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13.3. bis 1.4.1920
I.
Arbeiter, Genossen! Der Militärputsch ist da. Die Marinedivision Ehrhardt marschiert auf Berlin, um eine Umgestaltung der Reichsregierung zu erzwingen. Wir weigern uns, uns diesem militärischen Zwange zu beugen. Wir haben die Revolution nicht gemacht, um das blutige Landsknechtregiment heute wieder anzuerkennen. Wir paktieren nicht mit den Baltikum-Verbrechern.
Arbeiter, Genossen! Wir müßten uns vor Euch schämen, wenn wir anders handeln würden. Wir sagen nein und noch einmal nein. Ihr müßt uns bestätigen, daß wir in Eurem Sinne gehandelt haben. Jedes Mittel ist gerecht, um die Wiederkehr der blutigen Reaktion zu vernichten.
Streikt, legt die Arbeit nieder und schneidet dieser Militärdiktatur die Luft ab. Kämpft mit jedem Mittel um die Erhaltung der Republik. Laßt alle Spaltung beiseite. Es gibt nur ein Mittel gegen die Wiederkehr Wilhelms II.: Lahmlegung des Wirtschaftslebens, keine Hand darf sich mehr rühren, kein Proletarier darf der Militärdiktatur helfen. Generalstreik auf der ganzen Linie. Proletarier, vereinigt Euch!
II.
An die Regierungen der Länder! Putschversuche gewissenloser Meuterer, hinter denen kein ernster Politiker steht, haben die Regierung veranlaßt, zwecks Vermeidung von Blutvergießen Berlin zu verlassen. Die verfassungsmäßige Regierung hat ihren Sitz in Dresden und ist die einzige, die das Chaos verhindern kann. Wir ersuchen, den dienstlichen Verkehr mit uns aufrecht zu erhalten und alle Beziehungen zu den Staatsstreichlern in Berlin abzulehnen.
III.
An das deutsche Volk! Durch einen wahnwitzigen Handstreich sind die Regierungsgebäude in Berlin in die Hände von Aufrührern gelangt. Keine politische Partei, kein Mann von besonnener Denkungsart steht hinter diesen Vorgängen. Nachdem sich die in Döberitz einquartierten, zur Entlassung bestimmten Truppen, namentlich aus dem Baltikum, hinter diesen Akt der Tollheit gestellt haben, hat die Regierung, um ein Blutbad zu vermeiden und das Leben der an Zahl geringen in Berlin befindlichen regulären Truppen zu schonen, Berlin verlassen. Blut ist seit 1914 genug geflossen, und das Abenteuer wird in wenigen Tagen an seiner inneren Unmöglichkeit zusammenfallen.
Die Regierung hat ihren Sitz nach Dresden verlegt. Jeder bleibt an den Gehorsam gegen die verfassungsmäßige Regierung gebunden. Nur sie kann Befehle erteilen und Zahlungsanweisungen ausstellen. Jede Anordnung einer anderen Stelle ist nichtig. Die Soldaten der Reichswehr haben die Verfassung zu schützen, dem Reichspräsidenten und der Regierung zu dienen und gehorsam zu sein. Den Eidbruch einer Anzahl Offiziere nachzuahmen, verbietet ihnen Pflicht und Recht.
Die Auflösung der Nationalversammlung ist verfassungswidrig. Der Präsident der Nationalversammlung ist ersucht, die Nationalversammlung alsbald wieder einzuberufen. Nur eine auf der Verfassung begründete Regierung vermag Deutschland davor zu bewahren, daß es in Nacht und Blut versinkt. Wenn Deutschland von einem Putsch zum anderen geführt wird, so ist es verloren. Eine auf dem Gewaltakt Weniger beruhende Regierung entbehrt der Autorität im Inlande und im Auslande.
Das Volk wird verhungern, wenn neue Wirren die Wirtschaft und den Verkehr unterbinden, das Vertrauen des Auslandes, das sich nur eine verfassungsmäßige Regierung erwirbt, untergraben. Ungeheure Gefahren nach innen und außen stehen bevor, wenn das Volk die Besonnenheit verliert.
Deutsches Volk, schare dich um deine verfassungsmäßige Regierung!
IV.
Soldaten der Reichswehr! Unter unsäglichen Schwierigkeiten ist es gelungen, die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse unseres Landes aus der schlimmsten Zerrüttung herauszubringen. Unser armes, durch den Krieg und seinen unglücklichen Ausgang bis zum äußersten erschöpftes Volk fing endlich an, aufzuatmen. Die Produktion begann sich zu heben. Die seit kurzem steigende Valuta zeigte, daß auch das Vertrauen des Auslandes in unsere wirtschaftliche Kraft zurückkehrte. So stand auch eine baldige Besserung der Ernährungsverhältnisse in Aussicht. Alles das ist durch das verbrecherische Vorgehen eines Häufleins reaktionärer politischer Abenteurer, denen sich leider ein Teil der in Berlin liegenden Reichswehr als williges Werkzeug hergab, wieder in Frage gestellt worden. Aufs neue sieht sich unser Land an den Rand des Bürgerkrieges gerissen. Zu dem inneren Unglück tritt die steigende Gefahr einer erneuten Spannung der auswärtigen Lage hinzu. Gewalttaten der Entente drohen wiederum. So ist die Existenz des Reiches selbst von innen und außen bedroht. Angesichts dieser tiefernsten Lage richten wir an Euch, Soldaten der Reichswehr, die Aufforderung: Helft uns unser Volk vor neuem furchtbaren Unglück bewahren. Durch Eid und Gewissen habt Ihr Euch auf den Schutz der Reichsverfassung und zum Gehorsam gegen die durch die Nationalversammlung rechtmäßig eingesetzte Regierung verpflichtet. Wir appellieren an Eure Ehre als Soldaten und Bürger eines freien Staates. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in Stadt und Land steht auf dem Boden der neugeschaffenen staatsrechtlichen Ordnung. Sie verflucht das Vorgehen der Berliner Staatsstreichler, das von neuem so großes Unglück über unser Volk zu bringen droht. Selbst rechtsstehende Kreise sind dieser Auffassung. Haben doch vor wenigen Tagen die Sprecher der Rechtsparteien in der Nationalversammlung, Graf Posadowsky und Dr. Heinze, übereinstimmend erklärt, daß der Versuch einer gewaltsamen Beseitigung der Republik ein verbrecherischer Wahnsinn sei. Darum: Niemand mache sich mitschuldig an diesem verbrecherischen Wahnsinn! Haltet treu zu der allein rechtmäßigen Regierung. Befolgt ihre Befehle mit strengster Gewissenhaftigkeit und weist jeden Versuch, Euch zu Eidbruch und Hochverrat zu verleiten, mit Entrüstung zurück! Tut mit uns Euer Bestes, um unser Volk auch aus dieser neuen Lebensgefahr zu retten und nach so viel Schrecknissen und Leiden einer besseren Zukunft entgegenzuführen.
V.
Kapp und Lüttwitz sind zurückgetreten! Das Abenteuer in Berlin ist beendet. Vor der ganzen Welt ist im Laufe weniger Tage der unwiderlegliche Beweis geführt worden, daß die Demokratie in der deutschen Republik kein Schein und keine Täuschung ist, sondern die alleinige Macht, die auch mit dem Versuch der Militärdiktatur im Handumdrehen fertig zu werden versteht. Das Abenteuer ist zu Ende, der verbrecherisch unterbrochene Wiederaufbau von Volk und Wirtschaft muß wieder aufgenommen und zum Erfolge geführt werden. Dazu ist es vor allem nötig, daß die Arbeiterschaft ihre starke Waffe, den Generalstreik, niederlegt. In zahlreichen Städten ist die Arbeit wieder aufgenommen. Nun gilt es, alle Teile der Wirtschaft wieder in Gang zu setzen. Zu allererst die Kohlenförderung, ohne die es überhaupt kein Wirtschaftsleben gibt.
Arbeiter! Seid jetzt ebenso tatkräftig und willfährig zur Stelle, wie bei der Abwehr der Aufrührer. Jeder Mann an die Arbeit! Die Reichsregierung wird mit aller Kraft die Aufnahme des Wiederaufbaues fördern, die Hochverräter, die Euch zum Generalstreik gezwungen haben, der strengsten Bestrafung zuführen und dafür sorgen, daß nie wieder die Soldateska in das Geschick des Volkes eingreifen kann. Den Sieg haben wir gemeinsam errungen. Jetzt wählt Eure Betriebsräte, die Euch die Mitwirkung am Produktionsprozeß sichern, und schafft in der neuen Wirtschaftsdemokratie mit uns gemeinsame Arbeit. Ans Werk!
VI.
An die Reichswehr! Eine tiefgehende Beunruhigung hat im Anschluß an den Staatsstreich vom 13. März in der Reichswehr um sich gegriffen. Die Frage der Bestrafung der am Putsche Beteiligten sowie der Verhütung ähnlicher Vorkommnisse in der Zukunft hat in den ersten Tagen unter den Unteroffizieren und Mannschaften eine begreifliche Erregung geschaffen, die an verschiedenen Stellen zu Handlungen der Selbsthilfe geführt hat.
Durch die Erlasse des Reichswehrministers ist kein Zweifel darüber gelassen worden, daß alle am Putsche mitschuldigen militärischen Vorgesetzten der gerichtlichen Bestrafung unterliegen werden, daß aber die Verführten keine Verantwortung trifft für die Ausführung der ihnen von treulosen Führern gegebenen Befehle. Es ist ferner in den Erlassen gesagt, daß ein eigenmächtiges Eingreifen in die Untersuchungen von unbefugter Seite sowie die eigenmächtige Auflösung oder Neubildung militärischer Formationen keinesfalls mehr geduldet werden kann. Derartige Übergriffe gefährden den Bestand der Reichswehr, die zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung unentbehrlich ist.
Ich erinnere daher erneut daran, daß jede Handlung, wie die Absetzung von Offizieren und eigenmächtige Neuwahl von Führern, als Verletzung der Disziplin und als Vergehen gegen die Verfassung und die Gesetze anzusehen ist und nur den Gang der ordnungsmäßigen Untersuchung behindert. Ich bin entschlossen, um jede Politik grundsätzlich aus der Reichswehr fernzuhalten, keinerlei politische Betätigung in irgendeiner Richtung in ihr zu dulden und die Truppe zu einem in sich geschlossenen, von verfassungstreuen Führern geleiteten Machtmittel zum Schutze der Ordnung zu gestalten.
Ich erwarte, daß die Reichswehr im Vertrauen auf die von mir und der Regierung eingesetzten Führer sich rückhaltlos und in straffer Disziplin der schweren Aufgabe der Sicherung des Reichs und seiner Verfassung zur Verfügung stellt. Nur so wird es möglich sein, das durch den Staatsstreich stark erschütterte Vertrauen des Volkes der Reichswehr wieder zu gewinnen, ohne das sie ihrer schweren Aufgabe nicht gerecht werden kann.