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9.
Das Blutschwert des Arnsteins.

(Bei Ermsleben.)

Gleich einem Adlerhorst liegt der Arnstein auf dem Felsenberg. Der Glanz seiner Hallen ist dahin. Die starken Türme und Mauern sind verfallen. Kein Ritter in schimmerndem Panzer naht sich mehr dem einst so kecken Raubnest. Nur Grundmauern großer Säle und ein gewaltiger Turm zeugen noch von einstiger Bedeutung der Burg. In den Ruinen schreit die Eule, und kein Arnsteiner schaut mehr mit Späherblick nach Beute hinab in das Land.

Doch manches Mal in stiller Nacht, wenn längst die Menschen in tiefem Schlafe liegen und des Mondes fahles Licht auf den Ruinen tanzt, dann hört man Seufzer, tief und schwer. Das sind die bösen Geister des Hauses Arnstein, die rastlos und ruhelos die bösen Taten ihres Lebens büßen müssen.

Ein Graf von Arnstein, dessen Weg mit Blut und Mord geschrieben ist, der hatte nach dem Tode seiner guten Frau, die ihn mit Mühe zum Besseren gehalten hatte, ein böses Weib in zweiter Ehe genommen. Die ward Genossin seiner Übeltaten, ja, an Verderbtheit übertraf sie ihn. Inmitten dieses teuflischen Treibens wuchs die einzige Tochter des Grafen auf. Ein Engel an Leib und Seele, war Beate der toten Mutter gleich in Frömmigkeit und Sanftmut.

Unweit vom Arnstein saß, auf dem Falkenstein, ein kühn und edel gearteter Graf, der als ein Gegner mörderischen Straßenraubes dem Grafen vom Arnstein verhaßt war.

Einstmals war Bruno, des Falkensteiners Sohn, vom Arnsteiner auf der Jagd ergriffen und in den tiefsten Kerker gelegt. Allein Beate, die den schönen Jüngling kannte und ihm innig zugetan war, half ihm, zu entfliehen, und empfing als Andenken von Graf Bruno einen Ring, der, ohne daß das Mädchen es wußte, die geheime Macht hatte, vor Not und Tod zu schützen.

Die Flucht ward schnell entdeckt und Beate von der Stiefmutter selbst in den Kerker geworfen, um hier elendem Hungertode preisgegeben zu werden. Schon lag Beate tagelang hilflos und ohne Nahrung, da führte ein Zufall ihre Hand zu dem lieben Andenken des Herzensfreundes, für den sie diesen Jammer erleiden mußte. Sie dreht den Ring ganz unbewußt mehrmals um, und allsogleich erscheint in lichter Helle eine Fee, die ihr verspricht, daß alle Not ein Ende haben solle. Ein Falke bringt nun täglich Nahrung und auch der Grüße viel vom Falkenstein.

Bald merkt jedoch die böse Mutter, daß Gotteshand Beatens Leben schützt. Sie will das Mädchen nun durch Gift vernichten, allein auch das mißlingt. Und Woche um Woche rinnt durch die Zeit.

Der Graf von Arnstein selbst liegt schon seit Monden krank und wird durch eine Wunde, die sich nicht schließen will, von Schmerzen sehr gepeinigt. Vor ihn tritt jetzt die Frau und spricht:

»Ach, liebster, edelster Gemahl! Ich fragte eine weise Frau, wie Euer Schmerz zu heilen sei. Die sagte mir, daß, wenn ein Spinngewebe zu einem einzigen langen Faden gesponnen werde, und dieser Faden zum Verbande gewoben, ohn' daß der Faden reißt, Ihr könntet sogleich gesunden. Beate, die solche Kunst versteht, mag zeigen, ob sie ihren Vater liebt.«

Darauf ließ der ob jener Flucht des Falkensteiners erzürnte Graf Beaten vor sich führen, auf daß sie den Verband ihm fertige. Und es gelang dem Mädchen mit Hilfe der schützenden Fee! Ein kleiner Faden war noch zu verweben, und der Graf wollte schon, fast von Schmerzen frei, seinem Kinde volle Huld bezeugen, da schnitt die vor verbissener Wut bebende Stiefmutter den Faden heimlich ab und rief hohnvoll: »Seht Ihr Graf, Euer süßes Töchterlein! das hat den Faden zerrissen, auf daß Ihr nimmer genesen sollt, und daß sie zu ihrem Liebsten auf den Falkenstein gehen kann!«

In blinder Wut zückt der verblendete Vater sein Schwert, um es in seines Kindes unschuldsvolles Herz zu bohren. Doch reißt der Schmerz seiner Wunde den bewehrten Arm herum, und sausend fährt das scharfe Schwert auf das Haupt seines ruchlosen Weibes nieder und schneidet durch Schultern und Leib die Gerichtete mitten durch. Da tritt Beatens schützende Fee hervor, hält das blutüberströmte Schwert empor und verflucht es zum grausigen Wahrzeichen der Arnsteiner: »Solange nur ein Stein von dieser Burg noch auf dem andern steht, solange sollst du büßen, verruchter Graf! An diese Stätte gebannt sollst du keine Ruhe finden, bevor nicht dein Schwert frei ist vom Rost des Blutes, das du jemals vergossen. Dieses Weib aber, das deine würdige Gefährtin war, soll an dem zerschnittenen Faden spinnen, bis sie das zerstörte Allwundenheil zu Ende gewebt hat!« Dann eilte sie mit ihrem Schützling davon.

Noch am selben Tag stürzte die Burg über dem Haupte des Arnsteiners zusammen, der mit seiner erschlagenen Buhlgemahlin dort oben in fahlen Nächten umgeht unter Seufzen und Stöhnen, denn das Blut weicht nicht vom Schwert und das Gewebe zerreißt immer beim letzten Faden.

* * *


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