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43.
Der Hauskobold auf Burg Scharzfels.

(Bei Scharzfels.)

Als Kaiser Heinrich der vierte, ein Franke, im deutschen Reiche herrschte, also in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, lebte auf der Burg Scharzfels Graf Albrecht mit seiner tugendreichen Gemahlin. An einem stürmischen Herbstabend begehrte ein Mönch Einlaß und wurde auch freundlich aufgenommen. Schon, daß es dabei draußen in der wilden Harznatur tobte und heulte, gab der Einkehr des wandernden Kirchendieners ein unheimliches Gepräge. Ganz und gar beklommen aber ward es dem Grafen und seinem Gesinde zu Mute, als sich nun im Turm ein wüstes Poltern und Sausen erhob, sodaß Türen und Fenster aufflogen und in den Angeln schrieen. Ja, es rollte gar von der Zinne herab über die steile Stiege hinunter in die große Halle ein scheußlicher, schwarzer Klumpen, wickelte sich wie ein böser Wurm zuckend auf und verschwand. Das konnte nur der Kobold des Hauses sein! Und sein Erscheinen bedeutete stets etwas Schlimmes. Entsetzen ergriff die Burgbewohner, und die fromme Frau Gräfin war ihrem Gemahl recht dankbar, als der den Mönch, der nach etlichen Tagen wieder aufbrechen wollte, bat, doch noch länger verweilen zu wollen. Er möchte dem Gesinde das Christentum predigen. Und so entschloß sich der Mönch, zu bleiben.

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Als ihm nun ein eigenes Gemach für längere Dauer eingerichtet werden sollte, kam das Poltern und Sausen aus dem Brunnen herauf und sprang gegen alle Mauern und Tore, daß der Mörtel aus den Mauerritzen rieselte. Draußen aber war es totenstill und ein bleischwerer Schrecken fiel auf alle Hausbewohner. Am andern Morgen lag in des Mönches Gewand ein grinsender Katzenkopf, in einer Ecke ringelte sich bei ihrer Brut eine zischende Natter! Es war klar: der Hauskobold warnte vor dem zugereisten Mönche. Der aber führte sich sichtlich wie ein rechter Gottesmann und blieb.

Alsbald geschah es, daß der Kaiser auf einer Reise beim Grafen von Scharzfels einkehrte und einige Zeit auch dort blieb. Wir wissen aus der Geschichte, daß Heinrich unter vielen Feinden im eigenen Land auch einen mächtigen Gegner jenseits der Alpen hatte in Gregor dem Siebenten, dem Papste jener Zeit, der den deutschen Kaiser den denkwürdigen, schmachvollen »Gang nach Canossa« in Wintereis und Schnee machen ließ. So wollen wir es auch dem Urteile eines Jeden überlassen, wie es geschehen sein mag, daß in Gemeinschaft mit dem Mönch, der sich bald sehr mit dem Kaiser beschäftigte, dieser der Gemahlin des Grafen mit Liebesanträgen folgte, wohin sie sich auch wandte. Der Kobold – guten Glaubens, das Seine getan zu haben – rumorte nur in sehr verärgerten, schüchternen Geräuschen und Gesichten, als der Kaiser auf Anraten des kupplerischen Mönches den Grafen mit besonderen Aufträgen über Land schickte.

Die Gräfin saß im hohen Bogenfenster und schaute wehmütig und ahnungsbang in die schöne Gotteswelt über Wälder und felsige Gründe bei goldrot hereinbrechendem Herbstabend, als der Mönch salbungsvoll und heuchlerisch redend ins Gemach trat, hinter sich her den kaiserlichen Herren ziehend, der wohl ernsthaft verliebt sein mochte, denn die Herrin der Burg war eine schöne, hochedle Frau. Die aber durchschaute nun den Zusammenhang, beschwor und drohte schließlich um ihrer Tugend und des Gemahles willen. Doch vermochte sie das Unheil nicht mehr im Guten zu wenden. Der Kobold des Hauses hatte vergeblich gewarnt und saß wohl zu dieser Stunde auf irgend einem Sparren des Daches, oder im finstren Brunnenloch stumm und beleidigt. Wie diese Stunde dahinging, wissen wir nicht, nur, daß die edle Frau vor der unbeirrbaren Verfolgung der beiden Eindringlinge schließlich tot hinfiel und ihre reine Seele zu Gott dem Herrn schickte. Der Kaiser floh entsetzt und voll Reue über sein Vorhaben, der Mönch hängte sich bei der Schandenburg auf. Zur selben Zeit aber sah man den Hauskobold unter Blitzen und Donnern aus dem Schlosse fliegen, von wo er nach dem Koboldstale bei Andreasberg entschwand, wo er heute noch wohnt. Vom Geschlecht des Grafen Albrecht aber war aller Segen gewichen; vom Unglück verfolgt starb es bald gänzlich aus.

Wieder aber haben wir ein Beispiel erfahren, daß es mit der Geduld der Hausgeister eigen bestellt ist. Wer einen guten Geist im Hause hat, stelle ihn nicht auf zu harte Proben, sondern folge seiner Mahnung, ehe es zu spät ist.

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