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Mein Volk!
In schwerer Stunde, meinst du, steht der Dichter abseits,
Dem nicht der Mund austönt mit starkem Kriegsgesang?
Wo warst du, als der Dichter laut ausrief
Seine Verlassenheit, und als kein Echo
Aus großem Volkswald widerklang, und seinen einsamen Gang
Der Dichter mühsam suchte und verzweifelte?
Daß er so einsam ging, das war:
Nicht weil er bei dir war, mein Volk, das war:
Weil du nicht bei dem Dichter warst, der nie sein Herz ablöste,
Nie sein Sehnen schied
Von seinem Volke, das sich fern ihm hielt.
Nun als das ganze Volk mit ganzer Seele stand
Im Drohn der ganzen Welt, da schrak der Dichter.
Das war sein Wehestes, er sah sein Volk
Ausziehn in Kampf, und kein Platz ward gelassen für den Dichter.
Nicht das war bitter, daß ein großes Volk
In großer Zeit nicht innerst ruft nach großen Dichtern.
Denn wenn ein ganzes Volk ein Dichter ist in Heldentaten,
Und seine Seele heldisch heiligt, wo ist da
Der dünnen Wörtlein not, die hohle Backen
Aufblasen, um mit enger Brust den vollen Klang
Der Kriegsfanfaren und Erschütterung
Von Luft und Erde im Kanonenkampf
Schlecht nachzuahmen, dünne Strahlen zu schießen
Von Wortfontänen, wo ein Krater loht
Der Kriegestaten, wo ein Volk als Held
Gegen die Welt kämpft? Oh der Dichter
Klimpernde Begleitmusik ist da ein schlechtes Koulissenstück.
Wohl, wer Gewehr im Arm im Schützengraben liegt,
Und über wen Tod und Verderben fliegt
Mit Flügeln aus den Mündern stählerner Kanonen,
Dem mag sein Wort wie sein Gewehr ein Eines sein,
Und seines Liedes Donnern mag noch gar den Schlachtlärm überdröhnen.
Aber ... hinter der Front ... tausend Kilometer
Zwischen dem Dichter und Soldatentod ...
Ich, Dichter der Deutschen, kann das nicht,
Mir greift die Scham ans Herz, wollt ich mit großen Worten
Der großen Tat des großen Volkes
Ein hohles Echo wölben und mich in die Muschel
Der Wortumwölbung sicher betten und ein Lärmgetös
Um mich erregen und dann schlafen gehn.
Ich weiß doch meine Zeit. Ich weiß,
Wenn ich in weichen Kissen liege, daß die Nacht
Ein Volk in Schützengräben sich dem Tode giebt
Mit hocherhobenen Herzen, also sei der Dichter still
Und warte schweigend, daß des Volkes Stolz
Sich auftu, daß der Täter heilge Zeit
Erblühe; dankbar neige der Dichter sein Haupt
Und schweige, allsolang noch die Kanonen brüllen.
So wird er in sich ganz erfüllen
Edlen Herzens Bescheidenheit und Treue seinem Volke.
Mein Volk! Als meine Lippe schwieg,
War meine Seele ganz bei dir, war mein Gelübde:
Ausgelöscht soll sein, daß du ein Dichterleben
In Not und Einsamkeit dahin ließt fließen,
Und daß du weigertest, mir Echo zu sein in Kämpferjahren.
Und mich besiegt im Winkel liegen ließt, und mich verachtetest.
Lösch du auch aus, daß oft ich schalt, lösch aus auch mein Verzweifeln.
Lösch aus, lösch aus, ich will von neuem suchen meinen Weg zu dir.
Ich will ein neu Jahrzehnt anfangen, und mit neuem Mut
Und neuer Kraft den Weg gehn, meines Volkes Zukunft
Vorauszusuchen, und ich will
Aus Volkes Wurzeln noch ein neues mal den Jahrzeitweg
Zu Volkes Blüte Ring um Ring umschreiten und ich will
Sammeln die Früchte. Oh mein Volk!
In deiner großen Zeit erfuhr ich innerlich,
Daß nichts mich abhält, so zu lieben, wie ich je geliebt.
Denn dies ist Dichters größte Tat: sein Volk zu lieben. –
Schau ich meines Lebens Weg zurück, erschaure ich,
Wie ganz untrüglich meine Liebe hielt in heilgen Händen
Den Kompaß, wie die Nadel meiner Liebe mich geführt
Bis an den Weltkrieg, und wie nun zeigt
Die Nadel meiner Liebe mir den Weg
Grad aus nach vorwärts, ohne daß mein Weg sich biegt.
Und meiner Liebe Ziel? Oh Volk! Dies letzte, heilge Wort
Will ich leis sagen: dieses deutsche Volk
Ist hundert Dichter wert, ob sie auch sterben
In krampfendem Schmerz, und ob mein Volk
Mich modern ließe unterm schweigenden Leichenstein.
So wie ein ganzes Volk sich giebt dem Tod,
So giebt der Dichter sich dem Volk. So viele Gräber
Ohn Kreuz und Namen, die rechnet auch
Gegen so manches Dichtergrab, das keine Inschrift trägt!
Hunderttausend Soldaten sterben vor dem Sieg.
Wohl hundert Dichter dürfen sterben vor des Volkes erfülltem Geschick.
Auf einsamer Patrouille von der Kugel hingestreckt,
Niemand weiß, wo er liegt, so denk ich mir mein Dichtergrab.
Wenn nur mein Volk siegt! Aber wer schreibt hinter meinem Namen:
»Vermißt«?