Ludwig Winder
Die nachgeholten Freuden
Ludwig Winder

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Ein älterer Mann, der eine kleine gelbe Reisetasche trug, stand unbeweglich auf dem Marktplatz. Seit einer Stunde beobachteten ihn die vor den Türen ihrer Läden hockenden Frauen und Greise. Der Lohndiener des Grand Hôtel, der dem Fremden auf dem Bahnhof erfolglos ein Zimmer angeboten hatte, berichtete der 21 Inhaberin des Hotels, der Mann sei zuerst in die Schloßallee eingebogen, habe aber offenbar das Schloß nicht betreten, sondern sei nach wenigen Minuten auf den Marktplatz zurückgekehrt.

Als die beiden Automobile aus der Schloßallee auf den Marktplatz zusteuerten und vorbeirasten, setzte der Mann sich in entgegengesetzter Richtung in Bewegung. Er hatte einen kurzen, forschenden Blick auf die Offiziere geworfen. Er machte lange, langsame Schritte. Er war ungewöhnlich groß und hager, der unverhältnismäßig kleine, voraneilende Kopf schien den zu langen Körper ungeduldig mitzuschleppen. Die hohe Stirn ging ohne Übergang in die auffallend dünne Nase über, die heller erschien als das übrige Gesicht. Die Augen hatte er zugepreßt, obwohl die Sonne nicht mehr blendete. Der Mund war unsichtbar, ein schmaler weißgrauer Bart bedeckte in langen dünnen Strähnen die Brust.

Nachdem der Mann, einigemal ächzend und Atem schöpfend, die Schloßallee passiert hatte, blieb er vor dem großen Portal an der Vorderfront des Schlosses stehen und betrachtete das Wappen. Der faltige dünne Hals, der sich unterhalb der Mitte kropfartig bauschte, trat in diesem Augenblick trotz des Bartes, der ihn nur unvollkommen verbarg, unnatürlich groß hervor. Die bläulichen, aber kräftigen Finger tasteten kreuz und quer die Verzierungen des Portals ab. Der Mann machte, ohne den Blick von dem Wappen zu lassen, einen Schritt nach rechts, wobei er die Finger wandern und suchen ließ, bis sie, an einem schmalen rauhen Mauerstück vorbei, eine kleine Tür und einen Glockenknopf 22 erreicht hatten. Er läutete zweimal, fast ohne abzusetzen. Dann trat er einen Schritt zurück und wartete.

Die Tür sprang von selbst auf, der Fremde tastete sich in dem dunklen langen Säulengang einem Lichtschein zu. »Was sucht der Herr?« rief ein hinkender Livrierter, den der Fremde nicht gesehen hatte. Der Angerufene blieb einen Augenblick stehen, dann lief er mit überraschender Gelenkigkeit dem Lichtschein entgegen. Dort war das große Tor, das in den Hof führte. Er riß es auf, spähte nach allen Seiten, der Hof war leer. Der Livrierte, der dem Fremden rasch nachgehumpelt war, wollte ihn anbrüllen, aber der Eindringling war bereits in den Gang zurückgekehrt und rief: »Melden Sie mich Ihrem Herrn!« Er zog eine Visitenkarte von ungewöhnlich großem Format aus der Manteltasche. Der Livrierte drehte Licht auf, musterte den langen, schwarzen, unmodernen Überzieher, den der Fremde trotz der Hitze bis zum Hals geschlossen trug, sagte barsch: »Ausgeschlossen!« und stellte sich breit vor den Treppenaufgang. »Melden Sie mich, man erwartet mich«, sagte der Fremde, die Visitenkarte in der ausgestreckten Rechten. Die hohe, heisere Stimme verriet keinerlei Ungeduld. Jetzt erst öffnete er ganz die kleinen grauen Augen, sie wurden starr und streng, sie wurden größer, es war merkwürdig, wie groß diese Augen in einer Sekunde geworden waren. »Jetzt ist keine Empfangsstunde«, sagte der Livrierte ein wenig eingeschüchtert. »Melden Sie mich nur, da, die Karte«, befahl der Fremde. Der Livrierte gehorchte, las: Adam Dupic. Kein Titel, keine Adresse. »Warten Sie«, brummte er, verschwand, kehrte mit dem 23 siebzigjährigen Richard zurück. Der Kammerdiener blieb drei Schritte vor dem Fremden stehen, sagte überaus höflich: »Morgen um elf Uhr vormittags, mein Herr, wenn's gefällig ist, aber ich bitte mir den Anlaß zu nennen.« Der Fremde legte die Hand an die Ohrmuschel, als ob er nicht verstanden hätte, trat unvermittelt knapp vor den alten Kammerdiener und schrie, plötzlich dunkelrot im Gesicht: »Jetzt, sofort, nicht morgen! Jetzt, sofort! Diese Minute! Ich bin legitimiert. Ich bin avisiert. Ein Telegramm aus Wien. Melden Sie, ich habe einen Brief.« Er öffnete den Überzieher, entnahm einer alten zerrissenen Brieftasche einen Brief. Richard blickte den Briefumschlag an, führte den Fremden in das Wartezimmer für geschäftliche Besucher, erstattete dem Grafen Meldung.

»In den Roten Salon«, rief der Graf hastig, »aber erst wenn ich läute.«

Er fand die Gräfin auf dem Balkon, zeigte ihr die nicht besonders saubere Visitenkarte, lächelte: »Der Gesandte des Kaisers.« – »Dupic? Wer ist das? Adam Dupic, das gibt's doch nicht«, sagte sie. – »Warum nicht? Er hat einen Brief vom Privatsekretariat des Kaisers.« – »Offizier oder Diplomat?« – »Keine Ahnung. Ganz unbekannter Name.« – »Franz Joseph hätte keinen unbekannten Dupic gesandt. Existiert denn kein Obersthofmeisteramt mehr? Was sollen wir mit einem Herrn Adam Dupic?« – »Du mußt ihn nicht sehn, Alice. Ich rufe dich nur, wenn's ernst wird.« – »Nein, ich geh' mit dir.«

Sie gingen. Die Gräfin sagte, als sie in den Roten Salon eintraten: »Der Name klingt serbisch oder kroatisch. 24 Wenn es wenigstens ein Dupcevic wäre. Die Dupcevic waren einmal beim Hofball geladen. Eine Familie Dupic gibt es bestimmt nicht.« – »Ich läute«, flüsterte der Graf.

Richard öffnete die Tür, der Graf winkte ihm ab, ging auf die Tür zu, um den Fremden zu empfangen. Vor der Tür war Lärm. »Die Tasche geb' ich nicht aus der Hand!« schrie eine hohe, heisere Stimme. Eine zweite, ebenso erregte Stimme: »Den Überrock müssen Sie hierlassen, Überrock und Handtasche!« – »Keinen Schritt ohne diese Tasche!« schrie die hohe, heisere Stimme, schon in der Tür. »Herr Adam Dupic«, verkündete Richard; es war halb Anmeldung, halb Zurechtweisung.

Adam Dupic trat ein. Er schaukelte in der Linken triumphierend die kleine gelbe Reisetasche, mit der Rechten preßte er den Überzieher an die Brust, als fürchtete er noch immer, daß man ihm das Kleidungsstück entreißen wolle. Dann besann er sich, er sah sich in Spiegeln, sah sich in großem Lichterglanz stehen, nun sah er auch den Grafen und Gräfin. Er stellte die Tasche auf den Teppich. »Herr Graf, meine Devotion«, sagte er leise und verbeugte sich so tief, daß die schütteren, langen grauen Haare des zu kleinen Schädels nicht mehr zu sehen waren und der gekrümmte Rücken einen auf groteske Art mißlungenen Halbkreis bildete. Dann schnellte der Mann auf, ging auf die Gräfin zu und wiederholte dieselbe Verbeugung.

»Nehmen Sie Platz, Herr . . .« – die Gräfin zerknitterte die Visitenkarte – »Herr Dupic.«

»Danke, Königliche Hoheit. Der Name wird 25 ausgesprochen: Dupitsch.« Der Fremde hob den Kopf. Die kleinen Augen blickten den Grafen und die Gräfin kühl, selbstbewußt, gelassen an. Dieser Blick stach von der Lächerlichkeit der ungeschickten Verbeugungen beunruhigend ab. Das gräfliche Paar setzte sich und wartete.

Der Besucher schien nicht gesonnen, das Gespräch zu beginnen. Er studierte aufmerksam die Größenverhältnisse und die Einrichtung des Saals, blickte dann wieder den Grafen und die Gräfin an und lächelte, wie es dem Grafen schien, ein wenig boshaft. Ihr müßt anfangen, ich werde euch die Aufgabe nicht erleichtern, schien dieses Lächeln zu bedeuten.

»Willst du nicht den Herrn fragen, welche Angelegenheit ihn zu uns führt?« begann die Gräfin endlich.

»Sie haben einen Brief an mich«, fiel der Graf fast gleichzeitig ein.

Der Fremde ließ sich Zeit, verbeugte sich aber dann, so tief es im Sitzen möglich war, und sagte: »Zu dienen, Herr Graf.«

Er stand auf, zog den Überzieher aus, legte ihn sorgfältig auf die Reisetasche, setzte sich und überreichte dem Grafen den Brief. In der linken Ecke des Umschlags war der Aufdruck: Privatsekretariat Seiner Majestät, Wien, Hofburg. Der Graf öffnete zögernd, las, reichte das Schreiben der Gräfin. Während sie las, arbeitete heftig seine Stirn, endlich sagte er: »Ich verstehe nicht recht. Darf ich fragen, wieso Sie . . . in welchen Beziehungen Sie zu dem Privatsekretariat Seiner Majestät stehen?«

Der Fremde zerrte an seinem langen Bart, gab 26 sich einen Ruck und sagte: »Ich bin Kaufmann, Herr Graf.«

Die Gräfin warf den Brief auf den Tisch und stieß erregt hervor: »Das versteh' ich auch nicht.«

Dupic sah die funkelnden Augen der Gräfin rot und zornig werden. Er öffnete den Mund so weit, daß eine große Zahnlücke im rechten Oberkiefer sichtbar wurde, sagte aber nichts, sondern legte die linke Hand vor den Mund, als ob er ein aufsteigendes Gelächter gewaltsam unterdrücken wollte. Die Gräfin klopfte auf den Tisch und befahl halblaut: »Sag ihm, wir wollen die Aufklärung hören.«

Dupic schob seinen Sessel zurück, legte die Hände auf die Knie, beugte sich vor und wandte sich an die Gräfin: »Ich bin Kaufmann, Königliche Hoheit; das muß ja in dem Brief stehn.«

»Die Sache ist mir so ein Horreur, ich lass' dich lieber mit dem Herrn allein«, sagte die Gräfin.

»Belieben sitzen zu bleiben, Königliche Hoheit, Sie werden mit mir zufrieden sein«, lächelte der Fremde devot. »Ich beabsichtige, eine gute Offerte zu machen.«

»Wir könnten den Herrn jedenfalls anhören«, meinte der Graf, »wenn er sich schon zu uns bemüht hat.«

»Wie du willst. Aber vor allem lassen wir uns den Trick mit dem Privatsekretariat des Kaisers erklären.«

»Trick?« Dupic grinste. Gleich darauf wurde sein Gesicht ernst, fast drohend. »Ich mache keine Tricks, Königliche Hoheit. Seien Sie überzeugt, Herr Graf. Ich bin Kaufmann, ich wiederhole es noch einmal. Man schlägt mir ein Geschäft vor, ich erkläre mich bereit, das Geschäft zu machen.« 27

»Wir haben keinem Menschen gesagt, daß wir Geschäfte zu machen wünschen«, sagte die Gräfin. »Wir sind keine Juden, wir machen keine Geschäfte.«

»Auch ich bin – leider – kein Jude«, grinste Dupic, »aber warum sollen nur die Juden Geschäfte machen? Auch Sie werden Geschäfte machen, Königliche Hoheit, Sie werden das Geschäft statt mit dem Kaiser mit mir machen, das ist der ganze Unterschied. Oder Sie werden es nicht machen und Konkurs anmelden. Das geht auch. Einen dritten Weg haben Sie nicht. Die Freunde werden Ihnen nicht helfen.«

Die Gräfin hatte die Fassung verloren. Ihre erste Regung war: Läuten, hinauswerfen lassen! Aber da sah sie den Grafen. Sie sah seine kleine, braunbehaarte Hand zittern. Sein Phlegma hat uns ruiniert, dachte sie, seine unbegreifliche Gleichgültigkeit, die alles, was wir sind und haben, für nichts erachtet und ohne Bedauern aufgibt. Nur sein Klavier war ihm wert, alles andere hielt er für überflüssig, nichts konnte ihm Freude oder Schmerz bereiten in diesen einundzwanzig Jahren. Jetzt aber zittert seine Hand. Sie legte ihre zitternde Hand neben die seine.

Dupics kühler Blick ruhte auf den Gesichtern der Aristokraten. Die Gräfin stand müde auf, ging langsam durch den Saal. Dupic blickte den hohen Reiterinnenbeinen nach, stand auf, ungeheuer überraschend wirkte es, daß er plötzlich mit demütiger Stimme »Verzeihung« murmelte und sich tief verbeugte. »Verzeihung«, wiederholte er, »es war nicht kränkend gemeint. Ich sage die unangenehmen Dinge immer zuerst, dann kommt das Angenehme. Besser so als 28 umgekehrt.« Und als keine Antwort kam: »Jeder Mensch muß sich auf den Boden der Tatsachen stellen heutzutage, auch die Hochgeborenen. Ich könnte Ihnen Namen nennen . . .«

Er hatte erreicht, daß man ihm aufmerksam zuhörte. »Ein Trick, sagen Sie. Ich kenne keine Tricks, Herr Graf, Königliche Hoheit, ich flehe Sie an, es mir zu glauben. Die hohen Herrschaften leben nicht in Wien, kommen auch nie ins Kaiserliche Quartier, sonst wüßten Sie, wie alles zusammenhängt. Sonst hätten Sie auch meinen Namen gekannt. Man kennt meinen Namen in Ihren Kreisen; noch nicht lange, seit einem Jahr vielleicht, aber heute kennt ihn jeder aus Ihren Kreisen. Meine Hochzuverehrenden, Sie haben sich an den Kaiser gewendet. Der Kaiser hat Ihr Memorandum seinem Sekretär zur Erledigung übergeben. Derartige Ansuchen werden seit einem Jahr nicht anders erledigt, als indem man mich fragt, ob ich das Geschäft machen will. Herr Graf, Königliche Hoheit, man hat mich in der Hofburg gefragt, ob ich Ihre Finanzen durch Kauf oder Kreditgewährung ordnen will. Nun, ich habe mich über alles informiert, überall sitzen meine Leute. Jetzt bin ich hier und erkläre mich bereit, Ihren Besitz zu kaufen.« Er griff in die Brusttasche. »Hier ist meine Aufstellung, bitte, sich sie anzusehen. Ich biete mehr, als Sie nach Ihrer eigenen Schätzung verlangen dürften.«

»Was es alles gibt«, lächelte der Graf der Gräfin zu. Er nahm die Papiere aus Dupics Hand.

»Der Herr Graf wird bemerken, daß ich bei den Kalkulationen an meinen Vorteil nicht gedacht habe«, 29 flüsterte Dupic der Gräfin zu. Er legte den Zeigefinger auf die Lippen, als ob er sagen wollte, jetzt dürfe der Graf nicht mehr gestört werden.

Inzwischen hatte Thun zu lesen begonnen. Sein Lächeln verging. Er blätterte um, seine Miene wurde von Minute zu Minute erstaunter.

»Woher wissen Sie das alles?« fragte er endlich und hielt in der Lektüre inne.

»Lesen Sie, bitte, zuerst zu Ende, Herr Graf.«

»Es ist unglaublich, wirklich unglaublich«, murmelte der Graf und beugte sich wieder über die Papiere.

Die Gräfin hatte sich erhoben; nun stellte sie sich neben den Grafen und las mit.

»Das alles«, rief der Graf, »haben wir weder dem Kaiser noch einer anderen Persönlichkeit mitgeteilt. Ich weiß es ganz genau, erinnerst du dich? Die Kopien liegen ja bei Kupka. Wir haben geschrieben, um wieviel Wald, um wieviel Feld, um wieviel Objekte es sich handelt, wie groß der Park ist, wie es sich mit dem Vieh verhält, aber sonst nichts. Kein Wort von der Art unserer Passiven, nur die nackten Summen, weiter nichts. Und da lese ich nun, wieviel in den letzten zehn Jahren abgeholzt wurde, nicht genug daran, es steht sogar da, wieviel Buchenholz, wieviel Eiche, das weiß ja nicht einmal unser Oberförster so genau, geschweige denn der Kupka. Hier bitte: da steht, wieviel wir jedes Jahr für Dachreparaturen ausgegeben haben. Das schönste aber ist hier, auf dem elften Blatt und den nächsten Seiten: eine genaue Aufstellung unserer Passiven mit sämtlichen Namen, alles auf Heller und Pfennig. Sieh doch, deine Schneiderrechnungen sind auch da notiert, 30 sogar die Pariser aus dem Jahr 13. Vielleicht werden wir auf dem nächsten Bogen noch zu lesen bekommen, wieviel Eier unsere Hennen am 20. April 1899 gelegt haben, es würde mich nicht mehr wundern.«

Er stand auf und rief: »Sie scheinen sich ja mächtig für uns interessiert zu haben, mein werter Herr!«

»Ein Kaufmann muß sich genau informieren«, sagte Dupic leise, in unterwürfigem Ton.

Die Gräfin trat auf ihn zu, sie hielt sich an den Armlehnen seines seidenen Sessels fest.

»Ein Kaufmann, ein Kaufmann«, der Gräfin versagte die Stimme, sie konnte nicht sprechen, sie bellte es heraus, der Graf erschrak vor der schrecklichen Verwandlung ihrer dunklen, feierlichen Stimme, »ein Spion sind Sie! Mein Gott, muß man sich das bieten lassen!«

Dupics Augen wurden größer und heller, fast weiß. »Meine Dame«, sagte er leise, unterwürfig, »ich habe spioniert – in Ihrem Interesse. Die Summe, die Sie vom Kaiser verlangt haben, war zu niedrig, sie hätte nicht ausgereicht. Sie müssen Ihren Besitz so teuer verkaufen, daß Sie alle Schulden bezahlen können. Außerdem muß Ihnen eine Rente bleiben. Das alles will ich Ihnen garantieren.«

»Mit einem Wort: Sie wollen alles für uns, nichts für sich tun. Fragt sich nur: warum? Aus welchen Motiven?« sagte der Graf.

»Das – ist meine Sache«, erwiderte Dupic mit unveränderter Unterwürfigkeit. »Belieben Sie alles mit Ihrem Wirtschaftsdirektor zu besprechen. Mit Ihrem Rentmeister, mit Ihren Advokaten. Ich werde keine Schwierigkeiten machen, wenn jemand das eine oder 31 andere Objekt zu niedrig bewertet finden sollte, was ich aber nicht glaube. Ich will noch mehr tun. Ich kaufe zwar das Schloß, aber ich nehme es Ihnen nicht. Sie können es nach dem Verkauf weiterbewohnen wie bisher. Völlig unverändert. Ich verlange nur, daß Sie sich heute noch prinzipiell einverstanden erklären.«

Es war der Gräfin in diesem Augenblick, als wäre sie gestern in dem elterlichen Schloß in Bayern eingeschlafen und jetzt von der hohen, heiseren Stimme dieses Mannes geweckt worden. Traumhaft sah sie ihn die lächerlichen Verbeugungen machen und in devotem Ton die entsetzlichsten Drohungen und Schmeicheleien aussprechen.

»Dir ist nicht gut«, sagte der Graf mit einem Blick auf das erschreckend weiße Gesicht. Er wandte sich an Dupic: »Heute können wir das Gespräch nicht fortsetzen, vielleicht ein andermal.«

Dupic stand auf: »Es tut mir leid, Herr Graf, ich muß heute wissen, ob Sie prinzipiell einverstanden sind. Mein Zug geht in einer Stunde.«

»Er soll heute die Antwort bekommen«, sagte die Gräfin, schon in der Tür. Sie hatte es ohne Überlegung gesagt, sie handelte wie unter dem Zwang eines Traumgesetzes. Sie schwankte, der Graf eilte herbei, um sie zu stützen. Bei der Berührung seines Arms war ihr, als fiele sie aus einem sausenden Schnellzug. Sie sah in den Augen ihres Mannes eine verschämte Fröhlichkeit, die kaum länger zurückzuhalten war. Natürlich, natürlich, dachte sie und ging, so rasch sie konnte; wenn er nur bleiben darf, wenn er nur sein Musikzimmer behalten darf, mehr will er ja nicht. Jetzt steh' ich 32 zwischen ihm und diesem fürchterlichen Menschen und soll entscheiden. Wie kann ich das? Und die andern, diese guten Freunde, alle diese Menschen, einer wie der andere, was soll ich mit ihnen? Ich hab' sie ja nie gekannt. Idioten und Verbrecher!

 


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