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197. Der neugierige Abbé. Galant-satirischer Kupfer um 1700

Das Zeitalter des Absolutismus

Frankreich und Deutschland

Mit einer Herrschaft des Absolutismus ist jederzeit eine Herrschaft der Liederlichkeit verknüpft, einer Liederlichkeit, die sich Selbstzweck ist. Das ist eine wesentliche Verschiedenheit von der Kühnheit im Geschlechtsleben, der wir z. B. in der Renaissance begegnen. In der Blütezeit der Renaissance war die wilde Sinnlichkeit Folge der Überfülle an Kraft, die diese Zeit durchwogte; nach der Einmündung in das Zeitalter des Absolutismus war die Sinnlichkeit vielmehr zu einem Ausflusse der Ohnmacht geworden. Und das prägte die Formen des Gebarens. Im Zeitalter des Absolutismus knacken die Knochen nicht mehr, wenn zwei Menschen einander umarmen, die Liebe ist keine Naturgewalt, keine Offenbarung mehr, die Menschen finden in einer langen Reihenfolge raffiniert ausgeklügelter Genüsse ihre Befriedigung. Oder vielmehr: sie suchen diese Befriedigung; daß sie nie Befriedigung finden, sondern stetig von einem unstillbaren Heißhunger nach immer neuen, »ungekannten« Genüssen getrieben sind, ist das wesentliche Merkmal des Geschlechtslebens dieser Epoche. Es ist das übrigens das ewig gleiche Merkmal einer jeden sinnlichen Korruption.

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Le Faiseur d'Oreilles. Französische Karikatur von Le Clerc

Die sinnliche Korruption als Massenerscheinung ist der nicht auszuschaltende moralische Reflex des Absolutismus. Das wird erklärlich, sowie man die historischen Voraussetzungen, unter denen der Absolutismus möglich ist und entsteht, bloßlegt. Der Absolutismus, der anscheinend und angeblich diejenige Staatsform darstellt, bei der die Staatsgewalt ein selbständiges Dasein über den Parteien führt, ist in Wirklichkeit die politische Herrschaftsformel für jenen Entwicklungsgrad der Klassenbildung der Gesellschaft, bei dem die moderne wirtschaftliche Entwicklung bereits die ihr entsprechende Klasse, die Bourgeoisie, geschaffen hat, diese aber politisch noch nicht die Macht und die Kraft hat, den Feudalismus vollständig abzulösen – also die Staatsgewalt an sich zu reißen –, andererseits aber der Feudalismus die Kraft nicht mehr hat, die Staatsgewalt ausschließlich seinen Interessen dienstbar zu erhalten. Beide Parteien halten sich damit die Wage. Bei diesem wirtschaftlichen Entwicklungsgrad entsteht der Absolutismus. Die Staatsgewalt kann die maßgebenden Klassen der Gesellschaft durch sich selbst im Schach halten und bei dieser Gelegenheit sämtliche Klassen der Gesellschaft ihren eigenen Zwecken dienstbar machen. Ein solcher Zustand war in Frankreich im 17. Jahrhundert eingetreten, und er dauerte bis zum Ausbruche der großen französischen Revolution, die an dem Tag einsetzte, an dem die französische Bourgeoisie durch die nicht aufzuhaltende ökonomische Fortentwicklung wirtschaftlich endlich so stark geworden war, um den Widerspruch, in dem sie sich mit dem absterbenden Feudalismus befand, auf die Spitze zu treiben, und in ihrem Interesse siegreich durchzuführen. Von diesem Tag an vermochte sie es, dem während des 17. und 18. Jahrhunderts in der Form des absoluten Königtumes politisch in Erscheinung tretenden Dualismus ein Ende zu machen und die politische Macht allein für sich zu usurpieren. Zur moralischen Korruption der herrschenden Klassen führte der Absolutismus im 18. Jahrhundert aber nicht nur infolge der inneren Unlogik, indem die natürliche Entwicklung durch geschichtlich überwundene Organisationsformen künstlich hintangehalten wurde, sondern noch mehr deshalb, weil die materiellen Mittel, die die Staatsgewalt den Repräsentanten des Feudalismus zu ihrer Erhaltung ausliefern mußte, unter den gegebenen Verhältnissen nur zum fäulniserregenden Ferment werden konnten. Diese Wirkung ist unschwer zu erweisen.

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198. Aristokratischer Flirt. Galant-satirischer Kupfer

Der Adel kam im 18. Jahrhundert absolut nicht mehr ohne die Hilfe der Staatskasse aus. Das liegt ebenso auf der Hand wie die Bereitwilligkeit, mit der das absolute Königtum den Adel aus der Staatskasse speiste. Durch die neue wirtschaftliche Gliederung der Gesellschaft, die mit dem 16. Jahrhundert in allen Kulturstaaten Europas Gestalt bekommen hatte, war der Adel allmählich der Mehrzahl seiner feudalen Beschäftigungen verlustig gegangen, denn diese waren in dem veränderten Wirtschaftsleben höchst unrentabel geworden. Damit wandelte er sich zum Hofadel um, der im Dienste des Königs sein »Brot« suchte und fand. Indem aber der Adel in den direkten Dienst des Königs trat und sozusagen zu einer Art höheren Lakais wurde, übernahm der König die selbstverständliche Pflicht, für dessen standesgemäße Lebensführung zu sorgen. Unter »standesgemäß« war aber, der traditionellen feudalen Auffassung gemäß, eine Lebenshaltung zu verstehen, die der des wohlhabenden Bürgertumes nicht nur nicht nachstand, sondern dem Adel sogar erlaubte, das reiche Bürgertum mit seinem äußeren Auftreten noch zu überbieten. Die Lebenshaltung des Bürgertumes bestimmte also indirekt das, was »standesgemäß« für den Adel war. Die Lebenshaltung des die aufstrebenden Geldmächte repräsentierenden Bürgertumes war aber, wie in allen Anfängen einer kapitalbildenden Zeit, überaus luxuriös.

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199. Kindliche Spiele. Galant-satirischer Kupfer

Mit dem zunehmenden Reichtum des Bürgertumes wuchs dessen Luxus in gleichem Maß. Es herrschte überall der Wetteifer, recht viel Geld auszugeben, denn wer viel Geld ausgibt, der nimmt auch viel Geld ein. Das ist stets die erste Schlußfolgerung bei der Masse. Und daß man sehr viel Geld verdient, das zu zeigen, ist wiederum das allgemeine Bestreben in den Anfängen der kapitalbildenden Zeit, denn es ist die typische Manie des Parvenü. Darum stieg damals der Luxus ins Maßlose. Dem Adel hierbei den würdigen Wettbewerb zu ermöglichen, ihn also in den Stand zu setzen, die Financiers sogar noch überbieten zu können, konnte natürlich nur mit Hilfe der Gewährung eines nur auf scheinbarer Arbeitsleistung beruhenden Einkommens geschehen. Dieses erwerbslose Einkommen gewährte denn auch das absolute Königtum dem Hofadel in ungeheuerlichster Weise, und zwar unter tausend direkt blödsinnigen Formen, Titeln und Stellen, die nur dem Namen nach existierten. Aus der endlos langen Liste seien hier nur einige wenige Proben angeführt: Der Hofalmanach aus der Zeit der Regierung Ludwigs XVI. führt 295 Küchenbeamte auf, abgesehen von den Aufwärtern bei Tische. Der erste Küchenmeister verdiente außer dem Gehalt und den Livreegeldern jährlich 84 000 Livres. Die Oberkammerfrauen der Königin, die offiziell Gehälter von 12 000 Franken bezogen, schufen sich de facto 50 000 Franken Einkommen, und zwar durch den Verkauf angezündeter, aber nicht ausgebrannter Kerzen. Madame Taillard hatte es bis auf 115 000 Livres per Jahr gebracht, weil ihr Gehalt als königliche Gouvernante mit jedem neuen Kind um 35 000 Franken zunahm. Der Großadmiral, Herzog von Penthièvres, bezog von jedem in einem französischen Hafen einlaufenden Schiff ein Ankergeld, das ihm jährlich über 90 000 Livres einbrachte. Die Superintendantin des königlichen Hauses, Madame de Lamballe, bezog jährlich 150 000 Franken, zu leisten hatte sie dafür rein gar nichts. Das »Amt« einer Wächterin des Bettes der Königin wurde mit 12 000, das eines Klassenintendanten (mit unerfindlichen Funktionen) mit 18 000 Franken honoriert. Im inneren Dienste der königlichen Gemächer zu Versailles – wohlgemerkt: zu Versailles allein! – schalteten zwei Würdenträger mit je etwa hundert Untergebenen. Es gab deren, die die Kolben und Kugeln zum Maillespiele herbeizuholen, andere, die Mantel und Stock zu halten hatten; andere kämmten den König und trockneten ihn nach dem Bad ab, andere beaufsichtigten die sein Bett transportierenden Maultiere, andere bewachten die Windspiele in seinem Zimmer, andere falteten und banden ihm die Krawatte. Zwei waren eigens dazu angestellt, jeden Morgen, in Samtgewändern angetan und den Degen an der Seite, zu erscheinen, den Nachtstuhl zu prüfen, zu leeren und wiederzubringen; jedem von ihnen trug diese Charge jährlich 20 000 Livres ein. Noch hundert andere hatten den einzigen Beruf »da zu sein«, und erhielten dafür jeder Zehntausende und noch mehr. Alle diese hohen und höchsten Chargen wurden selbstverständlich nur von Adeligen eingenommen, aber auch ein großer Teil der geringeren, freilich nur die, die nennenswerte Einkünfte abwarfen. Unter den Namen des persönlichen Dienstes findet man an Adeligen: 68 Almoseniers und Kapläne, 170 Kammerdiener, 117 Stall- und Jagdbeamte, 148 Pagen, 114 Gesellschaftsdamen – die Diener waren zugleich die Gäste, die Gesellschaft des absoluten Königs. Soviel zur ungefähren Charakteristik dieser Sinekurenwirtschaft. Aber das war nur eine Form der Subvention des Hofadels durch den König. Nachdem das Recht auf ein erwerbsloses Einkommen einmal anerkannt war, mußte es von selbst ins Uferlose führen. Immer neue Rechtsansprüche des Adels zur Auspowerung der Staatskasse tauchten auf. Ihnen wurde durch die sogenannten »außerordentlichen Subventionen«, mit denen das absolute Königtum seine Diener lohnte, prämiierte und bestach, genügt. Georgette de Bearn erhielt 120 000 Livres, davon 100 000 für den Mut, der Gräfin Dubarry nach ihrer Erhebung zur Maitresse als Gesellschafterin zu dienen und in dieser Stellung »den Vorurteilen« und sarkastischen Bemerkungen zu trotzen; Beaumarchais erhielt 1 100 000 Livres, davon 480 000 Livres für Pamphlete, die er gegen die Parlamente geschrieben hat, 400 000 Livres, weil er Ludwig XV. die Witwe Seguin und die kleine Selin, die dieser zu besitzen wünschte, für den Hirschpark verschafft hat. Das sind zwei Beispiele von vielen Hunderten, die angeführt werden könnten; denn jeder treue Diener seines Herrn glaubte natürlich solche oder ähnliche berechtigte Ansprüche zu haben. Beim Lesen dieser Summen ist schließlich das eine nie zu vergessen, daß man diese Beträge genau verdoppeln muß, um am heutigen Werte des Geldes einen vergleichsmäßigen Maßstab zu haben (Bild 222).

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200. Die Freuden des Landlebens. Galant-satirischer Kupfer aus der Zeit der Regentschaft

Eine solche Staatsmoral zum System erhoben und skrupellos länger als ein Jahrhundert durchgeführt, mußte unbedingt für alle Teilnehmer an diesem Geschäft zur Charakterverlumpung führen, zur gründlichen Zerstörung jedes hemmenden Verantwortlichkeitsgefühles. Der Höfling, der rein gar nichts mehr zu tun hatte, als sich zu amüsieren, Geld hinauszuwerfen, wurde zum ausschließlichen Parasiten am Gesellschaftskörper. Ehe, Familie hörten auf, Grundlage der Existenz zu sein, sie wurden zu einem reinen Luxusgut oder zum notwendigen Übel, um legitime Erben zu haben. Eine solche Staatsmoral konnte nur im Sumpfe der allgemeinen Liederlichkeit endigen, und das war eben das – freilich unabwendbare – Verhängnis des Absolutismus.

 

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Ganz allmählich hat sich aus der robusten Kraft der Hochrenaissance der verfeinerte Genuß herausdestilliert. Wie sehr dieser schließlich das Gesamtwesen und den Gesamtinhalt der Zeit ausmachte, offenbart nichts in so klarer Weise als die einzig nur den Geist des Genusses atmende Kunstform, die jener Genußsinn im Rokoko entwickelt hat. Daraus folgt als Selbstverständlichkeit, daß auch die Kunst eine vorherrschende Rolle im Leben spielte, daß der verfeinerte Lebensgenuß ihrer wie des täglichen Brotes bedurfte, daß die Kunst der eilfertigste Diener und der untrennbare Trabant war, der überall die blinkenden Kulissen aufstellte.

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201. Im Bordell. Galant-satirischer Kupfer. Um 1700

Das Rokoko ist, wie wir schon im ersten Teile (S. 114) darlegten und begründeten, der künstlerische Ausdruck für Nur-Genuß, und zwar für spielerischen Genuß. Keine Kraft, keine Größe, keine Tiefe, keine Weite, keine Leidenschaft, nichts Gigantisches, nur Grazie, nur Eleganz, nur Reiz, nur Intimität, nur Duft, nur Wohllaut, nur Harmonie – alles auf zartes, frühlingsmäßiges Himmelblau abgestimmt. Aber dieses alles im Dienste der Liebe, der Geschlechtsanbetung: l'adoration du sexe. Und das Rokoko ist in seinen tausend Schnörkeln und Arabesken ein einziges hohes Lied der mit Bewußtsein und Raffinement sich auslebenden sinnlichen Liebe; ein großes Konzert, in dem die geringste künstlerische Note ein Symbol der Wollust ist. Ein Rahmen, der einen Ausschnitt aus dem Leben des Rokoko umgrenzt, ist erst vollständig ausgefüllt, wenn darin unter tändelnden Scherzen galante Herren und Damen kokette Liebesspiele treiben. Die Schönen, die in einem Rokokoboudoir einem stürmischen Liebhaber den delikaten Busen preisgeben oder unter wollüstigen Seufzern sich anmutig besiegen lassen, sind nur die abschließenden künstlerischen Figuren. Solange diese fehlen, ist das Bild unvollständig: die Begleitung ohne die Melodie. Die wichtigsten und mit dem meisten Raffinement entworfenen Möbel des Rokoko waren daher Bänke, Fauteuils, Chaiselongues, Sofas und Ruhebetten: die Altäre der Wollust. Sie waren überall aufgestellt, um sozusagen jeden Ort zum Schauplatz eines Liebesduetts machen zu können. Der Zweck der Betten war nicht nur, bequemes Schlafen zu gewährleisten, sondern ihre erste Bestimmung war, allen Phantasien der Wollust ein verlockender Tummelplatz zu sein. In dem zeitgenössischen erotischen Werke » Venus en rut« ist ein zu erotischen Orgien dienendes Spiegelzimmer in folgender Weise beschrieben:

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Der mißtrauische Alte. Galant-satirischer Kupfer

Ce joli reduit, plus grand qu'un boudoir ordinaire, est entouré d'un lit à turque qui laisse entre lui et le mur une distance d'un pied; ce mur est couvert de glaces galamment peintes, en quelques endroits; cet intervalle est pratiqué afin qu'on pouisse tourner autour et former des groupes. Le matelat de ce lit, peu élevé, était de satin puce. Il y avait au milieu de la piece une sorte de toilette, basse aussi, pour ne pas borner le coup d'œil des acteurs: sur cet autel de la sensualité étaient les parfums les plus agréables …

Die Zimmer waren im Zeitalter des Rokoko niemals gerade und übersichtlich, tief buchteten sich die mit schweren Vorhängen versehenen Fenster aus, und überall gab es versteckte Nischen und Winkel. Die Gärten waren buschig, dicht belaubt, und die Gänge und Wege waren verschlungen und verschwiegen, hier, da, dort, überall eine Bank, die den Blicken entzogen war: mitten aus der Gesellschaft konnte man sich, wo man auch war, jeden Augenblick zum sicheren Versteck retten und dem Begünstigten zärtliche Küsse, indiskrete Blicke und vorbereitende Liebesspiele gewähren oder sich zu intimem Liebesgeplauder von ihm verführen lassen …

Auch die Technik der Liebe, wenn man so sagen will, war, wie schon erwähnt, im Zeitalter des Absolutismus eine andere. Die ursprüngliche Kraft der Renaissance offenbarte sich darin, daß man in erster Linie in der Sache selbst den Genuß fand. In der Renaissance umarmten sich stets nackte Menschen, und das, worauf es bei der Umarmung ankam, war die Kraft, die dabei entfaltet wurde. Weil man einem Manne die Kräfte eines Herkules nachrühmte, ließ man sich von ihm verführen. Es war sozusagen das Grundprinzip der sinnlichen Liebe, was in der Renaissance triumphierte (Bild 29, 30, 37, 40-43, 45, 51, 56, 59 und 60).

Mit dem Niedergange der sinnlichen Liebe begann das Raffinement. Die Naturgewalt wurde kultiviert, salonfähig, die urwüchsige Einfachheit komplizierte sich, und in der Komplikation fand man den Genuß. Im 18. Jahrhundert umarmten sich daher keine nackten Idealgestalten mehr, sondern elegant gekleidete Salonmenschen – und im Retroussé und devoiler beruhte die Finesse (Bild 74, 77, 80, 81, 198, 200, 206, 207, 210, 214 bis 217, 230). Die feinere Kultur verbarrikadierte den Weg zum Ziele durch dutzend Bollwerke, legte hundert Umwege an, die man erst einzeln zurücklegen mußte, um zum Ziele zu gelangen. Ein jedes dieser Bollwerke wurde aber Schutz- und Lockmittel zugleich. Das Mieder wurde zum Panzer des Busens und stellte ihn dabei zur gleichen Zeit in der pikantesten Weise den Blicken eines jeden ostentativ zur Schau. Nach unten verlief es so, daß es direkt auf den » endroit suggestiv« hinzielte; wie ein Pfeil, der der Phantasie die Richtung weist: immer darauf mußt du dein Augenmerk richten. Die stille und stete Aufforderung jeder Frau an jeden Mann.

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Karikatur auf die französische und spanische Weltpolitik, auf Ludwig XIV., die Maintenon und Philipp von Spanien

Die Liebe wurde im Zeitalter des Rokoko ebenfalls zergliedert; der Rausch, bei dem sich alles in wenigen Augenblicken abspielt, ward zur Stunde verlängert und zum Tag ausgedehnt. Die Erstürmung der Festung zerlegte sich in dutzend Einzelsiege, und die Erstürmung eines jeden einzelnen Vorwerkes war ein erotischer Genuß für sich.

Die Liebe wurde andererseits im Rokoko, wie einst im niedergehenden Rom, aus einer Leidenschaft zu einem Spiele, zu einem Vergnügen. Die Leidenschaft okkupiert den ganzen Menschen, läßt ihn nur die eine Sache, die eine Person schauen, alles andere existiert für ihn nicht. Das Wesen des Spieles dagegen ist Abwechslung. Das Spiel ist aber außerdem eine relativ harmlose Sache, weshalb man mit jedermann spielen kann, mit Dutzenden und Hunderten, und mit mehreren zugleich. Gewiß ist ähnliches immer der Fall gewesen; immer hat es in allen Gesellschaftsschichten Frauen gegeben, denen die echte, große Liebe im erhabenen Sinne stets fremd geblieben ist, für die die Liebe nur Vergnügen war, und die darum ihren Lebenszweck einzig darin sahen, von recht vielen Männern sich verführen zu lassen, und ebenso hat es immer zahlreiche Männer gegeben, die in jeder Frau nur ein Instrument der Wollust sahen, und die glaubten, jede Frau, die ihnen in den Weg komme, sei nur dazu da, ihrer Brunst zu dienen. Aber der höhere oder niedere Grad der öffentlichen Sittlichkeit ist ein Zahlenproblem, die Läufigkeit entscheidet, ein und zwei Cholerafälle machen keine Choleraepidemie aus. Im 18. Jahrhundert war diese Auffassung nicht ein Einzelfall, sondern Gesellschaftsmoral. Nichts lächerlicher als eheliche Treue! Nur ein Dummkopf bleibt seiner Frau länger als einige Monate treu, nur eine einfältige Gans wird ihre Gunst nur auf ihren Gatten beschränken; ist eine Frau klug, so probt sie schon am ersten Tage der Ehe, wo es die delikateren Genüsse zu kosten gibt; in der Treue oder in der Untreue –

Le jour que Jean se maria,
Et qu'il eut dans la nuit fait rage,
Sa femme le matin me pria
Du reste de son pucelage.
Je la foutis de grand courage,

Trois fois, savourant ses beaux yeux,
Puis me dit d'un air gracieux:
Ami, ce que je viens de faire,
N'est que pour savoir quel vaut mieux,
Le mariage ou l'adultère.

So reimte zynisch Francois Piron, und er übertrieb nicht einmal allzusehr, denn so dachten Tausende. Das Spiel wurde allmählich zum Sport. Beim Sport will aber jeder Meister sein, man trainierte sich daher systematisch darauf. Von der berühmten Clairon, von der die Brüder Goncourt sagen, daß sie die delikateste Liebeskünstlerin des 18. Jahrhunderts gewesen sei, heißt es im ersten Teil ihrer 1750 erschienenen Lebensbeschreibung:

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204. Notzuchtsversuch an Maria Theresia. Karikatur auf den Erbfolgekrieg

» Pour me rendre plus digne de plaire, j'ornai mon esprit par des lectures instructives et amusantes. Brantôme et Aloïsia l'embellirent de mille jolies choses; les estampes fines qu'on y trouve, faisaient les délices de mes yeux, et j'attendais avec impatience l'heureux moment d'en réaliser les figures.«

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205. Die Quelle. Obszöner Kupfer

Diese eifrigen Studien im Reiche der Venus haben, wie der Ruhm, der der genannten Dame in dieser Richtung zuteil wurde, beweist, zum erstrebten Ziele geführt. Und später, als sie die erfahrene Liebeskünstlerin geworden war, hat sie denn auch sachverständige Ratschläge ihren lernbegierigen Schülern zu geben vermocht. So wurde ihr von einem pamphletistischen Biographen die folgende in der Art eines Exerzierreglements epigrammatisch konzentrierte Anleitung über die Art, oder besser, über die beste und erfolgreichste Methode, eine Dame im Sturme zu verführen und zu genießen, zugeschrieben:

Exercice galante
dicté par la demoiselle Clairon.

Galant, prenez garde à vous;
Portez bien le corps:
Portez la main droite au chapeau:
Campez vous bien:
Faites la révérence à la Dame:
Tirez-la vers vous:
Joignez la main droite à la sienne:
Approchez votre bouche de la sienne. –
Baisez tout d'un coup
Halte – la.

Soupirez, œilladez serrez la main:
Contez vos peines, demandez du secours,
Promettez fidelité, jurez comme un diable:
Baisez la bouche sans mouvement:
Pamez-vous:
Caressez la Dame:
Glissez la main gauche sur ses tétons:
Haut la main:
Levez le mouchoir tout d'un coup:
Halte – la.

Embrassez la Dame.
Remettez la main gauche sur ses tétons:
Glissez le pied droit derrière celui de la Dame:
Gagnez le milieu avec le genou gauche:
Baisez encore les tétons:
Haut la jupe.
Galant apprêtez-vous:
Gagnez le terrain:
Prenez bien vos mesures:
Tirez la braguette tout d'un coup.
Haut la braguette.
Étendez-vous sur le corps de la Dame:
Baisez ferme:
Mettez la braguette dans le canon:
Bourrez:
Goûtez les plaisirs avec transport:
Tirez
Halte – la.

Tirez la braguette hors du canon:
Mettez-le dans son lieu:
Haut le corps.
Prenez la main droite de la Dame:
Raccomodez son mouchoir:
Reprenez votre chapeau:
Baisez la Dame:
Faites-lui compliment
Retirez-vous:
Chargez:
Bourez.
Recommencez si vous pouvez.

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Schwere Wahl. Galant-satirisches Gemälde von Boucher

Der Sport führt stets zu einer Art Kultus, und jeder Kultus hat zahllose Altäre, vor denen gebetet wird. Jedem einzelnen Sinne entstand im Rokoko ein selbständiger Kultus, der für sich allein an Umfang dem gleichkam, der einst dem Ganzen diente – Gesicht, Gefühl, Gehör, Geruch, Geschmack – alle nahmen daran teil, alle wurden von der Wollust in Dienst gestellt. Es entstand der Kultus des Kusses, des Schauens, des Betastens usw. Jeder Körperteil der Frau wurde zum Fetisch: Hand, Arm, Fuß, Bein, Nacken, Busen, und vor allem des Busens wollüstige Konkurrenten, die Reize der Venus Kallipygos. Der mit den Globes d'arrières getriebene Kultus übertraf zuzeiten jeden anderen, den man mit den intimen Schönheiten der Frau getrieben hat, und die galanten Damen sollen infolgedessen hundert Gelegenheiten ausgeklügelt haben, vor Zeugen an den Tag zu bringen, wie würdig dieser Teil ihrer Schönheit eines solchen Kultus sei. Die lachende Kunst hat diese raffinierten Beweisführungen ebenso oft künstlerisch nachgeschrieben, indem sie der Berechtigung dieses wollüstigen Fetischdienstes das wirksamste Wort redete:

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206 Picart: L'amour du Financier

L'aimable cul de Briséis
N'a point de pareil, ni de prix;
Plus rond qu'une boule d'ivoire,
Le croira qui voudra croire,

J'en ai presque mes sens ravit;
Mon cœur de joie est épris,
Et j'ai toujours dans mon memoire
L'aimable cul.

So lautet eines der vielen galanten Gedichtchen, die zum Ruhm und Preis dieser bevorzugten Schönheit im 18. Jahrhundert gesungen wurden. Gewiß ist dieses Ins-Detail-Gehen keine ureigne Erfindung des 18. Jahrhunderts gewesen. Wir kennen es bereits aus der Antike – man denke in der Literatur an Ovids Liebeskunst und in den bildnerischen Künsten an die Venus Kallipygos – und die Renaissance hat es geradezu systematisiert. Der berühmte Brantome hat sämtliche Genüsse der Liebe in seinen Dames galantes, wenn man so sagen will, wissenschaftlich diskutiert. Und zwar so eingehend wie nur möglich. Brantome diskutierte des langen und breiten, ob es genußreicher sei, eine Jungfrau in die Mysterien der Wollust einzuweihen, die Liebe einer verheirateten Frau zu genießen, oder eine Witwe zu trösten. Brantome diskutierte in derselben Ausführlichkeit, ob der Genuß »zu schauen« größer sei, als der »zu betasten«, oder der, mit einer Dame wollüstige Gespräche zu führen usw. Aber das 18. Jahrhundert hat aus alledem die eruptive Kraft der Renaissance ausgeschaltet, und darum entstand eine ganz andere charakteristische Signatur: die Liederlichkeit als Selbstzweck. –

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207. Picart: L'amour du Paysan. Galant-satirische Darstellungen auf Schnupftabaksdosen

Die Korruption des 18. Jahrhunderts ist sowohl als Massenerscheinung wie als individuelles Produkt ungeheuerlich. Freilich muß man hier voranschicken, daß es ein relativ kleiner Teil des französischen Volkes war, der jenes charakteristische Bild des 18. Jahrhunderts schuf, das jeden gesunden Menschen mit Ekel und Abscheu erfüllen muß. Aber so klein dieser Teil war, es waren eben doch jene, die damals den Staat ausmachten: die vergoldete Spitze des Baues, der vom Hofe subventionierte Adel, die hohe Geistlichkeit und die hohe Finanz. Mit dieser Einschränkung ist natürlich nicht gesagt, daß das gewöhnliche Volk von den Lastern der Zeit völlig unberührt geblieben wäre, daß es harmlos und unschuldig dahingelebt hätte. Abgesehen davon, daß in Paris ein wahres Riesenheer niederer Gemeinheit vorhanden war, das Tausende von Kuppeldiensten tat, so erhellt schon der eine Umstand, daß unendlich viele kleine und mittlere Existenzen in der Provinz ihre hübschen Töchter nur in dem einen Gedanken großzogen, sie für den Hirschpark Ludwigs XV. würdig zu machen, wie tief die Fäulnis eingefressen war.

Die vergoldete Spitze des Staates war von oben bis unten in Schmutz getaucht. Abgesehen von Ludwig XVI. zeichneten sich alle französischen Regenten des 17. und 18. Jahrhunderts und die Mehrzahl ihrer erlauchten Verwandten durch ungeheuerliche Debaucherien aus; kein Mensch war z. B. je ein solches Lasterfutteral wie der Graf von Artois, der spätere fromme Karl X. (Bild 224). Aber die Könige und Fürsten waren nur die Vorbilder, ihren Hofstaat, einen Hofstaat der Liederlichkeit, bildeten die ältesten und klingendsten Namen des französischen Adels. Als besonders berüchtigte adelige Wüstlinge galten im 18. Jahrhundert der Herzog von Chartres, der Prinz Karl von Bourbon-Condé, der Prinz Karl von Soubise, der Herzog von Richelieu, der Herzog von Fronsac, der Prinz von Conti, der Herzog von Grammont, der Herzog von Lauzun, der Prinz von Lambesc, der Prinz von Guimenee. Aber das sind nur die allerberüchtigtsten. Eine gleich lange Liste könnte man von den hohen und höchsten Würdenträgern der Kirche aufstellen, und darunter fände man mehr als ein Dutzend Erzbischöfe. Die Geldmächte waren durch alle ihre Könige vertreten. In den Sittenannalen des 18. Jahrhunderts glänzen für immer als ungeheuerliche Wollüstlinge der Hofbankier Nikolas Beaujon, der Generalkontrolleur der Finanzen Bertin, der Finanzmann Popelinière und der Generalpächter Bouret.

Fast alle diese Libertins besaßen ihre eigenen Lusthäuser, Petites maisons, in denen sie ihre Favoritinnen untergebracht hatten, und wo sie mehrmals in der Woche allein oder mit Freunden Orgien der Wollust feierten. Viele dieser Lusthäuser sind wegen ihrer raffinierten wollüstigen Pracht berühmt gewesen und haben Weltruf besessen. Alles, was die Wollust an Raffinement ausgedacht hatte, war in ihnen zu finden. Hatte jeder zahlungsfähige Libertin seine eigenen Petites maisons, so hatte mancher sogar seine eigenen Kuppler und Kupplerinnen, die ausschließlich für ihn tätig waren. Was der besondere Geschmack des betreffenden Libertins war, mußte herbeigeschafft werden: Kinder, Tänzerinnen, Schauspielerinnen, Sängerinnen, Wäschearbeiterinnen oder auch schöne Bürgermädchen und Bürgerfrauen, die dem Gourmand bei irgend einer Gelegenheit aufgefallen waren und die er zu besitzen wünschte. Bei der berühmten Kupplerin Gourdan wurde ein ganzer Stoß Briefe aufgefunden, die sich auf ihre Tätigkeit bezogen haben. Diese Briefe sind in der französischen Revolution im Druck erschienen, und man findet in ihnen eine überaus reiche Fülle des Materials in jeder Richtung. Hierher gehörig ist z. B. der folgende Brief eines Herzogs von C(onti?) vom 8. November 1775:

» Jai rencontré hier matin une jolie petite fille; elle demeure rue Saint-Denis, dans la maison où est la boutique de la balayeuse, au troisième, sur le devant. Elle s'appelle Joséphine, est orpheline et reste chez sa tante, ouvrière en linge; il y a vingtcinq louis pour vous si je puis l'avoir d'ici à huit jours. Une fille de cette espèce ne doit pas être difficile à séduire.«

Es ist für das 18. Jahrhundert besonders charakteristisch, daß die Frauen dieser Kreise von der geschlechtlichen Korruption in ähnlichem Maß angesteckt waren wie die Männer. Es gab Damen der höchsten Gesellschaft, die durch ihre Ausschweifungen genau so berüchtigt waren wie ihre männlichen Standesgenossen und ebenso wie diese ihre Petites maisons sich hielten. Besonders berüchtigt als ausgeprägte Wüstlingsnaturen waren die Herzogin von Polignac, die intime Freundin Marie Antoinettes, und die Gräfin von Egmont. Verschiedene hohe Damen hielten sich geradezu männliche Harems, andere huldigten ebenso ausschweifend perversen Lastern. Unter den Briefen der Gourdan befindet sich ein von einer Madame la Comtesse de N … vom 3. Juni 1783 datierter Brief mit folgendem kurzen und bezeichnenden Inhalt:

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208. Galanter Kupfer nach Delorme

» Ce soir, comtesse (die Gourdan wurde nach der Straße, in der sie wohnte, die kleine Komtesse angeredet), envoyez-moi à ma petite maison deux jolies petites filles, mais que cela soit du bon et qu'elles aient la langue et les doigts bien deliès.«

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209. Le Curieux. Galant-satirischer Kupfer

Diejenigen Damen der hohen Aristokratie, die sich keine eigenen Petites maisons halten konnten, denen aber die sexuelle Ausschweifung ebenfalls Bedürfnis war, nahmen dafür an den priapischen Orgien teil, die in den Lusthäusern berühmter Kupplerinnen stattfanden. Als solche Damen, die in ihren erotischen Ansprüchen nicht zu sättigen waren und die sozusagen mit derselben Regelmäßigkeit, mit der heute bestimmte Damen der Gesellschaft auf dem Korso zu finden sind, bei den Absteigequartieren ihrer Kupplerinnen vorfuhren, nennen die geheimen Polizeiberichte Diese geheimen Polizeiberichte, die u. a. aus täglichen Berichten aller Bordellinhaber über Namen und Stand der sämtlichen Besucher bestehen, haben sich in großem Umfang erhalten, und aus ihrem Inhalt haben verschiedene neuere Autoren, wie z. B. Capon, das wertvollste Material zur dokumentarischen Geschichte des 18. Jahrhunderts geschöpft. Man hat nicht mit Unrecht gesagt, daß die französische Sittengeschichte des 18. Jahrhunderts in den geheimen Polizeiberichten, die zentnerweise in den Pariser Archiven lagern, schon geschrieben sei. u. a. die Baronin von Burmann, die Baronin de Vaxheim, die Marquise de Pierrecourt. Etwas weniger ostentativ war eine andere Form des Priapsdienstes. Die Kupplerinnen unterhielten nicht nur Bordelle und Lusthäuser, sondern sie verfügten noch außerdem über eine sogenannte »Legion«; das waren diejenigen »ehrbaren« Frauen, die jederzeit zu ihrer Verfügung standen. Die Gourdan hatte von ihrer Legion ein genaues Verzeichnis angelegt, das von jeder dieser Frauen eine genaue Beschreibung ihrer besonderen körperlichen Schönheiten und auch ihrer »Kapricen« enthielt. Derartige »Kataloge« waren übrigens an der Tagesordnung, sie wurden meist sogar gedruckt den Kunden vorgelegt, die danach ihre Wahl trafen; auch wurden sie reichen Fremden, die zu Besuch nach Paris kamen, in ihre Absteigequartiere geschickt. Von der einen wurde die Schönheit des Busens, von der anderen die der Beine, von der dritten die der kallipygischen Reize, von einer vierten die Naivität in der Umarmung besonders hervorgehoben usw. Das folgende Zitat aus einem solchen Katalog illustriert die Art und Weise dieser Reklame:

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210. L'Indiscret

» Elle est une très jolie femme; son embonpoint fait plaisir; elle a deux globes charmants: l'amour a embelli chacun d'eux d'un bouton de rose, qu'on serait tenté de croire sans épine; sa peau es fort douce; ses cuisses sont d'une blancheur eblouissante«

Außerdem waren meist noch Haarfarbe, Größe und noch andere intime Details angegeben und natürlich auch der Preis. Die Legion der Gourdan setzte sich hauptsächlich aus Tänzerinnen und Statistinnen der Oper und der Comédie Française, aus Wäschearbeiterinnen und aus vagierenden Dirnen zusammen. Aber in dieser Legion glänzten als Leckerbissen für besonders zahlungsfähige Libertins auch zahlreiche Damen der bürgerlichen Wohlanständigkeit und selbst solche des hohen Adels. Die geheimen Polizeiberichte registrieren von den letzteren Madame de Saint-Julien, de Saint-Formin, de Fresnay, de Beaupré, de Beauvoisin und verschiedene andere. Bei diesen Damen handelte es sich freilich ebenso oft um die klingende Entschädigung wie um die Befriedigung der Wollust, denn für gar manche Damen der hohen Gesellschaft war die gelegentliche Preisgabe in dem Bordell einer Kupplerin ein häufig ergriffenes Hilfsmittel für vorübergehende Geldverlegenheiten. Eine Gastrolle in einem Salon der Gourdan oder in irgendeinem eleganten Absteigequartier erlöste von einer peinlichen Schuld oder gestattete die Anschaffung eines teuren Schmuckes und war obendrein ein amüsantes Erlebnis. Aus den Polizeiakten erfährt man, daß eine Madame de Senneville in einem Bordell sich zweimal je zehn Louisdor verdient hatte, das eine Mal für ein Liebesopfer mit einem Rat Delalive, das andere Mal für eine Hingabe an einen Marquis Monroy. Die Gourdan war natürlich nicht die einzige renommierte Kupplerin; sie war nur der klassische Typ.

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211. L'Indiscrète. Galant-satirische Darstellungen auf Schnupftabaksdosen

Außer dieser, wenn man so sagen will, professionellen Beteiligung der Frauen des 18. Jahrhunderts an den Ausschweifungen der Zeit gab es noch eine sozusagen »anständige« Form der weiblichen Libertinage, etwas, das förmlich zum bon ton gehörte. Hunderte von Damen des Ancien régime fühlten, wie sie sagten, mindestens jedes Jahr einmal das dringende Bedürfnis, sich von den ehelichen Freuden zu erholen oder Hymens Speisekarte durch ein pikantes Zwischengericht zu unterbrechen. Diesem angeblich dringenden Bedürfnisse genügte man, indem man sich zu einem von einer Kupplerin arrangierten galanten Souper mit einem Abbé oder einem vornehmen Ausländer herbeiließ. Solche erotischen Zwischengerichte gehörten, wie gesagt, zum bon ton einer Dame von Geschmack, und man nannte daher ein solches galantes Abenteuer leichthin » pour une passade«. –

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212. Lawreince: Les deux cages. Galant-satirischer Kupfer

 

Die Laster und Perversionen, in denen sich die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts wälzte, sind unbeschreiblich und unerschöpflich; und es gab keine einzige Perversion, die nicht ihre Priester und ihre Priesterinnen gehabt hätte, das 18. Jahrhundert ist deshalb das reichste Kapitel der Psychopathia sexualis. Für jede Spezialität gab es besondere Bordelle, sogar für Impotente. Für Geistliche waren Bordells eingerichtet, die ein völlig unbeachtetes Kommen und Gehen ermöglichten. Man erfand dutzend neue Methoden, neue Hilfsmittel, um die Wollust zu steigern und zu variieren. Das Menu war bei den meisten galanten Soupers derart gewählt und zubereitet, daß es zu einem starken Bundesgenossen der Verführung und Ausschweifung wurde. Die Sinne der tugendhaften Frau sollten schon durch die Pikanterie der Speisen derart verwirrt werden, daß sie galanten Angriffen auf die Dauer nicht zu widerstehen vermochte. Selbst die Naturwissenschaft wurde eifrig in den Dienst der Ausschweifung gestellt. Der ganze Mesmerismus war eine einzige erotische Spekulation, ein einziger erotischer Sport. Welche Delikatesse für die Roués beiderlei Geschlechtes, sich mit den Größen der antiken Welt in Gemeinschaft setzen zu können und eine Nacht »Kleopatra oder Dido zu genießen, oder die Kraft eines Alexander des Großen, eines Cäsar zu kosten!« Die geldmachende Scharlatanerie holte natürlich die Kleopatra aus dem Palais Royal, und die Rolle Alexanders des Großen spielte irgendein stämmiger Fleischersknecht aus einem Faubourg. So blödsinnig dieser Sport gewesen ist, so authentisch ist es, daß ihm die vornehme Hofgesellschaft mit Enthusiasmus gehuldigt hat. Wenn man freilich an die heute wiederum in den höfischen Kreisen grassierende Manie des kretinhaften Gesundbetens denkt, dann hat die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts wahrlich alle Entschuldigungen für ihren Aberwitz.

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213. La Nuit. Galant-satirischer Kupfer

Ein Stimulansmittel der Wollust war eben alles: Toilette, Sprache, Bewegung, jede Art öffentlicher Schaustellung. »Man kann kein Frauenzimmer ansehen und mit ihm reden, ohne nicht auf wollüstige Gedanken zu kommen,« schreibt ein Zeitgenosse. Die Gesten und Bewegungen der Frauen des 18. Jahrhunderts waren suggestiv in der Richtung der Wollust. Keine Bewegung, die nicht von der Wollust korrigiert gewesen wäre. Die Frau wollte nur als Instrument der delikatesten Wollust aufgefaßt sein. Eine Stufenleiter der Wollust war alles, und diese ging häufig bis zum Äußersten. Bei den Balletts war es z. B. selbstverständlich, daß die Tänzerin auch das Intimste den Blicken durch besonders raffinierte Tricks preisgab. Die berühmte Tänzerin Camorga tanzte, wie man von Casanova erfährt, stets ohne Trikot. Freilich soll bei ihr »trotz der wildesten Sprünge« nie etwas zu sehen gewesen sein. Das Raffinement bestand also hier darin, die Sinne der Zuschauer in der Weise aufzustacheln, jeden mit dem Ehrgeize zu erfüllen, doch einmal den Triumph zu haben, etwas zu sehen. Dieses Raffinement ist sicher nicht weniger wollüstig in seinem Ziele, wie jenes, das darauf hinausging, selbst beim delikatesten Pas die erotische Neugier auf ihre Kosten kommen zu lasten. Als Ludwig XV. alt war, und auch einmal unter Ludwig XVI., wurde zwar angeordnet, daß die Tänzerinnen Beinkleider zu tragen haben, aber daran kehrte man sich nicht, die lorgnonbewaffneten Libertins, die die Theater füllten, wollten auf die Höhepunkte, auf die raffinierte Pointe nicht verzichten. Der Inhalt der meisten Theaterstücke war selbstverständlich durchweg erotisch, auf Privatbühnen wurden sogar direkt pornographische Stücke aufgeführt, naturgetreue Darstellungen von erotischen Orgien. Die Sprache des 18. Jahrhunderts war gesättigt von Erotik, sie strotzte von galanten Anspielungen und Zoten. In den Kreisen der Roués goutierte man die stete Benutzung direkt anstößiger, pornographischer Worte. Von der galanten Madame de Saint-Julien wird gemeldet, daß sie bei Tisch in der Unterhaltung mit galanten Abbés die schmutzigsten Worte liebte, und daß ihr hübscher Mund die Schweinereien so pikant auszusprechen wußte, »daß alle Männer ganz verrückt darob wurden«. Alles geistige Genießen war mit erotischen Gegenständen durchflossen, selbst in wissenschaftliche Gespräche, theologische Diskussionen spielte das Erotische hinein. In der Unterhaltungsliteratur dominierte ausschließlich das Erotische. Keine Zeit hat so viel erotische Romane und Schilderungen jeder Art hervorgebracht wie das 18. Jahrhundert. Alle berühmten Autoren, Lafontaine, Voltaire, Rousseau, Diderot, Crebillon fils, Piron usw. » aimaient le c… avec fureur«, heißt es in dem pornographisch-satirischen Gedichte Le Petit fils d'Hercule. Von der Poesie kann man sagen, daß sie fast nur erotisch war und sehr häufig bis zur phallischen Deutlichkeit ging. Die antireligiöse Literatur trug durchweg einen erotischen Charakter, ebenso die antiroyalistische Literatur. Die zu keiner Zeit so reiche Skandal- und Klatschliteratur bestand zum größten Teil im Wühlen und Breittreten pikanter Boudoirgeheimnisse. Das ständige Thema war: » Que la vertu des dames ressemble fort aux rideaux des théâtres; car leurs joupons se lèvent chaque soir plutôt trois fois qu'une.«

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214. Frère Luce. Galant-satirische Illustration zu der gleichnamigen Erzählung von Lafontaine

Le plaisir sur tout – dieser Wahlspruch führte naturgemäß zur taumelnden Orgie, bei der alles Natürliche ausschied und nur das Wahnwitzige goutiert wurde. Marquis de Sades empörende Werke wurden erlebt, bevor sie geschrieben wurden. Eine Spezialität der Zeit war, in Gesellschaft von mehreren die Freuden der Wollust zu genießen. Man bildete sogenannte bandes joyeuses zu gemeinsamer, potenzierter Ausschweifung. Einer solchen bande joyeuse gehörten nach den Polizeiakten an: der Herzog von Fronsac, die Herren Coigny, de Laveaupollière, de Vandreuil und de Persennat. In diesen Kreisen war es eine Zeitlang Mode, bei den galanten Soupers die Maitressen unter sich zu tauschen. Wer sich gegen diesen Brauch sträubte, wurde darüber belehrt, daß dies eines Homme supérieur unwürdig wäre. Von besonders vornehmem Geschmacke zeugte, wenn ein Homme superiéur bei den gemeinsamen Soupers, die er seinen Gästen gab, seine Maitresse nackt teilnehmen ließ, oder nur von durchsichtigem Mousseline umhaucht. War der damalige »Übermensch« aber ein ganz erhabener Geist, so gab er seine Maitresse den »Phantasien« eines jeden einzelnen seiner Gäste preis. Und viele Damen der vornehmen Gesellschaft waren nach den zeitgenössischen Berichten ganz vernarrt in solche Scherze.

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Erotisches Gemälde von Boucher. Im Auftrage Ludwigs XV. für das Boudoir der Marquise von Pompadour gemalt 18. Jahrhundert

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215. Le diable de Papefigufère. Galant-satirische Illustration zu der gleichnamigen Erzählung von Lafontaine Kupferstich von Eisen

Sehr bald kam man bei diesen infamen Ausschweifungen dahin, daß man folgerte: je größer die Gesellschaft, in der man sich in Ausschweifungen ergeht, um so größer ist die Summe des Genusses für den einzelnen. Das führte zur Gründung zahlreicher geheimer sexueller Klubs. Namen solcher Klubs waren: Ordre de Félicité, Ordre des Aphrodites, La Société des Culottins et de Culottines. In diesen Klubs triumphierte stets das wahllose Taumeln aus einem Arm in den anderen. Und wohl zu beachten: die Frauen waren in der Gründung solcher geheimer Klubs vielfach so eifrig wie die Männer. Die Herzogin von Gesvre war Vorsteherin des Medusenordens; in diesem, erotischen Orgien dienenden Orden fungierten als Mitglieder nur adelige Damen. Von einem anderen derartigen Damenorden ist, wie George Papon in den Polizeiberichten feststellte, ebenfalls die Mitgliederliste erhalten geblieben, und obgleich nur Herzoginnen, Gräfinnen usw. Mitglieder waren, trug der Klub den obszönsten Namen.

Auf alle diese Verworfenheit stand damals nur eine einzige Strafe, freilich eine sehr harte, – die Rache der Natur, die Tausende frühzeitig erschöpfte und ebenso viele, oder beinahe alle, mit den schwersten Geschlechtskrankheiten heimsuchte. Die Syphilis wütete derart, war etwas so Alltägliches, daß man über sie schließlich nur noch als über einen kleinen Anfall auf dem Turnierplatze der Liebe lachte. Die Maitressen wanderten von einem Arm in den anderen, von einem zum anderen trugen sie das galante Geschenk. Die schöne Operntänzerin Bèze beschenkte damit, wie in den Polizeiakten vermerkt ist, die Prinzen von Lambesc und von Guimenée. Die ausschweifenden Männer beschenkten natürlich auch ihre Frauen mit galanten Krankheiten, und diese beglückten damit wieder die galanten Abbés, mit denen sie sich in ihren Boudoirs von der Eintönigkeit der Freuden Hymens erholten. Während der Prinz von Lamballe wenige Monate nach seiner Hochzeit in einem Hotel garni heimlich an den Folgen einer Galanterie mit einer seiner Maitressen behandelt wurde, ließ sich seine jugendlich schöne Gattin, die Fürstin von Lamballe, dieses selbe mal philosophique von dem Herzog von Chartres zum Präsent machen. Sie hatte dem galanten Herzog gestattet, ihr in den momentan unterbrochenen Flitterwochen darin Unterricht zu geben: » quel vaut mieux, le mariage ou l'adultère?«

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216. L'amour à l'Epreuve. Nach einem Gemälde von Boucher. Vor der Bedeckung

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217. L'amour à l'Epreuve. Nach einem Gemälde von Boucher. Nach der Bedeckung

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218. Phallisches Porträt von Voltaire

»Der Stachel an der Rose« witzelte galant die Zeit; nein, es war die ekelhafte Jauche der verwesenden Fäulnis.

 

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Man kann im Zeitalter des Absolutismus keinen Schritt tun, ohne nicht auf Stoffe zu stoßen, über die einem Juvenal die kühnsten Satiren hätten diktieren müssen. Aber das Zeitalter des Absolutismus hat zwar tausend Spötter hervorgebracht, jedoch keinen Juvenal. Man begegnet keiner einzigen wuchtigen politischen Satire in dieser Zeit, und man würde vergeblich nach einer würdigen Brandmarkung der sittlichen Korruption suchen, trotzdem diese sich doch bergehoch vor aller Augen türmte. Erst das Jahr 1789 löste den Zorn und die Verachtung echoweckend aus.

Tausend Spötter besaß das Ancien régime. Aber der Spott war ebenfalls Genußmittel, Paprika, der das Genießen nur pikanter machte. Witz um des Witzes willen wurde gemacht, aber nicht der Moral wegen, die das Gift durch das ausbrennende Gegengift unschädlich macht. Der Spott und das Lachen klangen selbst stets priapisch, die Spötter peitschten den Gott nicht mit ihren Versen, sondern sie flochten ihm mit ihren Liedern leuchtendes, schmückendes Weinlaub um die Stirn. Das gilt in gewissem Sinne selbst von Voltaire. Dichter wie Piron gar, und wie sie sonst heißen, waren durchweg fröhliche Mitzecher:

Approche, embrasse moi, ne fais plus la farouche
L'amour est un plaisir et si juste, et si doux,
Serre moi de tes bras, mets ta langue en ma bouche,
Aussi bien que ton coeur ouvre moi les genoux …

so sang der ganze Chor, und das Echo klang kichernd und kokett zurück:

Colin poussé d'amour folâtre,
Regardait à son aise un jour
Les jambes plus blanches qu'albâtre
De Rose, objet, de son amour.
Tantôt il s'adresse à la gauche,
Tantôt la droite le débauche.
Je ne sais plus, dit il, laquelle regarder;
Une égale beauté fait un combat entr'elles.
Ah! Lui dit Rose, ami, sans plus tarder
Mettez-vous entre d'eux, pour finir leurs querelles.

Piron, der Verfasser dieser Witzrakete, behauptete keck und munter: so denkt jede verständige Frau. Er geht an zwei Damen vorüber, zufällig klingt dabei aus der Unterhaltung das Wort »vielleicht« an sein Ohr. »Das gibt es nicht!« johlt er, »es gibt kein Vielleicht! Mes dames, il n'y a point de peut-être, Toute femme qui a foutu aime à l'être!« Und das war nicht nur Pirons Moralanschauung, sondern aller, die gleich ihm und mit ihm aus vollen Backen lachten. Sie alle fanden das für richtig und gut, denn es war nach ihrem Geschmack: Ouvrez les genoux! Berühmt und von dieser Gesellschaft fetiert war Piron, der lauteste Lacher von allen, weil er Ovids Ars amandi in moderne Rhythmen übersetzt und eine schmutzige Ode an Priapus gedichtet hatte, die in wilder Ausgelassenheit dann gipfelte: » Dans le con gît toute la joie, Mais hors du con point de salut,« und weil er daraus dann weiter gefolgert hatte: » Qu'à Priape on élève un temple.«

Solche Leistungen verhalfen zu kleinen Renten von der Gnade der Madame Pompadour oder aus der Hand irgendeines anderen reichen Gönners, auf daß man nicht zu verhungern brauchte und sorglos sein Glas feurigen Burgunders weiter trinken und dabei zur Freude der Spender weiterhin priapisch johlen konnte. Und so wie Piron trieben es alle. Und daß es so war, war ebenfalls das Verhängnis des Absolutismus, die innere Notwendigkeit der Zeit: sie gebar nicht nur die Liederlichkeit, sie hemmte auch das Entwickeln der Kräfte, die ihr ernstlich Einhalt hätten tun können.

Hat der Spott also auch keine Lichtung in das Dickicht der moralischen Korruption gehauen, eine Lichtung, durch die die höheren Zwecke der Menschheit hätten durchleuchten können, so spielte er im direkten Einzelkampf eine um so größere Rolle. Freilich auch hier nur selten bewußt und ausgesprochen im Dienste des beleidigten Menschenrechtes, sondern fast immer als anonymer Provokateur, Förderer und Schürer jeden Skandals.

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Lawreince: Ach, laß mich doch sehen! Galant-satirischer Kupfer

Der Skandal war, wie an anderer Stelle schon erwähnt wurde, ein Lebenselixier des Ancien régime. Das ist einesteils immer eine Erscheinung kleinlicher Verhältnisse und enger Horizonte, andererseits ist der Skandal untrennbar mit dem Absolutismus verknüpft. Das persönliche Verdienst wird unter einem absolutem Regime im Konkurrenzkampf um die fetten Pfründen ausgeschieden, entscheidend ist nur die Protektion. Die Ungerechtigkeit dieses Zustandes empfinden natürlich stets die Unterlegenen und Neidischen. Ihre Rache kann aber nur darin bestehen, daß sie das Geschehene als Skandal kennzeichnen und es unter die Leute bringen, warum der und der bevorzugt, der und der benachteiligt worden ist. So kleinlich das auf den ersten Blick erscheint, und wie das Kläffen des Köters hinter dem davonrollenden Wagen anmutet, so hatte der Skandal freilich damals doch eine wesentlich höhere Bedeutung als heute. Nur im ideologischen Überbau kamen den Massen die Dinge in ihrem Geschehen zum Bewußtsein, niemals drang man in der Erkenntnis bis zur Tiefe der mächtigen und bestimmenden Unterströmung hinab. Man erklärte die Dinge allgemein aus dem ideologischen Gesichtswinkel, man erkannte nicht, daß der Skandal vom System bedingt war, von ihm täglich neu geboren wurde und nur mit der völligen Überwindung des Systems hätte aufhören können; man erklärte das Skandalöse der Dinge nicht aus der ökonomischen, der historischen Wurzel, sondern aus der größeren oder geringeren Schlechtigkeit der einzelnen Menschen. Diese Anschauung machte aber die Aufdeckung selbst des kleinsten Skandales wesentlich einflußreicher, sogar bei der Gestaltung der umwälzendsten Fragen, als es heute ein noch so großer Skandal gegenüber ganz untergeordneten Dingen ist.

Die Vorherrschaft des Skandals unter dem Ancien Régime hatte aber auch noch außerdem eine in der moralischen Verkommenheit des Zeitalters begründete psychologische Ursache. Die perverse Liederlichkeit findet stets ein wollüstiges Behagen im devoiler des Intimsten, sei es der eigenen oder der fremden Intimität (Bild 226). Es ist der Liederlichkeit eine Wollust, den anderen vor seinen Nebenmenschen nackt zu zeigen, und es ist ihr sogar, wie wir ebenfalls oben schon angeführt haben, häufig ein noch höherer Genuß, die eigene Blöße von den anderen schauen zu lassen. Nichts Pikanteres daher, als diese Dinge in möglichst detaillierter Weise unter die Leute zu bringen. (Vgl. hierüber auch S. 115 u. ff.)

In die sämtlichen Skandalkonzerte blies der Spott mit der lautesten Flöte hinein; häufig gab er das Signal dazu, fast immer aber war es seine Melodie, die am meisten nach- oder mitgepfiffen wurde. Das Erotische stand natürlich an der Spitze, es war der Hauptgegenstand aller Skandale. Nie endenden Stoff für den Skandal gab vor allem das königliche Maitressenregiment, aber da die »Gesellschaft« ja stets ihr möglichstes tat, dem Hof auf allen Gebieten gleichzukommen, so waren auch in ihr hundert Skandale ständig auf der Tagesordnung. Huldigte zwar jeder einzelne selbst der Liederlichkeit und befand sich auch jeder sehr wohl darin, so hinderte das natürlich nicht, über jeden Anfall, den der andere erlitt, zu spotten. Man spottete, wenn es bekannt wurde, daß der andere ein fatales, galantes Geschenk bekommen hat, und vor allem spottete man schadenfreudig, wenn das allen sichere Schicksal des Gehörntwerdens beim Nebenmenschen fällig geworden war. Die Cocuage hat tausend satirische Dokumente gezeitigt. Daß keiner davon verschont bleibt, das fand man immer pikant zu demonstrieren, und darum knüpfen sich an die klingenden Namen der Gesellschaft des Ancien régime ebensoviel satirische Epigramme. Die Frau eines Grafen von Saint-Géran war sehr fromm, aber plötzlich kam zutage, daß sie trotz aller Frömmigkeit der Versuchung erlag, sobald dieselbe in der verführerischen Gestalt eines jungen Abbé nahte, und so sang der satirische Spott:

Saint Géran, la devote,
Sans craindre le démon,
Ouvre souvent sa porte,
Pour faire, ce dit-on – Flon, Flon.

Eine Fürstin von Fürstenberg, ein geborenes Fräulein de Ligny, war zum Dank, daß man sie in die fürstliche Familie aufgenommen hatte, allen männlichen Verwandten ihres Gatten eine nichts versagende Freundin. Dieser allumfassenden Liebe zu Ehren machte der Spott das folgende Epigramm:

Bourgeoise à triple carillon
Qui fais ici de la princesse.
Dis! combien de fois dans ton c…
As-tu mis le sang des altesses?

An Deutlichkeit läßt dieser Spott gewiß nichts zu wünschen übrig, aber er entbehrt ebenfalls jeder sittlichen Tendenz. Dasselbe würde sich ergeben, wenn man an Stelle dieser zwei Spottepigramme fünfzig von den hunderten setzen würde, die sich erhalten haben. Die vielen Spottlieder, die auf das höfische Maitressenregiment entstanden sind, offenbaren in den meisten Fällen denselben Charakter: schadenfrohes, höhnendes Lachen, ohne richtende und strafende Moral. Was entschädigt, ist einzig der geistreiche Witz.

 

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220. Le roman dangereux. Galant-satirischer Kupferstich

Was von der literarischen Satire gilt, und was hier schon durch die wenigen Proben deutlich genug belegt ist, gilt tatsächlich noch viel mehr von ihren gezeichneten Formen. Der gesellschaftlichen Karikatur eignete in der Kennzeichnung der auf den Thron gesetzten Liederlichkeit nicht eine einzige bewundernswerte Tat, dagegen zeichnete sie sich dadurch aus, daß alle ihre Mittel in den Dienst der Liederlichkeit gestellt sind, so daß sie zu einem der wirkungsvollsten und anhaltendsten Stimulansmittel wurde. Im ersten Bande der »Karikatur der europäischen Völker« haben wir gesagt: Die Grenzen der Karikatur verwischen sich im 18. Jahrhundert, Kläger und Richter sind zum Verführer geworden, die grellen Farben sind aus den Pinseln ausgelaugt worden, und auf den Paletten findet man nur noch zartes Blau und noch zarteres Rosa. Das bestätigt nicht nur der Gesamteindruck, sondern auch jede Einzelprüfung.

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221. Vivant Denon: Im Bordell. Die Vorstellung

Gewiß alles, was das reiche Repertoire der Erotik aufzuweisen hat, ist vom Witz notiert worden: die Kupplerin, die das Opfer feilbietet, die Schöne, die auf der Straße durch ihr kokettes Benehmen die Männer an sich lockt, die ungetreue Gattin, die durch galante Scherze den sehnlichst begehrten Moment herbeiführt, in dem ihr der Liebhaber zuflüstert: » Madame, ouvrez les genoux!« Weiter die ganze Stufenleiter der Wollust, alle Arten und Methoden der Verführung – von alledem fehlt absolut nichts. Ebenso wurde alles Raffinement der Kleidung beachtet, alle künstlich herbeigeführten Zufälle, alle galanten Scherze und Spiele, die hier ein elegantes Bein bis hoch über das Knie, dort den schwellenden Busen vollständig sehen lassen, selbst alle Unarten und Laster wurden sorgfältig registriert (Bild 280). Doch das »Aber« bleibt nicht aus, – nicht um zu kennzeichnen, schilderte man das alles, nicht um zu brandmarken, nicht um mit satirischer Peitsche zu züchtigen, sondern um zu verherrlichen. Nicht die verletzenden Dornen wurden der Gesellschaft ins Fleisch getrieben, sondern der Dorn wurde sorgsam entfernt, als Rose ohne Dorn erstrahlte das galante Laster. Nichts auf der Welt ist schöner als das Laster – so lautete das Fazit einer jeden galant-satirischen Darstellung. O ja, der Alte wurde sehr lächerlich gemacht, der seinem jungen sinnlichen Weibchen vergeblich die Nichtigkeit des Calendrier des vieillards darlegt, und auch in den vielen Darstellungen der unzüchtigen Mönche und Nonnen ist der satirische Sinn offenbar, aber der oberste Zweck selbst dieser Bilder war nicht die satirische Moral, sondern die Darstellung des unzüchtigen Vorganges, um wollüstige Gedanken in der Phantasie des Beschauers auszulösen. Deshalb offenbart die unverschleierte Darstellung in diesen Stücken auch nicht kraftvolle Kühnheit der Satire, sondern nur eine beispiellose Skrupellosigkeit in der Wahl der Mittel.

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Feuer im Gasthofe. Englische Karikatur von Thomas Rowlandson. 1791

Die einzelne Prüfung der hier reproduzierten Bilder bestätigt durchweg diese Sätze. Diese Proben zeigen weiter, daß alle Stationen der Wollust, alle ihre Etappen und Möglichkeiten bis hinab zum Infamsten mit dem leise klingenden Lachen überschüttet wurden. Was gibt es Wonnigeres als »zu sehen«? Und wieviel der Möglichkeiten gibt es! Man braucht bloß die Augen offen zu halten, um dem guten Willen die Gelegenheit dazu zu geben. Die galanten Zeichner beweisen es. Da sind in erster Linie die Belustigungen im Freien, bei denen alle Teile sich aufs ausgelassenste gebärden; solches illustrierte man vor allem gerne um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts (Bild 200). Dann gibt es »Unglücksfälle«: auf der Schaukel, auf der Straße und bei allen sonstigen möglichen, aber vor allem unmöglichen Gelegenheiten. Und sie führen alle ohne Ausnahme zu den erhofften Enthüllungen. Wo der Anfall nicht von selbst kommen will, wird dem Glück ein Bein gestellt und hilfreich nachgeholfen, wie der raffinierte Huet zeigt (Bild 81). Als der tierische Magnetismus auf der Tagesordnung zur Diskussion stand, wird seine Wirkung aufs derbste demonstriert, und selbstverständlich kommt die erotische Neugier dabei voll auf ihre Kosten (Bild 223). Häufig ertönt bei einer Damengesellschaft der alarmierende Ruf: »Eine Maus!« Und da die Mäuse sich angeblich mit Vorliebe in den Kleidern der Frauen verstecken, so müssen sofort alle Damen auf Stühle und Kommoden steigen und dort überdies ihre Kleider so hoch als möglich emporraffen, ohne Rücksicht darauf, was den männlichen Blicken dadurch offenbar wird. Das Schauen führt von selbst zum Demonstrieren. Der derbe Bauernbursche hat seine besondere Technik, er weiß, daß bei der Verführung nichts so erfolgreich ist, als wenn man die Unschuld in Verwirrung bringt. Die galante Kunst versteht diese Methode aufs raffinierteste darzustellen: Das Vögelein ist entwischt, aber er hat es bereits wieder eingefangen und birgt es nun unter seinem Hute, den er fest auf seinem Schoße hält. Die unschuldigen Schönen glauben selbstverständlich daran, und sie brennen danach, den Vogel unter dem Hute zu sehen und zu Haschen. Dem Beschauer des Bildes aber verrät ein einziger offener Knopf an der linken Seite der Hose des Burschen, daß es der Vogel »Greif« ist, den die neugierige Unschuld sehen und fangen soll. Das war ein bevorzugtes Lieblingsmotiv der galanten satirischen Kunst des 18. Jahrhunderts, sie hat es in großen wertvollen Kunstblättern, wofür das farbige Blatt von Janinet »L'oiseau privé« (s. Beilage) eine berühmte und köstliche Probe ist, und in zahlreichen kleinen Kupfern variiert (Bild 237). Die Verführung wird natürlich ebenso oft aktiv dargestellt. Wenn die Frau einmal in die Mysterien der Frau Venus eingeweiht ist, darf sie auch selbst den Mut zur Neugier haben. Man promeniert mit dem Geliebten im Garten, wo die stolze Statue des Gartengottes aufgestellt ist, schäkernd hält der Geliebte den Hut vor, sie aber schmollt: » Ah! laisse moi donc voir«! (Bild 219). Von den handgreiflichen Scherzen der Galanterie läßt sich der galant-satirische Griffel keinen einzigen entgehen. Seit gestern ist der sympathische Gast im Haus, und schon in aller Frühe kommt das hübsche Töchterchen, oder vielleicht ist's auch ein Zöfchen, an sein Bett, um sich nach seinem Befinden zu erkunden. Natürlich weiß der Gast sofort, auf was er seinerseits ebenso eingehend seine Neugier erstrecken darf. Boilly sagt: » Honny soit qui mal y pense.« Und daß jedenfalls die handelnden Personen sich nichts Schlechtes dabei denken, dokumentiert der Zeichner durch den zärtlichen Ausdruck, den er ihren Gesichtern verleiht (s. Beilage). Das reichste Kapitel umfaßt, wie schon begründet, die Überraschungen. In allen Situationen wird man überrascht. Hier verrät ein Hut, daß ein liebender Besuch im Haus ist, dort kann die harmloseste Unterhaltung eines Liebespaars nicht darüber hinwegtäuschen, was die Anordnung der Kleider nur zu deutlich verrät; nun für dieses Mal ist die Ehre noch gerettet, freilich nur für dieses Mal. Denn alle Vorsichtsmaßregeln nützen nichts, wenn das Küchlein einmal flügge geworden ist und es sich in den Kopf gesetzt hat, die Werbungen des Liebhabers zu erhören: » Vouz avez la clef … mais il a trouvé la serrure« (Bild 228). Boucher zeigt das gleiche wie Borel, nur bei einer verheirateten Frau. Er führt den Beschauer in das Boudoir einer jungen Frau, die eben das sechste Gebot übertreten hat. Natürlich ist Boucher der letzte, der anklagen will. Er will nur zeigen, wie pikant der derangierte Anblick eines Liebespaares ist, wenn man es in dem Augenblicke überrascht, in dem es sich sorglos von den überstandenen Liebeskämpfen erholt (Bild 216). Der Ehebruch wird in allen seinen Raffinements registriert. Für den depravierten Geist einer Frau ist es das Pikanteste, dieses Vergnügen in Gegenwart des Gatten, direkt an seiner Seite zu genießen, das zeigt Bild 213. Der Keuschheitsgürtel, mit dem der vorsorgende alte Gatte seine hübsche junge Frau versieht (Bild 202), wird natürlich auch nichts nützen, so wenig als früher. Der Maler Le Clerc illustrierte in dem großen Kupferstich » Le Faiseur d'Oreilles« den nicht seltenen Fall von der ausgleichenden Gerechtigkeit: der Gehörnte rächt sich in gleicher Weise, wie sich der schuldige Freund an ihm vergangen hat. Aber hier hat die Sache wirklich eine Moral, nämlich die: wer ist der dümmste der beiden Gehörnten? (Siehe Beilage.)

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222. Karikatur auf eine Auspeitschung von Beaumarchais im Gefängnis

Der eingebildeten Freuden der Liebe ist auch gedacht, » L'agréable illusion« ist das Stichwort dafür; es ist dies sogar ein ziemlich häufiges Thema. Die Wirklichkeit hat der jungen hübschen Dame die Freuden der Liebe noch versagt, und so schenkt sie ihr die entflammte Phantasie im Traume, wenn sie sich, aufgeregt von den verführerischen Huldigungen, die man ihr kurz vorher in Gesellschaft zugeflüstert hat, auf ihrem Lager wälzt (s. Beilage). Aus der grobsinnlichsten Wollust machte Lawreince in » Les deux cages« eines der pikantesten Kunstwerke des 18. Jahrhunderts (Bild 212). Zwei Rokokoschönheiten wollen zu gleicher Zeit einen losen Vogel fangen. Nirgends wie bei mir winkt dir ein so niedliches Gefängnis, – so lockt verführerisch eine jede. Das Locken ist von Erfolg; der begehrte Vogel schlüpft in eines der verführerisch aufgestellten Vogelhäuschen, zum Jubel der Beglückten, zum Schmerze der anderen. Zynischer kann weibliche Lüsternheit nicht symbolisiert werden – aber auch nicht graziöser. Die erotische Pointe der beiden geöffneten und zwischen den gespreizten Beinen der Schönen ausgestellten Vogelhäuschen war damals natürlich selbst dem Dümmsten klar.

Von dieser allgemeinen Verherrlichung macht auch die satirische Behandlung der Prostitution keine Ausnahme. Ein beliebtes Motiv ist, wie eine Kupplerin ihrem besten Kunden un morceau de roi, das ihr eben ins Garn gekommen ist, präsentiert. Aber was die Zeichner daraus machen, ist ein Schaustück, das alle möglichen Vorstellungen auslöst, nur nicht den Ekel vor der immer vorhandenen bodenlosen Gemeinheit eines solchen Handels. Unter dem galanten Pinsel der zeitgenössischen Künstler wird dieser Handel zu der idealsten Sache von der Welt. Ein Beispiel zeigt der anonyme Kupfer (Bild 202), der den Beschauer in den Empfangssalon einer renommierten Kupplerin führt: ihr Lager an weiblicher Ware ist wohlassortiert, sie hat die reichste Auswahl, keine Spezialität, die sie nicht befriedigen könnte. » Que désirez-vous, messieurs?« fragt die Kupplerin galant und läßt die Erste Revue passieren. Die Besucher werden sich nicht beeilen, sondern mit der absoluten Ruhe der Kenner prüfen, fast so peinlich wie bei einem Pferdehandel (vgl. auch Bild 221). Das ist gewiß niederträchtig, das ist infam, – aber du lieber Gott, um die moralische Qualifizierung des Vorganges handelt es sich eben nicht, sondern einzig um den pikanten Reiz der Darstellung einer unzüchtigen Revue. Aber es gibt noch viel zweifelhaftere Dinge, die man künstlerisch anbetet und auf diese Weise propagiert. Bestimmte Laster genossen im 18. Jahrhundert besondere Popularität. Es ist Mittag, schwüler Sommernachmittag. Eine delikate Rokokoschönheit liest an einem abgeschiedenen Plätzchen des Parkes einen neuen Roman, selbstverständlich wimmelt das Buch von Laszivitäten, ihre frühreife Phantasie erhitzt sich, und – nun weiter nichts als für Baudouin ein Vorwurf, ein häßliches Laster pikant darzustellen, das ist » Le Midi« (Bild 80). Dieses Motiv wurde von den Libertins des 18. Jahrhunderts besonders geschätzt, denn es war ja die Entschleierung des Allerintimsten. » Le roman dangereux« behandelt dasselbe Thema (Bild 220).

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223. Galant-satirischer Kupfer auf die Entdeckung des tierischen Magnetismus

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224. Phallisches Porträt des Grafen von Artois (?)

Dem Skatologischen im erotischen Repertoire dieser depravierten Zeit nicht zu begegnen, wäre mehr als seltsam, es fehlte denn auch nicht. Aber auch dies wußte die Kunst zum verführerischen erotischen Stimulansmittel zu modeln. Ein beredtes Beispiel ist dafür das Blatt von Delorme » Nécessité n'a point de loi«, es ist eine Augenweide für jeden »Feinschmecker«. Freilich, diese Nécessité ist derart delikat und graziös dargestellt, daß selbst derjenige, dem für solche Delikatessen »der Sinn« fehlt, die Frage, »ob es etwas Reizenderes überhaupt geben könne«, sich überlegen wird (Bild 208). Daß es sich in diesem Blatt um etwas viel mehr als um eine kecke Harmlosigkeit handelt, wird dem Beschauer von dem Augenblick an augenfällig, in dem ihm der raffinierte Kontrast zwischen dem naiven Ausdruck des Kindergesichtes, das die ganze kindliche Aufmerksamkeit bei dem Geschäft spiegelt, und der jungfräulichen Mannbarkeit der Körperformen, dem vollen runden Busen zum Bewußtsein kommt. Dieser Kontrast ist der Trick, mit dem der Künstler auf die Phantasie wirkte: ein Kind, das gar kein Kind mehr ist, das der Beschauer hier belauscht. (Vgl. auch Bild 205.)

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225. Phallisches Porträt von Rousseau

Das Entscheidende für die Bedeutung aller dieser künstlerischen Dokumente ist natürlich die Art und der Umfang ihrer Verbreitung. Die Bedeutung für die öffentliche Sittlichkeit wächst im gleichen Schritt mit der Verbreitung. Es ist gewiß Tatsache, daß, wie bereits im ersten Teile dieses Buches dargelegt worden ist, Hunderte noch unendlich kühnere erotische Darstellungen als Zeichnungen, Pastelle und Ölgemälde zum Schmucke der verschiedenen Lusthäuser von allen großen und noch mehr von allen kleinen Malern der Zeit gemacht wurden. Aber wenn auch in sämtlichen Petites maisons von Paris die kühnsten erotischen Gemälde zu finden waren, so sind für die öffentliche Sittlichkeit des 18. Jahrhunderts doch diejenigen Werke, die zum Zwecke des Nachschnittes in Kupfer gemalt wurden, von größerer Wichtigkeit, denn sie waren nicht nur für einige hundert Auserwählte, sondern als Augenweide für die große Masse bestimmt. Als solche präsentieren sich ohne Ausnahme die Stücke, die wir hier reproduzierten.

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226. Phallisches Porträt von Mirabeau

Ist das künstlerisch Kühnste an erotischen Darstellungen aber auch in Einzelbesitz gewandert und geblieben, und sind nur ein Teil der tollsten Einfälle in Kupfer gestochen worden, so hat man andererseits für das, was man der Öffentlichkeit vor Augen führte, eine Methode ersonnen, die an Raffinement das denkbar Höchste darstellt. Dieses war die allen erfahrenen Sammlern bekannte Veröffentlichung der Kupfer in zwei Plattenzuständen: »vor der Bedeckung« und »nach der Bedeckung«. Für den Nichtsammler bedarf dieser Trick einer näheren Erklärung.

Die galante Rokokokunst zeigte bei ihrem eifrigen Bemühen, die Frau stets »schon liebend« darzustellen, diese fast immer in der denkbar pikantesten Situation oder Pose: Die Schöne liegt in harmloser Ungeniertheit im Bett, sie läßt vom Wind ihre Kleider emporwirbeln, sie treibt die galantesten Scherze mit einem Liebhaber, sie setzt sich allen Zufällen aus, sie läßt sich beim intimsten Tun beobachten – kurz, die reichen Schätze ihrer intimen Schönheit werden neugierigen Blicken stets auf irgendeine Weise offenbar. Nur über einem wacht immer der glückliche Zufall: den delikatesten Reiz der Frau, das, was der Franzose le bijou, la rareté de la femme nennt, oder was er mit hundert ähnlichen zärtlichen Namen belegt, – diesen Reiz deckt stets verständnisvoll irgendein Gewandstück, ein flatternder Schleier, ein Hemdzipfel, ein verschobenes Kissen oder sonst etwas; gerade darüber, und nur darüber wachte der Zufall. Es ist das die einzige Konzession an das Schamgefühl, die das Gesetz verlangte. Natürlich wurden dadurch die Darstellungen nicht gerade zahmer, sondern im Gegenteil raffinierter in ihrer erotischen Wirkung. Aber gleichwohl: Diese Forderung war vom geschriebenen Gesetze gestellt – nur diese eine Stelle zu zeigen war verboten –, und wenn ihr Genüge getan war, dann durfte das Bild aller Welt unter die Augen kommen. Diese Konzession hat nun die Zeit zum Gegenstand einer raffinierten Spekulation erhoben. Die ganze Komposition, die ganze Darstellung war bei zahlreichen Bildern so angelegt, daß sich alles Interesse gerade auf diesen Punkt konzentrierte, alle Blicke gerade darauf sich unwillkürlich hinlenkten, und hier wurde der Vorhang zugezogen. Aber, und auch hier fehlt nicht das »Aber« – nicht für alle, nur für die Masse. Der Libertin ließ sich damit nicht abspeisen, sein Raffinement verlangte, daß gerade das Intimste vor seinen Blicken entblößt wird, und in der Tat präsentierte sich denn auch das Bild zuerst so, wie er es wünschte. Was die überhitzte Phantasie des Libertins sehen wollte, le bijou, ward zuerst raffiniert mit aller Delikatesse vom Künstler dargestellt – das ist der Zustand der Platte »vor der Bedeckung«. Von diesem Plattenzustand wurden je nachdem dreißig bis fünfzig, auch hundert Drucke für die Kenner und für die Zahlungsfähigen gemacht, denn in diesem Zustande kostete das Bild den drei- bis fünffachen Betrag des normalen Preises; diese Pikanterie mußte bezahlt werden. Waren die Bedürfnisse der Feinschmecker gestillt, dann wurde der Vorhang zugezogen und die Konzession an die offizielle Sittlichkeit durch Überzeichnen mit einem Gewandstück gemacht. Das ist der Zustand des Bildes »nach der Bedeckung«. In diesem Zustand erschien die Hauptauflage des Bildes. Ein Beispiel für diesen Trick, freilich nicht das raffinierteste, zeigt das Bild von Boucher: » L'amour à l'Epreuve« (Bild 216 und 217). Das erste zeigt das Bild in dem Plattenzustande »vor der Bedeckung«, das zweite »nach der Bedeckung«. Es liegt auf der Hand, daß zahlreiche Bilder, die in erster Linie zum Zwecke des Nachstiches gemalt wurden, einzig in der Richtung komponiert worden waren, das Bild in diesen zwei Zuständen herausgeben zu können. Das künstlerische Genie des Rokoko hat denn auch hierin tatsächlich wahre Orgien gefeiert; Dutzende solcher Bilder sind uns bekannt, und es befindet sich darunter eine Reihe der berühmtesten galanten Stiche des 18. Jahrhunderts. Erinnert sei z. B. nur an Fragonards berühmtes Bild » La Gimblette«. Von dem Bilde » Les Nymphes scrupuleuses« von Lawreince (Bild 82) gibt es auch zwei Plattenzustände. Hier ist es die quer über den Leib der rechts stehenden Nymphe gehende Rosengirlande, die nachträglich zum Zwecke der Verdeckung hinzugefügt worden war. Die Drucke vor der Bedeckung sind übrigens auch heute noch das höchste Ziel aller reichen Sammler. –

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227. Die Witwe. Englischer galant-satirischer Kupfer

War das erotische Bild zum Zwecke der Wanddekoration ohne Zweifel das wichtigste Betätigungsgebiet des Erotischen in der Kunst des 18. Jahrhunderts, so war es doch nicht das einzige. Der echte Libertin begnügte sich nicht damit, nur seine Wände und seine Mappen mit lasziven Bildern zu füllen, er wollte das Erotische überall vor und unter den Augen haben. Die nach stetem Anreiz dürstenden Sinne und die nur mit Gedanken der Ausschweifung sich beschäftigende Phantasie kamen daher auf dutzend Einfälle, diesen Empfindungen Ausdruck zu verleihen. So kam man z. B. sehr bald darauf, daß sich zahlreiche Bedarfsartikel des täglichen Lebens in diesem Dienst ausnutzen ließen, und so wurden sie denn auch derart ausgenutzt.

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228. Borel: Galant-satirischer Kupfer

Das 18. Jahrhundert hat z. B. das Schnupfen kultiviert. Hundertmal im Tag wurde die Schnupftabaksdose in die Hand genommen. Eine elegante, eigenartige Schnupftabaksdose zu besitzen, war der Ehrgeiz eines jeden. Der Libertin, der sich seiner Libertinage mit Selbstbewußtsein rühmte, benützte nur Dosen mit erotischen Darstellungen: aufgemalt, eingeschnitten, eingelegt, als Gold- und Silberornamentik, bei den billigeren eingelassene Kupferstiche usw. (Bild 197-199, 206 und 207). Die Dosen der reichen Libertins boten beim Gebrauch häufig noch eine besondere Überraschung: beim Öffnen sah man auf der Innenseite des Deckels, oder unter einem zweiten Deckel, der jäh aufsprang, teils aufgemalte, teils bewegliche Figuren, die sich beim Öffnen bewegten und irgendeine erotische Szene zeigten. Wir haben solche Dosen gesehen, die aus massivem Gold hergestellt waren und allein an Goldwert Tausende repräsentierten. Zum gleichen »Scherzartikel« wurden die Uhren verwendet; und auch hier trifft man häufig ganz kostbare Stücke. (Vgl. auch Bild 210 und 211.)

Ein anderer Gebrauchsgegenstand, der in ähnlicher Weise ausgenutzt wurde, waren die eleganten Stockgriffe der Lebemänner. Die Fläche des Taschentuches nicht zum selben Zwecke zu verwenden, hätte man für unverzeihliche Raumvergeudung gehalten. Raffiniert wurden die großen Westenknöpfe mit lasziven Darstellungen geschmückt. Daß die Westen der Libertins häufig über und über von erotischen Darstellungen in künstlerischen Malereien und Stickereien prangten, ist bereits im ersten Bande der »Karikatur der europäischen Völker« hervorgehoben worden. Ein beliebtes Geschenk für Damen waren Fächer mit erotischen Abbildungen. Wie anzüglich ließ sich hinter einem solchen Fächer mit einer schönen Dame plaudern!

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229. Le Toucher. Englischer galant-satirischer Kupfer

Wenn man sich alle diese Dinge vorstellt, muß man, um zu einer richtigen Beurteilung zu kommen, sich immer und immer wieder vergegenwärtigen, daß die Ausschweifung damals eben kein verschwiegenes Geheimnis war, dessen man sich schämte, wenn es offenbar wurde. Und darum ist auch mit der Anführung dieser Stücke die lange Reihe der erotischen Bedarfsartikel des Ancien Régime noch lange nicht erschöpft. Was bis jetzt aufgeführt ist, sind sozusagen nur die Bedarfsartikel für die erstklassigen Menschen gewesen, diesen reihte sich eine fast ebenso lange Liste solcher Dinge an, die für die Libertins vom Baron abwärts berechnet waren, für die schmalen Börsen. Hier mußte es die Masse einbringen. Der wichtigste Handelsartikel an billiger erotischer Ware waren Lichtbilder, mechanische Ziehbilder, erotische Spielzeuge, erotische Kartenspiele usw. Beim ersten Anblick erscheinen alle diese Dinge durchaus harmlos: eine unschuldsvolle Rokokoschönheit bewundert eine Rose, ein Schäfer und eine Schäferin spielen harmlos im Kreis ihrer Lämmer, ein würdiger Priester segnet sein Beichtkind usw. Die Situation ändert sich jedoch sofort, wenn man die Bilder ans Licht hält oder die Mechanik in Bewegung setzt. An Stelle der Rose erscheint dann Priap der Flurenhüter, dessen »Amtssymbol« von der Schönen staunend und bewundernd betrachtet wird, die Kleider der unschuldsvollen Rokokoschäfer werden durchsichtig, man sieht, daß die keuschen Schäferspiele höchst unzüchtiger Art sind, und der Segen des würdigen Priesters wandelt sich zum unzüchtigen Verbrechen an seinem Beichtkind. In der Form sind die Mehrzahl dieser erotischen Scherzartikel derbe, satirische Verhöhnungen des angeblich unschuldsvollen Landlebens, der Rousseauschen Rückkehr zur Natur, der idyllischen Schäferspiele, der priesterlichen Keuschheit usw. Die Satire könnte nicht kühner und schärfer sein, die ganze Idylle von der Rückkehr zur Natur wurde hier zerpflückt und höhnend in den Boden getreten, aber auch hier würde man absolut falsch schlußfolgern, wollte man in diesen Dingen eine ernste Satire erblicken. Das attische Salz war nur das billige Mittel, den Zweck abwechslungsreicher zu gestalten, und der Zweck war hier wie überall das Erotische in der Darstellung. Und das Resultat? – der Triumph der Liederlichkeit auf der ganzen Linie.

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L'agreable Illusion. Galanter Kupfer. 1785

Es liegt auf der Hand, daß eine solche Zeit auch in die politische Karikatur sehr häufig das Erotische und Skatologische mischte, natürlich um so häufiger, wenn die betreffende politische Persönlichkeit Anknüpfungspunkte in dieser Richtung gab. Freilich absolut nötig war dies nicht, wie das Blatt auf Ludwigs XIV. Weltpolitik zeigt (Bild 203). Hier ist die Nécessité absolut nicht innerlich begründet, sofern man diese Begründung nicht darin finden will, daß es höchst »pikant« ist, Madame Maintenon bei diesem Geschäft zu zeigen. Von Friedrich II. gibt es eine ganze Reihe erotischer Karikaturen. Auf dem Blatt » Le viol de la reine Marie Thérèse«, das sich auf die Eingriffe bezieht, denen der Besitzstand der österreichischen Lande sofort nach der Thronbesteigung Maria Theresias ausgesetzt war, sieht man Friedrich II. im Vordergrund, und zwar als den aktivsten der Angreifer, er will mehr als das Hemd, das einzige Kleidungsstück, das der Kaiserin noch geblieben ist; ihn verlangt außerdem nach der weiblichen Ehre der Ausgeplünderten (Bild 204). Später knüpfte der Haß der politischen Gegner Friedrichs II. mit Vorliebe an dessen angebliche konträre Sexualempfindung an. Eine Karikatur, die unter dem Titel » Embarras de choix« erschien, karikierte Friedrich II., wie er unschlüssig sich überlegt, ob er sich für eine verführerische Schöne entscheiden soll, die auf einem Sofa liegt und ihre sämtlichen Reize seinen Blicken enthüllt, oder für einen danebenstehenden Pagen, der in seiner Weise um des Königs Gunstbezeigungen wirbt. Der Siebenjährige Krieg hat sowohl von Friedrich II. wie von seiner großen Gegnerin Maria Theresia Karikaturen provoziert, die teils derb-erotisch, teils skatologisch die Politik der beiden satirisierten. Das Blatt »Der Wetzstein der Königin von Ungarn« (Bild 243) ist eine Probe hierfür. Dieses zuerst in England erschienene Blatt wurde sowohl in Frankreich wie in Deutschland kopiert. Von Ludwig XIV., Ludwig XV., der Pompadour, sowie sämtlichen berühmten Maitressen erschienen ausnahmslos zahlreiche erotische Karikaturen. Da die Auflagen aber wohl meistens sehr klein waren und gegen jede derartige Karikatur ein eifriger Vernichtungskrieg geführt wurde, so gehören gerade diese Stücke heute zu den allergrößten Seltenheiten. Das Gleiche gilt von den vorrevolutionären Karikaturen auf Ludwig XVI., Marie Antoinette, den Halsbandprozeß usw. (Bild 282-284).

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230. Una cosa rara. Galant-satirischer Kupfer

Deutschland. Das hier in Frage kommende Material, das man beim Erbe des deutschen Absolutismus des 18. Jahrhunderts sichtet, ist überaus dürftig gegenüber den Reichtümern, die der französische Absolutismus hinterlassen hat. Das ist freilich nicht darauf zurückzuführen, daß die den Deutschen angeblich angestammte Ehrbarkeit und Züchtigkeit unsere biederen Vorfahren nicht so tief in den Lasterpfuhl der Liederlichkeit hätte hinabsteigen lassen. Die absolutistische Kultur Deutschlands war wahrlich schlammig genug, um knietief darin zu versinken, aber Deutschland bestand eben, wie bereits im vorigen Kapitel ausgeführt worden ist, von der Mitte des 17. Jahrhunderts an aus nicht viel mehr als einer viermillionenköpfigen Bettlerschar.

Der deutsche Absolutismus war in seinen äußeren Formen eine getreue Kopie des französischen, da er sich aber nicht auf dieselben Grundlagen stützen konnte, so konnte er auch nicht zu denselben Resultaten führen. Frankreich besaß schon eine reich entwickelte steuerkräftige Industrie, Deutschland dagegen war ökonomisch unendlich weit zurück. Wollte man es also im äußeren Gebaren Versailles gleichtun, so führte das von selbst dazu, die Mittel durch offenen Raubbau einzuholen, zur Strauchrittermoral, die zu jedem, der des Weges kam, sagte: »Die Börse oder das Leben!« Und bei jedem Geschäft: »Halbpart!« Bekanntlich machten sich die wenigsten der kleinen und großen deutschen Despoten eine Skrupel daraus, diese Methode geschäftig zu üben; ebenso geschäftig wie sie es in der Ausschweifung dem französischen Hofe gleichzutun strebten. Viele haben dieses edle Ziel denn auch erreicht und sind der französischen Liederlichkeit durchaus ebenbürtig geworden, in der Verschwendung, in der Lasterhaftigkeit und in der öffentlichen Korruption. Alles war ebenso käuflich, und das oberste Gesetz war meistens die Laune der Maitresse du jour. Daß man darin schwer übertreiben kann, beweist jedes Blatt der Geschichte des deutschen Absolutismus mit seinem ebenso empörenden Maitressenregiment, das jeden ernstlichen Fortschritt der Kultur gefährdete und unter dem Tausende und Abertausende von Existenzen in das trostloseste materielle und geistige Elend versanken.

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231. M. Will: Die Gefahren der Schaukel. Galant-satirischer Augsburger Kupfer.

Und auch im moralischen Elend. Die Liederlichkeit des höfischen Maitressenregimentes hat natürlicherweise das Bürgertum nicht unberührt gelassen. Und darum wäre nichts irrtümlicher, als zu glauben, der biedere deutsche Philister hätte durchweg in naiver Unschuld seine Tage dahingelebt. Gewiß bildete sich mit der unaufhaltsam fortschreitenden bürgerlichen Entwicklung langsam ein immer stärker werdender Stamm sittlicher Persönlichkeiten heraus, aber das hinderte nicht, daß die Korruption gleichzeitig alle Schichten der Gesellschaft erfüllte und das private, öffentliche und staatliche Leben auf das entscheidendste beeinflußte. Ein einziges Urteil aus dem Ende des 18. Jahrhunderts, wie man allein Karriere machen kann, mag zur Illustration dienen:

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232. M. Will: Galant-satirischer Kupfer

»Er schleicht unter der Schürze empor und steigt und steigt, bis er nicht mehr kann. So avancieret manch junger Akademiker von Wochenbette zu Wochenbette seiner Patronin. Doch im Ernste, Freund: Der Kandidat muß Empfehlung haben. Bei der hiesigen Lebensart, wo man so viele Freiheit gönnet, um nach dem Vergeltungsrecht auf gleiche Freiheit Ansprüche zu machen, ist es dem Kandidaten gar nicht zu verdenken, daß er sich dieser Empfehlung bei der Dame en Négligé abholt, wenn eine Kanzel, oder eine Stelle an irgendeinem andern Offizin offenstehet.«

Dieser einen zeitgenössischen Stimme über Berlin könnte man mühelos hundert gleich charakteristische über Berlin und ebenso viele über jede beliebige andere Stadt anreihen. Frau Venus stand überall auf dem Markt und hatte überall mitzusprechen, wenn einträgliche Stellen zu vergeben waren.

 

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Die ganze deutsche Rokokokunst, die freilich in den Höfen fast ihre einzigen zahlungsfähigen Auftraggeber hatte, war naturgemäß ebenfalls erotisch, zum mindesten galant. Erotische Gemälde haben mannigfach die Wände der Schlösser und die Boudoirs der fürstlichen Maitressen geziert; sie sind natürlich alle von späteren Geschlechtern beiseite geräumt oder vernichtet worden. Verschiedenes läßt sich jedoch heute noch nachweisen. Die berühmten deutschen Porzellanmanufakturen des Rokoko haben vorwiegend galante Szenen fabriziert, und häufig sogar direkt erotische Gruppen. Im Besitz eines Privatsammlers haben wir verschiedene derartige Stücke gesehen. Unter dieser damals hochentwickelten Kunstindustrie findet man eine Reihe hervorragender Kunstwerke der galanten Kunst; gerade die verschiedenen deutschen Porzellanmanufakturen, wie die in Meißen, in Ludwigsburg, in Nymphenburg, in Berlin usw., haben künstlerisch ganz herrliche Schöpfungen hervorgebracht. Auch für die galante Malerei, die die Wände der Schlösser zu zieren hatte, gilt das vielfach. Aber das Gute ist zum geringsten Teil Eigengewächs, sondern stammte aus dem Auslande. Konnte man sich doch mit dem Gelde, das man dem biederen Untertan abpreßte, das Beste im Auslande kaufen, oder aber auch sich hervorragende Künstler jeder Art von dort verschreiben. Natürlich verschrieb man sich für des geduldigen Untertans Knochenmehl alles mögliche. Die einen verschrieben sich Ballettmeister und schicke Tänzerinnen aus Frankreich und Italien, die anderen berühmte Baumeister und Maler, die dritten alles zusammen: Ballettmeister, Tänzerinnen, Maitressen, Baumeister und Maler. Keine Sammlung der Welt besitzt z. B. ähnliche Prachtstücke der Rokokokunst wie die der Hohenzollern in Sanssouci, aber alles ist französische Ware: Watteau, Laueret, Pesne usw. Der berühmte Pesne malte fast ausschließlich für Friedrich II. und lebte die längste Zeit seines Lebens in Berlin.

Wenn man daher auch noch so sorgfältig zusammenzählt, was in Deutschland an Eigenem entstand, steht das in seiner Summe doch in keinem Vergleich mit dem, was Frankreich auf diesem Gebiete hervorgebracht hat. Und was für uns hier am wichtigsten ist: vor allem lag kein Grund vor, diese Dinge in Kupfer zu stechen. Das hätte nämlich ein kaufkräftiges Publikum vorausgesetzt, und das hatte Deutschland nur in bescheidenem Maße aufzuweisen. Die selbstschöpferischen Rokokokünstler, die malerisch und zeichnerisch für die kaufkräftigen Kreise des Publikums arbeiteten, beschränkten sich darum auf sehr wenige Namen; mit dem Berliner Chodowiecki ist nicht nur der stärkste deutsche Rokokokünstler genannt, sondern zugleich der, dessen Kraft ausreichte, den Hauptbedarf an Kupferstichen zu decken. Es bestätigte sich hier eben wiederum ein fundamentales Gesetz. Und dieses lautete in diesem Fall: Ist sich der Absolutismus im Wesen der Wirkung zwar überall gleich, so sind die äußeren Formen, unter denen diese Wirkung sich manifestiert, doch sehr verschieden, denn sie sind abhängig von dem höheren oder tieferen Kulturniveau der einzelnen Länder, die der Absolutismus als Erbe antritt. Und eben darum war in Deutschland vor allem die populäre galante Kunst plumper als anderswo. Ein sprechender Beweis dafür ist der angesehenste Interpret, den das pikante Spotten des Rokoko in Deutschland gefunden hat, der Hannoveraner Heinrich Ramberg. Er war nur in der Auswahl verfänglicher Stoffe den Franzosen ebenbürtig. Wie abhängig Ramberg, und nicht nur er, sondern die ganze Zeit, von der französischen Galanterie war, zeigt, daß er mit Vorliebe die Contes von Lafontaine illustrierte. Ramberg schwelgte stets in schönen Frauenleibern, in der Darstellung strotzender runder Brüste, und die Pointe, die sich seine Laune mit Vorliebe zur Illustration wählte, war meistens die physische Wirkung eines solchen wollüstigen Anblickes auf den Mann. Seine berühmtesten Kupferstiche in dieser Richtung sind: » Les Lunettes« (Bild 235), » Les Pommes« (Bild 234), und » Les Cerises« (s. Beilage).

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233. Karikatur auf die Macht der Gräfin Lichtenau, die Maitresse Friedrich Wilhelms II. von Preußen

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Heinrich Ramberg: Les Pommes. Galant-satirischer Kupfer

Les Lunettes illustriert eine der kühnsten Erzählungen Lafontaines: Die Einschmuggelung eines verliebten Jünglings in ein Nonnenkloster in einem Nonnenhabit. Die Folgen blieben natürlich nicht aus. Das Werk des Bösen wurde nach einigen Monaten an einer der niedlichen Nonnen offenbar. Die Priorin, eine erfahrene Frau, glaubte nicht, daß hier der Heilige Geist am Werke gewesen war, sondern der Teufel in irdischer Gestalt, und daß deshalb nur eine »örtliche« Untersuchung zur Entdeckung der Ursache führen könne. Darum, und weil sie den Bösen mit eigenen Augen entlarven wollte, bewaffnete sie sich mit einer mächtigen Hornbrille. Der Schelm suchte sich natürlich trotzdem schlau zu drücken, aber der gefährliche Anblick von zwanzig schönen nackten Nönnchen, die harmlos alle Herrlichkeiten schauen ließen, machte alle seine Schlauheit zuschanden, überdies wollte es das Unglück, daß die Wirkung gerade in dem Augenblick sich offenbarte, als die Reihe der Untersuchung an ihn kam:

Touffes de lis, proportions du corps,
Secrets appas, embonpoint et peau fine,
Fermes têtons et semblables ressorts,
Eurent bientôt fait jouer la machine.
Elle échappa, rompit le fil d'un coup,
Comme un coursier qui romproit son licon,
Et sauta droit au nez de la Prieure
Faisant voler les lunettes tout-à-l'heure
Jusqu'au plancher. Il s'en fallut bien peu
Que l'on ne vît tomber la lunettière …

Unter solchen Umständen ist es nicht verwunderlich, wenn das Finale war: Die Priorin ne prit cet accident en jeu.

Die Kühnheit des Lafontaineschen Witzes ist jedenfalls überwältigend. Die Pointe von Les Pommes ist einfacher. Der verführerische Anblick der schönen jungen Frau hat die Sinne des jungen Gärtnerburschen entzündet und ihn den glatten Boden völlig vergessen lassen, auf dem er geht, er gleitet aus und kommt jäh zu Fall. Ebenso jäh wird aber auch offenbar, welchen Eindruck der schöne Busen der jungen Frau auf ihn gemacht hat, und alle Anwesenden sind gebannt, ob des Anblickes, der sich dadurch ihren Blicken zeigt. Die Satire aber ist: die junge Frau weiß zu unterscheiden; das steht deutlich auf ihrem Gesichte geschrieben. Als einer der geschätztesten und von den Sammlern gesuchtesten Kupfer Rambergs, besonders wenn von des Künstlers Hand koloriert, gilt die Illustration zu dem Schwank » Les Cerises«. Dieses berühmteste Blatt von Ramberg ist eine Illustration zu dem gleichnamigen Gedichte von Grecourt, dessen Fabel durch eine ausgezeichnete Übersetzung von Heinse auch in Deutschland populär geworden ist. Der Inhalt der Fabel ist der folgende: Auf dem Gute eines Generals in Pankow bei Berlin blüht eine bäuerliche Wunderblume, an der der liebe Gott alles gar säuberlich und verführerisch gestaltet hat; sie ist dem Gärtnerburschen Peter verlobt. Eines Tages, als der General mit einigen seiner Kneipkumpane, einem Prälaten, Propst und verschiedenen Gutsfreunden, zu Besuch ist, trägt Lischen, so heißt das hübsche Kind, ein Körbchen der schönsten Kirschen für die Tafel ins Schloß. Der Anblick dieser bäuerlichen Venus, deren Reize auch im einfachen Gewande nicht verborgen bleiben, bringt das Blut sämtlicher Gäste alsbald in Wallung: »Die Wollust fließt aus ihr in aller Herren Sinnen.« Selbstverständlich denkt jeder sofort nur an das eine: Die möchtest du bei dir im Bette haben.

Die Herren Wölfe sind bereit schon zum Verschlingen:
Man sieht in ihnen schon sich die Begierden blähn.

Es taucht als erstes der Gedanke auf, diese Schönheit völlig nackt zu sehen, Lisette soll ihre Gewänder ablegen und sich in Mutter Evas Kostüm zur Schau stellen. Die geile Begierde wird mit dem Mantel des Kunstinteresses bekleidet, ein unter den Gästen befindlicher Maler solle sie abmalen; natürlich vor versammelter Mannschaft. Nach einigem heuchlerischen Hin und Wieder siegt dieser feudale Witz, sich als Extratafelfreude den Anblick eines gemeinsam vergewaltigten Mädchens zu machen.

Man trägt Lisetten nun das, was beschlossen, vor.
Ein Donnerschlag fährt ihr ins Ohr.
Sie weint, und sucht, daß sie durch diesen Kerker dringe –
Allein die Arme hängt gefesselt in der Schlinge:
Der heilige Prälat verschloß die Türen schon,
Da Probst und Maler sich bestritten.
Vergebens war ihr Seufzen und ihr Bitten,
Die Wollust stürmete die Tugenden davon.
Der General erbarmt sich nicht der armen Schönen,
Die seine Knie umschlingt, und badet fast in Tränen,
Nichts hilft, und wenn sie sich zu Tode schrie;
Kurz, man entkleidet sie.
Die Bänder alle werden losgebunden –
O was für Schönheit wurde da gefunden!

Ihr abgezogner Hut läßt nun ihr langes Haar
Frei auf die Schultern wallen,
Der Busen läßt die Hülle fallen.
Das nackte Füßchen sucht, was seine Decke war.
Und endlich muß auch noch der Schleier weichen,
Wohin die Scham am letzten flieht,
Den Hymen weg allein mit keuschen Fingern zieht –
Hoch hielt ihn der Prälat zum stolzen Siegeszeichen.

Die allgemeine Geilheit der biederen Gesellschaft steigt schließlich aufs höchste. In diesem Stadium will man die Schöne nicht mehr bloß nackt sehen, sondern auch in möglichst pikanten Stellungen, die sie zwingen, selbst das Intimste den lüsternen Blicken des Einzelnen preiszugeben. Und zwar soll Lisette gezwungen sein, selbst diese Stellungen einzunehmen. Der General weiß, wie das zu machen ist:

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235. Heinrich Ramberg: Les Lunettes. Galant-satirischer Kupfer

Der Teufel hätt' es selbst nicht ärger machen können.
Wem fallen nicht die schlimmen Kirschen ein?
Er läßt sie auf den Boden streun,
Lisette soll sie nun ins Körbchen wieder sammeln,
Sie mag auch noch so süße Bitten stammeln.
Welch eine Marter für ihr Herz!
Für ihre Keuschheit welch ein Schmerz!
Wie kann sie widerstehn? Entblößet vom Gewande
War zur Verteidigung ein Mädchen nie imstande.
Die Tränen helfen nichts; so will's der General,
Sie soll bald da, bald dorthin wandern,
Auflesen eine nach der andern,
Und in das Körbchen tun, und – eine auf einmal.

Jetzt fängt sie an zu tun, was ihr befohlen.
Sie bücket sich, geht vorwärts, hinter sich.
Und rechts und links – und greift nach glüh'nden Kohlen –
Wie Täubchen stehlen, geht sie weiter furchtsamlich.
Zeigt immer, was man kaum mit Liebe
Und mit Beständigkeit erhält.
Was keinem Bräutigam so ganz ins Auge fällt.
Und ewiglich verborgen bliebe.

Enthüllt ist jeder Reiz: da wallen auf der Brust,
Gleich Sonnen, Kugeln, weiß, wie Blüt' auf Pfirsichbäumen –
O wie so frisch daraus der Liebe Knospen keimen!
Unschuldig blickt hervor der Polstern jeder Lust,
Bei dessen Aufgang die Begierden schäumen.

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236. Galant-satirische Darstellung eines russischen Frauenbades

Jeder prahlt bei diesem Schauspiel, was ihm dieser Genuß wert sei. Schließlich bekommt der General aber doch Gewissensbisse, er entläßt die Kleine und sucht sein Gewissen dadurch zu beschwichtigen, daß er nun jeden seiner Gäste zwingt, mit der Summe herauszurücken, die der Betreffende zuvor prahlend genannt hatte; er selbst legt tausend Taler zu, und das Ganze wird Lisette als Schmerzensgeld bestimmt, wodurch sie ihr Peter heiraten kann, – der versöhnende Ausgang.

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Les Cerises. Deutsche Karikatur von Heinrich Ramberg. 1800

Ramberg hat die lüsterne Gier der Zuschauer bei diesem leckeren Schauspiele sehr gut und vor allem sehr kühn dargestellt, freilich ohne jeden ernstlich satirisierenden Hintergrund. So kühn Ramberg bei der Wahl der witzigen Pointen gewesen ist, die er illustrierte, so kommt seine Kunst, wie schon gesagt, den Franzosen an Raffinement doch nicht entfernt gleich. Die Folge davon ist, daß alle seine Bilder, trotz ihrer Kühnheit neben der französischen Erotik ziemlich harmlos wirken. Das Gleiche gilt auch von den anderen galanten Künstlern Deutschlands des 18. Jahrhunderts, z. B. von den Augsburgern Götz und Will; die Bischofsstadt Augsburg war gewissermaßen das Zentrum der galanten Kupferstichkünste Deutschlands im 18. Jahrhundert. Hier wurde teils eigenes an galanter Bildniskunst hergestellt, teils – und zwar dieses noch mehr – die berühmten galanten französischen und englischen Stiche nachgestochen und zwar geschah dies vor allem in Schabmanier. Aber gerade aus den Werken der augsburger Kupferstecher spricht so recht deutlich das künstlerische Defizit Deutschlands, seine damalige künstlerische Unkultur. Das als Beispiel hier wiedergegebene Blatt »Der neugierige Strumpfhändler« von Will ist unbedingt satirisch gedacht, es wendet sich gegen die Eitelkeit der Frauen, die ob der Befriedigung ihrer Eitelkeit alles andere übersehen (Bild 232). Freilich gilt auch hier: man züchtigte die Sinnlichkeit, indem man sich gleichzeitig vor ihr verbeugte und sich pikant ihrer Mittel bediente, um sich den Beifall auch derer zu sichern, die man angriff. Eine respektable, strafende Karikatur war das also nicht. Um dahin zu gelangen, mußte der deutsche Geist freilich erst in freieren Höhen geatmet haben. (Vgl. auch Bild 230, 231 und 236).

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237. Der Vogel »Greif«. Galant-satirische Darstellung auf einem Schnupftabaksdosendeckel


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