie ich gelebt
Auch so ins Grab dies graue Haupt zu legen.

Graf: Vergebt, mein alter Freund, doch sagt Ihr selbst,
Man müsse diese günstge Stimmung nützen,
Der Herzog denke wohl mit nächstem anders:
Jetzt ist er mir gewogen wie ein Vater;
Da soll ich nun, indem er mir die Braut,
Ihm nah verwandt, herzlich von ihm geliebt,
Indem er mir mein höchstes Glück gewährt,
Mit Feinheit und verstellter Lieb erschleichen,
Was er in Rührung mir schon halb entbot;
Nennt Ihr das redlich, wacker, alter Herr?

Kanzler: Ich nenn es so, und Ihr seid nur berauscht
Von Eurem neuen Glück, daß in der Fülle
Der Seligkeit Ihr nicht wie sonst mit klarem
Verstand erwägt, was nützlich ist und gut,
Und wie der edle Mensch es mag verbinden.
Hier ist von Lüge, Bosheit nicht die Rede,
Nur daß Ihr die Gelegenheit ergreift,
Die sich Euch so, wie nimmer wieder beut.
Seit Menschenaltern war es Eurer Ahnen
Bestreben, jenen Hafen zu gewinnen,
Die See, mit ihr Verknüpfung fremder Länder,
Den Handel selbst zu führen, den die Fremden
Uns stets mit lästger Vormundschaft getrieben,
Doch die Provinzen und der strenge Herzog
War immer uns entgegen; aber jetzt
Will er Euch gern durch ein Geschenk verbinden,
Euch Liebe zeigen ohne zu verletzen,
Nun bietet er den alten Tausch, der sonst
Mit Lächeln abgewiesen ward, den Tausch,
Durch welchen alles Euer Land gewinnt,
Und er das Ländchen nur zum Scheine nimmt,
Daß Ihr nicht braucht für Wohltat ihm zu danken.

Graf: Doch lassen wir's für eine andre Zeit,
Du sagst ja selbst, es könn ihn wohl gereun.

Kanzler: Nun nehmt das Glück, da es sich zu Euch wendet,
Wir sind nur Herrn von diesem Augenblick,
Wer handeln will, muß nur auf heute traun;
Das ist nicht Tugend, nichts dem günstigen Zufall,
Der Schwäche, der Nachgiebigkeit, dem Irrtum
Verdanken wollen: faßt die gütige
Gelegenheit, erwidert Lieb mit Liebe,
Vertraun mit wahrer Freundschaft und Vertraun;
Eu'r Zagen ziemt dem Mann, dem Fürsten nicht,
Wer in der Welt Geschäften mitgehn will,
Der bringe ja nicht klösterlich Gewissen,
Nicht eines Liebenden, Verliebten Großmut
Zu seinem Amt, soll Schmach, Verlust nicht folgen.
Ihr wißt es selbst, wie Ihr auch Feinde habt,
Der Graf von Münster ist Euch widerwärtig,
Ihr seid es Euren Untertanen schuldig
Euch zu verstärken, wo Ihr's möglich findet.

Graf: Du hast mich fast beredet: nun, so sei's.

Fortunat tritt ein.

Fortunat: Es wünscht mit Euch der durchlauchtige Herzog
Zu sprechen, er ist hieher unterwegs.

Kanzler: Wir kommen zu ihm, sag's dem gnädigen Herrn.

Graf: Ja, guter Fortunat, meld uns ihm an.

Fortunat ab.

Kanzler: So gehn wir denn, wo möglich abzuschließen.

Gehn ab.

 


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