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Ist die Unendlichkeit zu schreckend, ist sie doch
Verzweifelnde je neu aufweckend, daß da noch
Offne Tür; wohin der Weg auch führ.
All unser Denken in die Höh und Tiefe war doch viel
Zu viel ein Abschluß, ein Vollenden, ein zu nahes Ziel –
Gewähnt, erreicht, und dann gegähnt, und neu
Bezweifelt, und neu aufgebaut.
Immer zu schnell und zu bequem erschaut.
Mahnende Unruh erstickt; Gewissens Reu
Rasch gerächt am Werk; der Topf zerschmissen –
Aber an den Scherben uns wund gerissen.
Ja als der Topf noch größer als der Magen,
So viel größer, daß uns kein Verzagen
Ankam, daß des Essens ein Ende sei ...
Als unser Kopf noch in den sieben Weltköpfen
Mitten saß, als noch auszuschöpfen
Kaum sich vermaß ein Kosmosphilosoph
Der Griechen sein Apeiron, weil es noch nicht frei
Vom »Endlichen« in der inneren Grenzfläche –
Auch als die Sternenwolke »ewig« troff
Des Epikur, Weltsturz, aber wohin?
War doch noch eine unterste Fallfläche,
Die zog er weg, war doch noch der Abgrund –
Eine offne Luke. Wohin? Ein Lochspund.
Und wenn die Welt nun leer gelaufen war?
Wo kämen neue Sternenstürze her!
Weiter sind wir auch noch nicht. Wir zerschlugen
Tod und Geburt, Rand und Rund. Und alle Ringe.
Alle Brücken und Pfeiler, die uns trugen.
Wir vertrauen einer tragkräftigeren Schwinge.
Aber auch ... fragfräglichere Schwindel
Umwehn uns; unser Gedankenhaus ohne Schindel
Und Keller ist sehr luftig geworden.
Uns wollen unsre alten Begriffe morden.
Wir streiten; ob Kosmos sei möbliert von Gott,
Oder Gott ausquartiert. Oder im Grundbuch falsch eingetragen.
Der habe das Haus weder gebaut, noch sei er Besitzer.
Nämlich unsers Gedankenhauses? Oder des Kosmos? Oder des Grundbuchs?
Wo sitz er nun, der Weltschöpfer, der Hochtronsitzer?
Da sei draußen kein Platz. Warum? Hört denn nun gar die Unendlichkeit irgendwo auf?
So sitzt er innerhalb? Oder nur auf seinem Grundbuch? Ach geh blos
Endlich mit Kosmos atheos!
Wir hatten Gott ja schon die Wohnung gekündigt.
Als es ans Exmittieren ging, war kein Richter.
Und als wir das Haus ansahen, dessen oberes Stockwerk
Gott räumen sollte, schauten die Sterne durchs löcherige Dach.
Da zogen wir selber in die Herberg »Zur Natur«
Quer über die Straße. Die kauften wir
[Die Herberg] und ließen
uns ins Grundbuch eintragen.
Es ist das wirkliche, alte Grundbuch von Vierhausen,
Die vierfachen Wurzelsepps vom zureichenden Grundbuch,
Ein viereckiger Kreis von Hausbesitzern.
Frau Ewige Wiederkehr wohnt zur Miete,
Reihum, wird immer wieder exmittiert.
Denn sie zahlt zu schlecht, vor allem zu selten,
Und die Schulden häufen sich mit der Zeit
Beim Ortsvorsteher, beim Wirt, beim Gensdarm, und beim philosophierenden Schuster:
[Gott, Natur, Kausalität, und der Golem]
[Brama, Maja, Äon, und der Mensch]
[Der Spiegel, das Bild, die Lampe, das Auge]
Dreh den Spiegel um, Gott ist tot.
Dreh die Lampe aus, Bild ist tot.
Das alles hilft uns nicht, wenn wir Unendlichkeit
Zwängen ins Begriffliche: wir fassen nichts Begreifliches.
Wir müssen wagen. Selber. Und nicht schnell
Als Golem, Schuster, und Systemebauer
Das Einende herholen, wo wir selber erst
So zaghaft schreiten. Nichts bestreiten,
Was uns nicht hindert. Gott
Ist Rätsel in der alten und der neuen Welt.
Ob er ist, ob nicht, war
niemals Frage.
Ob ich zu ihm rufe, ihn fürchte; oder ihn fern
Lasse, weil ich ihn
Noch unerforschlicher erfinde denn Unendlichkeit,
Oder ihn als Vorwegnahme, als Opium, oder als Verzicht auf Forschen
Nicht beleidigen will: Gott ist oder nicht
Erst
hinter aller Unendlichkeit,
Auch
inner aller Unendlichkeit;
Ich aber will den Schritt tun aus umbundner Welt
Ins Wirkliche, Ernsthafte, Grauenvolle –
Ich will den Hirnraum weiten.
Und kein Begriff soll hinter meiner Sohle schreiten
Und mir den tückschen Dolch in Nacken stoßen.
Soll auch nicht vor mir stehn als Vorhangsenker –
In allem unendlich Kleinen und Großen
Sei Suchen Lenker, und sei Finden Denker.
Ach was ich fand ist erst das Tor,
Zaghaft steh ich ohne Schlüssel davor.
Ich fand: sie alle bauten sich eine Welt,
Die ein Haus ist ohne Fenster, ein rings umschlossenes Zelt.
Und einer sagtet wenn ein Fenster war,
Und streckt ich meinen Arm hinaus, war der nicht mehr.
Ja das ist atemlos schön.
Ich kann verstehn,
Daß ihm das füllte all sein Leben,
Da er sich und uns dies tiefe Rätsel gegeben.
Und doch ist er zu schnell gegangen,
Ich will es doch noch anders anfangen.
Seine Sterne [körperlose Punkte, leuchtend]
Seine kristallenen Himmel [sieben] durchsichtig,
Die Sterne strahlen aus Raum in Raum
[Sieben Räume] wie aber schließt Glas
Gegen die Nichtsnacht ab den siebenten Raum?
Ist der siebente Glashimmel dann nicht mehr Glas?
Sonst ließ er doch die Dunkelheit ein
In den sechsten Raum, und den fünften, und bis zu uns.
Und es würfen doch die Sterne ihren Schein
Ins Außen, ins Nichts. Ertränk der? Aber ihr Leuchten bleibt
In allen sieben Räumen.
Sein tiefstes Rätsel erkauft er sich
Teuer. Der Raum [wie er ihn greift]
Sei innere Grenze. Jeder Raum von den sieben
Ist so in sich nicht, nur der innerste.
Der zweite Raum ist nicht möglich als Kugel,
Mit der Erde als Mittelpunkt.
Sondern als körperhafter Ausschnitt
Aus einem Apfel; wir haben das Kerngehäus
Ausgestochen. Des Kerngehäus
Äußeres ist nun des Restes Inneres.
Und die Innenseite der Apfelschale
Mit dieser Kernhausaußenwand
Zusammen sind der zweite Raum.
Ein Golem also. Und nie zu einen mit dem ersten Raum.
Und der siebente? Da war dann nichts mehr vom Apfel da,
Das wir ausstechen könnten, auf daß
Dieser siebente Raum erschaffen werde.
Wir müßten ihn ausstechen aus dem Nichts,
Das nicht viel anders wäre denn das Apeiron des Anaximander.
Ist aber Apfel »endlich« wie diese Griechenwelt,
Dann war dem siebenten Raum wohl eine innere
Grenzfläche, konkav, deren konvexes
Nun niemals innere Grenzfläche achtes Raumes sei.
Weshalb? Weiß ichs doch nicht. Und auch nicht Aristoteles.
Doch immerhin; es war schon eine dritte Sorte »Raum«?
Da scheint ganz sicher etwas nicht zu stimmen.
Nur spottet nicht. Denn solche Räume
Sind doch ein wenig grausiger
Als eure Wohn- und Eß- und Schlafstube.
Des Griechen Kampf gegen die Unendlichkeit
Führt uns an Tore, die sich öffnen weit,
Wohin? In die Unendlichkeit.