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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Horch, war dies nicht das Schmettern der Trompete?
In meiner Seel' erwacht der Schlachten Geist,
Und das Geschick von Königreichen und
Von Aeren hängt an dieser Schreckensstunde.

Massinger.

 

Die beiden Lanschen segelten noch immer neben einander, und Eva zeigte sich nun in der Nähe von Pauls Sitz an dem offenen Fenster. Ihr Antlitz war bleich, wie zur Zeit, als die früher berührte Scene in der Kajüte vorging, und ihre Lippe zitterte.

»Ich verstehe nichts von diesen kriegerischen Vorbereitungen,« sagte sie, »hoffe aber, Mr. Blunt, daß wir von dem gegenwärtigen Zuge nichts zu besorgen haben.«

»Beruhigt Euch deshalb, meine theuerste Miß Effingham, denn was wir jetzt vornehmen, geschieht im Einklang mit dem allgemeinen Gesetze der Menschenrechte. Hätten wir Eure Interessen und die Interessen derjenigen, welche um Euch sind, allein berücksichtigen wollen, so wären wir wohl zu einem ganz anderen Entschlusse gekommen; aber ich denke, Ihr seyd in sichern Händen, wenn unser Wagniß unglücklich ausfallen sollte.«

»Unglücklich! Es ist schrecklich, einer derartigen Scene so nahe zu seyn! Ich kann Euch nicht bitten, etwas zu thun, was Eurer unwürdig wäre; aber wir sind Euch so tief verpflichtet, daß ich Euch sagen muß – ich hoffe, Ihr besitzt zu viel Weisheit und zu viel wahren Muth, um Euch einer unnöthigen Gefahr auszusetzen.«

In den Blicken des jungen Mannes sprach sich das Uebermaß seines Dankgefühls aus, obschon ihn die Anwesenheit der Uebrigen hinderte, demselben Worte zu leihen.

»Wir alten Seehunde sind darum bekannt,« antwortete er lächelnd, »daß wir die Sorge für uns selbst nicht verabsäumen. Wer zu einem solchen Geschäfte erzogen wurde, betreibt es in der Regel viel zu gewerbsmäßig, als daß es ihm einfallen sollte, um bloßer Großthuerei willen sich unnöthigen Gefahren bloßzustellen.«

»Dies ist sehr weislich gehandelt. Auch Mr. Sharp« – Eva erröthete tief im Bewußtseyn eines Gefühls, das zu enträthseln Paul Welten dahingegeben haben würde – »hat Anspruch an uns, den wir nie vergessen werden. Uebrigens kann mein Vater Alles dies besser ausdrücken, als ich.«

Mr. Effingham bezeugte nun seinen wärmsten Dank für alles bereits Vorgegangene und schärfte den jungen Männern auf's Angelegentlichste Klugheit ein. Dann zog sich Eva zurück und ließ sich nicht wieder sehen. Der größte Theil der nächsten Stunde wurde von denen, welche sich in der Lansche befanden, im Gebet begangen.

Mittlerweile hatten sich die Boote und das Floß dem Einlaß auf etwa zweihundert Ruthen genähert, und Kapitän Truck ertheilte jetzt Befehl, die Kedsch, welche man in die Lansche des Montauk gebracht hatte, niederzulassen. Sobald dies geschehen war, schleuderte der alte Seemann seinen Hut auf den Boden und trat mit wallenden grauen Haaren auf den Dost.

»Gentlemen, ihr habt eure Weisungen,« begann er mit Würde; denn von diesem Augenblick an hob sich sein ganzes Wesen und zeigte einen Anflug von der Großartigkeit eines Kriegers. »Dort ist der Feind. Das Riff muß zuerst gesäubert seyn, und dann wollen wir das Schiff nehmen. Nur Gott weiß, wer den Ausgang erleben wird; aber er muß Sieg seyn, oder John Trucks Gebeine werden auf diesem Sande bleichen! Unsere Losung lautet: ›der Montauk und unser Eigenthum!‹ Dies ist ein Grundsatz, in welchem uns auch Vattel beipflichtet. Drauf los, ihr Leute! Ein langer Ruck, ein starker Ruck und ein Ruck zumal – jedes Boot in seine Stellung!«

Er winkte mit der Hand und die Ruder fielen gleichzeitig ins Wasser. Die schwere Lansche kam zuletzt, da sie mit doppelten Banden an dem anderen Boote hing. Während es vorne losgemacht wurde, desertirte der zweite Mate von seinem Posten, schlüpfte hurtig an Bord des abfahrenden Kahnes und versteckte sich hinter dem vordersten seiner beiden Sturmsegel. Fast in demselben Augenblick machte Mr. Dodge ein entgegengesetztes Manöver, indem er that, als sey er in seinem Eifer, das Boot von der Lansche abzuschieben, an letzterer hängen geblieben. Da die Segel scharf zogen und die Ruder die Sprüh bei Seite peitschten, so war es jetzt zu spät, einen dieser beiden Misgriffe zu verbessern, selbst wenn es von der einen oder anderen Seite gewünscht worden wäre.

Es folgten einige Minuten ernster Ruhe, während welcher jedes Boot seine Stellung in schönster Ordnung behauptete. Die Beduinen hatten mit Tagesanbruch das nördliche Riff verlassen; aber da jetzt Ebbe eingetreten war, so sah man, namentlich in der Nähe des Schiffs, Hunderte längs der südlichen Klippenreihe aufgepflanzt. Der Wind führte, wie beabsichtigt worden war, die Lansche vorwärts, so daß sie sich bald dem Einlasse näherte.

»Nehmt die Segel ein,« rief Mr. Blunt. »Macht im Vorderschiff die Kanone frei!«

Ein schöner, großer junger Seemann mit atlethischem Gliederbau stand neben dem Rost der Kanone und hatte statt der Pechpfanne ein Gefäß mit glühenden Kohlen vor sich, dessen Feuer durch einen kunstlosen Schirm von Teerleinwand verwahrt war. In der Kohlengluth stack ein Stück erhitzten Eisens. Paul hatte kaum ausgesprochen, als sich dieser Matrose mit der eigenthümlichen Anmuth eines Kriegsschiffmanns gegen ihn umwandte und an seinen Hut griff.

»Sehr wohl, Sir. Alles fertig, Mr. Powis.«

Paul stutzte; der Andere aber lächelte stolz und in der Weise eines Menschen, der mehr weiß, als seine Kameraden.

»Wir haben uns früher schon gesehen,« sagte Paul.

»Allerdings, Sir, und zwar gleichfalls im Bootsdienst. Ihr wart der Erste auf dem Piratenschiff an der Küste von Cuba, und ich der Zweite.«

Die Beiden wechselten einen Blick des Wiedererkennens und winkten sich mit der Hand zu, während die übrigen Matrosen unwillkührlich laut aufjubelten. Es war zu spät, um Worte zu wechseln, denn die Lansche stand bereits an dem Einlasse, wo sie von den Beduinen mit einem allgemeinen, aber harmlosen Feuer empfangen wurde. Zuerst hatte der Befehl dahin gelautet, die erste Kugel über den Köpfen der Berbern hinfliegen zu lassen, aber dieser Angriff änderte den Plan. »Drückt den Lauf nieder, Brooks,« sagte Paul, »und stoßt einen Sack mit Kartätschen hinein.«

»Alles fertig, Sir,« lautete nach einer weiteren Minute die Antwort.

»Die Ruder angehalten, ihr Leute – das Boot ist stetig. Gesegnets ihnen!«

Der Schuß that Wirkung; aber wie viele von den Beduinen gefallen waren, wurde nicht bekannt, da diejenigen, welche sich flüchteten, die Leichen vom Riff ins Meer hinunterstießen. Einige verbargen sich unter den Klippen, die Meisten aber eilten, was sie konnten, der Küste zu.

»Recht so!« rief Kapitän Truck, als sein Boot an der Lansche des Dänen vorbeifegte. »Jetzt nach dem Schiffe hin, Sir!«

Die Matrosen brachen abermals in ein frohes Jubeln aus und stießen ihre Ruder ins Wasser. Mit Räumung des Riffs hatte man keine Mühe gehabt; aber die Wiedereroberung des Montauk war eine weit ernstlichere Angelegenheit, da er viermal stärker bemannt war, als die Boote und seine Vertheidiger an keinen Rückzug denken konnten. Die Beduinen hatten, wie bereits mitgetheilt wurde, während der Nacht ihre Bemühungen eingestellt, da es ihnen nicht gelungen war, bei der Ansteigung der Fluth das Fahrzeug nach dem Riff hinüberzubringen. Mehr zufällig, als in Folge kluger Berechnung, hatten sie dadurch, daß sie gegen die Klippen hin eine Leine führten, eine Maßregel getroffen, durch die es ihnen wahrscheinlich möglich geworden wäre, beim Höhersteigen des Wassers das Schiff vom Sande loszubringen. Paul hatte jedoch im Vorbeifahren das Tau durchschnitten, ohne daß die Berbern in der Verwirrung und im Lärme der Nacht, als sie jeden Augenblick angegriffen zu werden erwarteten, darauf achteten, und da der Wind wieder von der Küste herwehete so ließen sie den Montauk immer höher auf den Sand hinauftreiben, wo er zuletzt mit der Höhe der Fluth festsitzen blieb. Es war jetzt Tiefebbe vorhanden, und das Schiff lag mit seinem Kiele auf, theilweise noch durch das Wasser, theilweise durch den Grund aufrecht gehalten.

Während der kurzen Pause, welche auf den Kanonenschuß folgte, redete Saunders, welcher als Leichtbewaffneter im Boote des Kapitäns saß, seinen Untergeordneten in gedämpfter Stimme an. »Ihr seyd nun im Begriffe, Toast,« sagte er, »zum erstenmale in einer Schlacht mitzufechten, und ich kann mir aus eigener Erfahrung denken, daß dieses Ereigniß ganz besondere Empfindungen in Euch rege machen muß. Ich rathe Euch daher, Eure beiden Augen zuzumachen, bis Feuer kommandirt wird; dann aber müßt Ihr sie plötzlich öffnen, als ob Ihr eben aus dem Schlaf erwachtet, das Gewehr anlegen und den Drücker rühten. Vor Allem aber nehmt Euch in Acht, Toast, keinen von Euren eigenen Freunden todt zu schießen, am allerwenigsten aber den Kapitän Truck, denn dies wäre in einem solchen Augenblicke arg gefehlt.«

»Ich werde mein Bestes thun, Mr. Saunders,« murmelte Toast mit der Theilnahmlosigkeit und dem unterwürfigen Vertrauen auf Andere, mit denen der amerikanische Schwarze gewöhnlich ins Treffen geht; »und sollte etwas Ungeschicktes passiren, so hoffe ich, daß man dies meinem Mangel an Erfahrung nachsehen wird.«

»Folgt nur, was Besonnenheit und Anstand betrifft, meinem Beispiele, Toast, und Ihr dürft sicher seyn, daß Ihr keinen Anstoß gebt. Ich will damit nicht sagen, daß Ihr auf die nämlichen Muskelmänner schießen sollt, auf die ich Feuer gebe; sondern wenn ich dem Einen einen Treff gebe, müßt Ihr den Andern todt machen. Aber nehmt Euch ja in Acht, den Kapitän Truck nicht zu beschädigen, der zuverläßig gerade vor unsere Gewehrläufe hinrennen wird, wenn er sieht, daß es da etwas zu thun gibt.«

Toast brummte eine Zustimmung, und dann trat im Boot abermals tiefe Stille ein, die nur durch die stätigen, kräftigen Ruderschläge unterbrochen wurde. Die Beduinen hatten den Versuch gemacht, den Montauk durch Ausladen zu erleichtern, und die Sandbank war bereits mit Ballen und Koffern bedeckt, die nur vermittelst der Arme und eines angebrachten Gerüstes hatten herausgebracht werden können. Das Floß war vergrößert und um den Stern des Schiffes herum nach der Back gebracht worden, damit man es mit den bereits auf den Felsen gelandeten Gegenständen beladen könnte.

So war der Stand der Dinge auf dem Montauk, als die Boote in den Kanal einliefen, der gerade auf die Bank zuführte. Die Lansche bildete wieder die Vorhut, da sie unmittelbar nach der Einfahrt in das Riff aufs Neue ihre Segel aufgezogen hatte. Es wurde jetzt abermals ein Kugelgruß gegeben, gegen welchen das gegen die Kanone hin geneigte Schiff keinen Schutz bot. Die Wirkung davon war, daß sämmtliche Beduinen im Nu auf die Sandbank hinunter eilten.

»Hurrah!« schrie Kapitän Truck, »die Hand voll Spreu, hat die alte Barke gesäubert. Jetzt wollen wir sehen, wem sie gehören wird! ›Die Diebe sind aus dem Tempel‹, wie mein guter Vater gesagt haben würde.«

Die vier Boote standen in einer Zeile neben einander, und die Lansche führte nur ein einziges Segel. Auf der Bank herrschte große Verwirrung; aber die Beduinen suchten sich durch die Ballen und Truhen zu decken, indem sie zugleich ein scharfes obgleich unregelmäßiges Feuer eröffneten. Im Vorrücken lösten der zweite Mate und der muthig aussehende junge Seemann, welcher Brooks hieß, die Kanone, mit jedem Schuß die Beduinen aus ihren Stellungen verdrängend und nach dem Floße treibend. Das Hurrahrufen der Matrosen wurde nun sehr lebhaft, obschon sie noch immer die Ruder eifrig handhabten.

»Jetzt stätig, ihr Leute,« rief Kapitän Truck. »Bereitet euch zum Entern vor.«

In diesem Augenblicke stieß die Lansche auf den Grund, obschon sie noch zwanzig Ellen von der Bank entfernt war, und die übrigen Boote fuhren unter lauten Hurrah's an ihr vorbei.

»Wir sind Alle fertig, Sir,« rief Brooks.

»So gebt ihnen wieder eine Ladung. Nehmt die Segel ein, Jungen.«

Die Kanone wurde abgefeuert, und der junge Seemann sprang mit einem freudigen Rufe auf den Rost. Aber wie er mit triumphirendem Lächeln zurückschaute, sah Paul seine Augen rollen. Er machte einen Satz in die Luft und fiel seiner ganzen Länge nach todt auf's Wasser nieder. So ist das Schicksal eines Streiters in der Schlacht – ein rascher Uebergang aus einem Zustande des Daseyns in den andern.

»Wo hängen wir,« fragte Paul mit Festigkeit. »Vorne oder hinten?«

Der Bug war aufgesessen und vor ihnen lag wieder tieferes Wasser; das Segel wurde abermals gesetzt und die Mannschaft nach hinten gerufen. Das Boot that einen Ruck und schoß gleich einem Renner, dem plötzlich der Zügel gelassen wird, vorwärts gegen die Sandbank.

Inzwischen waren die Uebrigen nicht müßig gewesen. Keines der Boote hatte einen Musketenschuß gethan, bis alle drei fast im gleichen Augenblick, obschon an verschiedenen Punkten, auf den Sand fuhren. Dann sprangen die Matrosen insgesammt ans Land und eröffneten ihr Feuer so nahe, daß die Truhen den Angreifern eben so gut zum Schirmen dienten, wie den Angegriffenen. In demselben Augenblicke, in welchem sie innehielten, um auf's Neue zu laden, legte Paul, der eben vom Boden losgekommen war, selbst Hand an das Glüheisen und bestrich die hintere Seite der Bank mit einer sehr gelegen kommenden Kartätschenladung.

»Nocke an Nocke!« jubelte Kapitän Truck. »Drauf los, Jungen und laßt sie spüren, was amerikanische Matrosen für Leute sind.«

Der ganze Haufen sprang vorwärts und von diesem Augenblick an hörte alle Ordnung auf. Fäuste, Handspacken, deren viele auf der Bank umherlagen, und Gewehrkolben arbeiteten in einer Weise gegen den Feind, daß dessen Speere und sonstige Waffen nicht sonderlich in Betracht kamen. Der Kapitän, Mr. Sharp, John Effingham, Mr. Monday, der sogenannte Sir George Templemore und der erste Mate bildeten eine Art macedonischer Phalanx, welche in den Mittelpunkt der Berbern eindrang und, indem sie sich dicht an den Feind hielt, ihren Vortheil mit einem Muthe verfolgte, der nicht einzuschüchtern war. Sie drängte die Beduinen rechts und links zurück – eine riesenkräftige, wohlgenährte Rotte. Die Ueberlegenheit der Feinde bestand nur in ihrer Ausdauer, denn ihre Muskeln, die, wie an Rennpferden, mit einer peitschenschnurartigen Starrheit dalagen, konnten sich in physischer Gewalt nicht mit denen ihrer Gegner messen. Freilich, hätten sie im Einklange gehandelt, oder wären sie, beritten und auf dem Terrain ihrer Wüste, in ihren gewandten Bewegungen nicht gehemmt worden, so dürfte wohl das Ergebniß ganz anders ausgefallen seyn; so aber, da sie nicht gewohnt waren, mit einem Feinde auf Armslänge zu streiten, gerieth ihre Taktik in Verwirrung, und sie mußten ganz von ihrer gewohnten Fechtweise abstehen. Dennoch waren sie der Zahl nach furchtbar, und es ist wahrscheinlich, daß nur das vorübergehende Aufsitzen der Lansche in der Sache den Ausschlag gab. Sobald das Handgemenge begonnen hatte, wurde kein Schuß mehr abgefeuert; aber die Angreifer drängten die Beduinen zurück, bis der Haupthaufe der letzteren sich in der Nähe des Floßes gesammelt hatte. Dies war der Augenblick, in welchem die Lansche das Ufer erreichte, und Paul bemerkte, daß seine Leute durch die rückkehrende Fluth in große Gefahr gebracht werden konnten. Er lud daher sein Geschütz und füllte es bis an die Mündung mit Hagel. Seine Leute mußten es sodann auf ihren Rudern herausheben und nach einer großen Truhe tragen, die ein wenig beiseits von dem Getümmel des Kampfes stand. Alles dies geschah, so zu sagen, in einem Nu, denn seit dem Landen des Kapitäns waren noch keine drei Minuten verflossen.

Statt Feuer zu geben, rief nun Paul seinen Freunden laut zu, sie sollten vom Kampfe ablassen. Obgleich Kapitän Truck wie ein zorniger Löwe schnaubte, leistete er doch dem Zuruf Folge – vielleicht eben so sehr aus Ueberraschung, als aus Bereitwilligkeit. Die am härtesten bedrängten Beduinen benützten diese Pause, um sich zu der Hauptmasse ihrer Freunde in die Nähe des Flosses zurückzuziehen. Dies war Alles, was Paul wünschen konnte. Er ließ das Geschütz auf den Mittelpunkt der Gruppe richten und näherte sich nun selbst dem Feinde mit Zeichen des Friedens.

»Verdammniß über sie – streckt sie nieder!« rief der Kapitän. »Keine Schonung den Halunken!«

»Es wird wohl am besten seyn, wenn wir wieder angreifen,« fügte Mr. Sharp bei, der vom kürzlichen Gefechte noch sehr erhitzt war.

»Halt, Gentlemen; ihr setzt euch Alle in nutzlose Gefahr. Ich will diesen armen Wichten zeigen, was sie zu erwarten haben, und sie werden sich wahrscheinlich zurückziehen. Unser Verlangen steht nach dem Schiffe, nicht nach ihrem Blute.«

»Gut, gut,« entgegnete der Kapitän ungeduldig. »Gebt ihnen ein hübsches Stück von Vattel, denn wir haben sie jetzt in einer Categorie.«

Die Männer der Wildniß und der Wüste schienen sich eben so sehr durch die Eingebung des Instinctes als durch die Vernunft leiten zu lassen. Ein alter Scheik trat lächelnd auf Paul zu, als Letzterer seinen Freunden um einige Ellen vorangeschritten war und ihm mit so viel Herzlichkeit die Hand anbot, als wären sie blos zum Austausch von Höflichkeiten zusammen gekommen. Mr. Blunt führte ihn ruhig nach der Kanone, steckte seine Hand hinein, zog einen Sack mit Hagel heraus, brachte ihn wieder zurück und zeigte bedeutungsvoll auf den dichten Haufen der blosgestellten Beduinen, indem er den Scheik zugleich auf das glühende Eisen, welches zum Abfeuern des Geschützes bereit war, aufmerksam machte. Der alte Beduine lächelte darüber und schien seine Bewunderung ausdrücken zu wollen. Dann wies Paul auf den starken, wohlbewaffneten Haufen, der inzwischen alle seine Musketen oder Pistolen zum Gebrauch in Bereitschaft gesetzt hatte, und machte dann ein Zeichen gegen das Floß und das Riff hin, um dem Scheik anzudeuten, daß er sich mit seinen Leuten zurückziehen solle.

Der Scheik benahm sich sehr ruhig und klug; seine Leute waren an so verzweifelte Kämpfe nicht gewöhnt, weshalb er seine Geneigtheit an den Tag legte, dem Ansinnen zu willfahren. Paul wußte wohl, daß in den Zwistigkeiten der Afrikaner, die selten sehr blutig werden, die Einführung eines Waffenstillstandes häufig üblich ist, und versprach sich das Beste von dem Benehmen des Scheiks, den er jetzt zu seinen Freunden zurückkehren ließ. Es folgte nun eine kurze Besprechung unter den Beduinen, worauf mehrere derselben lächelnd mit der Hand winkten und der größere Theil des Haufens sich auf das Floß drängte. Andere traten vor und erbaten sich die Erlaubnis, ihre Verwundeten und die Leichen der Gefallenen wegtragen zu dürfen – ein Liebesdienst, in welchem ihnen die Matrosen, so weit es räthlich erschien, Beistand leisteten; denn es war von größter Wichtigkeit, vor der Tücke der Feinde auf der Hut zu seyn.

In dieser außerordentlichen Weise trennten sich die Kämpfer. Die Beduinen holten einander durch eine Leine nach dem Riff hinüber und die Alten darunter machten lächelnd Zeichen der Freundschaft, bis sie auf den Klippen angelangt waren. Hier blieben sie nur einige Minuten, denn sie sahen, daß die Kameele und Dromedare bereits in die Richtung hintrabten, wo das Dänenschiff auf dem Strande lag – ein Zeichen, daß die verschiedenen Haufen der Berbern ihren Vertrag als aufgelöst betrachteten und jeder nun für eigene Rechnung plündern wollte. Diese Bewegung verursachte auf dem Riff große Rührigkeit unter den alten Scheiks und ihren Anhängern, die sich nun in aller Behendigkeit nach dem Lande auf den Weg machten. In der That hatten sie's so eilig, daß sie sämmtliche Leichen und mehrere Verwundete in einiger Entfernung vom Ufer auf den Felsen zurückließen.

Die Sieger untersuchten jetzt natürlich zuerst, welchen Verlust sie erlitten hatten; dieser war übrigens weit geringer, als wohl sonst der Fall gewesen wäre, wenn sie sich nicht so muthig benommen und so schnell gehandelt hätten. Jeder Kämpfer, auch nicht ein einziger ausgenommen, hatte durch seine wackere Haltung alles Lob verdient und eben dadurch einen wesentlichen Beitrag zu Verringerung der Gefahr geleistet. Mehrere hatten leichte Beschädigungen erlitten, und mancher Hut, manche Jacke konnte ein Kugelloch nachweisen. Mr. Sharp allein hatte zwei Schüsse durch den Hut und einen durch den Rock erhalten. Paul blutete aus einer Armwunde und Kapitän Truck glich, wie er sich selbst ausdrückte, »einem Pferde in den Hundstagen,« denn seine Haut war an nicht weniger als fünf Stellen gestreift. Aber alle diese unbedeutenden Verletzungen, die oft um eine Haarsbreite bedenklich hätten ausfallen können, galten für nichts, da Niemand ernstlichen Schaden genommen hatte oder überhaupt sich nur so belästigt fühlte, um sich als verwundet zu melden.

Die Glückwünsche waren warm und allgemein; sogar die Matrosen erbaten sich die Erlaubniß, ihrem mannhaften alten Commandeur die Hand drücken zu dürfen. Paul und Mr. Sharp umarmten sich und äußerten aufrichtig ihre Freude darüber, daß keiner beschädigt worden war. Letzterer drückte sogar seinem Doppelgänger herzlich die Hand, da sich derselbe während des ganzen Kampfes mit großem Muthe benommen hatte. Nur John Effingham behauptete dieselbe kalte Gleichgültigkeit, mit welcher er während des Gefechtes seine Rolle gespielt hatte; sie war wirklich auffallend gewesen, denn Viele hatten mit eigenen Augen angesehen, wie er mit derselben waidmännischen Ruhe, mit welcher er vielleicht zu Hause sich eine Schnepfe herunter zu holen pflegte, beim Landen anlegte und mit seiner Jagdflinte ein paar Beduinen niederschoß.

»Ich fürchte, Mr. Monday ist ernstlich beschädigt,« sagte dieser Gentlemen zu dem Kapitän, als dieser ihn eben beglückwünschte. »Er sitzt dort bei Seite auf jener Truhe und sieht sehr erschöpft aus.«

»Mr. Monday? Ich will nicht hoffen! Um ihn thäte mir's von Herz und Seele leid, denn er ist ein ausgezeichneter Diplomat und ein mannhafter Enterer. Und dazu noch Mr. Dodge – ich vermisse Mr. Dodge.«

»Mr. Dodge muß zurückgeblieben seyn, um die Damen zu trösten,« entgegnete Paul, »als er fand, daß Euer zweiter Mate sie schändlicherweise verlassen hatte.«

Der Kapitän schüttelte seinem ungehorsamen Maten zum zweitenmal die Hand, erklärte ihn mit einem Fluche für einen heillosen Meuterer und drückte zum Schluß die zuversichtliche Hoffnung aus, der Tag werde nicht ferne seyn, an welchem besagtem Meuterer und Mr. Leach das Commando über zwei so gute Paketschiffe übertragen werden dürfte, als nur je welche von Amerika ausgesegelt wären.

»Sobald wir zu Hause ankommen, will ich mit keinem von euch weiter etwas zu thun haben,« fügte er bei. »Die ganze Zeit über war mir dieser Leach einen oder zwei Fuß voraus, und was den zweiten Offizier betrifft, so sollte ich eigentlich sein Ausreißen im Log vormerken. Na, schon gut; junges Volk ist eben junges Volk, und die Alten würden's auch seyn, Mr. John Effingham, wenn sie nur wüßten, wie sie's angreifen sollten. Aber Mr. Monday sieht in der That recht kläglich aus, und ich fürchte, wir werden für ihn die Arzneikiste durchmustern müssen.«

Mr. Monday bedurfte jedoch keiner Arznei mehr. Beim Landen war ihm eine Kugel in's Schulterblatt gedrungen, die ihn übrigens nicht hinderte, sich in's Handgemenge zu drängen. Hier wurde ihm nun, weil er außer Stande war, den Stoß abzuwehren, ein Speer durch die Brust gerannt. Die letzte Wunde war augenscheinlich sehr gefährlich, und Kapitän Truck ließ den Leidenden unverzüglich in das Schiff tragen, während John Effingham mit einer Theilnahme und Menschenfreundlichkeit, welche in auffallendem Gegensatz zu seinem gewöhnlichen sarkastischen Wesen standen, sich erbot, seine Pflege zu übernehmen.

»Wir bedürfen jetzt aller unserer Kräfte,« sagte Kapitän Truck, als Mr. Monday hinweggetragen wurde, »und doch sind wir es unsern Freunden in der Lansche schuldig, sie von dem Erfolge zu unterrichten. Steckt die Flagge aus, Leach; dies wird ihnen wenigstens anzeigen, daß Alles glücklich abgelaufen ist, obschon die Einzelnheiten nur mündlich berichtet werden können.«

»Wenn Ihr mir das Langboot des Dänen überlassen wollt,« unterbrach ihn Paul hastig, »so kann ich es mit Mr. Sharp wohl nach dem Floße hinaufbringen, unseren Freunden das Resultat mittheilen und die Spieren nach dem Einlaß herunter schaffen. Dadurch bleibt Ihr der Nothwendigkeit enthoben, einen Eurer Leute entbehren zu müssen. Auch haben wir zugleich ein Recht, diese Gestattung zu fordern, da wir eigentlich zu denen gehören, welche sich in der Lansche des Montauk befinden.«

»Handelt ganz nach eurem Gutdünken, Gentlemen. Ihr habt mir wie Helden beigestanden, und ich bin euch zu mehr Dank verpflichtet, als euch ein Mann, der wie ich auf der Neige seines werthlosen alten Lebens steht, je beweisen kann.«

Die beiden jungen Männer warteten nicht auf eine zweite Einladung, sondern drängten schon nach fünf Minuten das Boot durch einen der Kanäle, welche landwärts führten. Nach eben so viel Zeit steuerten sie unter einer stätigen Brise durch den Einlaß hinaus.

Der Augenblick, in welchem Kapitän Truck das Deck seines Schiffes wieder betrat, war für den verwitterten alten Seemann reich an Gefühlen, die er nicht zu überwältigen vermochte. Der Montauk hatte sich zu sehr geneigt, als daß man mit Gemächlichkeit hätte darauf gehen können, weßhalb er sich auf die Brüstung der großen Lucke niedersetzte und daselbst wie ein Kind weinte. Dieser ungestüme Ausbruch setzte die Matrosen nicht wenig in Staunen, und sie waren höchlich verwundert, als sie ihren grauköpfigen, ernsten, alten Befehlshaber so völlig entmannt sahen. Endlich schien er sich seiner Schwäche selbst zu schämen, denn er erhob sich wie ein gereizter Tiger und begann so streng und sachgemäß, wie er es bisher gewohnt gewesen, seine Befehle zu erlassen.

»Was zum Teufel glotzt ihr denn, ihr Leute?« knurrte er. »Habt ihr nie zuvor ein Schiff auf seinem Boden liegen sehen? Gott weiß – und was dies betrifft, so ist auch euch Allen bekannt – daß es genug zu thun giebt; ihr braucht also nicht herzustehen wie ein Haufen Seesoldaten mit ihrem ›Pfeifenton‹ und ihrem ›Augen rechts‹.«

»Seyd nicht unwillig, Kapitän Truck,« entgegnete ein alter Seehund, seine knorrige Hand ausstreckend – es war ein Bursche, der nicht einmal im Kampfe seinen Tabacksknäul aus dem Mund genommen hatte; »seyd nicht unwillig und betrachtet nur alle diese Truhen und Ballen – da liegt noch viele Ladung im Dock, welche untergebracht werden muß. Wir wollen sie bald eingestaut haben; und außer einigen Streifschüssen und einem Vierpfünder, der unter dem Töpfergeschirr nicht ärger gewirthschaftet hat, als etwa eine Katze im Speiseschrank, ist nicht viel Schaden geschehen. Die Sache kommt mir nicht anders vor, als wie ein plötzliches Unwetter, das uns gezwungen hat, für eine kleine Weile umzuholen, obschon sie uns Gelegenheit geben wird, für den ganzen Rest unserer Tage Garne zu spinnen. Ich habe meiner Zeit schon mit Franzosen, Engländern und Türken angebunden; aber jetzt kann ich doch auch sagen, daß ich einen Strauß mit den Niggers gehabt habe.«

»Zum Henker, Du hast Recht, alter Tom, und ich will nicht weiter daran denken. Mr. Leach, laßt dem Schiffsvolk eine kleine Ermuthigung zukommen – 's ist noch genug in dem Kruge übrig, den Ihr in der Sternschoote der Pinasse finden werdet. Aber dann ans Werk und hinunter mit all dieser Oberlast, welche die Beduinen auf den Sand umhergestreut haben. Die Packung wollen wir vornehmen, sobald wir das Schiff in ein gemächlicheres Bett gebracht haben, als das ist, in welchem es jetzt liegt.«

Dieß war das Signal zum Beginn der Arbeit, und die derben Theere fingen allen Ernstes an, nachdem sie zuvor auf die Verwirrung und Gefahren eines Kampfes hin ihren Grog zu sich genommen hatten. Da sie nur mit Sachkenntniß und Behendigkeit den Schaden wieder gut zu machen brauchten, welchen die unwissenden und übereilten Beduinen angerichtet hatten, so befand sich in kurzer Zeit Alles wieder an Bord des Montauk; dann aber mußten sie ihre Aufmerksamkeit der Lage des Schiffes selbst zuwenden. Wir wollen übrigens dem Laufe der Begebenheiten nicht vorgreifen, sondern zu der Gesellschaft in der Lansche zurückkehren.

Der Leser wird sich wohl die Gefühle denken können, mit welchen Mr. Effingham und seine Gefährten den ersten Kanonenschuß vernahmen. Da sie Alle unter Dach geblieben waren, so wußten sie nicht, wer über ihren Köpfen hin und her marschirte, obschon sie glaubten, daß es der zweite Mate sey, welcher Kapitän Trucks Befehl zufolge bei ihnen bleiben sollte.

»Meine Augen werden trübe,« sagte Mr. Effingham, der durch das Fernglas blickte. »Versuche lieber Du, Eva, ob du nicht sehen kannst, was vorgeht.«

»Vater, ich kann nicht hinsehen,« entgegnete das bleiche Mädchen. »Es ist Jammer genug, dieses schreckliche Schießen zu hören.«

»Es ist schauderhaft!« sagte Nanny, indem sie ihr Kind mit den Armen umschloß, »und ich wundre mich, daß Gentlemen wie Mr. John und Mr. Powis bei einem so gottlosen Unternehmen mitmachen können.«

» Voulez-vous avoir la complaisance, Monsieur?« begann Mademoiselle Viefville, indem sie Mr. Effinghams nicht wiederstrebender Hand das Fernrohr abnahm. » Ha! le combat commence en effet!«

»Sind es die Beduinen, welche jetzt Feuer geben?« fragte Eva, die ungeachtet ihres Schreckens ihre Theilnahme nicht unterdrücken konnte.

» Non, c'est cet admirable jeune homme, Monsieur Blunt, qui devance tous les autres!«

»Aber jetzt, Mademoiselle – dies müssen wahrhaftig die Barbaren seyn?«

» Du tout. Les sauvages fuient. C'est encore du bâteau de Monsieur Blunt qu'on tire. Quel beau courage! son bâ]teau est toujours des premiers!«

»Dieses Geschrei ist furchtbar! Sind sie im Handgemenge?«

» On crie de deux parts, je crois. Le vieux capitaine est en avant à présent, et Monsieur Blunt s'arrête!«

»Möge der Himmel die Gefahr abwenden! Könnt Ihr alle die Gentlemen unterscheiden, Mademoiselle?«

» La fumée est trop épaisse. Ah, les voilà! On tire encore de son bateau.«

» Eh bien, Mademoiselle?« fragte Eva nach einer langen Panse unter Zittern.

» C'est dejà fini. Les Arabes se retirent, et nos amis se sont emparés du bâtiment. Cela a été l'affaire d'un moment, et que le combat a été glorieux! Ces jeunes gens sont vraiment dignes d'être Français, et le vieux capitaine aussi.«

»Wird keine Botschaft an uns abgeschickt, Mademoiselle?« fragte Eva nach einer abermaligen langen Pause, welche sie dazu benützt hatte, ihren bebenden Dank in stummen Gebeten zu ergießen.

» Non pas encore. Ils se félicitent, je crois.«

»Es muß wahrhaftig Zeit seyn, Fräulein,« sagte die demüthige Anna, »die Taube auszuschicken, damit sie den Oelzweig finden möge. Kampf und Krieg ist ein zu sündiges Treiben, als daß man sich lange damit abgeben sollte.«

»Ein Boot segelt in unsere Richtung,« sagte Mr. Effingham, welcher der Gouvernante, ihrem Wunsche entsprechend, das Fernglas überlassen hatte.

» Oui, c'est le bateau de Monsieur Blunt.«

»Und wer ist darin?« fragte der Vater; denn Eva wäre nicht im Stand gewesen, auch nur ein Wort zu sprechen, und wenn man ihr die ganze Welt geschenkt hatte.

» Je vois Monsieur Sharp, oui – c'est bien lui.«

»Ist er allein?«

» Non, il y en a deux – mais – oui – c'est Monsieur Blunt, – notre jeune héros!«

Eva beugte ihr Antlitz nieder, und selbst während ihre Seele in Dank gegen Gott zerschmolz, jagten die Gefühle ihres Geschlechts das verrätherische Blut nach ihren Schläfen, so daß sie in leuchtendem Scharlach erglühte.

Mr. Effingham nahm nun das Glas aus den Händen der muthigen Französin, welche in der Bewunderung glänzender Eigenschaften ihre Furcht ganz vergessen hatte, und erstattete einen ausführlicheren Bericht über die Lage der Dinge in der Nähe des Schiffes, wie sie sich in solcher Entfernung dem Zuschauer darbot.

Ungeachtet sie bereits so viel wußten, wurde ihnen doch die fieberische halbe Stunde, welche zwischen diesem Gespräche und dem Augenblick, als die Lansche des Dänen neben ihnen hielt, peinlich lang. Jedes Gesicht war an den Fenstern, und die jungen Männer wurden als Befreier empfangen, an deren glücklicher Ankunft Alle aufs Innigste Theil nahmen.

»Aber Vetter John,« sagte Eva, über deren sprechendes Antlitz Furcht und Freude ihre Schatten und Lichtblicke warfen, gleich Aprilwolken, die an einem klaren Himmel hinschweben – »mein Vater hat unter denen, welche sich auf der Back umher bewegen, seine Gestalt nicht entdecken können.«

Die Gentlemen erzählten nun, welch' ein Unglück Mr. Monday betroffen und wie John Effingham das Amt seiner Verpflegung auf sich genommen hatte. Es folgten einige köstliche Minuten; denn nichts ist entzündender als die Wonne unmittelbar nach einem Siege. Dann lüpften die jungen Männer unter dem Beistande von Mr. Effinghams Diener die Kedsch, setzten die Segel, und fünfzehn Minuten später näherte sich der Floß – der langersehnte und vielbegehrte Floß dem Einlaß.

Paul steuerte das größere Boot und gab Mr. Sharp die erforderlichen Weisungen zu Lenkung des anderen. Die steigende Fluth strömte durch den Einlaß hinein, und der junge Mann, welcher die Luvlage beibehielt, führte seinen langen Spierenschlepp mit solcher Sicherheit in die Oeffnung, daß der Floß, von der Strömung begünstigt, ohne an einen Felsen anzustoßen, durchkam und im Triumph bis an den Rand der Bank gebracht werden konnte. Hier wurde er befestigt, Segelzeug und Tauwerk auf den Sand geworfen, und die ganze Gesellschaft stieg ans Land.

Die letzten zwanzig Stunden erschienen den Frauenzimmern nur wie ein Traum, als sie sich wieder in hoffnungsvoller Sicherheit auf dem festen Grunde ergehen konnten. Alles war jetzt vorhanden, um sie von der gefährlichen Küste abzubringen, und man hatte weiter nichts mehr zu thun, als das Schiff vom Strande loszumachen und es aufzutackeln. Mr. Leach hatte nämlich bereits den Bericht erstattet, daß von keinem Leck die Rede und der Boden so gesund sey, wie am Tage der Ausfahrt von London.


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