Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Fünfter Akt

Erste Szene

Öffentlicher Platz.

Leopold, Daniel, Diener.

Leopold: Die Teppiche, die Stoffe, die Gemälde,
Mit Vorsicht tragt sie, daß sich nichts beschädge,
Sorgt dann, daß man die Sessel, Ruhebetten,
Die feinen Schränke in den Palast schafft.

Daniel: Hier lebt sich's anders, als so unterwegs,
Bei knickr'gen Wirten, schmiergen alten Weibern,
In schmutzgen Stuben, oft mit Angst und Not.

Leopold: Tu dein Geschäft und laß das lose Schwatzen.

Daniel: Ich freue mich ja nur der grimmgen Pracht
Des königlichen Herrn und seines Glücks,
Nein, für so reich hätt ich ihn nie gehalten.
Gesegnet sei der Augenblick, die Stunde,
Der Tag, da ich von meinem Gastwirt lief. Ab.

Leopold: So wären wir in Zypern angelangt,
Und mehr, wie dieser Narr, bin ich erstaunt.
Ich glaubte, daß er Güter hier besäße,
Von altem reichem Stamme, Freund' und Eltern,
Doch scheint's, ihn kennt hier auf der Insel niemand,
Er hat kein Haus, er kaufte diesen Palast,
Den er mit Gold und Silber fürstlich schmückt.
Nichts ist zu teuer, kein Gerät zu reich,
Mit fremdem Namen zieht er prachtvoll auf,
Die schönsten Rosse, Libereien, Falken,
Und was nur selten herrlich ist zu nennen,
Das nennt er sein, kauft es zu jedem Preis;
Täglich sieht er als Freund des Landes König,
Und ihm, seiner Gemahlin, hat er Perlen
Und Edelsteine zum Geschenk gesandt,
So hohen Werts, daß beide drob erstaunten;
Was er als Reichtum auf den Reisen zeigte,
Ist Armut nur und kahle Bettelei
Gegen des Glanzes reiche Wunderwelt,
Die jetzt wie goldnes Traumbild um ihn schwebt:
Doch sank er leblos, tot darnieder einst
Als er die wenigen Zechinen mißte;
Ich darf, ich will darüber nimmer sinnen,
Er ist der gütigste, der beste Herr,
Der Armut Engel, der Verwaisten Trost,
Und mich hat er mit Wohltat überschüttet.

Fortunat kömmt mit Gefolge.

Fortunat: Nun sind wir denn zur Ruhe, lieber Freund,
Bald denk ich mich ganz häuslich einzurichten,
Wenn erst der Güterkauf geendigt ist:
Morgen sollst du mich über Land begleiten,
Mir darf dein Rat noch immer nicht entstehn.

Leopold: Nur meine Lieb und Treue nehmt in Anspruch,
Euch Rat zu geben bin ich zu gering.

Fortunat: Still! mehr davon nachher, aus meinem Hause
Steigt jetzt des Königs Majestät und naht.

Leopold geht ab.

Der König von Zypern kömmt mit Gefolge.

König: Graf, Eure Galerie ist zu bewundern,
Nicht seltne Stücke nur, auch ausgewählte,
Sie zeigt von Reichtum, mehr noch von Geschmack.

Fortunat: Wie gütig ist mein Fürst und nachsichtsvoll;
Die besten Werke muß ich noch erwarten,
Die von Venedig die Galeere bringt.

König: So reiche edle Stoffe sah ich kaum;
So groß das Haus ist, ist es schon erfüllt,
Was Asien und Europa Köstliches,
Was Meer und Land nur Herrliches gewährt,
Das glänzt von Wänden, von der Deck und Boden.
Allein wozu, fragt das erstaunte Auge,
Die Menge Sessel, Tische, Ruhebetten,
Des Silbers aufgehäufter Prunk und Hausrat,
Wenn unvermählt der reiche Eigner wohnt?

Fortunat: Da meine Reisen nun beschlossen sind,
Mein gnädger Herr, und ich die Ruhe wünsche,
So ist in meinen Jahren, der ich weder
Zu jung noch alt mich fühle, der Gedanke
Der nächste, eine Hausfrau mir zu suchen.

König: Dann glaubt ich Euch gewonnen erst zu haben.
Saht Ihr auf Euren weiten Reisen nirgend
Ein Bild, das Euren Sinn gefangennahm?

Fortunat: Gelesen hab ich viel von dieser Macht,
Die Dichter uns als allbesiegend preisen;
Doch hab ich noch das Auge nicht gefunden,
Des Blitzen meine Ruhe mir genommen.

König: So macht die Jungfraun dieser Insel stolz,
Das nie besiegte Herz in Bann zu legen,
Die schönen Mädchen hier sind weit berühmt.
Kennt Ihr des Grafen Nimian Töchter nicht?

Fortunat: Das Lob der Tugend, wie der hohen Schönheit,
Vernahm ich oft aus aller Mund, doch nie
War ich so glücklich, sie bei Jagd und Tanz,
Noch in des Schlosses Gärten anzutreffen.

König: Die Mutter hält sie streng und eingezogen,
Doch reitet morgen auf das Gut hinüber
Und übergebt der Gräfin diesen Brief:
Ihr müßt die wackern Leute kennenlernen,
Die ich vor allen lieb' und höchlich achte,
Die immer mir und meiner Königin
Die nächsten bleiben werden. Ihr habt Augen
Für Bilder, zeigt, daß, wenn die Schönheit lebt,
Sie auch den Sinn zum Wohlgefallen reize.

Fortunat: Des Königs Wunsch ist dem Vasall Befehl.

König: Nicht so, mein lieber Graf, nicht diesen Ton,
Es bleibe dies Vertraun stets unter uns,
Dies freundliche Verhältnis ändre nie.
Mögt Ihr mir nicht eröffnen, welches Land
Euch seinen edlen Sprößling nennen darf?

Fortunat: Mein Lehensherr, durch Eure hohe Güte
Ward mir erlaubt, des Grafen von Lanfranco,
Der erblos starb, Besitz, Palast und Güter
Als Eigentum zu kaufen, und vom Lande
Den Namen anzunehmen, Eu'r Vasall;
Doch will ich Euch eröffnen, was nur sollte
Geheimnis bleiben noch auf wenge Tage,
Ich bin nicht fremd, bin Euer Untertan.

König: Von Zypern wäret Ihr? Und das Geschlecht?

Fortunat: Mein Vater, nur ein armer Edelmann,
Ist Theodor, wenn Ihr den Namen kennt.

König: So wärt Ihr Fortunat denn, der Vermißte?

Fortunat: Derselbe, gnädger Herr, doch sei Eu'r Hoheit
So huldreich mir, nur auf geringe Zeit
Unwissend des zu sein, und mir die Gnade,
Die mich so hoch erhebt, nicht zu entziehn,
Weil ich von armen Adel nur entsprossen.

König: Ihr bleibet Graf, Ihr seid mein teurer Freund,
Verdienste, Tugend sind's, die wahrhaft adeln,
Doch seid Ihr auch von edlem Stamm entsprossen,
Jedweder Herzog, Graf war Edelmann.

Fortunat: Erlaubt mir, Herr, die teure Hand zu küssen.

König: Umarmt mich, lieber Graf, und lebet wohl.
        Fortunat ab.
Geht dort nicht eben Nimian, Kammerherr?

Kammerherr: Ja, hohe Majestät!

König:                                               Ruft mir ihn her.

Nimian tritt auf.

Nimian: Was ist der Wille meines hohen Herrn?

König: Ist's wahr, mein guter Graf, daß notgedrungen
Ihr Eure Grafschaft zu verkaufen sucht?

Nimian: So ist es, gnädger Herr, die Kriegesschäden,
Verlust bei großen Häusern in Venedig,
Und freilich auch des Sohnes wilder Leichtsinn,
Unüberlegtes Tun, das ihn verbannte,
Von Gläubigern, Beleidigten verfolgt,
Dies Heer von Übeln ist die Züchtigung
Für Jugendtorheit meinem schwachen Alter.

König: Ich hoffte, daß noch Rat und Hülfe wäre,
Ihr habt Euch näher niemals mir vertraut,
Zwar war mein Schatz durch Krieg, durch Rüstungen
Und neue Flotten selbst mehr als erschöpft –

Nimian: Zu hohe Gnade! kannt ich doch die Not
Des Vaterlands, und das schloß meinen Mund
Den König zu belästgen, der für tausend
Zu sorgen hat, die täglich zu ihm schrein.

König: Und der Verkauf ist nun schon abgeschlossen?

Nimian: Heut kam ich in die Stadt, zu untersiegeln.
Doch seltsam, noch kenn ich den Käufer nicht,
Er nennt sich nicht, läßt durch Valerio handeln,
Dem ich die größten Summen schuldig bin.

König: Ich suche darin meinen größten Stolz,
Treu meiner Freunde immer zu gedenken,
Es kömmt, veranlaßt so durch mich, zu Euch
Der reiche Fremde morgen auf das Land,
Empfangt ihn freundlich, denn er ist gesinnt,
Der schönen Töchter eine als Gemahl
In diesen seinen Palast zu entführen;
Ihm ziemt es wohl, Euch hülfreich dann zu sein.

Nimian: Mit neuer Wohltat überdeckt mein Herr
Die alten stets, und türmt so hoch sie auf,
Daß jeder Dank nur niedrig schwebend bleibt:
Ich könnte keinen reichern Eidam wünschen,
Wenn ich auf Irdisches die Augen richte,
Allein es wohnt Unsterbliches in uns,
Die Ehre, die von Ahnen uns gekommen;
Wenn man den seltsam rätselhaften Mann
Nur kennte, Vaterland und Stammbaum wüßte.

König: Das ist es, was Euch immer noch betört?
Ihr seht, daß er Millionen muß besitzen,
Er ist mein Lehnsmann, durch der Landschaft Kauf
Und meiner Briefe Kraft ein edler Graf,
Dazu genießt er meiner Gunst und Liebe,
Die wohl soviel vermag als Eure Ahnen,
Die wohl noch Kraft und Lebensodem gibt
Dem Niedrigsten, ob allen hoch zu schweben,
Genügt das nicht, so glaubet meinem Wort,
Er ist ein Edelmann, ich kenn ihn ganz.

Nimian: Nicht zürnet Eurem allertreusten Diener,
Ist er nur Edelmann, genügt es mir.

König: Ich tat das Meinge, tut nun, was Ihr wollt. Geht.

Nimian: So wäre alles bald ins reine wieder,
Wenn mein Gemahl, die ängstliche, nicht wäre;
Schon tönt vor meinem Ohr der Fürst Athens,
Von Canada der Herzog, die Komture,
Malteser, Johanniter, Tempelritter,
Die seit Jahrhunderten in ihrer Freundschaft
Am meisten in dem Stammbaum hell gestrahlt.
Doch freilich werden wir uns fügen müssen,
Wie Bruder ist der Wundermann dem König. Ab.

 


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