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Tee bei Generaldirektor Klopfer-Hart. Ralph O'Flanagan, der ein wenig befangen die Villa in Döbling betrat, wurde von dem Hausherrn schon erwartet, etwas überlaut begrüßt, und er empfand es deutlich, daß alle Damen und Herren ihn gespannt und neugierig musterten. Die Gattin des Generaldirektors, eine nette alte Dame, führte ihn von einem der kleinen Tischchen, von einem Zimmer in das andere und stellte vor. Ralph wäre am liebsten mit einem hellen Lachen herausgeplatzt. Jeder zweite, dem er vorgestellt wurde, war ein Direktor, Generaldirektor, Präsident oder Konsul. Und die Namen Schellfisch, Feiner, Gottlieb Gnaus, Richard Ola, Horatius Sandau schwirrten ihm um die Ohren, betäubten ihn beinahe. Die meisten begnügten sich mit stummem, aber betont kräftigem Händedruck, manche waren taktlos, sagten »Ah, der berühmte Amerikaner« oder »Ich habe ja von Ihnen schon gelesen.«
Die unwahrscheinlichsten Physiognomien tauchten vor Ralph auf. Männer mit wasserblauen, verschlafenen Augen und abstehenden Ohren, Herren mit Umlegebart, Beaus mit Spitzbart, Glattrasierte mit Monokel, die gerne urenglisch ausgesehen hätten, und ein gewaltiger, dicker Koloß, bei dem das Monokel wie ein Fettauge auf einer Suppe aussah, ein Herr Berger, mimte den jovialen Lebemann.
Dicke, tief dekolletierte Damen von orientalischem Typ wechselten mit hektischen Blondinen, alle Farbennuancen, alle Arten von Schminke waren vertreten und Ralph dachte unwillkürlich, daß mit einem Teil der Perlenkolliers, die in zwei und drei Reihen die Hälse und Busen schmückten, zumindestens der Wiener Universität auf einige Jahre geholfen wäre.
Brennende Blicke folgten ihm, er fühlte, wie diese Rotblondine und dort eine Schlanke mit tief schwarzem Haar ihn mit ermunternden, fast dreisten Augen musterten, er empfand das alles fremd, unamerikanisch, aus einer anderen Welt, begann sich unbehaglich zu fühlen und wäre gerne in irgend einen Winkel geflüchtet. Aber das ging nicht, denn immer wieder stand der alte Generaldirektor mit dem assyrischen Bart neben ihm, immer wieder tauchte ein neuer Kommerzialrat, Direktor oder Präsident auf, den es »riesig freute«, seine Bekanntschaft zu machen.
Bis plötzlich ein schlanker, noch junger Mann mit Künstlermähne, das Monokel wie eingewachsen, auf ihn und den Hausherrn zutrat und mit der Stimme eines norddeutschen Schauspielers, die aber urplötzlich in jüdischen Jargon umschlug, ausrief:
»Lieber Herr Generaldirektor, überlassen Sie jetzt den geehrten Epigonen sämtlicher Rockefellers, Vanderbilts und Astors mir. Ich sehe genau, wie er, je mehr Kommerzialräte sie ihm vorführen, desto verzweifelter wird. Ich werde den Menageriewärter machen, der ihm den ganzen zoologischen Garten erklärt.«
Verblüfft, aber auch belustigt, wandte sich Ralph dem entschieden nervösen Herrn zu, der von Zeit zu Zeit mit der Stimme gluckste und einen »Hupp«-artigen Ton von sich gab, während der Hausherr, seinen Ärger verbergend, lachend sagte:
»Das ist Herr Felix Korn, hochbegabter Schriftsteller, aber etwas exzentrisch. Herr Korn ist ein glänzender Rezitator und wird sicher später die Freundlichkeit haben – «
Korn unterbrach:
»Womit nämlich der Herr Generaldirektor andeuten will, daß ich nix so vollwertig bin wie die übrigen Gäste, sondern so gewissermaßen ein Spaßmacher, den man einlädt, erstens, um den Gästen die Langweile zu vertreiben, zweitens, weil er einem ohnedies Geld schuldig ist, das man nie zurückbekommen wird.«
Und schon hatte er den Arm des Amerikaners ergriffen und ihn fortgezogen.
»Ich seh' Ihnen an, daß Ihnen mies ist. Wenn Sie nicht wissen, was mies ist, so gehören Sie schon gar nicht in die Gesellschaft. Überhaupt, wenn Sie sich hier festsetzen, wird Sie das viel Geld kosten, halten Sie sich lieber an mich, ich bin bescheiden, nehm' auch fünf Dollar und laß mich zum bescheidensten Nachtessen bei Sacher einladen. Jetzt werde ich Ihnen die Leute erklären, verehrter Herr Krösus. Also die Hälfte von den Leuten hat vor dem Krieg noch nicht Brot auf Hosen gehabt, jetzt haben alle eine Milliarde, was sag' ich, fünf, zehn, zwanzig Milliarden. Da ist ein Kommerzialrat, der früher mit Olmützer Quargel en gros gehandelt und eine Wurst aus Löschpapier, mit Streusand gefüllt, erfunden hat. Jetzt besitzt er ein Auto. Da ist einer, der ist so blöd, daß man glauben sollt', er kann sich mit dem Verstand allein nicht ein Paar Schuh' verdienen. Er hat auch ein Auto. Da ist der Ola, Bankier, hervorragender Alpinist, das heißt, er hat heftig an Alpine verdient, außerdem schreibt er, wozu weiß niemand, schlechte Burgtheaterkritiken, das heißt, jetzt hat er das Blattl verkauft, also wird er sie inserieren müssen. Daß der Conrad von Hötzendorf und der Kaiser Wilhelm Memoiren geschrieben haben, ließ ihn nicht ruhen, er hat jetzt seine Denkwürdigkeiten als Buch im eigenen Verlag herausgegeben. Das Buch ist aber weniger expressionistisch als exhibitionistisch, alles kommt drin vor, wer ihm Geld schuldig ist und welche Mehlspeis' er am liebsten ißt und wann er mit der Erotik begonnen hat.
Da, der Dicke mit der weißen Weste, ist der Holz von Holzingen, ein begeisterter Monarchist, weil er jetzt sich nur mehr Holz nennen darf. Im Hauptberuf Inseratenagent, aber er macht auch alle anderen Geschäfte.
Hier diese schöne Frau, die Christine von Audorf, das heißt, eigentlich heißt sie Pollak, aber sie nennt sich gerne mit dem adeligen Scheidungsnamen. Also, die ist großartig! Neulich hat sie gesagt: »Mein Mann darf mir nicht nach Hause kommen, wenn er nicht in der Woche eine Milliarde verdient hat.«
Korn hatte seiner Rede Fluß zu wiederholten Malen mit einem »Hupp« unterbrochen, aber nun machte Ralph »Uff!« und sagte:
»Halt, geben Sie mir eine Atempause, damit ich alle diese Bosheiten verdauen kann.«
Korn ließ sich nicht stören. Er stopfte ein Sandwich nach dem anderen in sich hinein und fuhr fort, die Gäste in grausam-boshafter Weise zu karikieren.
Inzwischen hatte der Generaldirektor Klopfer-Hart eine kurze Unterredung mit seinem neuen Privatsekretär, Herrn Heinrich Lank, gehabt, und dieser eine längere Unterredung mit einer bildschönen, ganz in schwarze Seide gekleideten jungen Frau, deren mahagonibraune Haare in prachtvollem Kontrast zu den schneeweißen Schultern, den nackten Armen und der fast unverhüllten Büste standen. Lank beugte sich nochmals über Frau Hedi Günzel, die Gattin eines Wiener Rechtsanwaltes, und flüsterte ihr zu:
»Also, Frau Hedi, klug sein! Sie schwärmen, wie man weiß, für Perlen. Dieser Amerikaner wird Ihnen, wenn Sie wollen, alle Perlen von Wien zusammenkaufen. Und außerdem lassen auch wir uns nicht lumpen. Sie attachieren sich ihn und animieren ihn von Zeit zu Zeit zur Beteiligung an einem Unternehmen der Bankgesellschaft. Zu welchem, werden Sie schon jedesmal rechtzeitig erfahren.«
Frau Hedi blähte die feinen Nasenflügel auf und sagte mit halbgeschlossenen Augen:
»Er könnte mir auch gefallen, wenn er nicht so reich wäre. Um so besser also – bringen Sie ihn her.«
Schon eiste Herr Lank den Amerikaner von dem Schriftsteller los, um ihn der schönen Frau vorzustellen.
»Erzählen Sie mir von Ihrer Heimat, Mister O'Flanagan, ist es wahr, daß es in Amerika so viele schöne Frauen gibt?«
Ralph nahm den sinnlichen Zauber dieser Frau in sich auf und sagte lächelnd:
»Ja, man sieht in den amerikanischen Städten wohl mehr schöne Frauen als hier in Wien. Aber die meisten sind Bilder ohne Gnade oder tun wenigstens so. Ich sehe hier mehr Sinnesfreude, glaube, daß die Wienerinnen sich und ihre Gefühle nicht so ängstlich verbergen, mehr des Wertes der reinen Weiblichkeit bewußt sind.«
Frau Hedi lachte girrend auf.
»Sie beobachten gut. Und bald werden Sie reiche Erfahrungen sammeln können. Die Wienerinnen werden Ihnen nicht allzu spröde entgegenkommen, man weiß hier sehr wohl echte unverbrauchte Männlichkeit zu schätzen. Sehen Sie, wenn ich noch Mädchen wäre, würde ich mich wahrscheinlich in Sie verschießen. So wie Sie war mein Backfischideal.«
Verlegen, über diese unvermittelte Attacke fast erschrocken, erwiderte Ralph:
»Nun, Sie werden doch bei der Wahl des Gatten von Ihrem Ideal nicht allzu weit abgewichen sein.«
Frau Hedi lachte hart auf und machte eine wegwerfende Bewegung.
»Was hat der Gatte mit dem Ideal zu tun? Dort steht mein Mann, sieht so ein Mädchenideal aus?«
Und sie wies auf ein dürres Männchen mit Glatze und gewölbtem Rücken.
»Warum ich ihn geheiratet habe? Mein Gott, Mama und Papa haben gemeint, er sei eine gute Partie und schließlich – ich war aufgeklärt genug, um zu wissen, daß heutzutage die Ehe nur eine gesellschaftliche Form ist, um der Frau mehr Freiheit zu geben. Aber das ist kein Jourgespräch! Bitte, besuchen Sie mich doch an einem Nachmittag. Oder noch besser, wir treffen uns zunächst ganz zwanglos nachmittags im Tabarin oder beim Five-o'clock im Bristol. Rufen Sie mich vorher an. Ich bin überzeugt davon, daß wir gute Freunde werden können.«
Vor Ralph tauchte ein feines, süßes Mädelgesicht mit lustigen, guten Kinderaugen auf, aber er war jung, lebenshungrig, die Frau reizte seine Sinne und er nahm gut gelaunt die Einladung an.
Man sammelte sich im Salon. Anton Korn wurde dringend aufgefordert, etwas vorzutragen, und er tat dies mit meisterhafter Charakterisierung. Ralph verstand nur wenig davon, weil er die persiflierten Personen nicht kannte, aber er fühlte, wie hier ein großes, geistvolles Talent sich in kleiner Münze verausgabte. Und schon wurde er von dem Hausherrn in einen Kreis von Herren gezogen, die die Wiener Bank- und Finanzwelt repräsentierten. Das Gespräch drehte sich sofort um die mitteleuropäischen Probleme, die neue Notenbank, die Frage, ob Amerika ernstlich zugunsten des von den Franzosen schikanierten Deutschlands Schritte tun werde, immer wieder aber flog das Wort »Sanierung Österreichs« auf und Generaldirektor Klopfer-Hart richtete direkt die Frage an Ralph, ob und wie er sich eine gründliche Regenerierung Österreichs vorstelle, worauf tiefe Stille eintrat und alles gespannt auf die Antwort wartete.
Ralph hatte das Empfinden, äußerst vorsichtig sein zu müssen, fühlte, wie ihm Fußangeln gelegt waren, und sagte bedächtig:
»Meine Herren, ich kenne dieses Land nur vom Gesichtswinkel einer gütigen Frau, die Wien über alles liebte. Aber die ökonomischen Bedingungen sind mir fremd, wie mir auch die äußersten Entwicklungsmöglichkeiten und alles das unbekannt ist, was eigentlich Österreich in den vergangenen vier Jahren verhindert hat, auch nur einen bescheidenen Versuch zum Aufstieg zu machen.
Immerhin – prinzipiell stehe ich auf dem Standpunkt, daß es sich bei Österreich nicht um sogenannte Aktionen handelt, nicht um die gewaltsame Unterbrechung eines naturgemäßen Prozesses, sondern um tiefschürfenden Wiederaufbau.«
»Wie soll der aber möglich sein?« rief ein nationalökonomischer Schriftsteller mit schwarzem Hängebart, »wenn dieses Land fast all seiner natürlichen Schätze beraubt ist, alle Rohstoffe einführen soll und nicht genug Werte erzeugen kann, um mit Ware zu bezahlen.«
»Hat Dänemark Holz, Eisen, Erze, Öl? Ist die Schweiz nicht ganz und gar auf den Import aller Rohprodukte angewiesen? Und gehen etwa diese Länder zugrunde? Ich bin kein Nationalökonom, aber ich denke, daß jeder eingeführte Rohstoff sich an Wert verzehnfacht, wenn er als Fertigfabrikat wieder ausgeführt wird. Man muß in Österreich neue Industrien schaffen, muß Uhrenfabriken, Schreibmaschinenfabriken, Glashütten errichten. Die Errichtung solcher Fabriken modernster und größter Art würde die Arbeitslosigkeit beheben, späterhin der Export die Handelsbilanz regulieren. Vielleicht, ich weiß es noch nicht, daß ich mich entschließen würde, für solche Zwecke Kredit einzuräumen.«
Die anwesenden Bankleute sahen einander verständnisvoll an. Nun eröffneten sich allerlei Möglichkeiten. Neue mächtige Aktiengesellschaften, Konsortien, Truste schwebten ihnen vor, fundiert mit amerikanischem Geld. Und neue Verwaltungsrats-, Generaldirektoren-, Direktoren- und Präsidentenstellen.
Ein deutschnationaler Abgeordneter warf skeptisch ein:
»Sie übersehen, daß man bei uns nicht arbeiten will; Achtstundentag, Betriebsräte, Feiertage, Überstunden, Lohnforderungen – das ja, aber arbeiten? Keine Spur!«
Ralph sah den Herrn, dessen weinrotes Näslein und feistes Fettbäuchlein durchaus nicht den Hang zu übermäßiger Arbeit verrieten, groß an.
»Ich muß Ihre Landsleute vor Ihnen in Schutz nehmen. Sie sind ganz sicher nicht fauler als alle anderen Menschen. Wenn ihre Arbeitslust heute nicht groß ist, so muß das tiefinnere, mit dem Krieg und seinen Folgen verknüpfte Ursachen haben. Arbeit muß sich in Zufriedenheit umsetzen. Wer schwer arbeitet, hat das Recht auf ein behagliches Heim, auf kräftige Nahrung, auf ein bescheidenes Maß an Lebensfreude und Zerstreuung. Wer aber sieht, daß sein Schweiß ihm höchstens das nackte, kümmerliche Leben ermöglicht, der vergießt eben so wenig Schweiß wie möglich. Übrigens möchte ich einen oft geäußerten Ausspruch meiner Mutter anführen. Sie, die ihr Hausgesinde jahrzehntelang zu behalten pflegte, sagte: ›Wenn eine Frau immer klagt, daß die Dienstboten nichts taugen, so habe ich die Gewißheit, daß sie selbst nichts taugt.‹ An dem Achtstundentag sollte aber nicht gerüttelt werden. Er ist einer der schönsten Errungenschaften unserer Zeit.«
Ralph hatte sich warm geredet und war froh, als durch das Hinzutreten einiger Damen das Gespräch unterbrochen wurde. Eine junge Frau mit Zwicker und zwei Doktoraten sagte:
»Mister O'Flanagan, Sie müssen einen schönen Begriff von Österreich bekommen haben, als Sie von dem Krematoriumskandal erfuhren. Wir nennen uns Republik und hören dabei nicht auf, das Selbstbestimmungsrecht der Menschen zu drosseln und klerikaler zu sein als je zuvor.«
Zustimmende Rufe wurden laut. »Blödheit sondergleichen!« »Was geht es die Regierung an, ob sich jemand begraben oder verbrennen lassen will?« »Übergriffe dieses Schmitz.«
Ralph lächelte.
»Meine Meinung von Österreich kann durch solche Dinge nicht beeinflußt werden. Aber ich muß schon sagen, daß ich selten von einem infameren, boshafteren Streich gehört habe, als ihn da dieser Minister verüben will. Bei uns drüben würde ihn die öffentliche Entrüstung wegfegen. Ich hoffe, daß die Wiener Gemeindevertretung nackensteif bleibt und über die Dummheit eines Menschen, der vergißt, daß er Minister und nicht Wirtshauspolitiker ist, zur Tagesordnung übergeht. Allerdings als Symptom erscheint mir die Sache recht bedenklich. Wie soll ein Land in die Höhe kommen, wenn bei allen Entschließungen nur gewissenlose Parteidemagogik, Berufspolitik, Angst vor den Wählern entscheidend sind? Parteipolitik dürfte es in Österreich überhaupt nicht geben, sondern nur gemeinsam betriebene Realpolitik.«
Die schöne Frau mit den mahagonibraunen Haaren und dem nebensächlichen Gatten rückte einen Stuhl ganz dicht an Ralph, berührte scheinbar unabsichtlich sein Knie und sagte schmollend:
»Immer diese ekle Politik? Erzählen Sie uns lieber, ob es drüben mit dem Flirt wirklich so arg ist?«
»Genau wie hier«, rief Korn und warf eine Haarsträhne aus der Stirne zurück. »Nur habe ich mir sagen lassen, daß man in Amerika lieber unter vier Augen flirtet, und der Flirt dort Selbstzweck ist, während in Wien der Flirt öffentlich betrieben wird und man von ihm leichter zu greifbareren Taten übergeht.«
Eine üppige Brünette kreischte auf.
»Ach Sie! Für Sie gibt es doch längst kein harmloses Flirten mehr. Sachen erzählt man sich von Ihnen, Sachen!«
Ralph, dem dieser Ton ungewohnt war, fürchtete, daß die brünette Dame die »Sachen« im Detail preisgeben würde, und stand auf, um sich zu empfehlen. Einladungen prasselten auf ihn nieder, er sah sich mit einem Ruck in den Strudel des Wiener Lebens gezogen und hatte sich schon so weit akklimatisiert, daß er der Frau Günzel die Hand küßte. Worauf sie ihm zuflüsterte:
»Wenn es Ihnen paßt, so übermorgen nachmittags bei Tommasoni. Dort ist man ziemlich ungestört. Rufen Sie mich aber vorher an!«
Generaldirektor Klopfer-Hart begleitete ihn bis zur Garderobe.
»Darf ich Sie bitten, mich nächstens in der Bankgesellschaft aufzusuchen? Ich werde Ihnen Pläne vorlegen, aus denen Sie ersehen können, daß wir gemeinsame Ideen haben. Mir schwebt längst –«
Schon hatte sich Direktor Beiner von der Harmoniebank herangedrängt:
»Bitte, darf ich Sie in Ihrem Hotel besuchen? Ich habe weitausgreifende Industrialisierungspläne, die Ihnen sicher –«
Herr Gottlieb Gnaus schüttelte dem Amerikaner kräftig die Hand.
»Würde mich freuen, wenn wir morgen bei Sacher das Dejeuner zusammen nehmen könnten. Zwischen Suppe und Braten würde ich Ihnen eine Idee vorlegen, die – –«
Felix Korn erschien als rettender Engel.
»Kommen Sie, Herr Vandergold, sonst haben Sie bis übermorgen dreitausend Fabriken und nicht einen Heller Geld. Das paßt mir aber nicht. Ich setze große Hoffnungen auf Sie!«
Lachend zog Ralph mit ihm ab, der Hausherr flüsterte aber seinem Sohn, der auch schon Bankdirektor war, ärgerlich zu:
»Dieser Bajazzo, der Korn, betritt mein Haus nicht mehr.«
Und Frau Günzel sagte ihrer besten Freundin, Lili Smeral, einem Mädchen mit blassen Farben, hysterischen Augen und gierigem Mund:
»Du, der Amerikaner ist das leibhaftige Ideal eines Mannes: Muskeln, Geist und Geld.«
Lili seufzte und preßte den Arm der schönen Frau mild an sich:
»Jetzt wirst du mich wieder vernachlässigen! Aber du mußt mir wenigstens immer alles erzählen!«