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Michelangelo befand sich unter den Dienern und Hausgenossen vielleicht, von denen erzählt wird, daß sie weinend um Lorenzos Lager standen in den letzten Augenblicken. So vernichtet war er von dem Verluste, daß es lange Zeit bedurfte, ehe er sich zur Arbeit sammeln konnte. Er verließ den Palast und richtete sich im Hause seines Vaters eine Werkstätte ein.
Piero, Lorenzos ältester Sohn, übernahm die Regierung. In ganz Italien aber wurde die Nachricht von dem Tode des großen Medici wie die Kunde eines Unglücks aufgenommen, das jeden einzelnen beträfe, und das Vorgefühl böser Zeiten wuchs an, mit dem man in die Zukunft schaute.
Lorenzo soll von sich gesagt haben, er habe drei Söhne, der erste sei gut, der zweite gescheit, der dritte ein Narr. Der Gute war Giuliano, dreizehnjährig, als sein Vater starb, der Gescheite Giovanni, siebzehn Jahre alt, aber schon Kardinal durch die Gunst des Papstes, dessen Sohn mit einer Tochter Lorenzos verheiratet war, der Narr war Piero. Über ihn sprach Lorenzo mit Besorgnis, wenn er gegen vertraute Freunde seine Meinung äußerte. Sein Auge blickte zu scharf, um die Eigenschaften des Sohnes nicht zu übersehen, dessen geringste Gabe die der Verstellung war.
Piero war jung, hochmütig und ritterlich, kein Medici seinem Geiste nach, sondern ein Orsini, wie Clarice, seine Mutter, und Alfonsina, seine Gemahlin. Es wäre dem Stolze dieser Frauen und ihrer herrschsüchtigen Natur unmöglich gewesen, Piero dei Medici für etwas anderes als den legitimen Fürsten von Florenz anzusehen, und er widerstrebte dem Einflusse nicht, den sie beide auf ihn ausübten. Die Theorie der indirekten Taten und des sich Drängenlassens war seinem ungeübten Geiste nicht geläufig. Voll kühner Wünsche, aufgewachsen im Überflusse wie ein Fürstenkind, dachte er nicht einmal daran, die Gedanken zu verheimlichen, die er hegte. Seine Hochzeit war in Neapel vom Könige gefeiert worden, als gelte es den reichsten Königssohn zu ehren. Auf der Hochzeit des jungen Sforza in Mailand, wohin sein Vater ihn gesandt, war er nicht anders aufgetreten; jetzt, da er die Macht in Händen und die drängenden Umstände und die gewaltigen Orsini hinter sich hatte, blieb nichts übrig, als sich zum Herzoge von Florenz aufzuwerfen.
Gelegenheit dazu zeigte sich alsbald. Mit Lorenzos Verscheiden verschwand die Gewalt, welche bis dahin Neapel und Mailand beruhigend auseinander gehalten und, nach allen Seiten hin in feinster Weise diplomatisch wirkend, den Bruch des Friedens in Italien hinausgeschoben hatte. Wir finden das Gleichnis gebraucht, Florenz mit Lorenzo habe wie ein Felsendamm zwischen zwei stürmischen Meeren gestanden.
Italien war zu jener Zeit ein freies Land und von fremder Politik unabhängig. Venedig mit seinem festgeschlossenen Adel an der Spitze, Neapel unter den Aragonesen, einer Nebenlinie der in Spanien herrschenden Familie, Mailand und Genua unter den Sforza, alles drei tüchtige Gewalten zu Wasser und zu Lande, hielten einander die Waage. Lorenzo beherrschte Mittelitalien; die kleinen Herren der Romagna standen sämtlich in seinem Solde und der Papst mit ihm im besten verwandtschaftlichen Einvernehmen. Aber in Mailand steckte das Unheil. Ludovico Sforza, der Vormund seines Neffen Gian Galeazzo, hatte die Gewalt völlig an sich gerissen. Sein Mündel ließ er geistig und körperlich verkommen, er ruinierte den jungen Fürsten langsam zu Tode. Aber dessen Gemahlin, eine neapolitanische Prinzessin, durchschaute den Verrat und drang in ihren Vater, die unerträgliche Lage mit Gewalt zu ändern. Sforza allein hätte Neapel nicht widerstehen können. Auf Venedigs Freundschaft war kein Verlaß für ihn, Lorenzo vermittelte, solange er lebte, jetzt, nach seinem Tode, war Neapel nicht mehr zurückzuhalten. Das erste was geschah, war die Verbindung Pieros mit dieser Macht und zugleich der Hilferuf Ludovico Sforzas nach Frankreich, wo ein junger, ruhmbegieriger König den Thron bestiegen hatte. Der Tod Innozenz des Achten und die Wahl Alexander Borgias zum Papste vollendeten die Verwirrung, die hereinbrach.
Lange diplomatische Feldzüge gingen voraus, ehe es wirklich zum Kriege kam. Es handelte sich nicht um die Interessen der Nationen, daran kein Gedanke, aber doch auch nicht um die Launen der Fürsten allein. Der hohe Adel Italiens war leidenschaftlich bei diesen Kämpfen beteiligt. Am französischen Hofe wurden die Schlachten der sich begegnenden Intrigen ausgefochten. Frankreich war von den Aragonesen um Neapel beraubt worden. Die vertriebenen französisch gesinnten neapolitanischen Barone, deren Besitzungen die Aragonesen ihren eigenen Anhängern gegeben hatten, ergriffen mit Feuer den Gedanken, siegreich in ihr Vaterland zurückzukehren; die den Borgias feindlichen Kardinäle, voran der Kardinal von San Piero in Vincula, ein Neffe des alten Sixtus, und der Kardinal Ascanio Sforza, Ludovicos Bruder, drängten zum Kriege gegen Alexander den Sechsten; die florentinischen Großen, die den Gewaltstreich Pieros voraussehen, hofften auf Befreiung durch die Franzosen und redeten zu in Lyon, wo das Hoflager sich befand und eine ganze Kolonie florentinischer Häuser sich mit der Zeit gebildet hatte. Sforza lockte mit dem Ruhme und den gerechten Ansprüchen auf das alte legitime Besitztum.
Die Aragonesen dagegen boten einen Vergleich an, Spanien, das seine Verwandten nicht im Stiche lassen wollte, stand ihnen zur Seite; der Papst und Piero dei Medici hielten zu Neapel, und der französische Adel war dem Zuge nach Italien nicht günstig. Venedig stand neutral, allein es konnte gewinnen beim Kriege und redete nicht ab, und diese Meinung, daß etwas zu gewinnen sei, bemächtigte sich allmählich aller Parteien, selbst derer, welche anfangs den Frieden zu erhalten wünschten.
Spanien gewann zuerst und unmittelbar: Frankreich trat dem Könige Ferdinand eine streitige Provinz ab unter der Bedingung, daß er seinen neapolitanischen Vetter ohne Unterstützung ließe. Sforza als Herr von Genua wollte Lucca und Pisa wieder haben nebst dem Übrigen, was dazu gehörte: die Visconti hatten es ehedem besessen, und er nahm es von neuem in Anspruch. Was Piero dei Medici hoffte, ist gesagt. Pisa hoffte frei zu werden. Der Papst hoffte durch seine Allianz mit Neapel den ersten Schritt zur Erreichung der großen Pläne zu tun, die er für sich und seine Söhne hegte; er dachte einmal ganz Italien unter sie zu verteilen. Die Franzosen hofften Neapel zu erobern und dann weiter in einem gewaltigen Kreuzzuge die Türken anzugreifen. Als für einen Kreuzzug machte der König im eigenen Lande die Anleihen, deren er für den Feldzug bedurfte. Die Venezianer hofften von den Küstenstädten des adriatischen Meeres soviel als möglich in ihre Gewalt zu bringen. Im Herbste 1494 stellte sich Karl von Frankreich an die Spitze seiner Ritter und Mietstruppen, mit denen er die Alpen überschritt, während die Flotte mit der Artillerie, der furchtbarsten Waffe der Franzosen, nach Genua unter Segel ging.