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Zwei Tage später, an einem warmen Vormittag, wanderten die Waldweibchen mit ihrem Gefolge auf der schönen Waldstraße von Oberhof nach der Schmücke. Dort sollte Ruhetag gehalten werden – und für einige schien das wirklich an der Zeit. Heute morgen war der Nebel nicht gesunken, vergebens hatten Busch und Baum ihn zu halten versucht – Gestalt um Gestalt löste sich aus den umarmenden Zweigen und schwebte verflatternd empor: jetzt aber einigte sich das lose Spukvolk droben zu Wolken – feine lichte Streifen zogen sich über das heiße Blau, am Horizont dämmte sich's auf und Professor Schering sprach: »Wir haben einen kleinen Glückspilz unter uns, das Gewitter sucht sich den Ruhetag aus und frischt uns für morgen die Luft wieder auf.«
Und da war ja auch schon die Schmücke, das ländliche Haus, oben auf der Höhe, vor dem in weichem Rund sich die Waldwiese dehnte.
»Hurra!« rief Paul, »die Waldweibchen sind da!«
Zwei Fenster des Gasthauses öffneten sich auf diesen Ruf hin. Eins wurde sofort wieder geschlossen, aus dem andern sah ein junges Paar heraus, und da Paul im kecken Uebermut den Strohhut schwenkte, ließ die Dame das Taschentuch wehen.
»Ob die uns kennen?« fragte Ida bedenklich. Alles Neue war Ida bedenklich.
»Wahrscheinlich gehören sie auch zur Familie der Waldgeister,« antwortete Paul ernsthaft, »und freuen sich auf die Verwandten.«
Ida sah halb scheu, halb ärgerlich von denen im Fenster zu Gustel, prüfte Pauls Gesicht und sah noch einmal nach der Schwester.
»Und es ist doch Gustel!« rief sie, lief aber zur Mama und trabte neben dieser weiter.
Auch der Wirt schaute heraus, und als er die große Gesellschaft überzählt hatte, kam er eilfertig vor die Tür.
»Das sind gewiß die Herrschaften aus Eisenach?«
Sie fanden ihre Zimmer bereit, die Koffer angekommen, bestellten sich ein kräftiges Frühstück und fanden sich nach kurzer Frist im Gastzimmer zusammen.
Dort saß auch das junge, winkende Paar, und als Gustel eintrat, machten sich die Eltern eben mit ihm bekannt. Paul stürmte auf die Schwester los. »Er ist auch ein Professor! Aus Jena, wo ich unbedingt einmal studiere, und als die Frau, die aussieht wie ein ganz junges Mädchen, Mama ihre Visitenkarte gab, las ich ›geborne Gesterding‹. Jetzt möcht' ich wissen, ob sie die Schwester der Hermione Gesterding ist, die ich kenne, die Gesellschafterin der schönen Myrrha, weißt du.«
»Du mußt nicht immer sagen: die schöne Myrrha; das klingt gerade, als ob schön oder häßlich sein die Hauptsache beim Menschen wäre.«
»Moralsuse! Ihr sagt auch Schönchen,« – und weg war er.
Die Eltern und der Professor wollten eben den neuen Gefährten, die auch gewillt waren, einen »Ruhegewittertag« auf der Schmücke zu verleben, das junge Volk vorstellen, als der Wirt mit einem Teller voller Briefe hereinkam. »Für die Eisenacher Herrschaften.«
An Professor Schering gab es einen von Mademoiselle Laport: »kurz und erbaulich«, wie er sagte, und einen zweiten von seiner Schwester Klementine, mit dem setzte er sich ins äußerste Fenster.
Doktor Elwers schob seine zehn Stück eilig durcheinander und hob einen empor. »Von Tante Rickwitz.«
An dieser Eile sah Gustel, daß er doch all die Zeit an Gotha und die Tante gedacht hatte; gesprochen worden war nicht wieder von ihr.
Er schnitt den Umschlag auf, schlug das Blatt auseinander und las. Ein Schatten ging über sein Gesicht. »Da,« sagte er zu seiner Frau, »lies! Sie kann nicht vergessen. – Es tut mir leid.«
In dem Brief stand nichts als:
»Lieber Neffe, da ich morgen auch einen Sommerausflug unternehme, würdet ihr vor verschloßne Türen kommen – bemüht euch also nicht. Ich kann nicht allemal dasitzen von zehn zu zehn Jahren, wenn ihr gerade an mich denkt.
Die alte Tante.«
Ehe aber Mama noch recht gelesen hatte, sagte eine Stimme von der Tür her: »Und wenn du jetzt gesagt hättest: Gott sei Dank! oder: die nachträgliche alte Schraube, oder sonst so was Nettes, dann wäre ich augenblicklich wieder abgereist, mitten in das Gewitter hinein.«
Und als sie sich nach der Stimme umwandten, stand dort wirklich und lebendig Tante Rickwitz aus Gotha. Gustel flog mit einem Jubelruf gerade in ihre Arme hinein und während dieser Begrüßung fand der Vater Zeit, sich zu fassen.
Fünf Minuten lang gab's ein buntes Durcheinander von Umarmen, Küssen, Vorstellen, Begucken, Händeschütteln, Kopfschütteln, an dessen Ende Tante Rickwitz, gedeckt durch den ersten Donnerschlag, ihrem Neffen zuflüsterte: »Weißt du was? Törichte Dickköpfe sind wir gewesen, alle beide – so gut konnten wir's nun schon lange haben und ohne das Wettermädchen, die Charlotte, säßen wir heute noch auf dem Isolierschemel.« Da prasselte es nieder, mit einem Schlag zog der Regen einen dichten Vorhang vor die Fenster; Wiese, Wald und Himmelspracht verschwanden und Ida und Frida bedauerten bei jedem neuen Blitz, daß nicht irgend eins sich fürchtete, allein wollten sie doch auch nicht gern ausgelacht werden. Als die Gesellschaft satt war und noch immer draußen Blitz und Donner in majestätischem Wechsel über den Berg hin flammten und hallten, kam Tante Rickwitz ihnen zu Hilfe.
»So! Und nun soll das junge Volk erzählen, wo mir's überall die Wege zu Schanden getrappelt hat; ich muß natürlich mit den Steuern für die Ausbesserei aufkommen als Tante.«
Zu erzählen gab's genug, und im Erzählen vergaß man Blitz und Donner.
»Auf dem Inselsberg waren wir. Weißt du, Tante, ganz oben! Dort geht die Sonne auf und auch wieder unter, und wer schwitzt, kriegt den Schnupfen.«
»Schön, das sind ja ganz besondere Eigenheiten, die unser Thüringer Aussichtsriese mit keinem andern auf der ganzen Welt teilt.«
»Nicht wahr?« fragte Frida treuherzig. »Das ist sehr merkwürdig! und dann haben wir von dort oben dein Haus gesucht, aber nur Paul sah es und sagte, der Schornstein rauche sehr, du bükest Kräpfel für uns.«
»Naschmaul und Schwindelmayer,« lautete die Kritik, die Paul in sein Ränzel packen mußte.
»Ja, und dann gingen wir nach Tabarz hinunter, und durch einen ungeheuren Grund kamen wir auch einmal und fanden Diamanten – wirklich, Tante! noch im Stein drin – nicht in der Brosche – aber der Waldgeist gönnte sie uns nicht, Paul fürchtete es gleich. Ueber Nacht hatte der Waldgeist sie umgetauscht – nun waren nur noch gewöhnliche Kiesel drin.«
»Ja, und dann nahm Papa einen großen Wagen und wir fuhren über Reinhardsbrunn und Friedrichsrode nach Tambach – fein!«
»Das Fahren?«
»Nein – ich meine nur – weil man sich doch da nicht verlaufen kann. Ich habe alle Morgen meine Schuhe ausgeschüttelt und ausgewischt, damit keine Irrwurz drin sein könne, und mich sehr in acht genommen, damit mir der Waldgeist nichts übel nähme, und da ist's auch noch gut abgegangen, sogar gestern, wo wir so weit, weit von Tambach nach Oberhof gelaufen sind und Herr Professor einmal nicht mehr recht wußte, wo hinaus eigentlich der Weg gehe.«
»Was ist denn das für ein Unsinn? Irrwurz und Waldgeist?« – Ida und Frida aber flüsterten gleichzeitig in Tantes rechtes und linkes Ohr die nur halb bezweifelte Geschichte von den in Ruhla schlafenden, mit Waldweibchen vertauschten Backfischen; und danach noch alles übrige »Ungeheure«, was Paul ihnen seither noch kund und zu wissen getan hatte.
»Nein, so was!« rief Tante Rickwitz und schlug die Hände zusammen. »Junge, du hast Phantasie! Aber ich dächte, du spartest sie für passendere Augenblicke auf. Kleine Mädchen zum Aberglauben anzulernen, ist mir 'ne rechte Kunst, wenn auch nur ganz dumme Kinder den Schuh ausschütten, weil ihnen einer das Märchen von der Irrwurz erzählt hat.«
So kriegten beide Parteien ihr Teil. Aber es tat nicht weh, und sie schüttelten es ebensobald wieder ab, wie die Bäume draußen die Tropfen, die ihnen das abziehende Gewitter zum Andenken hinterließ. Die Luft war tüchtig abgekühlt und die Sonne fand sich nicht gleich wieder heraus.
Die Kinder riefen nach ihr, aber die Erwachsenen waren ob ihres Zögerns zufrieden, denn die Aussicht auf einen schönen Morgen ward dadurch um so sicherer.
Langeweile empfand niemand, man erlebte sogar merkwürdig viel.
Nach Tisch war's; die Koffergeschäfte mit Aus- und Einpacken waren besorgt, bis zum Kaffeestündchen, das alles wieder vereinen sollte, hielt jeglicher eine Mittagsruhe nach seinem besonderen Behagen. Lydia und Schönchen schrieben Postkarten heim.
Die meisten aber hielten diese Ruhe im Schweifen und Streifen. Fräulein Lisbeth huschte zuerst hinaus vorn durch die Tür, zunächst bis zu den Bänken, die am Rande der sanftabfallenden waldbegrenzten Wiese standen – dann seitwärts auf dem Oberhofer Wege in den Wald hinein. Kurze Zeit darauf kam Professor Schering aus dem Haus, seiner Schwester Brief in der Hand haltend, steuerte er ohne Zögern auf denselben Weg zu.
Dann kam ein Fischchen nach dem andern zum Vorschein – da und dort hinaus, den Wald auf Wunder durchsuchend. Paul war schon vom Mittagstisch weg verschwunden.
Gustel stand eben vor einer großen Tanne und sah dem Abtröpfen zu, wobei sich unten zwischen den Wurzeln kleine Pfützchen bildeten, zu Rinnsalen wurden, die sich vereinigten und erst langsam, dann schnell und schneller den kleinen Abhang hinabliefen; da kam Professor Schering mit Fräulein Lisbeth zurück, und kaum waren sie ins Haus, so stürmte Paul desselben Wegs daher.
Feucht und atemlos langte er bei der Schwester an, und ohne sich Zeit zum Verschnaufen zu nehmen, keuchte er ihr entgegen: »Du! Professor Schering und Fräulein Lisbeth haben sich verlobt!«
»Himmlisch!« schrie Gustel auf. Gleich darauf sagte sie betrübt: »Es ist ja gar nicht wahr, sie haben sich nicht geführt.«
»Weil es ein Geheimnis sein soll.«
Gustel machte ein mißtrauisches Gesicht. »Und dir hätten sie ihr Geheimnis vertraut?«
»Nein, ich hab' es bloß gehört.«
»Bloß gehört? Pfui!«
»Gar nicht pfui! Nichts kann ich dafür. Ich war in die Borkenhütte gekrochen, du weißt doch, die wir auf dem Herweg sahen – ich wollte mir das Ding mal von innen begucken, und wie ich eben einen ganz neuen Käfer beobachte, kommen sie an. Erst Fräulein Lisbeth und pflückt sich von dem Wacholder vor der Tür einen Strauß, dann der Professor und redet sie an. Na, weißt du, wer denkt denn an so was? Und wie ich merkte, was da vor sich ging, konnte ich nicht mehr davonlaufen, sonst hätte ich sie gestört, und daß es bis Michaelis ein Geheimnis bleiben soll, konnte ich vorweg auch noch nicht wissen! Denn sieh mal, er fing gleich an: ›Fräulein Lisbeth, wollen Sie meine Frau werden und die Herrin der Villa Schering?‹ Drauf sagte sie erst gar nichts und dann ganz leise: ›Ihre Schwester ist die Herrin gewesen seit zehn Jahren‹ – aber der Professor ließ sie nicht ausreden; er sagte ganz flink: ›Wenn dies das einzige Hindernis ist, steht es gut um uns – ich sah dieses Bedenken voraus. Das ist meiner Schwester Brief, die Antwort auf den meinen, der ihr sagte, daß ich mich nach einer Hausfrau sehne. Sie freut sich meiner Wahl und will ihre Freiheit zu einem Studienaufenthalt in England und Frankreich benützen. Sowie wir sie brauchen, ist sie für uns da.‹ Schau, Gustel! So sind nette Schwestern: immer nur da, wenn man sie braucht.«
Gustel lachte und schüttelte über ihr eigenes Lachen den Kopf. »Ich finde es himmlisch. Fräulein Lisbeth ist mein Schwarm und die Villa Schering wird noch viel süßer, wenn sie oben auf dem Thrönchen sitzt. Nur das Geheimnis begreife ich nicht.«
»Je nun, sie wollen in den Michaelisferien heiraten und vorher soll es niemand wissen, und deshalb Gustel – st – st – st!«
»Natürlich, Paul, wir beide schweigen wie zwei Gräber. Zu himmlisch!«
Sie fiel ihm um den Hals, worüber er knurrte wie ein Kettenhund. Dann liefen sie Hand in Hand ins Haus.
Dort saßen die beiden interessanten Menschen mit den Eltern Elwers in der Gaststube und Gustel sah Mama ganz deutlich an, daß sie das große Geheimnis kannte; sie, Gustel, aber machte »ihr dümmstes Gesicht« und ließ sich nichts merken.
Nur Paul hätte sich das eine Mal beinah verschnappt. Am Abend war's, und alle Gäste der Schmücke kamen vom Schneekopf herüber, wo die Sonne »gerade wie auf dem Inselsberg« untergegangen war. – »Denk dir nur, Frida!«
Da wußte er sich zu Professor Scheeles zu gesellen, mit denen man im Lauf dieses Ruhetags »dick intim« geworden war.
»Ich muß Sie etwas fragen, Frau Professorin; etwas zu Merkwürdiges! Und nur weil heute der Tag der Wunder ist, halte ich's für möglich. Erst die sagenhafte Tante aus Gotha – dann die – (da wär's beinah verraten gewesen, aber er verbesserte sich schnell) – »das zweite Wunder, und nun zum dritten hießen Sie früher Gesterding? Nicht wahr?«
»Ja, so hieß ich; Gertrud Gesterding,« antwortete die junge Professorin lachend, »und das ist ein Wunder?«
»Ja. Haben Sie Schwestern?«
»Freilich. Drei Stück. Die älteste ist in Berlin verheiratet, die jüngste zu Haus bei den Eltern und die dritte« – die Frau Professor wurde plötzlich ernst – »ist Gesellschaftsfräulein.«
»Auch in Berlin? Hermione?«
»Hermine! Ja.«
»Dann ist's mein Fräulein Gesterding – mein Schwarm,« setzte er schnell hinzu, »das heißt, ich meine – ich weiß noch nicht genau, ob Fräulein Myrrha Kalkoff oder Fräulein Hermine Gesterding mein Ideal ist.«
Professor Scheele lächelte, aber da Paul Frau Gertrud ansah, konnte ihn das nicht verlegen machen. Frau Gertrud blieb ernst; sie sagte nur: »Das freut mich!« wobei Paul nicht ganz genau wußte, was sie eigentlich freue, und dann fragte sie: »Ist meine Schwester froh? Sieht sie gesund und glücklich aus? O bitte, erzählen Sie mir von ihr, ich habe sie seit meiner Hochzeit nicht gesehen.«
»Das heißt, drei lange Jahre nicht, junger Herr,« fügte der Professor hinzu. »Aber erzählen Sie, erzählen Sie uns.«
Paul hatte das unbehagliche Gefühl, als sei mit dem einen seiner Ideale nicht alles in Ordnung. Aber er erzählte.
»Ich kenne die Familie Kalkoff erst seit dem Frühling, und da unsre Gärten aneinander stoßen, sehen wir uns oft. Ich – ich – gucke auch gern hinüber, ohne daß mich jemand sieht; – wenn – wenn man einen Schwarm hat – nicht wahr?«
»Da macht man es so,« bestätigte ernst Professor Scheele.
Paul atmete erleichtert auf. »Nicht wahr? Nun, ich glaube, lustiger ist Fräulein Myrrha, die lacht und trillert und tanzt auf dem Rasen. Oft sind viele Leute drüben und sie spielen Lawn Tennis oder ein neumodisches Reifenspiel – und jeden Morgen reiten sie zusammen aus, denn sie sind immer zusammen – und manchmal denke ich, sie lieben sich sehr, aber dann ist's auch wieder, als hätten sie etwas gegeneinander. Und vergnügt ist Fräulein Hermione eigentlich nie, immer hoch und herrlich und fein, wie die Ritterdamen in den Balladen, und sehr schön! – Wenn Fräulein Myrrha nicht so übermütig und fürs Lachen wäre, was auch manchmal nett ist, dann zweifelte ich schon lange nicht mehr, welche ich zum Ideal nehmen müßte.«
Frau Gertrud senkte den Kopf und seufzte leise; nach einer kleinen Spanne fragte sie: »Und hat Hermione – wir zu Hause haben sie immer Hermine genannt – nie von ihrer Heimat gesprochen? Erzählt sie von Eltern und Geschwistern? Zeigt sie ein ganz klein wenig Sehnsucht?«
Paul sah starr vor sich hin – er dachte nach; er durchlebte noch einmal alle Begegnungen, die er mit den wundervollen Nachbarinnen gehabt hatte, und schüttelte dann den Kopf. »Möglich ist's schon, daß sie sich sehnt; aber daß Berlin der beste Ort zum angenehmen Leben sei, habe ich ein paarmal von ihr gehört, und so richtig gesprochen hat sie nie von zu Hause und – und ich habe eigentlich gedacht, sie sei eine Waise.«
»Ach, sagte Frau Gertrud traurig, »und wir sind ihrer so viel und haben sie sehr gern. Denken Sie nur, außer uns vier Schwestern gibt es noch vier Brüder. Der älteste ist gar in Indien –«
»Die andern aber sind alle zur Hand; der zweite wird nächstens Assessor.«
»Könnte mir passen!«
»Der dritte ist ein eifriger Landwirt« –
»Eigentlich das Allerschönste!«
»Freilich, denn er geht Papa auf der Pachtung an die Hand. – Und der Kleine – nun das ist eben das Nesthäkchen, was aus dem einmal für ein Menschenperlchen wird, ist noch gar nicht abzusehen. Aber wenn Sie Hermine sehen, dann sagen Sie ihr nur: alles sei gesund und – und – ich, die Traud, lasse sie grüßen – vielleicht – sehnt sie sich doch.«
»Gustel,« sprach Paul, als die Jugend schlafen geschickt wurde, obgleich Papa, Mama, Tante Rickwitz, Scheeles, Fräulein Lisbeth und Professor Schering noch zusammen unten sitzen blieben, »die feiern Verlobung. Und überhaupt war heute einer der merkwürdigsten Tage meines Lebens. Erstens hat mir Tante Rickwitz vorhin gesagt, sie betrachte dich und mich als ihre Paten, mich hätte sie dazu haben wollen und dich hätte sie kriegen sollen, und nun werde sie uns beiden Gevatterin sein. Und zweitens habe ich die merkwürdigsten Aufschlüsse über eines meiner Ideäler erhalten.«
»Jawohl. Erstens hast du gehorcht, und zweitens warst du mächtig keck, und drittens sage ich dir noch einmal, hüte deine Zunge!«
»Gute Nacht, gute Nacht!« riefen Lydia und Wanda oben an der Treppe, und während Gustel hinaufrannte, rief Paul: »Gute Nacht, gute Nacht; die Waldweibchen wollen noch auf der Wiese tanzen.«
»Und es ist doch Unsinn mit den Waldweibchen,« sagte drinnen Frida zu Ida, und drehte sich im Bett auf die andre Seite. »Tante Rickwitz sagt: dumme Phantasie, und was Tante – Rickwitz – sagt –« damit schlief sie ein.