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An seine Bauten schließen sich die wenigen Namen der Künstler an, welche als Schüler oder Gehilfen, nun schon die dritte Generation, Michelangelo umgaben und überlebten.
Beim Palast Farnese ging ihm Guglielmo della Porta zur Hand. Michelangelo ließ den Herkules darin aufstellen, der heute als der Farnesische in Neapel steht und dem damals die Beine vom Knie bis an die Knöchel fehlten. Della Porta ersetzte sie. Michelangelo war so zufrieden damit, daß er, als die echten alten Beine dann gefunden wurden, diese beiseite setzen ließ. Goethe sah die Statue noch, bevor sie aus Rom nach Neapel geschafft wurde. Als er sie zuerst gesehen, hatte er gemeint, es sei nichts gegen die Restauration einzuwenden, als dann aber die echten Füße darunter gebracht worden waren, schreibt er, es sei ihm unbegreiflich, wie man die Arbeit della Portas so lange habe gut finden können. Sicherlich erkannte auch Michelangelo den bedeutenden Unterschied, und was er tat beweist, wie große Rücksicht er auf della Porta, vielleicht aus Güte, nahm, denn die Superiorität der antiken Arbeit, der sich heute jeder, ohne beleidigt zu sein, unterordnen würde, war damals nicht so allgemein anerkannt. Von Michelangelo selbst haben wir nur eine einzige Restauration und diese auch nur deshalb ihm zugeschrieben, weil sie kein anderer gemacht haben kann: der rechte Arm des sterbenden Fechters, der, auf den er sich stützt, eine außerordentliche Arbeit. Alle andere Restaurationen, wie deren in Rom verschiedene als von Michelangelo herrührend genannt werden, finde ich, den unvollendeten Arm des Laokoon etwa noch ausgenommen, weder verbürgt noch seiner würdig.
Guglielmo della Porta erscheint als eine eitle und mißtrauische Natur. Weil ihm von Michelangelo bei einer anderen Gelegenheit nicht zugestanden wurde, was er beanspruchte, wandte er ihm, dem er vielen Dank schuldig war, den Rücken. Die Sache betraf die Peterskirche. Der Kardinal Farnese wollte Paul dem Dritten ein Denkmal errichten lassen, das della Porta, der inzwischen nach Sebastian del Piombos Tode auf Michelangelos Verwendung zum Frate del Piombo ernannt worden war, übertragen ward. Das Werk sollte frei dastehen, und zwar unter dem mittleren Bogen der vier Pfeiler, welche die Kuppel tragen, dem besten Platze allerdings in der ganzen Kirche, der einst für Giulios Denkmal bestimmt gewesen war. Diese Stelle aber wollte Michelangelo nicht hergeben, sondern verwies das Monument an die innere Seite eines Pfeilers. Della Porta vergab ihm das nicht. Er behauptete, Neid habe Michelangelo zu dieser Änderung bewogen.
Das Werk selbst, das als eines der vorzüglichsten unter den Grabdenkmälern der Päpste dasteht, zeigt, wie langsam in Rom, trotz des vollständigen Umschwunges in der religiösen Frage und trotz der neuen, auf das Dezente in der Kunst gerichteten Strömung, die veränderte Theorie praktisch durchgeführt wurde. Wir erblicken auf dem Sarkophage eine kolossale Frauengestalt, nackt hingelagert wie eine Venus Tizians und in ihren jugendlichen Formen so gründlich im Widerspruch zu der heiligen Stätte, die sie schmücken soll, daß Aretin hier zum zweiten Male die Verschämtheit heidnischer Bildhauer hätte preisen können. Die Anordnung des Grabmales entspricht denen in der Kapelle von San Lorenzo. Wie dort auch hier zwei Gestalten nach zwei Seiten hin auf den sanft abgleitenden Deckelflächen des Sarkophages liegend, und zwischen ihnen, in einer Nische der Wand dahinter, die sitzende Statue des Papstes. Beide Gestalten sind weiblich. Die eine, eine in alte Gewänder gehüllte Frau, die Mutter des Papstes, die andere, schon genannte, die schöne Giulia Farnese, ich weiß nicht, ob die Schwester Pauls, deren Reizen er freilich genug verdankte, um sie so in ihrer ganzen Summe eines Stückchens Unsterblichkeit teilhaftig werden zu lassen. Das Haupt ist mit vollen, kunstreich aufgesteckten Flechten umwunden. Als Arbeit steht das Werk weit zurück hinter denen Michelangelos. Der Marmor ist glatt und unlebendig, wir denken vor dieser Statue gar nicht daran, daß jede Fläche und Linie der Natur abgesehen sei, als Dekoration aber steht sie sehr hoch. Paul des Dritten Statue ist in Bronze. Auch dieses Grabmal unterlag dem Geschick, mit der Zeit auf die Hälfte reduziert zu werden, denn als es im Laufe des 17. Jahrhunderts seinen jetzigen Platz erhielt, wurden zwei andere Figuren, welche dazu gehörten, fortgelassen und in den Palast Farnese gebracht, wo sie noch stehen. Von ganz besonderer kunsthistorischer Wichtigkeit aber wird es dadurch, daß die hier sichtbare Lagerung der Gestalten derjenigen wahrscheinlich entspricht, welche Michelangelo den Figuren in der Sakristei von San Lorenzo hatte geben wollen.
Michelangelos Nachfolger haben, der Fläche nach, die bedeckt worden ist, umfangreichere Werke geschaffen, als ihm selbst jemals übertragen worden sind. So Vignola, der die Porta del Popolo nach seinen Zeichnungen baute, gleichfalls den St. Peter fortführen half und an der Vollendung des Kapitols tätig war. So Vasari, dem Michelangelo damals in Rom Arbeit schaffte und der in Florenz eine ungemeine Tätigkeit entfaltete. So Ammanati, der den kolossalen Neptun auf die Piazza in Florenz gestellt hat: lauter geschickte Leute in ihrem Fache, die kühn, rasch und mit bedeutender Gesamtwirkung zu schaffen wußten. Der einzige wahre Künstler aber unter denen, welche Michelangelo in diesen Zeiten nahe standen, ist Daniele da Volterra, dessen Kreuzabnahme in Trinita dei Monti als die ausgezeichnetste Komposition zu nennen ist, welche nach dem Jüngsten Gericht in Rom zur Entstehung kam. So vortrefflich erscheint sie, daß die Behauptung, eine Zeichnung Michelangelos bilde die Grundlage des Gemäldes, obgleich sie von Vasari selbst nur als eine Vermutung ausgesprochen wurde, fast wie eine Wahrheit weiter erzählt und ohne weiteres dafür genommen zu werden pflegt. Auch ich muß gestehen, alles würde auf Michelangelos Hand hindeuten, deren hilfreiches Eingreifen in solchen Fällen etwas Gewöhnliches war, bewiesen nicht andere Gemälde Volterras, daß es dieser Hilfe doch nicht bedurft zu haben braucht. Er war ein Künstler ersten Ranges. Die in derselben Kirche der obengenannten gegenüberliegenden Kapelle hat er gleichfalls ausgemalt, einen Kindermord haben wir, dessen Figuren wir dann wiederum auf Michelangelos Rechnung setzen müßten, und es erschiene doch als eine Ungerechtigkeit, der ähnlichen Auffassung und der bedeutenden Kunst wegen, die diese Gemälde auszeichnen, sie demjenigen zu nehmen, der ihr Urheber ist.
Daniele da Volterras Laufbahn gleicht der della Portas. Wie dieser, arbeitete er unter Perin del Vaga, ward durch del Piombo und Michelangelo den Farneses empfohlen und beim Bau des Farnesischen Palastes verwandt. 1547, nach del Vagas Tode kam er durch Michelangelo in den Vatikan. Es waren die Zeiten, wo Michelangelo, wie Goethe oder Humboldt in ihrem Alter, eine ausgebreitete Protektion ausübte, die sich auf alles erstreckte, was arbeiten wollte und Talent besaß. Die ganze Bildung dieser jüngeren Leute beruhte auf Michelangelo. Man machte ihm nicht mehr Opposition, sondern setzte sein Urteil als den Ausschlag gebend stillschweigend voraus, von Anfang an. Er hatte keine Nebenbuhler mehr. Er war der Mann, der überall zu Rate gezogen ward; es gehörte dazu, daß, wo etwas unternommen wurde: Gemälde, Denkmäler, Kirchen oder Paläste, man seine Meinung verlangte. Er sollte nur einen Blick auf die Entwürfe werfen und sagen, daß sie geeignet seien. Und dieser Ruhm nahm in solchem Maße zu, daß, wenn Vasari von Raffael sagte, er sei wie ein Fürst zum Vatikan gegangen mit dem Gefolg all der Künstler, die sich ihm unterordneten, Michelangelo in seinem Alter wie ein Papst dasteht, dessen Segen hinreichte, um die größten Werke entstehen zu lassen. Auch seine Einsilbigkeit, sein Hang zur Einsamkeit, seine melancholische Weltanschauung waren jetzt natürliche Dinge geworden, die man als einen Teil seines seltsamen Wesens nun lange Jahre kannte und respektierte. Das Gemisch von Härte und weichherziger Liebenswürdigkeit verletzte nicht mehr. Man wußte zu gut, daß an die innerste Güte seines Herzens niemals vergebens appelliert wurde. Der Briefwechsel mit seinem Neffen Leonardo zeigt das recht. So streng er sich meistens ausspricht, wahrscheinlich weil er es für notwendig hielt, so kann er sich doch nicht immer überwinden, und das natürliche Wohlwollen bricht durch. Er beschenkt ihn, hat stets ein Auge auf ihn und gedenkt der alten Florentiner Freunde. Daß alles, was er in Rom arbeitete, zuletzt der Familie in Florenz zufiel, verstand sich ja von selber.
Wo Michelangelos Haus in Rom stand, war lange nicht auszumachen. Am Macello dei Corvi wohnte er, das war verbürgt, er unterschreibt einmal ›al Macel‹ und zeichnet einen Raben (corvo) dahinter. Der Macello dei Corvi mit seinen meistens alten Häusern ließ sich wohl auffinden, keines aber paßte auf Michelangelo. Kürzlich erst ist das Rätsel gelöst worden. Ein Kontrakt zwischen Leonardo Buonarroti und Daniele da Volterra hat sich gefunden, in welchem dem letzteren nach Michelangelos Tode das Haus vermietet wird. Hier ist die Lage genau festgestellt, und wir ersehen, daß heute nicht einmal mehr der Boden existiert, wo es gestanden hat. Da, wo das Forum Trajanum wie ein ungeheurer aufgedeckter Keller mit seinem antiken Pflaster, auf dem die Reihen der tief abgebrochenen kolossalen Granitsäulen stehen, eine weite freie Fläche bildet, aus deren Mitte die alles überbietende Säule des Trajan sich erhebt, war bis ins vorige Jahrhundert nur der nächste Raum um diese Säule ausgegraben und der Platz bis an sie heran mit Häusern bedeckt. Neben ihr, nach dem Macello dei Corvi zu, der damals häuserreicher war, gegenüber der damals noch unvollendeten Kirche Santa Maria di Loreto, der später eine hohe Kuppel aufgesetzt worden ist, stand Michelangelos Haus.
Der Beschreibung des Kontraktes entsprechen alte Ansichten, die sich auf Abbildungen römischer Plätze und Straßen aus dem 16. und 17. Jahrhundert erhalten haben. Das Haus war ein Komplex von allerlei Gebäulichkeiten. Ein Turm bildete die Hauptmasse, daran schlossen sich Ställe für die Pferde und zwei kleine Häuser, von denen eines bei Michelangelos Tode der Puzzolangräber Pierluigi Gaita, das andere Aquina, die Witwe des Maurers Antonio, innehatten, beide, wie es scheint, ohne Zins dafür zu zahlen. Ein Garten gehörte dazu, der an die Gärten der Nachbarn stieß; Lorbeerbäume darin, so dichtstehend, daß Daniele da Volterra sie mußte aushauen lassen, weil sie den anderen Bäumen das Licht nahmen.
Den Zustand seiner Haustür nach der Straße hin beschreibt Michelangelo einmal in ein paar humoristischen Versen, denen zufolge die Römer die Erlaubnis, die öffentliche Straße zu jedem Zwecke zu benutzen, hier in besonderem Maße ausgebeutet zu haben scheinen.
In seinem Haushalt ging es sehr einfach zu. Als Faktotum stand sein Diener Urbino da, der verheiratet war und dem Michelangelo allerlei Einträgliches zuwandte. Ein Steinmetz seines Handwerkes, arbeitete er mit an dem Denkmal Giulios in San Pietro in Vincula, über dessen damalige letzte Vollendung noch Briefe und Rechnungen existieren. Neben ihm diente eine Magd. Auch hier haben wir noch die Kontrakte, den z. B. durch den Michelangelo Vincenzia, die Tochter eines Kleinkrämers am Macello dei Corvi, Michele mit Namen, seines Nachbars also, ins Haus erhielt, unter der in Rom damals üblichen Bedingung, sie sollte, wenn sie sich vier Jahr lang untadelhaft geführt, gut ausgestattet verheiratet werden. Michelangelo aß allein zu Mittag und lebte sehr mäßig. Wenn er malte, genügte ihm oft ein wenig Brot und Wein für den langen Tag. Ja, so fleißig war er zuzeiten, daß er diese geringe Speise ohne mit der Arbeit innezuhalten zu sich nahm. Immer aber, so abgeschlossen er sich hielt, hatte er junge Leute im Hause, die er zu fördern suchte. Ascanio Condivi war einer dieser Begünstigten. Dieser erzählt, wie von einem berühmten Arzte jener Zeit, Realdo Colombo, der mit Michelangelo sehr befreundet war, ihm einmal als besondere Seltenheit die Leiche eines jungen Mohren geschenkt worden sei, die in seine, Condivis, abgelegene Wohnung geschafft und dort anatomisch zergliedert ward, wobei ihm Michelangelo viele Geheimnisse gezeigt habe. Anatomie blieb seine Leidenschaft. Auch Tiere jeder Art zerlegte er. Er wollte seine so gewonnenen Ansichten in einem Buche niederlegen, wie da Vinci und Dürer getan, dessen Schriften er kannte, ohne sie sonderlich hoch zu stellen, unterließ es dann aber, weil ihm bei zunehmendem Alter das Schreiben beschwerlich wurde, und auch, weil ihm das Sezieren der Leichen körperlich schlecht bekam.
Das hohe Alter gleicht auch darin der Kindheit, daß es den Menschen zu jedermann leichter in ein Verhältnis treten läßt. Ein Kind sagt jedem guten Tag und bietet den Mund leicht, um sich küssen zu lassen, allein diese Vertraulichkeit bildet keine Verbindungen. Je mehr dann Jahre kommen, um so wichtiger wird, wem man begegnet und wem man sich hingibt; über eine gewisse Grenze hinaus aber beginnt jener erste Zustand wiederzukehren. Ein Greis darf unbefangener auftreten, die Welt knüpft leichter mit ihm an und berücksichtigt seine Launen. Allein es mangelt die Gegenseitigkeit diesen Bedingungen: er nimmt nichts mehr geistig an von denen die ihn umgeben, er bleibt derselbe in seinen Gedanken: es ist ohne Frucht für die Weiterbildung seines Geistes, diejenigen zu kennen, mit denen er verkehrt. Und so bei Michelangelo. Es würde nicht der Mühe lohnen, aufzusparen, wer ihm in diesen letzten Zeiten besonders nahe gestanden. Wir haben eine Reihe Namen: alles Leute, von denen übrigens wenig mehr zu finden ist. Er wurde viel gefragt und hat viel Antworten gegeben, aber es ist fast gleichgültig zu wissen, um was es sich handelte.
Wie nahe Vasari Michelangelo gestanden hat, ist schwer zu bestimmen. Sie wechselten Briefe miteinander, und die Sprache darin ist oft eine vertrauliche. Michelangelo dankt ihm für seine Lebensbeschreibung mit einem schmeichelhaften Sonett, aber es ist kaum anzunehmen, daß er die oft unreine, aufdrängerische und taktlose Natur des Mannes nicht durchschaut und daß er Vasari größere Freundschaft gezeigt habe, als ihr Verkehr notwendig machte. Vasari besaß bei weitem mehr Geschäftsroutine als die anderen jüngeren Künstler damals, arbeitete auch am flüchtigsten. Er war öffentlich stolz darauf, rasch fertig zu werden. Als Architekt steht er noch am vorteilhaftesten da. Er hatte den Blick für die Anforderungen einer bestimmten Lokalität, der Michelangelo so sehr auszeichnete. Er wußte sich, gleich ihm, in technischen Verlegenheiten rasch und überraschend zu helfen. Er dekorierte mit Geschmack und nicht kleinlich. Und selbst sein Fehler, ohne Rücksicht auf Struktur oft mehr absonderlich als schön zu erscheinen, läßt sich auf eine Eigenheit Michelangelos zurückführen, die besonders bei dessen letzten Entwürfen zutage tritt. Das aber sei hier gesagt, daß das bizarre, schnörkelhafte, kolossale Ineinanderbringen aller Formen, das im 17. Jahrhundert in Rom einriß und sich zuletzt als Hauptelement des sogenannten Jesuitenstiles breit machte, mit Michelangelo nichts zu schaffen hat. Was Michelangelo in dieser Beziehung zur Last gelegt wird, beruht auf Unkenntnis. Vieles wird ihm zugeschrieben, das völlig ohne ihn zur Entstehung kam. Die Porta Pia in Rom, bei der seine Zeichnung zugrunde liegt und die aber nach seinem Tode erst vollendet wurde, haben wir nicht die geringste Garantie, daß er sie so gewollt, wie sie dasteht. Die Kuppel des St. Peter muß betrachtet werden, da steckt sein Ruhm. Alles übrige ohne Ausnahme ist entweder unvollendet geblieben, oder, wo es nach seinen Plänen zur Ausführung kam, mit Veränderungen bedacht worden, durch die es aufhört zur Beurteilung Michelangelos als Architekten den richtigen Maßstab zu liefern.
Derjenige, der ihm unter den jungen Leuten, welche sein Haus besuchten, am liebsten war, scheint Tommaso dei Cavalieri gewesen zu sein, dem die Vollendung der kapitolinischen Bauten nach seinem Tode zufiel. Cavalieri war jung, reich, von edler Geburt und großer Schönheit. Er, sagt Vasari, habe alles von Michelangelo erbitten können. Für ihn zeichnete er das Blatt mit den beiden Köpfen der Kleopatra, prachtvolle Gesichter von Römerinnen mit originell gewundenen Haarflechten. Die Blätter sind im Besitz der Uffizien und in photographischer Nachbildung verbreitet. Ferner für ihn den Raub des Ganymed, den ein Adler in die Lüfte hebt, während sein Hirtenhund jämmerlich nachheulend unten zurückbleibt. Giulio Glovio führte das Blatt dann in Miniatur für Cavalieri aus. Die Komposition ist übrigens durchaus als Basrelief gedacht, und wie hinreißend sie so aufgefaßt wirkt, beweist eine moderne Arbeit in der Akademie von San Luca in Rom, von der man mir nicht sagen konnte, wer ihr Urheber sei. Auch eine seltsame figurenreiche Zeichnung, ein Kinderbacchanal, dessen Mitte eine Schar nackter Kinder einnimmt, die einen abgezogenen Eber zu einem Kessel schleppen, unter welchem andere Feuer angezündet haben, erhielt Cavalieri. Dieser junge Römer soll von der besten Erziehung und solcher Anmut gewesen sein, daß Varchi, ein florentinischer Stadtliterat und Hofgelehrte jener Tage, in der Vorlesung, die er in der Florentiner Akademie über eines von Michelangelos Sonetten hielt, ihn aus eigener Erfahrung für den liebenswürdigsten Jüngling erklärt, den er jemals kennengelernt habe. Dann teilt er die Verse mit, die Michelangelo an Cavalieri gerichtet hatte und deren Inhalt die schönste Schmeichelei ist, welche der Jugend vom Alter gemacht werden kann. Durch ihn, sagt er darin, fühle er sich von all der Frische und Glut und Hoffnung neu durchströmt, die ihm vor Zeiten seine eigene Jugend gegeben,
Ich sehe sanftes Licht mit deinen Blicken, Mit meinen eignen Augen bin ich blind, Mit dir im gleichen Schritte wandelnd, sind Leicht mir die Lasten, die mich sonst erdrücken. Von deinen Schwingen mit emporgetragen In deinem Willen ruht allein der meine, So kommt's, daß ich dem Monde gleich erscheine, |
Um dieses Gedicht ganz zu verstehen, müssen wir daran denken, was schon zu Anfang dieses Buches erwähnt worden ist, wie ganz anders der Übergang von den jüngeren zu den reiferen Jahren im Süden sich gestaltet. Der Geist entwickelt sich dort rascher und glänzender. Wie wir bei Plato den jugendlichen Alkibiades als Liebling des Sokrates unter den gereiften Männern sitzen und mit ihnen ernstlich philosophieren sehen, so erblicken wir in Rom damals weltliche und geistliche Fürsten und Edelleute als Knaben beinahe schon in vollem Ansehen. So war Leo der Zehnte, einst fast noch ein Kind, als selbständiger Kardinal dort aufgetreten, so Ippolito später, und jetzt Farnese! so Pico di Mirandula einst und Raffael selbst, blutjung und alles entzückend. Benvenuto Cellini erzählt in seinem Leben, aus dem Jahre 1521, wenn der junge Luigi Pulci nachts improvisierend durch die Straßen von Florenz gegangen sei, hätten alle seinem Gesange gelauscht, besonders Michelangelo und der alte Piloto, der Goldschmied. Dieser leuchtende Glanz früher Blüte muß Cavalieri eigen gewesen sein, und ich möchte noch ein anderes Sonett auf ihn beziehen, das den Inhalt des vorigen weiter ausspinnt.
Eh' alles war, erschuf Gott aus dem Nichts Die Zeit, zerteilte sie und gab dem einen Der Teile Sonnenglanz, ihn zu bescheinen, Dem andern nur den Schein des Mondenlichts. Und Zufall, Schicksal, Glück: mit einem Schlag Bekämpfend meine eigene Natur Und das allein bleibt mir als Tröstung nur: |
Wie schön und befriedigend wieder der Schluß. Die Gedichte Michelangelos, auch wo sie herbe Gedanken ausdrücken, schließen versöhnend ab.
Von Cavalieri hat Michelangelo ein lebensgroßes Porträt gezeichnet, das einzige neben dem Vittoria Colonnas, das er überhaupt gearbeitet haben soll, doch mögen sich wohl noch andere finden.
Einer von denen, welche Michelangelo lange Jahre hindurch am nächsten standen, war Luigi del Riccio, von dem bereits gesprochen worden ist. Dieser Riccio, sein Freund Gianotti, ein verbannter Florentiner, nicht gerade berühmt, aber bekannt durch Schriften aller Art, politischen, philosophischen, poetischen Inhalts, wie damals geschriftstellert zu werden pflegte, und neben ihnen eine Anzahl anderer Männer fanden in Michelangelo ein natürliches Zentrum ihrer geistigen Existenz, während er an ihnen eine verehrungsvolle, andächtige Gemeinde hatte. Für sie sind viele seiner Gedichte geschrieben worden, wie allerlei Bemerkungen andeuten, mit denen versehen er sie Riccio oder Gianotti zu senden pflegte. Der Verkehr von Tag zu Tag tritt da recht ans Licht. Da steht unter einem Sonett oder Madrigale: zum Dank für die geschenkten Früchte, oder: für die Käse, oder: für die gesalzenen Schwämme, oder den Wein, oder auch die Bitte, den Versen die mangelnde Feile nachträglich zu geben. So lautet die Nachschrift eines Sonetts: »Alte Geschichten, gut fürs Feuer, ohne Zeugen zu lesen«, oder eines andern: »Dies für die Bohnen, dies andere für die Oliven, wenn es so viel wert ist«, oder wo das Sonett ein aus der Bildhauerei genommenes Gleichnis ausführt: »Bildhauerarbeit«, oder, hier aber als Zusatz zu einem für Vittoria Colonna gedichteten Madrigale: »Für himmlische Dinge bedarf es himmlischer Farbe« (Delle cose divine se ne parla in campo azurro), weil es auf bläuliches Papier geschrieben war.
Schon im Verkehr mit Sebastian del Piombo sahen wir musikalische Kompositionen der Gedichte Michelangelos erwähnt; auch in diesem Kreise wurden sie in Musik gesetzt, und Guasti hat aus den Florentiner Papieren einige hübsche darauf bezügliche Billette an Riccio publiziert. Jener schon genannte Arcadelt, oder wie er hier heißt: Arcadente, komponierte Michelangelos Gedichte. Ein so in Musik gesetztes Madrigal sehen wir vom Macello dei Corvi nach den Banchi wandern, wo Riccio wohnte, und folgende Zeilen dazu:
»Messer Luigi, mein lieber Herr, die Komposition des Arcadente wird für etwas Vortreffliches angesehen, und da der Komponist nicht so sehr euch, als auch mir, der ich ihm die Bestellung gab, mit seiner Arbeit eine Freude machen wollte, so möchte ich nicht undankbar sein und bitte euch, an ein Geschenk für ihn zu denken: ein Stück Tuch etwa, oder Geld, laßt es mich wissen, es kommt mir nicht darauf an, wieviel es ausmacht. Weiter nichts für heute. Meine Empfehlung an euch und Messer Donato (Gianotti) und an den Himmel und die Erde. Euer Michelangelo zum andern Male.« (Er hatte das dem Blatte beiliegende Sonett nämlich bereits unterzeichnet.) Ein anderer Brief stellt dann das Geschenk genauer fest: Michelangelo hat ein Stück Atlas für einen Wams im Hause, das soll Arcadente empfangen.
Wiederum zwischen Gianotti, Riccio und Michelangelo spielte ein Drama ab, so eigentümlich, daß es nur aus dem Rom jener Tage heraus verständlich erscheint.
Riccio hatte einen jungen Verwandten im Hause, Cechino Bracci, der am 8. Februar 1544 im siebzehnten Lebensjahre plötzlich starb. So ungemessenen Gram ließ sein Verlust zurück, daß dies Gefühl allen denen, die den Jüngling gekannt hatten, als ein kaum zu überwindendes erschien. Für einige Zeit bildete die Verherrlichung seines Andenkens das einzige Thema der Freunde Riccios. Wir besitzen eine ganze Sammlung kurzer Gedichte von Michelangelo, sämtlich Grabschriften für Cechino Bracci, Tag für Tag an Riccio gesandt. Erst hatte er nur fünfzehn versprochen, bis endlich fast fünfzig daraus geworden sind. Er hatte eine Zeichnung des Jünglings gemacht, und Riccio verlangte nun von ihm, er solle ein Denkmal danach arbeiten. Hierauf aber wollte Michelangelo nicht eingehen. Seine ablehnende Antwort ist in einem Sonett enthalten, worin er sagt, das einzige Denkmal könne darin doch nur bestehen, daß sie alle den armen jungen Toten in ihrem Herzen trügen und sich selbst soviel als möglich nach seinem Beispiele zum Idealen umzuformen trachteten.