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So mein ich: jede Blüte

So mein ich: jede Blüte
Am Baum ist Raum. Was sind
Ei und zahllose Stäubchen?
Eltern? Wieviel Männer ohne Frau!

Aus zweien soll eines werden –
Ihre Zahlen stimmen nicht zusamm.
Darum so vieles Sterben?
Bis jedes Pollen zu seinem Ei kam.

Wenn ich den Apfel esse.
Der Kern, der Kern, der Kern.
Bin ich Mörder? Oder eine Straße
Von Vielen für des Kernes Kern.

Sind Blütenstäubchen Seelen,
Was ist dann jedes Ei?
Und ob sie sich vermählen,
Was soll dann ihr Kind dabei?

Ein Stäubchen muß ja sterben –
Des Stäubchens Stäubchen nicht?
So kann es auch nicht »werden«.
So »ist« es. Sag mir, was es ist!

Ist Ei denn Raum oder Seele,
Ist Pollen Seele, oder frißt
Das Ei des Eis den Pollen –
Aber es der Seele des Pollen vergißt?

So kämen nie beiander
Zwei Seelen? Des Eies Seel
Und die des Pollen müssen wandern
Ewig des Wegs und Zieles fehl?

Das Ei um das Ei, und der Pollen
Um den Pollen, sind die nun Raum?
Sodaß die Seelen sollen
Sich nähren und gegessen werden vom Raum?

So gäb es Seelen weiblich,
So gäb es männliche Seel?
Oder zeitvertreiblich
Im Wechsel? Ach das ist sicher schlecht.

Wenn Ei vom Pollen nimmt,
Was es von ihm nehmen kann,
Wo bleibt die Pollenseele? Wie stimmt
Dazu das Kind dann?

Ist dann das Kind das Ei [dessen Seele]?
Wo ist die Seele des Polln?
Oh wie ich meine Seele quäle:
Eins scheidet aus und muß ewig weiter rolln.

Der Mann, der Ausgestoßne,
Der Schaffer, der sehnsüchtige Gott.
Zeugen [d. h. weggehn] was ist da Großes?
Oh Not, oh heilige Not!

Wenn jedes Ei den Pollen
Frißt, und über läßt
Des Pollen Seele, so müßten
Alle Menschen Männer oder Frauen sein.

Wenn aber des Eies Seele
Im Kind ist und auch Seele des Polln –
Wär jedes Kind dann zweifach?
Sowohl Mann – sowohl Weib.

Eins aber stärker als andres.
Warum? Sind Seelen verschieden stark?
Wenn aber je nur das Ei frißt,
Warum giebt es dann noch Männer?

Wie kann eine Seele essen?
Warum ißt denn Pollseele nie?
Die räuberische Seele
Des Eis, wenn die den Pollen

Gegessen, und im Bauch nun
Der Mutter liegt, wann wird
Ein Knabe, wann ein Mädchen?
Je muß doch in dem Kind

Die räuberische Seele
Des Eis sein, und Seele des Polin.
Von wann an ist ein Fötus
Knabe, Mädchen? Wenn nicht von ewig, dann doch nie.

Die Seele des Apfelkerns stirbt nicht in mir,
Pollseele und Eiseele stirbt nicht im Weibbauch,
Aber im Fötus ist da Verwandlung?
Was soll sich verwandeln? Ewiges ändert sich nicht.

Pollseel und Eiseel im Fötus –
Dann aber sind bald hinterher
Viele Millionen Pollen im Fötus
Oder wieviel tausend Eier.

Ist also in des Fötus Uterus oder Hoden
Ein großes, großes Geborenwerden
Noch lange, lange, eh Kind aus dem Bauch
Der Mutter geht?

Dann ist auch ein Begatten.
Wer sind die Brautleute?
Pollseel, Eiseel –
Die warens schon im Leib der Mutter.

Also: ein Mann und ein Weib –
Also: ein Ei und ein Sperma –
Begatten sich vorm Uterus,
Sodaß das Sperma ins Ei kriecht, vielleicht gefressen wird.

Also erstmal: zweier Generationen
Begattung in einem Koitus.
Was nun? Das Ei mit dem Sperma in sich
Ist nun ein Körper mit zwei Seelen [Eiseel und Pollseel].

Wobei wir noch nicht wissen,
Was Eiseel ist, und Pollseel ist,
Sondern erstmal wissen wollen,
Wie nun aus zwei eins werden soll.

Also: aus Mann und Weib [wir nennens zwei]
Ward eins? Nein wurden zwei in eins,
Nein ... blieben zwei, die vorher auch schon waren.

Was tuen die zwei
[Da wir schon nicht wissen, was sie sind]?
Sie müssen doch was tun.
Sonst wären sie bis heute noch
Ein Kügelchen im Uterus,
Oder eine Abtreibung.

Also zwei aus zweier Gehäuse
Gingen zwei in ein Gehäuse.
Wer frißt nun Raum? Eiseele?
Also wüchse Fötus groß.

Dieser Fötus hat ein Ei?
Nein, viele Tausend.
Dieser Fötus hat ein Sperma?
Nein, viele Millionen.

Was ist im Kügelchen geschehn,
Darin sich Ei und Sperma eingehäusten?
Neue Begattung? Oder Zellteilung?
Teilen kann sich nur, was vieles ist.

Ist Spermaseele vieles?
So wüchsen denn des Knaben Hoden.
Ist Eiseele vieles?
So wüchse denn des Mädchens Eierstock.

Was aber ist denn Seele
Des Knaben oder Mädchens?
So gehts doch nicht.
Oder mir zu unerforschlich.

Wenn Eiseele eines ist,
Und Spermaseele vieles ist –
Wenn Eiseele vieles ist,
Und Spermaseele eines ist –

Begatten wäre möglich,
Begatten im Kügelchen.
Ein Spermaseelchen viele Eiseelen,
Eine Eiseele tausendmal von vielen Spermaseelen –

Aber jede Begattung im Kügelchen
Müßte doch sein:
Zwei aus zweier Gehäuse
Schließen sich ein als zwei in ein Gehäuse.

Ohne das Anderssein geht es nicht.
Mann ist nicht sein Sperma,
Weib ist nicht ihr Ei,
Und zwei im Kügelchen wären Mann und Weib.
So wäre jede Spermaseel
Und jede Eiseel wie der Mensch
Ein Kosmos?

So hätte jede Spermaseel
In sich Hoden,
Und jede Eiseel
In sich einen Eierstock?

Und beide beschliefen sich
Im Kügelchen,
So wie sich Mann und Weib
Im Bett beschlafen?

So käm aus Spermaseeles Hoden
Ein einzig Fädchen
Zusammen mit einem Ei
In Eiseeles Uterus?

Und das geschah
In einem Stäubchen
Des Kügelchen,
Das liegt
In Weibes Uterus?

So müßte in diesem Stäubchen
Begattung sein.
Und auch im Unterstäubchen
[Des Stäubchens dieses Kügelchens
Im Uterus des Weibesleibes]
Müßte Begattung sein.

Ist dies nicht einfach? Klar? Und wahr?
Oh ja so einfach, klar, und wahr,
Daß es zu dumm ist –
Das Wiederholen hilft doch nicht.

Aus Begattung ist nichts erklärt.
Aus der Teilung ist nichts erklärt –
Begattung wiederholt und erhält
Den Kosmos [Mikro, Makro] notdürft
Aber keine Seele ist dann endesletzt
Oder uranfänglich greifbar ein Eins,
Sondern – ein Kosmos,
Oder – die Welt.

Aber zu allem Kosmos und mir
Such ich ein Eines, Ewiges,
Ein – mich, das ich bin,
Und das ich nicht blos prästire.

Teilen ist auch nicht anders,
Denn die Nabelschnur
Alles Erdenkbaren ist allzu haltbar
Ein ewig dehnbares Gummiband.

Gewiß bin ich mein Vater,
Gewiß bin ich mein Volk,
Gewiß bin ich die Menschheit,
Die Welt und – Gott.

Aber was bin ich ... selbst???

Oh Seele, meine Seele,
Du bist zu viel, zu viel.
Daher: daß Leid mich quäle
Nach allem und mir; Wechselspiel.

Oh Seele, meine Seele,
Ich weiß am Ende nicht;
Ob mir ein Letztes fehle,
Oder ein Erstes mich zerbricht.

Oh Seele, meine Seele –
Dann trinkt der Raum dich ein.
Geburt ist Traum; Tod Schlaf;
Und ewig Wandern; ewig ... Mann


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