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11.
Die Teufelsmühle.

(Zwischen Selke und Bode.)

Der Müller auf dem Rammberge hatte nur eine sehr altmodische, kleine und baufällige Mühle, aber den Hochmutsteufel im Leib. Er wollte höher hinaus, ein großer und reicher Mann werden, aber schnell mußte es auch gehn. Darum wandte er sich an Meister Urian mit der Bitte, ihm mit der schwarzen Kunst beizustehen bei der Schaffung einer großen neuen Mühle. Das ließ sich der Teufel nicht zweimal sagen und kam zur siebenten Mitternacht darauf auf einem großen stinkenden Ziegenbock stracks durch die Luft her angeritten auf den Rammberg. Er bot seine unbegrenzte Hilfe an, falls der Müller nicht knausere. Der war mit sich übereingekommen, daß es tüchtig was kosten werde, und bot dem Teufel den ganzen Erlös aus dem Mehl, um das er die Bauern zu betrügen pflege, ja, er wolle auch noch was von dem seinen dazu tun. Der Teufel aber lachte ihn aus und wollte davonlaufen. Da raffte sich der Müller zusammen und bot den halben Gewinn aller Müllerei. Um seinem Ärger Luft zu machen, übertraf der Teufel sein Reittier in dessen Haupteigenschaft und schrie dabei dem Müller nach, der sich entsetzt die Nase zuhielt und ins Freie flüchten wollte, ihm käme es nicht auf Geld und Gut an, das habe er genug, ja, mit Geld und Gut sei seine Herrschaft geradezu verbunden! nein, Seelen brauche er, Seelen, Menschenseelen!

Der Müller stieß die Tür und das Fenster auf und kam wieder heran. »Eine ganz neue, große, steinerne Mühle,« sagte er, »wirst du bauen, dann sollst du die Seele meines Weibes haben!« »Ich danke schön, lieber Müller,« erwiderte der Teufel höflich, »ich möchte aber just deine Seele.« Der Müller ward blaß und versuchte es nochmals mit seiner Frau, indem er sie dem Satan als einen fetten Happen schilderte, da sie sehr fromm sei und jeden Tag mehrmals zur Kirche laufe. »Eben deshalb,« versicherte der Teufel, »brauche ich mir keine Mühe um euer Weib zu machen, das werde ich so wie so bald haben; aber – und um den Handel kurz zu machen: ja, oder nein, Müller? – Eure Seele, und in der nächsten Nacht, noch ehe der Hahn zum ersten Mal kräht, habt ihr die schönste Mühle im Land!«

Da schlug der Müller schweren Herzens zu. Der Teufel aber machte sich aus dem Staube, denn im fernen Osten stieg das erste Frührot herauf. Kaum war Meister Urian auf seinem Stinkbock davon, so krähte der Hahn; der Müller legte sich schlaflos nieder und dachte über den Handel nach.

.

So kam der Tag und ging nach unfrohem Werkeln trüb zu Ende. Der Müller hatte sein Weib zu einer Muhme geschickt und den einzigen Gesellen mit einem Auftrag über Nacht zur Stadt; morgen würde er zwölf Gesellen einstellen, alsbald könne er mit zwei Pferden spazieren fahren und jedes dritte Jahr einen neuen Staatsrock anschaffen, dachte er, während ihm der kalte Schweiß auf dem krummen Rücken ausbrach. Der erste Stern blitzte auf, da brauste durch die Luft ein wildes Heer zottiger Gestalten, mit Pferdefuß und dünnen Schwänzchen, voran der Teufel, elegant in spanischem Ritterkleid, mit scharlachrotem Mantel angetan. Lautlos und geschäftig gings hin und her, auf und ab. Wie Federbälle hantierten die Kerle gewaltige Felsblöcke, wie Kuckucksfedern die haushohen Eichenstämme, und im Handumdrehen steht der kolossale Bau, hundert Fuß im Geviert und zweihundert Fuß hoch, auf dem Berg. Meister Urian schreitet mit prahlerischer Geste um den Bauplatz, ordnet die Kleinigkeiten an, die Walzen, Malmsteine, Treppen und Trichter, Wohngelasse, Windflügel und Dachspitze. So im Vorübergehn tippt er dem Müller, der mit offnem Maul und schlotternden Knien dabeisteht, auf den Bauch: »Macht Eure Seele reisefertig, Müller, Mitternacht ist längst vorbei, und wir sind sogleich zu Ende!«

Da wird dem Müller himmelangst um seine alte, schäbige Seele, die er ja immer noch hätte am Ende aller Weltdinge retten können, wenn nicht jetzt der Leibhaftige damit abfahren würde. Und in seine Angst fällt ein Hoffnungsstrahl: dort oben unterm Dach fehlt noch ein Stein, da klafft noch, von keinem bemerkt, eine Lücke! Still, still! Jetzt wird der Teufel selbst betrogen werden. Sein Auge blitzt, er reibt vergnügt die Hände. Das hat der Teufel gesehn. Was soll die Veränderung, Müller? Das Satansauge späht ahnungsvoll den Bau ab. Da tritt des Teufels Obergesell heran und meldet die neue Mühle in allen Stücken als fertig. Im gleichen Augenblick hat der Satan den Fehler bemerkt, aber schon verschwimmt der letzte Stern am Himmelsbogen und im fernen Osten winkt ein blasser Streifen Frührot.

»Zum Teufel!« schreit Urian, muß über den eigenen Witz lachen, und alle Teufelskerle, die schon feiernd im Umkreis stehn, lachen mit! »Zum Müller!« verbessert der Scharlachrote, fährt wie ein Blitz davon und schwebt gerade mit einem in das Loch unterm Dach passenden Steinklumpen wieder heran, als der Hahn mit schmetterndem Schrei die Stille des Morgens zerreißt. Wie eine einzige jähe Wolke, die ins Tal rollt und vom Wiesengrund verschlungen wird, sind die Teufelsgesellen im Augenblick verschwunden und mit ihnen, wie ein scharlachroter Blitz, der Meister der Unterwelt. Der aber hatte gerade noch Zeit, den Felsblock, den er eben noch einfügen wollte, mit wütender Faust auf die großartige Mühle derart nieder zu schleudern, daß sie unter Donnern und Krachen zu Splittern und Staub zusammensank.

Den waghalsigen, hochmütigen Müller hat das zusammenstürzende Bauwerk begraben, seinen Leib die Würmer zerfressen. Wem am jüngsten Tag seine Seele zufallen wird, ist schwerlich heute schon zu sagen. Auf dem Rammberg aber liegen heute noch die Trümmer jener Mühle, die als Teufelsmühle weithin bekannt geworden ist.

* * *


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