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Neunzehntes Kapitel.

Kanzelberedsamkeit. Papst Leo. Caesarius.

Die Kanzelberedsamkeit dieser Epoche findet ihre bedeutendste Vertretung in einer reichen Sammlung von Predigten des Papstes Leo S. Leonis M. opera, post Pasch. Quesnelli recensionem ad complures et praestantiss. mss. codd. ab illo consultos exacta, emend. et ineditis aucta etc. curant. Petro et Hieronymo fratribus Balleriniis. 3 Tom. Venedig 1753 ff. fol. (Praeff.) Vgl. oben S. 450, Anm. 1. – – Arendt, Leo der Grosse und seine Zeit. Mainz 1835., der seiner ungemein einflussreichen Wirksamkeit den Beinamen des Grossen verdankt. Er hat in Wahrheit das Papstthum erst fest begründet. Leo nahm den römischen Bischofsstuhl vom Jahre 440–461 ein. In diesen Zeitraum fallen seine uns erhaltenen Es ist uns nur ein Theil geblieben. Man sollte denken, dies sei im Hinblick auf die erhaltenen, sowie auf die Art ihrer Ueberlieferung, selbstverständlich, doch da selbst Arendt, S. 418, es nicht annimmt, sei es ausdrücklich bemerkt. Sermones , da er als Papst sie gehalten. Es sind der echten gegen 100, von welchen eine Anzahl als Collecten und Fastenpredigten, andere an den Festen der Geburt, der Erscheinung und der Passion, ein paar auch Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten, einige an dem Tage der 471 Ordination Leo's, sowie eine an dem Geburts-, d. h. Todestag der Apostel Petrus und Paulus, gehalten sind. Frei von Weitläufigkeit, zum Theil sogar auffallend kurz, zeichnen sie sich durch Klarheit der Disposition sowie durch einen im allgemeinen einfachen Dass es Leo an rednerischer Kunst fehlte, soll damit aber keineswegs gesagt sein, im Gegentheil ist die Darstellung offenbar eine Frucht derselben; ja es findet sich auch wohl rhetorische Künstelei, aber bei weitem nicht in dem Grade als bei andern, selbst den christlichen Rednern jener Epoche, und als Leo von neuern Gelehrten, namentlich Dupin, vorgeworfen ist, der die erlaubten Kunstmittel mit den unerlaubten in seinem Tadel zusammenwirft., leicht verständlichen und dabei doch keineswegs trivialen, zugleich für jene Zeit merkwürdig reinen Ausdruck aus; aber weder der Gedankenreichthum und die oft fesselnde Dialektik Augustins, noch der oratorische Schwung und Glanz der Sermonen des Ambrosius ist in ihnen zu finden. Nur in der zuletzt genannten Predigt ( sermo  82) erhebt sich der Redner höher, als sonst, in dem Bewusstsein von der Macht und Grösse des neuen, päpstlichen Rom, die er selbst erst wahrhaft gegründet, indem er ›diese priesterliche und königliche Stadt, welche, durch den heiligen Sitz des seligen Petrus das Haupt des Erdkreises geworden, durch die göttliche Religion weiter, als durch die irdische Herrschaft regiert‹, mit der antiken Roma vergleicht. Von dieser hierarchischen Inspiration sind auch die auf seinen Ordinationstag gehaltenen Predigten Leo's durchdrungen, die eben deshalb von historischer Bedeutung sind: auch sie feiern Petrus' Primat. Im Übrigen sind die Predigten Leo's keineswegs eine bloss raisonnirende Analyse des Textes des Evangeliums, gleich den alten Sermonen, wie auch die allegorische Interpretationsweise derselben selten in ihnen sich findet, vielmehr haben sie stets sowohl einen dogmatischen als moralischen Inhalt auf Grund der besondern gottesdienstlichen Feier, die sie veranlasst. Sie wollen die christliche Wahrheit lehren und sie zugleich zur sittlichen Besserung verwerthen. Tragen sie auch nicht das Gepräge des Genius, so zeigt sich desto mehr Talent in ihnen, und so konnten sie wohl als Muster für die Folgezeit dienen, die sie auch, und nicht mit Unrecht, in hohen Ehren hielt.

Auch 173 Episteln besitzen wir unter Leo's Namen, die auch aus der Zeit seines Episcopats sind. Sie sind durchaus 472 officieller Natur und zum Theil auch offenbar, wie schon Arendt richtig bemerkt A. a. O. S. 421, wo er auch seine kritischen Bedenken äussert., vielmehr aus der Kanzlei Leo's hervorgegangen, als aus seiner Feder geflossen. Um so bemerkenswerther ist die Reinheit der Sprache, die auch sie auszeichnet, während sie zugleich von rhetorischer Künstelei frei sich halten. Es sind darunter äusserst wichtige historische, namentlich kirchengeschichtliche, Urkunden. Doch haben sie bei ihrem officiellen Charakter für uns hier nicht das Interesse, um auf ihren Inhalt einzugehen.

 

Einen grossen Ruf als Prediger erwarb sich auch, insbesondere in Gallien, der heil. Caesarius Seine Sermonen finden sich namentlich unter den unechten des Augustin; dann: S. Caesarii Homiliae XIV. Steph. Baluzius prim. ed. notisque illustr. Paris 1659 (erscheinen aber auch nicht alle authentisch). – Aus einer Handschrift des Benedictinerstifts Einsiedeln hat Caspari in seinen Kirchenhistor. Anecdota (Christiania 1883, Bd. I, S. 213 ff.) eine Predigt herausgegeben, die er mit grosser Wahrscheinlichkeit dem Caesarius beilegt. – – Histoire littér. de la France. Tome III, p. 190 ff. – Ampère, Hist. littér., T. II, p. 203 ff., welcher, ein Schüler des Klosters Lerinum, Diakon und später (502) Bischof von Arles wurde und auch in dieser Eigenschaft eine bedeutende Wirksamkeit im südlichen Frankreich im Interesse des Katholicismus entfaltete. Er starb, einige siebzig Jahre alt, 543. – Wie er allem Anschein nach selbst von geringer Herkunft war, so nahm er sich als Seelsorger der untern Klassen des Volks mit grösster Theilnahme an und schenkte den Ungebildeten auch in seinen Predigten besondere Rücksicht, wie er es selbst in einer direct ausspricht. Und dazu stimmt in der That die in ihnen vorherrschende moralische Tendenz und eine auf den gemeinen Mann speciell berechnete, durch Bilder aus der Natur wie dem Alltagsleben veranschaulichende Darstellung, wie sie sich in so manchen seiner Sermone findet, wenn er auch freilich der allegorischen Interpretation der Bibel darum nicht durchaus enträth. Kulturhistorisch beachtenswerth ist die Bekämpfung des heidnischen Aberglaubens, wie sie in manchen seiner Predigten sich findet, so auch in der von Caspari edirten, a. a. O. S. 222. Einfachheit, Klarheit und verhältnissmässige Reinheit des Ausdrucks zeichnen diese Predigten aus. – Zugleich hat Caesarius nicht wenig für die Förderung des Kultus 473 sowie des Klosterlebens, namentlich der Frauen, gewirkt, durch seine Regula ad virgines , die älteste Nonnenregel, die man kennt. Er schrieb sie für ein von ihm um 513 gegründetes Frauenkloster, an dessen Spitze seine Schwester Caesaria trat. Diese Regel, welche auch das Abschreiben von Büchern den Nonnen zur Pflicht machte, fand eine weite Verbreitung bis in die spätere Zeit.

 


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