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Daß ein Drüben ist

Daß ein Drüben ist, das ist doch klar;
Jede Tür führt doch wohin,
Allereinfachstes ist ebenso wahr –
Such nur den verborgnen Sinn!

Wenn ein Mensch stirbt, ists ein Ende.
Daß er selber dieses Ende sei,
Ist gedacht worden. Also daß die Wände
Des Lebens ließen kein Loch frei.

Als hätt der Zimmermann die Tür vergessen.
Welche? Denn die Tür im Mutterleib,
Aus welchem heraus wir ins Leben hinein
Plumpsten, führte uns doch schon

Als eine wahre Tür in ein Wohin aus einem Woher.
Der Leib der Mutter sei kein Drüben?
Drin waren wir. Wer aber drin gewesen war,
Sei draußen doch im selben Haus geblieben.

Ein kleines Zimmer, dann ein großes.
Eine Tür dazwischen, Tür und kleines Zimmer sind einmal nicht mehr,
Wir sind dann nur noch in dem großen Zimmer.
Und warten, wann das große Zimmer nicht mehr ist?

Nein hier ists umgekehrt.
Das große Zimmer wartet, bis wir nicht mehr sind.
Tat nicht auch solches schon das kleine Zimmer?
Als wir heraus waren, waren wir nicht mehr drin,

So wartet wohl das große Zimmer, wann wir heraus sein
Aus ihm? Im kleinen Zimmer ists Geburt.
Im großen Tod. Beide ein Heraus.
Da aber Geburt auch ein Herein ist

Ins große Zimmer, zwei Seiten einer Tür,
Benötigen wir im großen Zimmer eine zweite Tür,
(Der Tod ist ihre eine Seite)
Benötigen wir im kleinen Zimmer eine zweite Tür,

(Empfängniss ist ihre eine Seite)
Zwei Türen im kleinen, zwei im großen Zimmer –
Sind vier? Nein drei. Auch Rechenkunst
Tuts manchmal billiger. Aber dennoch fehlen

Zwei Außenseiten. Nur die Zwischentür
Hat Aus- und Eingang. Türn mit Innenseiten nur
Könnt man verschlossen nennen. So bedarfs
Des Schlüssels. Doch der Schlosser ist nicht Aristoteles.

Denn Türn mit einer Seite sind nur an die Wand gemalt –
Da hilft kein Schlüssel. Aristoteles
Läßt die Welt nach innen sein –
Also käm auch niemand je durch eine Tür,

Sondern schleicht nur an der Wand,
Wo die Welt zu Ende und zu Anfang ist.
So ists oft gedacht. Lang vor Aristoteles –
Das Endliche und seine Wandlungen.

Aber auch seine Tode, Aber auch seine Wanderungen.
Aber auch Seelen. Geister. Aber auch viele
Bezirke. Die Ewigkeit hat Platz im Endlichen –
Dann aber besinnt sie sich, und sucht eine Tür.

Alle Wände sind abgetastet,
Alle Zimmer durchsucht, und über alle Treppen
Klettert das Denken. So vieles Woher und Wohin
Mündet zu allerletzt an langer Wand,

Wo die Zielfragen stehn, beiseite gestellt,
Handlich zu häufigem Gebrauch:
Ob der Tod ein Ende oder Anfang sei;
Und wer tot ist, ob der das selber sei.

Ob Geburt (oder Empfängniss) Anfang sei
Oder eine Fortsetzung. Die alte Fraget
Leben wir eine Spanne Zeit, oder rückwärts
Und vorwärts eine Ewigkeit.

Das sind drei Fragen: Anfang und Ende,
Oder Anfang und kein Ende, oder kein Anfang und kein Ende,
Die vierte Frage hört ich noch aus keinem ernsthaftem Mund:
Ob kein Anfang, aber wohl ein Ende sei.

Ists nicht doch, daß weitete sein Haus
Unser Denken? Wer die Ewigkeit gedacht,
Hat die Welt, wenn nicht unendlich,
So doch schon sehr weit gemacht.

Immer noch fehlt Ausgangstür.
Ewige Wiederkunft ist türlose Wand –
Unendlichkeit ist keine Tür;
Sondern die ganze Wand ist weggeschafft.

Da ist nun freilich alles »diesseits« –
Unser Jenseits ist nicht eine Tür durch die Weltwand
(Da es ein Bezirk sein soll) sondern durch den Tod.
Auch in einer unendlichen Welt war not der Todbesiegung.

Eine ewige Welt. Die wird unendlich.
Da ist Denken ein Pfeil. Lange, lange steht er im Flug –
Ein Aufhören doch immer noch.
Aber schon anders. Wir stehn vor offner Tür.

Da werden wir lange stehen müssen.
Wird es uns graun vor Leerem? Vollem?
Wir werden zurückschrecken, wir werden ängstlich
Durchlaufen (hinter den Fenstern) Treppen und Kammern,

Durch welche unsre Vordenker liefen,
Es wird immer wieder münden an die Tür im Tod.
An die Tür in der Geburt (oder Empfängnis) –
Schweigend, graunvoll liegt Unendlichkeit.

Oder beschwingend. Die »offne« Tür
Hat ja keine Wand um sich –
Ohne Geburt und Tod ist Welt ein Diesseits,
»Viele Kammern, viele Türen in meines Vaters Haus«.

Viele Häuser aber ... in der Unendlichkeit,
Dem großen, großen Diesseits, oder Allseits.
Nun ist jedes Jenseits kleiner geworden,
Ein Bezirk und eine Existenzform.

Darin viele Ebenen in jedem Bezirk,
In jeder Existenzform. Und alle Probleme
Werden neu durchdacht. Neue Achse,
Neue Spirale. Gewiß: zu allen alten auch neue Probleme.

Vielleicht auch Lösungen. Vielleicht auch das Abgetane.
Droht hier das Verlieren. Graunvoller als alle Tode.
Aber alles Behalten erstickt uns grausam genug,
Wenn innerlich vorgefühlt (Missetat, Fesselung, Überdruß).

Es hilft uns nichts, wir müssen immer wieder in das Kleinste.
Immer nur Geduld, Geduld, Geduld.
Alles Verschlossene ist ängstlich nah –
Wir sehen vom Mond und Mars mehr denn vom toten Vater im Sarg.

Es ist wahrscheinlicher, daß wir vom fernsten Stern
Telefotos und Äthertelefon
Einst erhalten, hinschicken, denn daß wir die Toten
Erforschten. Bezirke sind näher als Ebenen.

Oder so: unsere Ebene in alle Unendlichkeit
Ist Möglichkeit (vorerst nur Denkbarkeit)
Des Verkehrs zwischen den Bezirken,
Wenn Existenzformen einander nahe genug sind.

Ebenen gleicher Achse übereinander sind unser Bild
Des Wachsens, der Entwicklung. Da schon
Beginnen die Undurchdringlichkeiten.
Unsere Achse lernten wir immer noch nicht

Verlängern über Geburt und Tod hinaus.
Wo aber verschiedene Achsen, wie sollten wir da
Möglichkeiten sehen?! Schon bei den Existenzformen
Gleicher Ebene und Achse bricht uns alles ab.

Ich und mein ausgefallnes Haar auf dem Tisch,
Eine Pflanze auf meinem Kopf.
Was habe ich oder hatte ich mit ihr gemein?
Alle sieben Jahre ist mein Körper neu.

Warum sage ich nicht: alle sieben Jahre habe ich einen neuen Körper?
Ich könnte auch sagen: hat mich ein neuer Körper.
Ist der Körper meine oder seine Existenzform?
Dualismus? (Also seine und meine Existenzform?)

Da wäre doch das »Wunder« nur Porzellankitt –
Da sollten wir lieber alles Erklären fortlassen.
Da nahm ich lieber meine Seele als unsichtbaren Wurzelstock
Und meinen Körper als auf ihr sich aufbauende Pflanze.

Die umgedrehte Entelechie des Aristoteles.
Sind nur wieder im Weg: Ovum und Sperma (Mutter und Vater).
Manchmal möcht ichs doch wohl wagen:
Wie meine Seele meinen Körper baut,

So hat sie Vater und Mutter gebaut,
Und alle Vergangenheit hat sie gebaut,
Und alle Zukunft (im Raum ist alle Zeit parallel).
Meine Seele Solipsist. Geheimnis der Unendlichkeit,

Eine strengere Mystik. Ich Alles – doch Ich.
Du Alles – doch Du. Er Alles – doch Er.
Die christliche Dreieinigkeit hats vorgewagt.
Älter als der Vater ist der Sohn.

Und mindestens auf Erden ist dies auch real.
Banal: der Sohn weiß mehr.
Er ist: er vermehrt um seinen Vater.
Nur so ist Schöpfen, Zeugen, Gebären kein Plagiat.

Aber nur in der Unendlichkeit
Ist die Ewigkeit schöpferisch.
Nur im Unendlichen sind Sein und Werden kein Widerspruch.
Nur fürs Unendliche ist das »All« kein Ende. Und

Gott hat Platz. Aber auch ist
Unendlichkeit nach innen.
Also hat er Platz in uns. Sein Sein und Werden. Sein Außerunssein, unendliche Ferne,
Mit allem hat er Platz in uns. Nur im Unendlichen (innen und außen) ist Gott keine Tautologie des »Alls«.


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