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Die Kelle bei Ellrich.

Draußen vor Ellrich liegt eine Höhle. Wenn man ein Stück hineingeht, trifft man auf einen blanken Wasserspiegel. Die Höhle mit dem unterirdischen Teich heißt die Kelle und hat ihre sehr traurige Geschichte, seit deren Begebenheit es nicht geheuer ist in dem Felsloch.

Damals war ein reicher junger Müller in Ellrich, der auf Anraten seiner Mutter sich nach einer reichen Frau umsah. Als Kirmes war, ging er erst recht zum Tanz, obgleich die Mutter ihm sehr abriet. Bald hatte er auch heraus, daß eine wohlhabende junge Stolbergerin auf dem Tanzboden war, die jedoch nicht nur als bildschönes Frauenzimmer, sondern auch als kecke Dirn auffiel, die ihr Vergnügen daran fand, den Burschen die Köpfe zu verdrehen und sie dann stehen zu lassen. Kaum daß Johann Stephan, der Oelmüller, mit ihr getanzt hatte und erkannte, wie es die schwarze Laura trieb, packte ihn wütender Verdruß. Er ließ die Vielbegehrte einfach stehen und setzte sich neben den Ausschank, den des Wirtes Base, ein verarmtes, feinherziges Mädchen, bediente.

Wie ein Traum aus ferner Kindheit tauchte die fleißige blonde Wina vor dem Zerknirschten auf und schnell hatte er seine alte Fröhlichkeit wieder. Als der Vetter Wirt gar dem Mädchen einen Tanz erlaubt hatte, und Johann die behutsame, warme Hand in der seinen fühlte, die blauen Augensterne zu sich aufschauen sah und so selig selbstvergessen mit der Schenkin durch den Saal dahinflog, wußte er, daß dies Herz ganz und allein ihm gehören wird. Und damit war der Anfang gemacht zu einer reinen und schönen Liebe.

Wie aber alles Gute und Schöne in dieser Welt dem vielfachen Feinde ausgesetzt ist, fielen auch auf dieses junge Glück die Schatten, die Lauras Eifersucht und der Gevatternschaft Geldgier warfen. Um aller Bosheit und Mißgunst zu entfliehen, suchten die Liebenden als den Ort ihres heimlichen Beisammenseins immer nur die Kelle auf, jene abgelegene, verschwiegene Höhle. Und nie hat die Kelle die süßen Geheimnisse ausgeplaudert, auch schien es, als wisse niemand um das verborgene Stelldichein. Doch nun kam oft der reiche Stolberger zu Johannes Mutter und sprach mit ihr über deren Sohn und seine Tochter Laura. Mit bösen Zungen versuchten andere, wenn auch vergeblich, bei dem Oelmüller dessen Herzensneigung zu vergiften. Als aber eines Tages Wina nicht kam und von nun an aus Ellrich verschwunden blieb, war Johann zuerst sehr traurig, wurde dann still und ergab sich schließlich in sein Schicksal.

Wie nun der Lauf der Welt ist, kam es sogar eines Tages zu einem Verlöbnis zwischen Laura und dem Müller. Bald darauf führte er die Braut durchs Feld, und sie drängte sachte, aber unwiderstehlich nach der Kelle. Ihn überlief es heiß und kalt an diesem Ort, schmerzliche Sehnsucht stieg in ihm auf und er wollte fliehen. Da glitt plötzlich aus der Tiefe des Wassers ein heller Schein herauf und tanzte wie eine blausilberne Flamme in Menschengröße auf dem unterirdischen See. Aus der Flamme aber sprach die Stimme seiner Geliebten und beschwor ihn mit gütigen Worten. Entsetzt starrte er die dunkeläugige Laura an, die mit schmalen Lippen kaum ein Lächeln verkniff.

»Was habt ihr diesem unschuldigen Kind getan!?« schrie er wild auf, vom Jammer geschüttelt. Er lief mit ausgebreiteten Armen auf die Wasserfläche zu, da war die Erscheinung verschwunden. Nun füllte sein gellendes Lachen wie das eines Wahnsinnigen die Höhle, von deren Wänden hundertfaches Echo zurückprallte. Die eitle Stolbergerin floh in entsetzten Sprüngen; der Mann aber raufte verzweifelt sein Haar und schlug in ohnmächtigem Schmerz mit den Fäusten die Felswand.

Vor der Höhle soll er sich dann eine erbärmliche Hütte aus Moos und Reisig errichtet haben, wo er von der Nahrung aus den Händen der Barmherzigkeit noch eine Zeitlang lebte bis an sein frühes Ende.

Wer reinen Herzens liebt, kann zu gewissen Zeiten in der Kelle bei Ellrich die beiden Betrogenen wiedersehen als glücklich Liebende, doch nicht von Fleisch und Blut, sondern als reine Flammen in schweigendem Reigen auf dem unterirdischen See.

* * *


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