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Siehe Bildunterschrift

Mazarin,
Mazarin, nach einem Stich von Nanteuil im Berliner Kupferstichkabinett.

Vorrede

L'histoire particulière doit avoir pour but de mettre te lecteur au milieu des acteurs, en sorte qu'il croie moins lire une histoire, qu'être lui-même dans le secret de tout ce qui lui est représenté et spectateur de tout ce qui est raconté.

Saint-Simon.

Die zwei Jahrzehnte französischer Geschichte, die der Selbstherrschaft Ludwigs XIV. vorangingen, die Zeit der Regentschaft Anna von Österreichs, die Ereignisse der vier Revolutionsjahre von 1648-1652 und ihre Folgen sind in Deutschland so gut wie unbekannt. Der Glanz Ludwigs XIV. hat die Zeit vor ihm zu sehr überstrahlt; Voltaire war der erste, der sie in den Schatten schob, in dem sie für uns geblieben ist. Ranke hat ihr in seiner »Französischen Geschichte des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts« einen Abschnitt gewidmet, der eine – trotz den noch ungenügenden Quellen vortreffliche – kurze Übersicht bietet; sonst wird sie in grösseren Geschichtswerken auf wenigen Seiten abgetan. Einige Nebenfragen sind in Einzeldarstellungen behandelt worden; eine irgend eingehende Geschichte der Zeit gibt es nicht. Die reiche französische Literatur ist in Deutschland nur Fachleuten bekannt. Und doch war das Leben Frankreichs in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts weit bewegter, mannigfaltiger und schöpferischer als in der zweiten, in der seine Kräfte gleichsam gesammelt und zu einer ungeheuren Lichtwirkung gebracht, zugleich aber vergewaltigt und ertötet wurden. Damals gab es noch kühne geistige, künstlerische und politische Strömungen; damals wurde der politische Bau und die soziale Kultur des modernen Europa geschaffen.

Die zwei Jahrzehnte vom Tode Ludwigs XIII. bis zur Übernahme der Regierung durch Ludwig XIV. sind die Zeit des Übergangs und die bewegtesten des Jahrhunderts. Als ich daran ging, sie zu schildern, fand ich die Fülle des Stoffs so erdrückend, dass ich, um ihn gestalten zu können, die Ereignisse um eine Hauptfigur zu ordnen beschloss, die durch die Persönlichkeit des Kardinals Mazarin gegeben war. Man kann andere Personen – Schichten, Geisteszüge – in den Mittelpunkt stellen, wie man jede Zeit von verschiedenen Gesichtspunkten betrachten und darstellen kann; aber dieser merkwürdige Italiener bewegte die meisten politischen Hebel, um ihn kreisten die Ereignisse, an ihm vorüberlaufend kommen sie in der besten Perspektive zur Erscheinung.

Dass seine Geschichte für mich der Weg zur Darstellung seiner Zeit war, bedingte, dass sein eigenes Vorleben weniger eingehend behandelt und das Hauptgewicht auf die Katastrophe von 1648 und die Neugestaltungen, die ihr folgten, gelegt ist. Ich wünsche das Drama einer Gesellschaft, eines Volks zur Erscheinung zu bringen, eine Bühne zu gestalten, auf der für die Phantasie des Lesers eine vergangene Welt sich entrollen soll. Ich versuche nicht Daten zu geben, sondern menschliche Werte und Farben, jedes Einzelschicksal nach Möglichkeit zu erfassen und zu verfolgen, damit auch die Komparserie lebendig mitspiele. Darum waren Memoiren und Briefe für mich die wichtigsten Quellen. Wenn sie, subjektiver als alle andern, im einzelnen überall des Zweifels und der Nachprüfung bedürfen, so lassen sie dafür mehr als alle andern in den Geist, das heisst in die Menschenseelen der Zeit blicken.

Das Werk hat mich durch zwölf Jahre beschäftigt. Die beiden früher veröffentlichten Bücher »Der Chevalier von Gramont« und die »Schriften und Briefe des Herrn von Saint-Evremond« haben sich bei den Vorarbeiten auf dem Wege ergeben. Der Krieg hat mir einige Studien, die ich noch vorhatte, unmöglich gemacht; was mir für meine Absichten an Material wesentlich schien, ist dadurch kaum beeinträchtigt worden.

Da ich mein Buch der Öffentlichkeit übergebe, möchte ich den Herren: Professor Dr. Robert Davidsohn in Florenz, dem hochwürdigen Don Luigi Colantoni in Pescina de' Marsi, dem Generalsekretär des Collegio Araldico in Rom Grafen Bertone, Herrn Legationssekretär Freiherrn von Tucher, dem Direktor des Musée Condé in Chantilly Professor Macon, dem Besitzer des Schlosses Vaux-la-Vicomte Herrn Sommier, meinem Freunde Jacques Mesnil in Paris, sowie Frau Dr. Steinbrucker vom Berliner Kupferstichkabinett für die freundliche Unterstützung meiner Arbeiten meinen Dank aussprechen. Auch dem verstorbenen Grafen Demetrio Minotto bin ich für wertvolle Mitteilungen besonders verpflichtet.


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