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Schon die Abendblätter veröffentlichten folgende durch die Korrespondenz Wilhelm verschickte Mitteilung:
Vor einigen Tagen wurde über die Verhaftung eines Fräulein Hilde W., Wien, 18. Bezirk, Kreuzgasse wohnhaft, berichtet, die angeblich einen Herrn an sich gelockt und ihn im Separee bestohlen hatte. Wie sich nun herausgestellt hat, ist Fräulein W. das Opfer eines infamen Schurkenstreiches geworden. Die tadellose, junge Dame wurde durch einen Herrn, der sich ihr unter dem falschen Namen Baron Morolt vorgestellt und mittels eines gefälschten Briefes in das Separee gelockt, dort durch ein Narkotikum betäubt, worauf ihr der Schurke seine Brieftasche zusteckte. Es handelte sich dabei um ein Komplott zu einem bestimmten Zweck, über den sich zu äußern die Polizei keine Ursache hat. Der angebliche Baron Morolt, in Wirklichkeit ein beschäftigungsloser, übelbeleumdeter Operettensänger namens Georg Haller, und sein Auftraggeber, der ungarische Privatdetektiv Laszlo Bartos, sind, nachdem sie ein volles Schuldbekenntnis abgelegt, flüchtig geworden. Der Polizeipräsident hat persönlich ein Schreiben an Fräulein Hilde W. gerichtet, in dem er ihr seine Hochachtung und das Bedauern über den entschuldbaren Mißgriff der Polizei ausdrückt.
Ralph ließ den Tag verstreichen, ohne ein Wiedersehen mit Hilde herbeizuführen. Er wollte nicht den Anschein erwecken, als würde er nun mehr auf ihre Dankbarkeit reflektieren, hielt es für besser, sie zuerst zur Ruhe kommen zu lassen. Am nächsten Morgen erst schickte er ihr mit roten Rosen einen Brief, in dem er sie in aller Form und mit wärmsten Worten bat, seine Frau zu werden. Sam, der die Rosen und den Brief brachte, sollte ihm die Antwort bringen, wann er Hilde und ihre Mutter besuchen dürfe. Sam aber kam mit leeren Händen und dem Bescheid, daß eine Antwort erst im Laufe des Tages erfolgen würde.
In fieberhafter Ungeduld und Spannung, das Herz von Sehnsucht nach Hilde erfüllt, wartete Ralph Stunde auf Stunde. Spät abends erst brachte ihm ein Bote den Brief Hildes, in dem es hieß:
»Wenn Sie diesen Brief bekommen, bin ich mit Mutter unterwegs nach einem Dorf in der Steiermark. Dort lebt eine Schwester meines verstorbenen Vaters auf ihrem Gütchen. Sie hat erfahren, was mir geschehen ist – Mutter hatte ihr einen hilfeflehenden Brief geschrieben – und uns telegraphisch zu sich als Gäste für längere Zeit gebeten.
Ralph, da Sie mir so lieb und gütig geschrieben haben, darf auch ich Ihnen sagen, daß ich Sie von ganzem Herzen liebe. So liebe, wie man wohl nur einmal im Leben liebt. Trotzdem will ich Ihre Frau nicht werden. Abgesehen davon, daß ich nicht sicher bin, ob Ihr Antrag nicht doch nur einem momentanen Überschwang der Gefühle entspringt, hält mich auch das Bewußtsein Ihres ungeheuren Reichtums ab, Ihre Frau zu werden. Halten Sie mich nicht für ein überspanntes Gänschen, das eine Romanheldin posiert. Ich weiß ganz gut, welch herrliches Leben mir an Ihrer Seite winkt, weiß, daß ich eine Torheit begehe, wenn ich, arm und auf mich selbst gestellt, mein klägliches Leben weiterführen will, statt Ihre Frau zu werden. Aber ich glaube, nicht anders zu können. Käme mir als Ihre Frau immer wie gekauftes Gut vor, würde den Gedanken nicht los werden, daß Sie einmal bereuen müßten, nicht ein Mädchen aus Ihren Kreisen geheiratet zu haben, statt ein schlichtes, einfaches Ding, wie ich es bin. Keine Frau auf der Welt würde Ihren Antrag abweisen und eben deshalb muß Ihnen jede Frau als käuflich erscheinen. Ein, zwei, drei Jahre vielleicht würden wir sehr glücklich leben, dann aber könnte der Tag kommen, da Sie sich sagen: Warum habe ich statt dieser sehr lieben, ganz hübschen, aber doch so sehr einfachen Hilde mir nicht das schönste, luxuriöseste, glanzvollste Weib der Welt gekauft, ein Weib, das es ganz anders versteht, sich und mich zur Geltung zu bringen?
Und nochmals: Ich bin überzeugt, daß Sie Ihrer Gefühle gegen mich gar nicht sicher sind. Sie sind noch so jung, viel jünger, als es Ihre Jahre sind, warum sollen Sie nicht das Leben auskosten, mit vollen Zügen schlürfen, bevor Sie sich binden.
Ich werde jetzt einige Tage mit Mutter am Lande leben und mich von all den Schrecknissen der letzten Zeit zu erholen versuchen. Wann immer es mir paßt, kann ich wieder meine Stellung bei den Brüdern Krause antreten, so daß mir um die Zukunft nicht allzu bange ist. Dafür, daß Sie so rasch und glänzend meine Ehre wieder hergestellt haben, danke ich Ihnen aus übervollem Herzen. Und versichere Ihnen, daß ich Sie nie, nie im Leben vergessen werde.«
Ralph stützte den Kopf in die Hände, nachdem er den Brief gelesen. Es zuckte um seine Lippen, mühsam drängte er Tränen zurück. Und als er aufstand, um sich zu Underwoods zu begeben, fühlte er sich um Jahre gealtert.