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Aus solchen Tendenzen erwuchsen die Dichtungen, welche den Inhalt der Bibel in die Form des heroischen Verses kleiden. An ihrer Spitze steht sogleich im Eingang dieser Periode, die um das Jahr 330 edirte So lässt sich die Zeit ungefähr bestimmen, wenn man einerseits berücksichtigt, an welcher Stelle seiner Chronik Hieronymus des Werkes gedenkt, und andererseits die Schlussverse l. IV, v. 807 ff. in Betracht zieht, in welchen Constantin als christlicher Kaiser gefeiert wird, der den Frieden der Welt hege, und wo der Dichter sagt, er verdanke sein Werk diesem Frieden. Derselbe bestand aber nur bis zum Jahre 332, wo die Gothen in das Reich einbrachen. Historia evangelica oder, wie richtiger der Titel lautet Denn diesen Titel allein bieten die Handschriften, während der andere, in allen Drucken von Anfang an angewandte, handschriftlich nicht bezeugt ist (s. Marolds Ausgabe Praef. p. VI). Dennoch behalte ich beim Citiren der Dichtung den herkömmlichen Titel bei, schon weil der andere dafür zu unbequem ist., Evangeliorum libri IV des Iuvencus, das älteste Werk dieser Art von sicherem Datum, allem Anschein nach aber auch das älteste der Art überhaupt. Caius Vettius Aquilinus Iuvencus C. Vetti Aquilini Iuvenci Historiae evangelicae libri IV, eiusdem carmina dubia aut suppositicia ad mss. codd. Vaticanos aliosque recens. Faustinus Arevalus. Rom 1792. 4°. (Prolegg.) – Gebser, De Iuvenci vita et scriptis. Adiectus est liber I. Histor. evangelicae Iuv., animadversionibus criticis illustratus. Jena 1827. (Dissert.) – * C. V. A. Iuvenci libri Evangeliorum IV, ad fid. codd. antiquiss. rec. Marold. Leipzig 1886. war nach Hieronymus De vir. illustr. c. 84. ein spanischer Presbyter, der aus sehr edlem Geschlechte stammte. Seine Dichtung behandelt, wie ihr Titel schon sagt, in vier Büchern (wovon drei etwas mehr, eins etwas weniger als 800 Hexameter zählen) den Inhalt der Evangelien, so jedoch, dass Iuvencus, vom Anfang des ersten Buches abgesehen, in der Regel dem 115 Matthäus folgt, und auch wo dieser schliesst, endet, den andern Evangelisten dagegen, Lucas und Johannes namentlich, in einzelnen, grössern oder kleinern Partien (so dem erstern im Anfang) nur zur Ergänzung sich anschliesst. Dass aus der altlateinischen Bibelübersetzung der Dichter seinen Stoff nahm, ist selbstverständlich, indessen hat er auch das griechische Original hier und da zu Rathe gezogen. Wie Gebser p. 30 ff. gezeigt hat.
Ein in seinem Inhalt merkwürdiger, schwungvoll geschriebener Prolog geht der Dichtung voraus. Dieser ›Praefatio‹ ist in einer Anzahl Handschriften noch eine andere von 8 Hexametern vorausgeschickt, worin die vier Evangelisten charakterisirt werden sollen: es fällt mir aber schwer, an die Echtheit dieser sogenannten ersten Praefatio zu glauben, die mit gutem Grunde auch Marold in seiner Ausgabe verwirft. Siehe Praef. p. VII, Anm. Nichts von dieser Welt bleibt, sagt da der Verfasser, sie selbst wird einst die Flamme verzehren, aber doch werden durch erhabene Thaten und der Tugend Ehre unzählige Menschen lange Zeiten gefeiert: ihren Ruf und Preis vermehren die Dichter, wie ein Homer und Virgil, deren eigener Ruhm, einem ewigen ähnlich, besteht, während die Jahrhunderte vorüberfliegen. Wenn aber einen so langen Ruf Gedichte verdienten, welche mit den Thaten der Männer der Vorzeit Lügen verknüpfen, so wird uns die sichere Wahrheit ( certa fides ) unsterbliche Zier ewigen Lobes für alle Zeit verleihen und was wir verdient, belohnen. Denn meine Dichtung werden Christi irdische Thaten bilden, das den Völkern gewährte Geschenk (d. i. das Evangelium), ohne das Verbrechen des Lugs. Von seinem Werk fürchtet der Dichter nicht, dass es der Weltbrand verzehre, vielmehr hofft er, dass es ihn selbst vor dem Feuer errette. Er schliesst mit der Bitte um den Beistand des heiligen Geistes.
Dieser kurze Prolog ist von nicht geringer Bedeutung, weshalb wir ihn so ausführlich wiedergaben. Wir lernen daraus den Standpunkt des Autors, der damit zugleich als ein wahrer Vertreter dieser Epoche der christlichen Literatur erscheint, der heidnischen Kultur wie seinem Gegenstand gegenüber sofort in bezeichnendster Weise kennen. Obgleich ein Presbyter der christlichen Kirche, zeigt er sich doch so von der Bildung des Hellenismus durchdrungen, dass er nicht bloss einem Homer und Virgil die Unsterblichkeit bis zum Untergange der Welt
116 vergönnt, sondern auch selbst ganz von der antichristlichen, heidnischen Ruhmbegierde erfüllt ist, gleich den Humanisten, die Jahrhunderte später der alten Kunst eine Auferstehung bereiteten; zugleich aber deutet er an, was die klassisch gebildeten Christen an der alten Dichtung, namentlich jenen Nationalepen, verwerfen mussten, und dies darf uns in seiner Zeit nicht Wunder nehmen, die breite Einmischung der antiken Mythologie nämlich, welche ein integrirendes Element jenes klassischen Epos sein musste und die den Christen von damals ebenso wenig wie schon den Heiden selber als ein blosser ästhetischer Schmuck erscheinen konnte. Gerade die Bedeutung, die dieses religiöse Element in dem antiken Nationalepos in der That hatte, musste einem christlichen Dichter wie Iuvencus die Aufforderung zur Abfassung seines Werkes geben. Aber er lässt schon hier in dem Prolog erkennen, wie seine Stellung seinem Stoffe gegenüber eine ganz andere, als die der heidnischen Poeten, sein musste. Die Zierde dieses Stoffes war die Wahrheit. Die treue Wiedergabe derselben musste seine erste Aufgabe sein: von ihr konnte er noch mehr als die irdische Unsterblichkeit hoffen. Damit aber wurde, was auch Iuvencus selbst in einem kurzen Epiloge andeutet
Die Kraft des Glaubens und die Gnade Christi hätten so viel in ihm vermocht:
Versibus ut nostris divinae gloria legis
Ornamenta libens caperet terrestria linguae. IV, v. 803 f., seine dichterische Thätigkeit nur auf die äussere Form des Verses und des Ausdruckes verwiesen, und in dem letztern Punkt selbst innerhalb bestimmter Schranken. Der Dichter bemüht sich demnach dem biblischen Berichte so treu als möglich zu folgen, soweit als der Hexameter und der mit diesem sich oft schon unwillkürlich verknüpfende poetische Stil der heroischen Dichtung, für welchen Virgil sein Hauptmuster ist, es ihm erlauben. Und es lässt sich nicht leugnen, dass dabei doch noch manches unschickliche, die christliche Anschauung verletzende, im Ausdruck eindringt.
Schon dass
Deus
ganz gewöhnlich durch ›
summus tonans‹ umschrieben wird. Aber im ganzen zeigt die poetische Diction, dank jenem Streben, unter dem Einfluss der biblischen Darstellung eine
verhältnissmässige Einfachheit, die zu dem Schwulst der damaligen entarteten heidnischen Dichtung, welche
117 durch geschmacklosen überladenen Wortpomp die Leere des Inhalts zu ersetzen suchte, einen erfreulichen Gegensatz bildet. Diesem Vorzug, im Verein mit den trotz aller damals schon gewöhnlichen Incorrectheiten leicht hin fliessenden Versen, die manche Reminiscenzen aus klassischen Dichtern schmücken
Ausser Virgil finden sich auch Lucrez, Ovid, Lucan und Horaz benutzt., verdankt auch dies Werk hauptsächlich den Ruhm, den es in der That erntete, die hohe Anerkennung namentlich, die es in den Zeiten der Renaissance fand, sowohl in der ersten unter Karl dem Grossen, als in der eigentlichen, welche Petrarca einleitet.
Formales Talent lässt sich Iuvencus nicht absprechen, aber viel weiter ging auch seine poetische Begabung nicht. Dies zeigt sich schon in dem gänzlichen Mangel künstlerischer Composition, wie er sich in der Eintheilung des Werkes in die vier Bücher kundgibt. Sie ist so sehr ohne alles ästhetische Motiv erfolgt, dass man sie, wenn nicht Hieronymus ihrer bereits ausdrücklich gedächte, gar nicht auf Rechnung des Dichters, sondern späterer Copisten setzen möchte. Es lässt sich bei der Art und Weise der Eintheilung kaum ein anderer Grund denken, als die Rücksicht, das eine Buch ziemlich so gross als das andere zu machen, und man möchte fast annehmen, sie sei erst nach Beendigung des ganzen Werkes, vielleicht im Hinblick auf die Vierzahl der Evangelien, gemacht worden. Allerdings musste einer künstlerischen Disposition des Stoffes das höchste den Dichter leitende Princip der treuen Wiedergabe des heiligen Textes grosse, vielleicht unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstellen. So hat denn Iuvencus inhaltlich auch nichts hinzuzufügen gewagt, nur dass er, schon durch Vers und Diction dazu genöthigt oder veranlasst Wie darunter an wichtigern Stellen die einfache Kraft des biblischen Ausdrucks leidet, s. IV, v. 491 ff. und v. 554., aber auch zur Erklärung So I, v. 202 ff., welche Stelle zugleich beweist, dass Iuvencus auch das griechische Original vor Augen hatte. wie zum Schmuck, hier mehr, dort weniger umschreibt; wenn mehr, so verfährt er gewöhnlich beschreibend, namentlich naturschildernd, wodurch er gleichsam eine poetische Ornamentik der Darstellung zu geben vermag, ohne Gefahr zu laufen, ihrer Treue Abbruch zu thun. Doch verliert er sich hierbei nie – was zumal in seiner Zeit, wo die epische Dichtung ganz in die 118 beschreibende sich auflöste, ein unbestreitbares Zeugniss für seinen guten Geschmack ist – in ein zu ausführliches Detail, was immer prosaisch wirkt; vielmehr hält er das rechte Mass inne, stets dessen eingedenk, dass die Erzählung, der biblische Bericht, ihm die Hauptsache bleiben muss. Das poetische Gewand, in das er ihn kleidet, ist freilich nach dem Muster und selbst mit den Fäden des lateinischen epischen Stiles, namentlich des Virgil gewebt, dessen Georgica er nicht minder als seine Aeneis dabei benutzte; aber Iuvencus ist kein blosser Copist oder Nachahmer, der seinen Originalen ängstlich folgt, er schafft vielmehr, selbst inspirirt, sich seinen Ausdruck, wenn auch grossentheils aus entliehenem Material, das er aber auch zu vermehren weiss Durch Neubildungen von Composita wie flammicomans IV, v. 201, flammipes II, v. 518, flammivomus I, v. 31.: er reproducirt auch in dieser Beziehung. Dies vermochte nur ein von der klassischen Bildung durchaus erfüllter Geist, die hier in der lateinischen Dichtung zum ersten Male mit dem christlichen Genius verbunden, wenn auch noch keineswegs ihm wahrhaft assimilirt erscheint. Und so finden sich denn auch Stellen, wo die Darstellung einen echt dichterischen Schwung zeigt, der aus der reinen Begeisterung eines ästhetisch fein gebildeten Geistes fliesst. So z. B. II, v. 25 ff. (Christus auf dem Meere den Sturm stillend), und manche Stellen des letzten Buches.
Demselben Dichter sind auch die in ähnlicher Weise in Hexametern behandelten Bücher Mose und Josua beigelegt worden Auch ein panegyrisches Gedicht auf Christus, Laudes Domini , worin derselbe als Weltschöpfer und als Erlöser gepriesen wird im Anschluss an die Erzählung eines Wunders, das sich im Aeduerlande zugetragen, und das dem Dichter als ein Anzeichen der baldigen Wiederkunft des Herrn erscheint. Das Gedicht, welches, lückenhaft überliefert, 118 Hexameter zählt, schliesst auch mit einem Lob des Constantin. Dieser Umstand mag wohl vornehmlich zu der Annahme der Autorschaft des Iuvencus den Anlass gegeben haben, während zu dieser Annahme sonst nichts berechtigt. Das Gedicht ist sicher das Werk eines Galliers, vielleicht, wie der neueste Herausgeber glaubt, eines Rhetors von Autun, und um dieselbe Zeit, wenn nicht noch einige Jahre früher, als die Historia evang. entstanden. Die neueste und zugleich erste kritische Ausgabe mit ausführlichem Commentar ist die von Brandes, Braunschweig 1887 als wissenschaftliche Beilage zu dem Programm des Gymnasium Martino-Catharineum erschienen.. Von ihnen war nur die Genesis früher, wenigstens zum grössten Theile, bekannt, aber anfangs Tertullian oder 119 Cyprian zugeschrieben worden, die andern Bücher sind aber erst in unserer Zeit wieder aufgefunden. Von der Genesis waren nur die ersten 165 Verse, die den beiden genannten Kirchenvätern beigelegt wurden, bekannt, bis durch Martini und Durand 1733 das Ganze aus einer Corbieschen Handschrift herausgegeben wurde, nur dass in dieser einige 50 Verse, die den Schluss des 8. und des 9. Kapitels behandeln, ausgelassen waren. Diese wurden ebenso wie die folgenden Bücher Mose und Josua zuerst von Pitra in einer Cambridger und zwei Laoner Handschriften (die aber aus einer und derselben Urhandschrift stammen) aufgefunden, und daraus samt dem Exodus (1392 v.) und Josua (586 v.), sowie Bruchstücken der drei letzten Bücher Mose in dem Spicileg. Solesm. T. 11852 veröffentlicht. – Die Genesis ist ganz publicirt in der Ausgabe des Iuvencus von Arévalo, die ersten 165 Verse in Hartels Ausgabe des Cyprian Pars III, p. 283 ff. Ob überhaupt und in wie weit Iuvencus als Verfasser dieser Dichtungen anzusehen sei, bleibt erst noch zu erweisen, und ist diese Frage nur durch eine tief ins Detail eingehende monographische Untersuchung endgültig zu lösen. So schrieb ich schon in der 1. Auflage; diese Untersuchung fehlt noch immer, und so habe ich denn die oben folgende Erörterung auch so, wie ich sie damals gab, lassen können. Der Annahme Peipers aber (in der Praef. seiner Ausgabe des Avitus, Berlin 1883, p. LXIII), ein in der Mitte des sechsten Jahrhunderts in Südgallien lebender Cyprian sei der Verfasser gewesen, widerstreitet der Gebrauch der Itala statt der Vulgata in diesen Dichtungen so sehr, dass dieser Umstand allein mir schon genügt, dieser ausser durch den Namen Cyprian (vgl. unten S. 120) nicht weiter begründeten Ansicht nicht beipflichten zu können, und um so weniger kann ich dies, als Peiper demselben Autor auch die beiden weiter unten folgenden Dichtungen De Sodoma und De Iona zuschreibt, die offenbar einen ganz andern Verfasser als die oben erwähnten haben, s. unten S. 122 f. Mir steht nur das Folgende fest. Vom Exodus an gehört das Werk einem Verfasser; die Darstellung in der Genesis dagegen hat einen etwas andern Charakter als in den folgenden Büchern, und in der Genesis selbst erscheint die grössere zweite Hälfte von weit geringerem Werthe als die erste: die Darstellung, immer mehr abbreviirend, wird da zu einer blossen, fast handwerksmässigen Versification Man sehe nur die Art, wie Abrahams Opfer z. B. behandelt ist, ein Gegenstand, so würdig einer poetischen Ausführung., während sie in der ersten Hälfte gerade im ganzen Kolorit der in der Historia evangelica am nächsten kommt. Dass auch der Verfasser des Exodus und der diesen folgenden Bücher mindestens in der Schule des Iuvencus sich gebildet, ist gewiss; nicht bloss kehren manche von diesem geliebte Ausdrücke und Wendungen hier wieder, sondern es findet sich auch eine ähnliche Benutzung 120 der Alten, namentlich des Virgil. Sämtliche Bücher gehören aber noch dieser Periode schon deshalb wohl unzweifelhaft an, weil sie den Text nicht aus der durch Hieronymus revidirten Vulgata nehmen, sondern auf ältere Recensionen zurückgehen. Gerade in letzterer Beziehung aber scheint auch eine wesentliche Verschiedenheit zwischen der Genesis und den folgenden Büchern zu bestehen.
Was nun die poetische Behandlung des biblischen Textes angeht, so schliesst sie sich demselben bei weitem nicht so dicht und unmittelbar an, und folgt ihm nicht so stetig als in der Historia evangelica; in der Genesis aber zeigt sich allein das Streben nach Kürzung, das aber nur in der zweiten Hälfte zu einer trockenen Abbreviatur führt; in dem Exodus dagegen finden sich auch stoffliche Erweiterungen, selbst durch eingeschaltete Reden (wie sogleich im Eingang): die Kürzung besteht hier mehr in Auslassung, im Uebergehen von unwichtigerem, während andererseits in einzelnen Schilderungen und Reden mit grosser Ausführlichkeit von dem Dichter verfahren wird. Es zeigt sich hier öfters eine freiere Bewegung, ein gewisser oratorischer Schwung und Fülle; und so ist denn auch das Loblied Mose nach dem Durchzug durch das rothe Meer in einem lyrischen Metrum, den phaläcischen Versen, wiedergegeben. Dasselbe ist mit den Cantica der folgenden Bücher der Fall, die auch sonst im Stil an den Exodus unmittelbar sich anschliessen. In diesem wie in der Genesis fehlt es keineswegs auch an einzelnen Partien, die eine wirklich poetische Behandlung zeigen Z. B. der Untergang des Pharao; hierher gehören auch die Cantica, auf die wir an einer andern Stelle zurückkommen., sodass auch diese Erstlinge der christlichen Muse über die Trockenheit des versificirenden Annalisten ebensowohl als über den Schwulst des Panegyristen jenes Zeitalters vortheilhaft sich erheben. Pitra ist rasch genug bei der Hand gewesen (Prolegg. p. XXXVI), das ganze Werk, das nach ihm über 7000 Verse zählen muss, dem Iuvencus beizulegen, bloss auf Grund einer Uebereinstimmung im Gebrauche einzelner Wörter und eines Vergleichs, als wenn nicht eine solche Uebereinstimmung ebenso gut bei einem Nachfolger des Iuvencus sich finden könnte. Ja, er ist auch der Meinung, dass die › metra super libros Regum, Esther, Judith et Maccabaeorum‹, welche ausser dem › metrum super Heptateuchum‹ in einem Lorschener Codex nach einem alten Verzeichniss sich gefunden haben sollen, und dort dem Cyprian beigelegt werden, von Iuvencus verfasst worden sind; – dass Fortsetzungen durch andere möglich waren, scheint ganz ausserhalb dem Bereich seiner Kritik zu liegen. Und ein solches kolossales Werk sollte dem Hieronymus, der noch dazu den lateinischen Bibeltext revidirte, also ein besonderes Interesse für solche Bearbeitungen haben musste (wie auch sein Interesse an der Historia evangelica, auf die er ein paar mal in seinen Schriften zurückkommt, zeigt), unbekannt und von ihm unerwähnt geblieben sein, wenn es von dem berühmten Dichter der Historia evangelica verfasst gewesen! Auch keiner der andern ältern christlichen Autoren, die des Iuvencus gedenken, erwähnt ein solches Werk von ihm, oder deutet es nur an. Dass in dem Codex Corbeiensis die Genesis dem Iuvencus beigelegt wird, fällt so wenig ins Gewicht, als dass sie in andern Cyprian zugeschrieben wird; fast noch weniger, da es so viel leichter erklärlich ist. Bemerkenswerther ist, dass in derselben Handschrift am Schluss mit › Incipit Exodus‹ auf das hier fehlende folgende Buch hingewiesen wird; ingleichen, was mehr noch von Bedeutung, dass die in diesem Codex zuerst gefundene Fortsetzung des bis dahin allein bekannten Anfangs der Genesis, der ersten 165 Verse, sich unmittelbar an diese anschliesst, zunächst wenigstens von demselben Verfasser herrührt; denn es wird mitten in einem Satze, wo der Anfang abbrach, fortgefahren, und zwar auf Grund einer altlateinischen Recension der Bibel, die von der Vulgata hier vollkommen abweicht; der Satz ist Schlusssatz von v. 12, c. 4, wo es von Kain heisst: ›unstät und flüchtig sollst du sein auf Erden‹, der mit der Lutherschen Uebersetzung übereinstimmend, in der Vulgata lautet: vagus et profugus eris super terram, in der sogenannten Itala aber: gemens et tremens eris in terra. Der 165. Vers der versificirten Genesis lautet nun dem letztern entsprechend: Torpidus ut multo collidens membra tremore und der v. 166 (der erste der später aufgefundenen) fährt fort: Funere ceu iuncto semper suspiria ducas. – Es wäre nicht unmöglich, dass nur die erste kleinere Hälfte der Genesis, etwa die ersten 600 Verse, von Iuvencus herrührte, und dass deshalb um so eher das ganze Werk auf seine Rechnung gesetzt wurde. Dass unter allen Umständen aber die Genesis, also auch wenn von Iuvencus, später als die Hist. evangelica abgefasst ist, lässt schon der Prolog der letztern erkennen. Gegen die Autorschaft des Iuvencus in Betreff der Bearbeitung der andern Bücher Mose könnte auch der Umstand sprechen, dass die Cantica der Evangelien in der Hist. evangelica nicht wie in jener in lyrischem Versmass, sondern einfach in Hexametern wiedergegeben sind, sowie der andere, dass Beda (was meines Wissens früher niemand bemerkt hatte) in seinem Werkchen › De arte metrica‹ § 17 als Beispiel des phalacischen Metrum die ersten 15 Verse des Canticum des dem Iuvencus beigelegten Exodus (Spicil. Solesm. I, p. 187) anführt, ohne ihn als Verfasser zu nennen, obgleich er sonst bei seinen Citaten die Autoren, und so auch an einer andern Stelle § 3 den Iuvencus selbst bei einem Citat aus der Hist. evangelica nennt. Die Verse des Canticum aber werden nur mit den Worten › Huius (sc. metri) exemplum‹ eingeführt. Man möchte hiernach glauben, dass schon Beda den Autor nicht gekannt hat. Uebrigens bietet das Citat einige beachtenswerthe Varianten. – Auch Alcuin, der bei Citaten aus der Histor. evang. Iuvencus als Verfasser anführt, citirt in einem seiner Briefe eine Stelle aus der Fortsetzung, ohne einen Autor zu nennen. S. Jaffö's Monumenta Alcuiniana p. 802. 122