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12.
Der Untreuebrunnen.

(Friedrichsbrunn.)

Von dem Quell, der Untreuebrunnen hieß, ist heute nichts mehr zu sehen; schon zur Zeit, da nur ein Forsthaus an der Stelle stand, hatte nur der Ort noch die Bezeichnung, die auf ein Geschehnis hinweist, das wegen seines erschütternden Inhaltes immer wieder aus alter Zeit weiter erzählt und gesagt wurde.

Die Tochter eines ritterlichen Herrn hielt in Treue zu einem Jäger, der in ihres Vaters Diensten stand, obgleich dieser einen ebenbürtgen Eidam aus der großen Zahl ritterlicher Bewerber auserwählt hatte. Der Jäger war ein frisches, junges Blut und wußte die Treue seines Mädchens mit aller Kraft seines Herzens zu belohnen. Stolz hütete er seinen Schatz und zeichnete sich durch seines Lebens Führung und durch hingebungsvollen Dienst wohl auch im Auge seines Herrn aus, der aber umsomehr der Gefahr aus dem Wege ging, selbst noch weich zu werden und seinem Kinde das ersehnte Glück zu schenken. Der Vater drängte deshalb auf baldigste Verbindung mit dem von ihm Erwählten und setzte schließlich die Hochzeit fest. Da flohen die Liebenden gemeinsam heimlich in den Wald und hatten schon einen weiten Weg zurückgelegt, als der Jungfrau die Kräfte versagten, so daß sie der Jäger auf schattiges Moos bettete und nach einem erfrischenden Trunke Umschau hielt.

Bei diesem Streifen lockte ihn ein gar zärtlicher Gesang immer tiefer in den Wald, wo er schließlich einen silberhellen Born fand. Dabei saß aber ein Weib, daß nur von seinem langen gelben Haar bekleidet war und mit einem schneeweißen Leib den unbewanderten Jüngling verblendete. Während er nun für seine besorgt harrende Liebste Wasser schöpfte, zog ihn das Weib am Quell zu sich heran und herzte und küßte ihn, daß er Ort und Stunde vergaß, weder seiner selbst, noch der Braut gedachte. Die aber hatte sich soweit von ihrer Erschöpfung erholt, daß sie in ihrer Not um den solange Fernbleibenden sich weiter zu tragen vermochte und bald an den Born kam. Als sie sah, was dort unter Herzen und Kosen geschah, fiel sie entseelt nieder. Jetzt war dem Jäger wieder alle Besinnung zurückgegeben, mit Entsetzen sah er, was er getan, sah seine liebe Braut und stürzte ihr entgegen, sie in den Armen aufzufangen. Er hielt eine Leblose umschlungen, die Heimat und Haus, den Vater und den Glanz verlassen hatte, den ihr ein andrer bereiten wollte, verlassen, um ihm, dem jungen Jäger, in eine ungewisse Welt zu folgen. Nun war sie aus dem Leben gegangen, weil sie dessen Hohn auf Treu und Glauben in einem Augenblick erfahren hatte, der all ihren Mut und Hoffenssinn wie ein Blitzstrahl traf und zerschmetterte.

Im gleichen Augenblicke schlug das buhlerische Weib an dem Born ein spottgekränktes Lachen an und lief in den Wald davon. Der Jäger aber riß sein Schwert heraus und stieß es sich tief in die vor Schmerz um sein leicht verspieltes Glück schier zerspringende Brust, daß sein Herzblut dahinströmte und den Waldquell rot färbte.

Der Born hieß seitdem »Untreuebrunnen«, diesen Namen behielt der Ort, auch als der Quell versiegt war. Das Dorf, das später zur Zeit Friedrichs des Großen hier entstand, wurde bei der Gründung Friedrichsbrunn genannt.

* * *


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