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Wie zumeist bei inneren Umwälzungen war die Haltung der Armee entscheidend gewesen. Condé, nicht Mazarin, war der Sieger. Bei seiner Stellung in dieser Zeit, bei der ungeheuren Meinung, die er von seiner Stellung hatte, war der »erste Prinz vom Geblüt« als Feldherr durchaus nicht ein blosses Werkzeug der Regierung, noch weniger dieses Ministers, den er verachtete. Der Kardinal fühlte sich in einer ungewissen Lage. In dem Kompromiss, das den Krieg beendet hatte, war keine Frage wirklich entschieden, waren die Spannungen nicht gelöst worden; der Hass gegen seine Person hatte sich nicht erschöpft und war nicht beseitigt.
Zunächst folgten feierliche Versöhnungsvisiten der grossen Herren, die dem Hof das Wichtigste schienen. Der Prinz von Conti kam und umarmte Mazarin auf seines Bruders Wunsch: der Kardinal schien der Schützling des gebietenden Prinzen. Conti stellte dann die anderen Herren vor; die Königin empfing sie kalt; dagegen war Mazarin die Süssigkeit selbst. »Er hätte gewiss unrecht gegen die Herren gehabt,« sagte er, »und sie seien wohl zu entschuldigen.« Eine »sincera riunione dei cuori« habe stattgefunden, schrieb er nach Italien. Der Herzog von Longueville kam mit grossem Gefolge, aber vor der Königin wurde er weiss und rot und vermochte nur einige Worte zu stammeln. Die sonst so geistreiche Herzogin, Condés Schwester, brachte überhaupt kein Wort über die Lippen, das verständlich war. Der alte Césare von Vendôme, der infolge der allgemeinen Amnestie aus dem Exil zurückkehrte, tat einen Schritt mehr als alle anderen und gab ein bedeutsames Beispiel: er hielt für seinen ältesten Sohn, den Herzog von Mercœur, beim Kardinal um dessen Nichte Laura Mancini an. Vielleicht – wer weiss es – erriet er einen heimlichen Wunsch der Königin oder verstand einen Wink. Er war der legitimierte Sohn Heinrichs IV. und der Gabrielle d'Estrées; die Werbung wurde sogleich angenommen; aber sie verstimmte Condé, dessen Haus seit jeher mit dem Haus Vendôme verfeindet war. Auch die Herzogin von Chevreuse kam zum zweitenmal aus dem Exil zurück, sie war zu Brüssel für die Verbindung der Aufständischen mit den Spaniern tätig gewesen; sie wurde bei Hofe noch nicht empfangen, aber Mazarin, der sie als Kraft in der Intrige schätzte, knüpfte mit ihr, die ihn vor fünf Jahren hatte ermorden lassen wollen, Verhandlungen an.
Verhandlungen, das war das grosse Wort und Mittel der Zeit. Der Staat war desorganisiert, in unzählige kleine und grössere Mächte zerfallen; und obwohl man schneller zur Waffe griff als heute, so war doch das wesentliche Mittel in den Kämpfen Intrige und Verhandlungen von Macht zu Macht, von Person zu Person, unendliche Verhandlungen durch Briefe und Mittelsmänner, von jedem mit jedem und nach allen Seiten mit grosser Vorsicht begonnen und geführt, mit Versuchen und Lügen, Versprechungen und Anerbietungen und endlichen klaren Geschäften. Im Zeichen des Schachers und der Verhandlungen stand die ganze innere Politik in den Tagen der Fronde, und Mazarin, der Diplomat und Handelsmann vor allen anderen, hatte das Seine dazu beigetragen.
Manche hielten sich indessen grollend zurück. Beaufort, Vendômes jüngerer Sohn, und Retz kamen nicht nach Saint-Germain. Sie blieben die volkstümlichen Männer in Paris, und das Pariser Volk war keineswegs für den Minister und den Hof gewonnen. In ganz Frankreich war Unruhe; die Leute weigerten die Steuern; die entlassenen Truppen des Parlaments, wie die Königlichen im Dienst, waren eine aufreizende Landplage. Niemand war mit dem Ausgang des Krieges unzufriedener als Retz. »Er hatte hochfliegende Gedanken,« sagt die Frau von Motteville, »er wollte an dem grossen Heil oder dem grossen Unheil, das entstehen konnte, Anteil haben.« Auf geistigem Gebiet war er der eigentliche Gegenspieler Mazarins in der Fronde. Er hielt viele Fäden, und vor allem die Pamphletschreiber waren in seinem Sold. Sein ungleicher Freund war François von Beaufort. »Ich brauchte eine Puppe,« sagt er in seinen Memoiren, »aber nur eine Puppe, und zu meinem Glück fand es sich, dass diese Puppe ein Enkel des grossen Heinrich war, dass er redete, wie man in der Markthalle redet, was die Enkel des grossen Heinrich sonst nicht zu tun pflegen, und dass er reiches, sehr langes und sehr blondes Haar hatte. Sie können sich die Bedeutung dieses Umstandes und die Wirkung, die er auf das Volk machte, nicht vorstellen.« Die Marktfrauen vor allem schwärmten für den »Roi des Halles«, jubelten ihm zu und drängten ihm nach, wo er sich zeigte, baten ihn, nicht zu gestatten, dass sein Bruder die Nichte des Mazarin heirate. Als er krank lag, drangen sie in sein Schlafzimmer, um sich zu überzeugen, dass er noch lebte. Dieser Liebling des Volkes war höchst einfältig, grossprecherisch und anmassend, nicht gutmütig, sondern ein gefährlicher Narr von auffallender Unbildung: über seine stete falsche Aussprache der Fremdworte liefen Witze und Anekdoten. Er war in der Tat eine Puppe in den Händen schlauerer Männer, die ihn schoben, während er die Hauptrolle zu spielen glaubte. Retz, sein Freund und Ratgeber, machte hinter seinem Rücken die besten Witze über ihn.
Indessen war ein anderer illegitimer Enkel Heinrichs IV., der Herzog von Candale, an den Hof gekommen, auch er unbedeutend genug, aber der schönste Edelmann des Hofes, von feiner Haltung und immer liebenswürdigem Benehmen, berühmt als der Erfinder eleganter Stiefel und der tiefsitzenden Hose. Schwärmten die Marktfrauen für Beaufort, so verliebten sich alle Damen der Gesellschaft in Candale. Die adeligen Herren beider Parteien gingen gerne, von bewaffneten Dienern und Pagen begleitet, in den Tuileriengärten spazieren; Beaufort mit den jungen Herren der Fronde, vom Hof die Mazariner und die »Petits-Maîtres«, die jetzt zu ihnen zählten, junge Edelleute und Offiziere vom Gefolge des Prinzen, die ihren Meister in allem nachahmten und so hochfahrend auftraten wie er. Man hatte schon, da er ein Knabe war, seine Gespielen so genannt; der Name war seinen Leuten geblieben und ein Parteiname geworden. Am Wall der Tuileriengärten lag etwa dort, wo heute die Orangerie beginnt, eine besuchte Gastwirtschaft, die der Jardin Renard genannt wurde; dort speisten sie und liessen »Seine Eminenz« hochleben, nicht aus Liebe, sondern um die anderen zu reizen. Einer darunter, der Marquis von Jarzé, selbst ein Prahler und ein Narr, rühmte sich, Beaufort gehe ihm aus dem Wege. Der Herzog von Candale soll sich über die Kriegstaten Beauforts spöttisch geäussert haben. Beim Koadjutor wurde Rat gehalten, und da man weder zu weit gehen noch den Hohn dulden wollte, wurde Beaufort genau unterwiesen: er sollte Jarzé sagen, wenn er nicht auf die anderen Herren Rücksicht nähme, würde er ihn den Wall hinabwerfen lassen. Allenfalls dürfe er noch ein paar Violinen zerschlagen, wenn die anderen Musik hätten. Der Herzog von Candale, Jarzé, der Marquis von Ruvigny, der Graf von Montmorency-Boutteville und andere Herren vom Hofe speisten an diesem Abend bei Renard. Sie hatten sich eben zu Tisch gesetzt, als Beaufort, von dem Marschall von La Mothe, dem Grafen Fiesco und vielen Pagen und Lakaien begleitet, eintrat. Er hatte jedoch seine Lektion schlecht behalten oder vergass sie in der zornigen Verlegenheit des Augenblicks. Sie umringten den Tisch, an dem die anderen sassen; dann grüsste er, die anderen grüssten wieder, einige sehr höflich: ein Sichverbeugen und Hüteschwenken mit der ganzen Feierlichkeit des siebzehnten Jahrhunderts. Endlich sagte Beaufort: »Meine Herren, Sie speisen heute sehr früh!« Er erhielt eine kurze Antwort; da erinnerte er sich der Violinen und fragte, ob die Herren Musikanten mit hätten, und als dies verneint wurde, sagte er, »das tue ihm sehr leid, denn er hätte sie gern zerschlagen wollen: es seien Leute unter ihnen, die sich erlaubt hätten, über ihn zu reden, und er wolle sie es büssen lassen!« Damit fasste er das Tischtuch und riss daran, dass Schüsseln und Gläser umfielen und die Gäste überschüttet wurden. All die wütenden jungen Leute sprangen auf und zogen ihre Degen, aber Beauforts Gefolge war in der Übermacht, und Jarzé wurde von den Bedienten geprügelt. Dem Herzog von Candale und den anderen gelang es, den Garten in guter Haltung zu verlassen. Am nächsten Tag liessen er und seine Freunde Beaufort fordern, doch der erwiderte, er habe niemanden beleidigen wollen als Jarzé und werde sich auch mit diesem nur in Paris schlagen. Und da er fürchtete, dass die anderen ihn überfallen könnten, ging er nur mit vielen Bewaffneten und gesattelten Pferden aus und nahm seine Wohnung in einem volkstümlichen Quartier, um völlig sicher zu sein.
All dies waren Zeichen des Unfriedens und vermehrten ihn, und der Hof verschob seine Rückkehr nach Paris und blieb längere Zeit zu Compiègne. Immer noch erschienen aufrührerische Schriften, in denen gesagt wurde, wenn die Not allgemein sei, könnten die Völker mit den Waffen aufstehen, die Dynastie und die Verfassung ändern – »so schwere Verbrechen, dass es weh tut, sie nur zu denken!« schreibt Frau von Motteville, die Hofdame. Ein Buchdrucker namens Marlot hatte eine Schmähschrift gegen Anna von Österreich herausgegeben; »La Custode de la reine, qui dit tout«, »Der Bettvorhang der Königin, der alles ausplaudert«, so bösartig und schändlich, dass selbst ein Frondeur wie Joly sie ein schmutziges Machwerk nennt, und er wurde dafür zum Tode durch den Strang verurteilt; aber auf dem Wege vom Gefängnis zur Hinrichtung im Hof des Justizpalastes wurde der Zug von Buchdruckergehilfen und anderem Volk überfallen, die Polizei geprügelt und der Verurteilte befreit. Noch Schlimmeres geschah: jene selben wüsten Herren von Brissac, von Vitry, von Matha, die das Kruzifix nicht geschont hatten, machten, von einer üppigen Mahlzeit bei ihrem gleichgesinnten Freunde, dem Marquis von Termes, kommend, auf der Strasse Skandal, belästigten alle Leute, gaben ihnen Nasenstüber und beschimpften und prügelten auch zwei königliche Bediente, und als diese schrien, dass sie die unantastbare Livree trügen, erhielten sie die höhnische Antwort: »Die Könige sind nicht mehr Mode! Bringt das eurer Herrschaft und dem Kardinal!« Vergeblich befahl die Königin dem Kanzler, dass man den Frevlern den Prozess mache: die Zeiten waren so, dass »die Enkelin so vieler Kaiser und Könige und der Nachkomme des heiligen Ludwig den Schmerz erfuhren, dass man ihnen nicht gehorchte«. Der Kardinal selbst riet, die Sache ruhen zu lassen.
Erst am 18. August kehrte der Hof nach Paris zurück. »Die Gegenwart unserer Könige«, schreibt die Motteville, »hat für die Pariser einen grossen Reiz. Sie ist ihnen nützlich, darum wünschen sie sie.« Ein paar Tage lang war die Menge begeistert und rief: »Es lebe der König!« »Es gab Leute, die verrückt genug waren, zu hoffen, der Kardinal würde beim Einzug ermordet werden.« Aber es geschah nichts. Er sass im Wagen neben dem Prinzen von Condé; bezahlte Leute jubelten ihm zu, und er hatte viel Geld austeilen lassen. Die Königin war glücklich und erzählte ihren Damen des Abends beim Auskleiden, was die Wäscherinnen und Marktfrauen dem Kardinal Schönes gesagt hatten.
Am anderen Morgen kam der Koadjutor an der Spitze der Pariser Geistlichkeit und hielt eine Ansprache an die Majestäten; auch er war bleich und zitterte. Der Minister stand triumphierend neben dem Stuhl des Königs; Retz warf keinen Blick auf ihn. Dennoch musste er ihm seinen Besuch machen, und Mazarin überhäufte ihn mit Liebenswürdigkeiten, wie all seine Feinde.
Nun kam der Retter des Hofes seine Rechnung stellen. Im Hause Condé liebte man das Geld, und der Prinz hatte sich seine Dienste immer teuer bezahlen lassen. Nach jedem Sieg und fast jedesmal, ehe er ein Kommando übernahm, hatte er Festungen, Statthalterschaften, Herrschaften, Schlösser, Ämter und Einkünfte verlangt und erhalten, beinahe ein kleines Reich. Es schien ihm selbstverständlich, er fühlte sich als den Herrn und loyalen Diener zugleich, und beides berechtigte seine Ansprüche. Vor kurzem hatte er der besorgten Königin lächelnd gesagt: »Ich bin weder Frondeur noch Frömmling geworden«; aber ein leidenschaftlicher Mensch, der in politischen Dingen keine eigene Einsicht, kein wirkliches Verständnis besass, war er sehr beeinflussbar und, wenn man dem Empfindlichen weismachte, er werde nicht gut genug behandelt, zu allem zu reizen. Sein Bruder und seine Schwester, mit denen er sich ausgesöhnt hatte – »ihre Gesinnungen sind ein bischen angekränkelt,« sagte er zur Königin – stellten ihm vor, dass die Admiralschaft und die damit verbundenen achtzigtausend Livres jährlichen Einkommens, die er so oft verlangt hatte, als Erbschaft nach seinem Schwager, dem Herzog von Brézé, der vor zwei Jahren in der Seeschlacht bei Orbetello gesiegt hatte und gefallen war, nun an die Vendôme fielen, während er an der Nase herumgeführt würde. Unter sich nannten sie ihn einen Schwächling. Schliesslich brauste er auf.
Bei Hof wurde die Hochzeit der Kardinalsnichte vorbereitet. Im Mai waren die Kinder von Sedan zurückgekommen. Noch sind die Briefe vorhanden, in denen der Kardinal dem Kommandanten von Sedan Fabert und seiner Frau für ihre Güte und Nachsicht gegen »ihre Kindereien« dankt. Sie wohnten im königlichen Schloss. Am 29. August hatte die alte Herzogin von Vendôme, eine lothringische Prinzessin, des ungeschlachten Beaufort fromme und beschränkte Mutter, die drei Mädchen gleich Prinzessinnen des königlichen Hauses bei sich empfangen. Man hatte die alte Dame mit Beaufort selbst an einem Fenster stehen und ihm zureden sehen, während der ungehorsame Sohn mit dem Fusse stampfte, in seine Handschuhe biss und nicht zu gewinnen war. Am 13. September waren die Brautkleider und die ganze Ausstattung bereit; für den 19. war die feierliche Verlobung bestimmt, dann wollte der Kardinal ein prachtvolles Souper geben, an das sich eine Komödienaufführung und ein Ball schliessen sollte bis Mitternacht, worauf die Messe gehört und die Trauung vollzogen werden sollte.
Am 14. bat der Kardinal den Prinzen, ihm die Ehre zu erweisen, nach damaliger Sitte den Ehekontrakt mitzuunterzeichnen. Der Prinz erwiderte unhöflich, er sei kein Verwandter, und es sei daher nicht nötig, dass er unterzeichne; dagegen habe er Wünsche an den Minister: warum habe man seinem Schwager Longueville die Festung Pont de l' Arche in der Normandie noch nicht, wie versprochen war, übergeben? Der Kardinal erwiderte, der Prinz wisse wohl, dass dies unmöglich, das Versprechen nie ernst gemeint gewesen sei. Nach manchem Hin- und Widerreden, bei denen der Prinz immer heftiger wurde, fasste er den Kardinal mit grimmigem Hohn unterm Kinn. »Adieu, Mars!« sagte er und ging. Er liess ihm dann noch sagen, »er werde ihn nicht mehr grüssen und sei weder sein Diener noch sein Freund«.
Am 16. erschienen alle Herren der Fronde beim Prinzen, sich ihm zur Verfügung zu stellen; den ganzen Tag war Kommen und Gehen und Drängen im Hotel Condé, wie vor fünf Jahren bei Mazarin nach seinem Sieg über die Importants.
Diese Gefahr, den Generalissimus und die Fronde, die Armee und die Revolution vereint zu sehen, schien dem Minister zu gross. Er beugte sich: schon am nächsten Tage fand eine Sitzung im Schlosse statt, an der nur die Königin, der Kardinal, der Herzog von Orléans und Condé teilnahmen, und in der der Prinz so ziemlich alles erreichte, was er wünschte. Am Abend fand ein Versöhnungsdiner im Luxembourg beim Herzog von Orléans statt; jedes Wort des Prinzen, der sich zu allen Zeiten und gegen alle im Spott rücksichtslos gehen liess, war triumphierender Hohn. Der Kardinal sass verstimmt da und ertrug es. Man hielt ihn allgemein für verloren. Chavigny, der durch die Amnestie befreit auf seinen Gütern lebte, galt für den Kandidaten des Prinzen und darum für den kommenden Mann. »Mazarin ist fertig; er wird ganz sänftlich fallen. Rechnen Sie darauf: Sie sind auf dem Plan!« schrieb ihm der Herzog von Saint-Simon, der Vater des grossen Schriftstellers.
Condé, von allen Seiten gedrängt, schien auch entschlossen, ihn zu beseitigen. Im Jahre 1617, als der Marschall d'Ancre, Concino Concini, auf Befehl Ludwigs XIII. ermordet worden, war ein Edikt erlassen worden, das alle Fremden für immer von der Teilnahme an der Regierung in Frankreich ausschloss. Schon im September 1648 hatte der Parlamentsrat Pierre de Longueil beantragt, nach diesem Edikt gegen Mazarin vorzugehen. Nun beschloss Condé, seine Anwendung zu fordern. Ob das Parlament die Naturalisation gelten liess, das war eine Frage der Auslegung und der Majorität.
Mazarin beugte sich noch tiefer und dankte gleichsam völlig ab, um nur in der Stellung als erster Minister zu bleiben. In einer Urkunde vom 2. Oktober 1649 verpflichtete er sich, keinen General, keinen Gesandten, keinen Statthalter, überhaupt keinen höheren Beamten ohne Condés Zustimmung zu ernennen, niemanden vom Hof zu verbannen, keine Pfründe zu verleihen, überhaupt keine wichtige Entscheidung zu treffen ohne die Zustimmung des Prinzen, der ihm dafür seine Freundschaft und seinen Schutz versprach.
Die von Mazarin eigenhändig geschriebene Urkunde – die streng geheim war, nur der erste Präsident Molé, der Marschall von Gramont und der Herzog von Rohan, die den Vertrag vermittelt hatten, wussten darum – liegt noch heute in den französischen Archiven.
Die Ehe der Nichte des Kardinals mit dem Erben der Vendôme erklärte der Prinz nicht gestatten zu können, und Mazarin, der in jener Urkunde auch versprochen hatte, Neffen und Nichten nicht ohne die Genehmigung des Prinzen zu verheiraten, hob die Verlobung auf. Hier traf ihn der Prinz am peinlichsten, in den Hoffnungen seines Ehrgeizes auf hohe Verbindungen und eine Hausmacht in Frankreich. Aber er gehorchte: er entfernte die Mädchen sogar aus dem königlichen Schloss und brachte sie zu den Benediktinerinnen ins Kloster Val-de-Grâce im Faubourg Saint-Jacques. Das Kloster war eine Gründung der Königin; sie liebte es sehr und besuchte es oft.
Sein Neffe Paolo Mancini befand sich innerhalb der Mauern im Jesuitengymnasium von Clermont, das hinter der Sorbonne lag; er hatte dort – es fiel unangenehm auf – das Zimmer, das der Prinz von Conti als Schüler bewohnt hatte.
So unglücklich und wütend war die Regentin über alles, was sie in diesen Tagen geschehen lassen und dulden musste, dass sie krank wurde und schweres Gallenbrechen bekam.
Condé war der Herr in Frankreich.